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Spinoza in Deutschland.
Gekrönte Prelsschrift.
Dr. Max Grunwald.
,Non dico, me optimam invenisse philosophiai
sed veram me mtellJsere scio.*
BERLIN 1897
Verlag von S. Calvary & Co
NW,, Louise nstrasse 31.
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Alle Rechte vorbehalten.
Inhaltsübersicht.
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Abschnitt I: Das Ende des 17. Jahrhunderts.
Seite
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Einleitung^ .
Poirct . . .
Chr. Wittich .
Bayle
Rappolt .
6. Jac. Thomasiüs
7. Musaeus .
8. Spitzel . . .
9. Kortholt . .
I.
2.
3-
4.
5-
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21
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22
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25
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26
S I
26
0. Chr. Thomasiüs
1. Spinozas Freunde
2. Rekker
3. Tschirnhausen
4. Leibniz
5. Matth. Knuzen
6. Stosch .
7. Wächter .
Seite
27
28
29
30
32
39
4'
44
Abschnitt II: Des XVIII. Jahrhunderts 1. Hälfte.
18. Einleitung . . . .
19. Fürstellung 4 neuer
Weltweisen
Dcyling
Mosheim .
Die Zeitschriften
Stolle . . .
20.
21.
22.
23-
24. Köhler . .
25. Kahler .
26. Wolff . .
2j, Lange .
28. Budden
29. Brucker
30. Reimmann .
46
48
48
49
49
51
51
5*
53
54
55
55
55
^ 31. Schudt 56
^32. Hollmann .... 56
^ 33. Arnold 56
}5 34. Die Wolfifianer . .57
S 35. Jac. Wittich . . .58
^ 36. Lau 60
^37. Der Deismus . . .63
}5 38. Fischer . . : . 63
^39. De Jariges . . .65
}5 40. Von WolfF zu Spinoza 66
^ 41. Dippel 67
J^ 42. Edelmann .... 70
^ 43. Der Kampf um* Edel-
mann . . . .7^
Abschnitt III: Des XVIII. Jahrhunderts 2. Hälfte
-1
s
44.
45-
46.
47-
48.
49.
50.
51-
52.
53-
Einleitung . . . 84
Lessing . . . . 86
Jerusalem
Mendelssohn
Der Streit zwischen
Jacobi und Mendels-
sohn
Reimarus d. J. .
Claudius u. W^ieland 103
Hamann . . . .103
Stolberg . . .104
Joh. V. Müller . .104
91
92
97
100
}5 54. Hemsterhuis
S 55- Jean Paul
}5 56. Lavater .
j^ 57. Rehberg .
^58. Garve
}5 59. Platner .
}5 60. Jacobi
jj 61. Lichtenberg
^ 62. Herder
^ 63. Goethe .
5 64. Schiller .
^ 65. W. V. Humboldt
105
105
105
106
107
107
107
109
1 10
117
126
132
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$ 66.
S 67.
S 68.
5 69.
Hölderlin
Kant .
F'essler
Matmon
133
139
141
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70.
72.
73.
Die Kantianer
Bouterwek .
Heydenreich .
Ewald
Selto " •^
• '43
- 144
Abschnitt IV: Des XIX.
s
s
74.
75.
76.
77'
78.
79-
80.
81.
82.
83.
84.
85.
86.
87.
88.
89.
90.
91.
92.
Einleitung
Paulus
Francke .
Tennemann
Fichte
Schlegel .
Rahel .
Solger
Novalis .
Heine .
Auerbach
Lenau
Ruckert .
Schefer .
Immermann
Schleiermacher .
Schleierm. s. Schule
Schelling .
Steffens
48
50
51
52
53
59
63
64
65
66
68
72
74
76
77
78
84
85
204
Jahrhunderts 1. Hälfte.
^ 93. Schellings Schule
94. Die deutschen Ka-
tholiken
95. Baader .
96. Die Baaderianer
97. Krause
5
5 97. ivrause . . . .214
5 98. SpinozaalsPolitiker 2 1 7 j
i
Abschnitt V: Des XDC.
08. Einleitung .
09. Schopenhauer .
10. Hartmann .
1 1. Der Materiaiismus
und Sozialismus .
Fechner
Wündt
Lotze
Hacket
Geiger
Noire
12.
13-
14.
15.
16.
17-
245
247
253
258
262
264
265
268
268
269
99. Hegel . .
100. Hegels Schule
10 1. Hess
102. Orelli
^ 103. Die Zeitschrift für
Philosophie
j5 104. Die Spinoza-
forschung .
^ 105. Herbart.
5 106. Die Herbartianer
^ 107, Trend elenburg
Jahrhunderts 2. Hälfte.
j5 118. Monismus gegen
208
2 I o
2 I 2
213
214
22 I
229
237
23«
239
240
241
243
244
s
S
Materialismus .
20. Czolbe .
2 1 . Ueberweg .
22. Die Spinozakritik
23. Bender .
24. Dieterich
24. Griliparzer .
25. Dahn
26. Nietzsche .
270
272
273
274
275
276
278
279
281
Anmerkungen und Nachträge 284
Beilage: Beiträge zur Spinoza-Bibliographie 3(3[
Namensverzetchnis 371
>
!
Vorwort.
Zur Rechtfertigung eines Vorwortes diene das Folgende.
In No. 22 der „Oesterreich. Wochenschrift" Jhrgg. 1893 fand
sich ein Preisausschreiben, welches die Aufgabe stellte: „Einfluss
Spinozas auf deutsche Denker und Dichter. Die Preisschrift
soll nicht bloss den bereits ausgeübten und noch fortwirkenden
Einfluss Spinoza's auf deutsche Denker und Dichter auf Grund
der eigenen Forschungen des Verfassers nachweisen, sondern
auch die Ansichten von Schriftstellern in den letzten zwei Jahr-
hunderten über diesen Punkt den Lesern mittheilen." Die
Arbeiten sollten „bis längstens 31. Dezember 1894" eingeliefert
werden.
Auf diese Anzeige wurde der Verf. erst nach Wochen auf-
merksam. Ausserdem waren bis gegen Ende 1893 eine zweite
Preisschrift, sowie andere Arbeiten zu erledigen. Es gelang
jedoch, die vorliegende Lösung der Preisfrage zur rechten Zeit
einzureichen.
Die Urteile der Preisrichter, welche, laut einer Anzeige
vom 16. April 1896, die Krönung der Arbeit mit dem Preise
zur Folge hatten, lauteten im wesentlichen wie folgt:
1. Die Arbeit geht „über das Thema der Preisaufgabe weit
hinaus. Sie behandelt nämlicb nicht nur diesen Einfluss (Spinozas),
sondern enthält vielmehr eine vollständige Geschichte des
Spinozismus in Deutschland. Dieser erweiterten Aufgabe ist
der Verfasser mit grossem Eifer und umfassender Sach-
kenntnis nachgekommen. Er ist ein gründlicher Kenner
sowohl der Geschichte der Philosophie, als auch der modernen
Literaturgeschichte und ein Mann von sicherem, selbständigem
und gereiftem Urteil. Mit seltenem und höchst anerkennens-
wertem Fleisse hat er die ganze umfangreiche, auf seinen
Gegenstand bezügliche Literatur in einer Weise durchforscht
i
und benützt, wie sie in derartigen Monographien nicht häufig
angetroffen wird. Der mit Glück erfasste und durchgeführte
Gedanke, die Wandlungen in der Erkenntnis und Auffassung
Spinozas in engem Zusammenhang mit dem Umänderungs-
prozesse der modernen Welt-Anschauung selbst in Verbindung
zu bringen, hebt die Arbeit übe^ das Durchschnittsmass literar-
historischer Leistungen hinaus und gewährt ihr die Bedeutung
eines Beitrages zur modernen Cultur-Geschichte. Mangelhaft
erscheint mir die Untersuchung der Beziehungen Spinozas zur
modernen Rechtslehre und Politik. Dass z. B. Spinozas Ein-
fluss mitgewirkt hat an dem Aufbau der socialistischen
Geschichtsconstruction, die alles Recht aus socialen Macht-
verhältnissen abzuleiten bestrebt ist, findet keine Erwähnung,
trotzdem der Weg von Spinoza über Hegel zu Karl Marx und
seiner Schule klar zu Tage liegt.
Als ein schwerwiegender Fehler aber muss es bezeichnet
werden, dass die Lehre Spinozas als bekannt vorausgesetzt
wird, so dass die Arbeit sofort in medias res geht. . . Wenn
nun der Verfasser sich hie un3 da auch kritisch äussert, so ist
doch ein zusammenhängendes Bild seiner Erkenntnis Spinozas
aus seinen Ausführungen nicht zu erkennen.
Die Sprache der Abhandlmng ist im Allgemeinen klar und
fliessend. . . .
2. Die eingelaufene Arbeit kann unbedenklich als gelungen
und des ausgesetzten Preises würdig erklärt werden. Der
Verfasser hat keine Mühe gescheut, eine kaum übersehbare
Literatur bewältigt, hie und da auch handschriftliche Quellen
aufgespürt und verwertet.
Das weit ausgedehnte Material hat ihn eine reiche philo-
sophische Bildung und eindringendes selbständiges Urteil ver-
arbeiten und zu einem umfassenden, zumeist auch in geschickter
Darstellung ausgeführten Gesamtbilde vereinigen lassen.
Spinozas Einfluss auf das deutsche Geistesleben stand in seinen
Grundzügen zwar seit langer Zeit fest. . . Allein nicht nur für
die frühere Epoche, in der dieser Einfluss sich betätigt hat,
sind wichtige Zeugnisse aufgespürt oder neu beleuchtet worden ;
auch in Betreff jener Denker, deren Beeinflussung durch Spinoza
niemals zweifelhaft war, ist die Art, wie dieser Einfluss sich
geltend machte, wie er sich mit anderen Bildungsfactoren
verflochten, wie er in die Breite und Tiefe des geistigen Lebens
der deutschen Nation gewirkt hat, mit dankenswerter Gründ-
lichkeit erforscht und mit anschaulicher Klarheit dargestellt
worden. Dabei verdient es besondere Anerkennung, dass der
Verfasser neben den Philosophen auch die Dichter, einen Grill-
parzer, Lenau u. s. w. in den Bereich seiner Untersuchung
gezogen hat.
Doch sollen auch die Mängel der im grossen und ganzen
so rühmenswerten Arbeit nicht verschwiegen werden. Es wäre
erwünscht gewesen, wenn der Verfasser der Geschichte des
Spinozismus in Deutschland ein, wenn auch kurzgegefasstes
Bild dieser Lehre selbst vorangeschickt hätte. Er übt an
Spinozas System gelegentliche Kritik, er weist diese oder jene
Auffassung spinozistischer Grundlehren als verfehlt zurück, ohne
doch seine eigene Ansicht von dem wahren Wösen der
spinozistischen Doctrin darzulegen oder zu begründen. Als einen
zweiten Mangel, der mit leichterer Mühe vermieden werden
konnte, möchten wir das Folgende bezeichnen. Das Tatsäch-
liche und die Meinungen über das Tatsächliche werden keines-
wegs überall reinlich geschieden; auch die Folgeordnung, in
der Beides behandelt wird, erscheint mitunter als eine wenig
angemessene . . . Ein anderes, aber ein noch verzeihlicheres
Gebrechen der Arbeit ist es, dass der Verfasser sich, je mehr er dem
Ende der Abhandlung sich nähert, mehr und mehr in's Detail ver-
liert und das Wichtige vom Unwichtigen immer weniger zu
sondern versteht. Dieser Fehler darf wol mit Fug auf Rechnung
der bei einer so umfangreichen und zugleich in bemessener
Frist zu vollendenden Untersuchung kaum vermeidlichen Ueber-
müdung gesetzt werden . . . Durchaus envünscht wäre es,
dass der Verfasser, sobald er an die Drucklegung seiner Arbeit
schreitet, manche Auswüchse seiner in manchen Partien . . allzu
blühenden Darstellung beschneide, auch hie und da ein stilistisches
Versehen, deren Referent sich mehrere angemerkt hat, recht-
zeitig berichtige.
3. Die umfangreiche Abhandlung ist das Ergebniss einer
sehr fleissigen und ausgedehnten Bearbeitung der gestellten Auf-
gabe. Allerdings hat der Verfasser den Einfluss Spinozas vor-
nehmlich für die „Geschichte des modernen Bildungsgedankens",
in*s Auge gefasst. Schon in der Anlage der Arbeit zeigt sich
diese Beschränkung. Der Verfasser legt seiner geschichtlichen
Darstellung und Beurtheilung nicht zu Grunde eine eigene, wenn
auch noch so kurze Darstellung des Spinozismus, seines Gehaltes
und seiner Enstehungsgeschichte, sondern er beginnt sogleich
mit der Geschichte von Spinoza's Einfluss. Der philosophische
Wert der Arbeit ist hiernach eingeschränkt und beeinträchtigt.
Indessen für die Zwecke eines literargeschichtlichen Compendiums
dieses so höchst wichtigen Bildungs-Factors ist die Arbeit von
anerkennenswerthem Nutzen. Der Verfasser hat alle in Betracht
kommenden Nachwirkungen auf diese Quelle hin geprüft und
mit Gründlichkeit und Ausführlichkeit die Belege beigebracht.
Wenn, wie nach der Fassung der Aufgabe vermuthet werden
darf, die Tendenz derselben mehr auf eine literargeschichtliche
Würdigung gerichtet ist, als auf eine selbständige philosophische
Untersuchung und Abschätzung des spinozischen Einflusses
in logisch-kritischer, wie in ethischer Hinsicht, so möchte ich
kein Bedenken tragen, der Arbeit den Preis zuzuerkennen."
Die in diesen Urteilen enthaltenen dankenswerten Winke
hat der Verfasser bei der Drucklegung der Arbeit zu nutzen
sich bemüht, soweit ihr Charakter und ihr Umfang dadurch
nicht wesentliche Aenderungen erlitten. Es ist, abgesehen von
einigen literargeschichtlichen Zusätzen, welche die inzwischen er-
schieneneFachliteratur erforderte, im allgemeinenwenighinzugefügt
worden. Nur dem, mit Uebereinstimmung geäusserten, Wunsche
einer Skizzirung des Spinozismus zu entsprechen, soll an dieser
Stelle, dem Rahmen der ganzen Arbeit gemäss, in möglichst
volkstümlicher Weise versucht werden.
Wer war und was lehrte Spinoza?
Die Antwort auf die erste dieser Fragen kann und wird
wohl auch bis auf weiteres nur ein verlegenes Achselzucken
sein. Auch die jüngsten Spinozabiographien haben die längst
bekannten Daten, wie sie jedes Handbuch aufweist, wenn auch
in manchen Punkten berichtigt, so doch in der Hauptsache kaum
bereichert. Allein jeder Tag kann durch einen glücklichen
Fund in den noch immer überreichen Handschriftenschätzen aus
jener Zeit den Schleier lüften. Lichtet sich doch mehr und
mehr der Hintergrund des Lebens und Wirkens unseres Philo-
sophen, tritt doch seine literarische Persönlichkeit in immer
hellere Beleuchtung. Und je tiefer man ihre Wurzeln blosslegt,
desto gewisser wird der, an einem anderen Ort belegte, Satz:
„Spinozas Lehre ist als unmittelbare Fortsetzung der jüdischen
Religionsphilosophen zu betrachten, mit der Besonderheit allein,
dass, wie er vornehmlich von Descartes und Hobbes, seine Vor-
gänger von Plato, Aristoteles, Plotin, den Arabern, seine Nach-
folger von Leibniz - Wolf, Kant, (Schelling,) Hegel, Schleier-
macher, (Wagner u. a.) ausgehen."
Bestimmter lässt sich die andere Frage beantworten: „Was
lehrt Spinoza? Was ist Spinozismus?" Jedes Wesen, so etwa
sagt Spinoza, hat von Natur den Trieb zur Selbsterhaltung,
das Streben nach Selbstentfaltung. Was dieses Streben hemmt,
nennen wir schlecht, was es fördert, gut. Naturgemäss suchen
wir also das Gute. Aber was ist das Gute? Da das Streben
des einen mit dem des andern nicht immer übereinstimmt, so
ergiebt sich, dass oft für den einen ein Gut ist, was für den
anderen ein Uebel.
Ja oft erscheint uns selbst etwas gut, was wir zu einer
anderen Zeit, an einem anderen Orte verwerfen. Hört doch
jedes Gut von selbst auf, für uns gut zu sein, sobald wir es
verlieren.
Sollte es aber nicht doch ein Gut geben, welches nicht verloren
geht, welches uns beständig als solches erscheint, und welches nicht
Neid und Feindschaft unter die Menschen bringt, indem sie
alle an diesem Gute nicht allein neidlos teilhaben können,
ein Gut, das vielmehr gerade an Wert gewinnt, je grösser die
Zahl seiner Besitzer wird.^
Ein solches Gut in der Aussenwelt, im Bereiche der ver-
gänglichen Dinge suchen, wäre töricht. Gesundheit, äussere
Ehren, Reichtum sind Kinder des Tages. Allein wir bleiben ja
nicht bei den vergänglichen Dingen stehen. Das Vergängliche
weist uns von selbst weiter, höher. Betrachten wir ein solches
Ding, etwa eine planimetrische Figur, ein Dreieck! Aehn-
liehe Figuren gewahren wir auch anderswo, wenn auch diese
Dreiecke verschiedener Grösse, ihre Seiten bald länger, bald
kürzer sind. Allein schon die einfache Erfahrung lehrt uns,
dass mit der Verlängerung bezw. Kürzung der einen Dreiecks-
seite auch eine andere sich verlängert bezw. verkürzt, und dass
hiermit zugleich die Grösse der Winkel sich entsprechend
ändert. Alsbald finden wir aber, dass diese Veränderungen
nach bestimmten Gesetzen sich vollziehen, alsbald finden wir
auch, dass, trotz aller dieser Veränderungen, die Summe
der Winkel in jedem Dreieck sich stets gleich bleibt, == 2 R ist.
Diese Thatsachen, diese Gesetze, die wir von den Einzel-
dingen abstrahirt haben, sind also schon etwas, was nicht,
wie diese, vergänglich ist. Wir erkennen, dass wir nicht erst
aus der Erfahrung, durch das Vermessen einzelner Dreiecke
diese Thatsachen zu erweisen brauchen, dass z. B. jenes Ge-
setz von der Unveränderlichkeit der Winkelsumme für alle nur
irgend vorstellbaren Dreiecke gelten muss, weil es mit Notwendig-
keit aus dem Wesen des Dreiecks selbst folgt, ja, dass dieses
Gesetz tiefer begründet ist in dem Wesen der ebenen Figur,
in dem Wesen der Ebene, der Fläche, der Ausdehnung
überhaupt.
Aber dürfen wir schon hier Halt machen? Ist diese Erkenntnis
schon etwas unumstösslich, für alle Wesen Gewisses? Wer
machte denn alle diese Fortschritte, diese Entdeckungen? Wer
sonst, wenn nicht unser Geist, d. h. etwas, was ja selbst an
6
die Ausdehnung, die es- ergründen will, gefesselt ist, etwas,
was eben alles das verarbeitet, was die Nerven, selbst Gebilde
der Körperlichkeit, der Ausdehnung ihm in der Empfindung
zuführen. Von der Empfindung geht es dann im Bereiche des
Geistes zur Wahrnehmung, zur Vorstellung, entsprechend
dem Vorgange im Nervensystem bezw. den darin wieder-
gegebenen Vorgängen in der Aussenwelt.
Allein schon hier, In diesem geistigen Vorgange, finden
wir doch etwas, von dem äussern Vorgange selbst völlig Ver-
schiedenes. Und nun erst das Denken, dasFormen von Begriffen,
das hat nicht einmal etwas Entsprechendes, Aehnliches in
der Aussenwelt, in der Ausdehnung. Nur das Denken
kennt das Dreieck, die Ausdeh^ng zeigt immer nur ein
Dreieck, immer nur bestimmtes Mass, bestimmte Form.
Und doch, leiten wir aus diesem Begriff des Dreiecks gesetz-
mässige Folgerungen ab, und verfolgen wir diesen Lauf selbst-
ständig, ohne Zuhilfenahme der Erfahrung, der Ausdehnung,
so können wir trotzdem auf jeder Station die Richtigkeit
unserer Rechnung an den Thatsachen der Erfahrung, der
Aussenwelt, prüfen. Der Stern, dessen Erscheinen der Astronom
vorausberechnet, trifft pünktlich zur angezeigten Stunde und
Minute ein. Die Maschine, die nach bestimmten Gesetzen geplant
und gebaut ist, verrichtet pünktlich ihren Dienst, als sei unser
Denken in die Ausdehnung selbst hineingelegt worden.
Das gesetzmässige Experiment bestätigt genau die Hypothese
des Forschers. Bei aller Selbständigkeit und bei dem vollen
Bevvusstsein dieser Selbständigkeit, geht also unser folgerichtiges
Denken einen ähnlichen Weg, wie die Kette von Ursachen
und Wirkungen in der Aussenwelt; mit Parallelen dürfen wir
sie am besten vergleichen. So gänzlich verschieden also auch
Denken und Ausdehnung uns scheinen, so einig sind sie
doch in ihrer Gesetzmässigkeit, in ihrem Gehorsam gegen das
Gesetz von Ursache und Wirkung oder Grund und
Folge, je nachdem wir die physische oder die logische Seite
betonen."
Und sollte diese gleiche Gesetzmässigkeit nicht in
ihrem Wesen begründet sein? Unser Geist ist es ja nur, der
sie trennt, wo sie einander berühren, ja von einander begrifflich,
deutlich gar nicht zu trennen sind, der die Empfindung
willkürlich in einen äusseren und inneren, einen physischen
und geistigen Vorgang zerlegt. Aber ist denn dieses Urteil
schon das richtige? Kann denn der Menschengeist, der schon
da, wo Denken und Ausdehnung sich berühren, seine Schranken
findet und fühlt, der in eben dieser Berührung sein Wesen
erkennt, über diese Berührung, über sich selbst hinaus durch
den ganzen Bereich dieser beiden Komponenten dringen,
um ihr eigenstes Wesen zu durchforschen? Und ist nicht
selbst diese Berührung in unendlichen Variationen denkbar?
Wir kennen nur einen Raum von drei Dimensionen, weil unser
Geist an ein Gebilde dieses Raumes, an das Gehirn, gebunden
ist. Aber ist nicht auch noch ein anderes Denken denkbar, etwa
das Denken von Wesen, die, wie wir auf, so in der Ober-
fläche der Erde sich bewegen?
Und doch, eines erkennen wir klar, eines ist ewig gewiss:
In allen nur möglichen Variationen der Berührung von
Denken und Ausdehnung, in allen nur möglichen Verhältnissen
dieser beiden Beziehungen, wie eines im Menschengeist gegeben
ist, bleibt sich eines stets gleich, wie das Dreieck in allen
den möglichen Dreiecken das Dreieck bleibt; eines bleibt
ewig im Vergänglichen, Wesen und Unbedingtes im Unwesent-
lichen und Bedingten. Dieses Wesen erkennen wir nun aus
der einen Verbindung, die unsere Menschennatur darstellt, so
gut, wie aus dem einem Dreieck das Wesen des Dreiecks, und
dieses Wesen nennen wir das Naturgesetz, insofern unter
Natur alles Denkbare und alles Denken, das Geschaffene und
das Seh äffen verslanden wird, das Gesetz, dasdie Welten in ihren
Bahnen, wie das Menschenherz zum Guten leitet. Wir
erkennen es klar, wir fühlen es deutlich, aber jeder Versuch,
sich dieses E ine in Allem vorzustellen, scheitert an dem Zwie-
spalt unserer Menschennatur.
Und woher dieser Zwiespalt? Woher die Menschen-
natur? Nun, sie ist eine Kombination im schaffenden Welt-
geist, — auch so dürfen wir ja das Naturgesetz nennen, da es
den Unterschied zwischen Denken, Geist und Natur, im Sinne
von Ausdehnung, Schöpfung nicht kennt, — wie das eine be-
stimmte Dreieck eine Kombination des Menschengeistes ist. Und
wenn dieser verschiedene Dreiecke und daneben andere ebene
Figuren, ja neben der Planimetrie auch z. B. eine Stereometrie
kennt, warum nicht auch im Weltgeiste noch andere Ver-
bindungen annehmen, alsdie von Denken undAusdehnug? Unser
Denken kennt freilich neben sich nur noch die räumliche
Beziehung, die Ausdehnung, weil das Denken in unserem
Geiste sich mit der Ausdehnung allein verbunden kennt
bezw. sich davon allein als etwas Selbständiges zu scheiden,
zu unterscheiden weiss. Aber selbst in reinster, eigenster
Selbständigkeit gefasst, sind Denken und Ausdehnung doch
nur, ein jedes in seiner Art, unendlich, jedes findet an dem
anderen seine Grenze. Denken ist eben nicht Ausdehnung
8
und Ausdehnung nicht Denken. Nur das Naturgesetz, das
über ihnen steht, kennt keine Grenze, denn wir denken es
eben, indem wir etwas absolut Unendliches und Vollkommenes
denken. Dieses muss natürlich unendlich viele solcher unend-
licher Beziehungen, wie das Denken und Ausdehnung, haben,
oder es muss vielmehr in solchen Beziehungen gedacht werden
können. Denn Sein und Gedachtwerden ist ja für uns ein und
dasselbe, da es ohne das Medium des Geistes kein Sein für
uns giebt. Und der Geist bethätigt sich ja gerade, wie wir
an uns selbst sehen, indem er in uns eine Verbindung von
Denken und Ausdehnung, von Empfindung und Bewegung
erblickt, in der Entdeckung von Unterschieden im wesentlich
Einen. In dieser eigentümlichen Wirksamkeit, in dem Rätsel
des Bewustseins liegt also für uns Menschen im letzten Grunde
der Schlüssel des Weltsystems, — und der Schlüssel kann sich
eben nicht selbst handhaben. Unser Denken müssen wir als
eine gegebene Unbekannte in die Rechnung einsetzen.
Allein, wie das Auge, sich selbst dunkel, doch die fernsten
Nebelmassen am nächtlichen Himmel in Sternenwelten zu zerlegen
vermag, so weiss auch unser Geist, sich selbst ein ewiges Rätsel,
doch scharf und klar bis in die erhabenste Höhe zu dringen. Im
Gebiete der Ausdehnung steigt er von der Gesamtheit der
Einzeldinge zum Universum, zu dem Ewigen, Beharrlichen
im Wechsel der Dinge und von da zu den beiden Prinzipien des
Universums empor: diese sind Ruhe und Bewegung. Als
die innere Einheit dieser beiden erkennen wir wiederum das
Ausgedehntsein. Im Gebiet des Denkens entspricht dem
Universum in der Ausdehnung die Summe der Einzelgeister.
Ihre Einheit, das ihnen allen Gemeinsame ist die Erkenntnis
des Menschen, d. h. des Denkens und der Ausdehnung.
Wie diese nun, jedes in seiner Art, unendlich sind, so ist auch
diese Erkenntnis nicht eine unbeschränkt, absolut unendliche.
Dies ist erst die Erkenntnis des Naturgesetzes, der Einheit
jener beiden Beziehungen. Diese ist, wie ihr Gegenstand,
absolut unendlich. Allein auch diese Erkenntnis ist nicht das
Letzte und Höchste. Denn noch bedarf es, um diese Er-
kenntnis zu definiren, eines höheren Gattungsbegriffes, und
dieser ist das Erkennen überhaupt, das Denken an sich.
Hier, an den Endgliedernder beiden Reihen, die sich durch
das Gebiet des Denkens, sowie der Ausdehnung ziehen, müssen
wir Halt machen, und hier dürfen wir auch mit Genugthuung
stehen bleiben. Denn was wir suchten, haben wir hier, im
letzten Ruhepunkt des Denkens, gefunden: das Unbedingte,
Vollkommenste, das wahre Gut, die Substanz, wie Spinoza sagt,
Gott. In dem Streben nach innerer, tieferer Erkenntnis Gottes
bethätigt sich zugleich der Grundtrieb unseres Seelenlebens,
der Trieb zur Selbsterhaltung am freiesten. Denn der Begriff
Gottes enthält nichts Böses, nichts was jenen Trieb hemmen
könnte.
Und zu dieser Erkenntnis Gottes bietet sich selbst das
winzigste Ding als geeignetes Objekt an. Denn jedes endliche
Ding weist zwar zunächst nur auf andere endliche Dinge, als
auf seine unmittelbaren Ursachen, hin. Allein, wie der eine
Lehrsatz immer nur aus einem anderen folgt, während mittel-
bar und eigentlich der Grundsatz seine Ursache ist, so mögen
wir z. B. bei Gegenständen der Kunst noch so weit zurückgehen,
in der scheinbaren Willkür des Künstlers die kausale Auf-
einanderfolge noch so tief aufdecken, alles ist in Wahrheit doch
nur eine der unendlichen möglichen Kombinationen des Denkens
und Seins bezw. in der Einheit beider, in Gott, in der Natur,
welche wir in dieserHinsicht als die schaffende Natur von der ge-
schaffenen unterscheiden, während sie in Wahrheit nur eines
sind. Je genauer wir daher die Dinge erkennen, je mehr wir
von ihnen wissen, desto tiefer dringen wir natürlich auch in das
Wesen Gottes ein. Wir gewöhnen uns dadurch allmählich,
die Dinge unter dem höchsten Gesichtspunkt, im Spiegel der
Ewigkeit, zu betrachten, und alle Schranken der Sinnlichkeit
fallen vor unserem Geiste, alle bösen Leidenschaften zerstieben
vor diesem Blicke. Wir sehen in ihnen nur die Fesseln, die
uns die Aussen weit schmiedet, wir sind nicht wir in diesen
Banden, während durch die edlen Affekte unser Selbst immer
mehr gefördert wird, unser wahres Ich sich immer freier und
edler herausarbeitet. So können wir uns selbst und zugleich
unsere Mitmenschen nicht mehr und nicht edler lieben, als in-
dem wir ganz und gar in der Liebe zu Gott aufgehen, die mit
der zunehmenden Erkenntnis seines Wesens notwendigerweise
immer stärker und inniger wird. Das Endergebniss des Spinozis-
mus ist also, wie sein Ausgang, sittlich-religiös; Spinoza sucht
das wahre Gut und findet es in Gott
Bei dieser Auffassung der Lehre Spinozas erscheinen viele,
immer wieder und selbst heute noch bis zur Ermüdung oft ge-
hörte, Vorwürfe gegen sein System von selbst als hinfällig, aus
einseitiger Betrachtung hervorgegangen. Vor allem galt und
gilt Spinoza als Atheist. Und er wäre es in der That, wenn
er eine vernünftige Weltursache leugnete. Man könnte nun
hier einfach Göthes Worte anführen (Eckerm. II 289): „Ich
frage nicht, ob dieses höchste Wesen Verstand und Vernunft habe,
sondern ich fühle, es ist der Verstand, es ist die Vernunft selber. '*
10
Allein der Theist verlangt mehr. Er denkt sich seinen Gott
persönlich, selbstbewusst, willenskräftig. Und auch hier ver-
lässt uns Spinoza nicht Das Denken als solches, ohne Inhalt,
ist ja nur eine Abstraktion, die unser Geist vornimmt. Das
Denken ist in Wahrheit in jedem Gedanken ebenso enthalten,
wie die Ausdehnung in jedem Dinge, wie die Ursache in der
Wirkung. Und . wie jeder Gedanke neben seinem Inhalt zu-
gleich sich selbst denkt, ein Akt des Selbstbewusstseins ist, so
ist natürlich das Denken überhaupt nicht ohne Selbstbewusst-
sein denkbar. Gott hat also nicht eine Persönlichkeit, weil
oder wie der Mensch sie hat, sondern der Mensch hat diese
Persönlichkeit, als eine, unter diesen gegebenen Bedingungen
notwendigerweise so geartete, Modifikation der göttlichen Per-
sönlichkeit, wenn wir so sagen dürfen.
Aber, so kann man nun fragen, wenn Gott es ist, was
in unserem Geiste denkt und will, woher dann der Irrtum,
woher die Sünde? Ist damit nicht alle Verantwortlichkeit auf-
gehoben? Giebt es dann noch eine Vorsehung?
Hierauf die Antwort: Unter den unzähligen Kombinationen
in Gott bezw. zwischen Denken, Ausdehnung u. s. f. kennen
wir nur eine Kombination von Denken und Ausdehnung,
den Menschen. Jeder seiner beiden Komponenten hat von Hause
aus das Streben, sich geltend zu machen. Soweit nuh die
Ausdehnung, die Sinnlichkeit, sich auf Kosten des Denkens
in uns geltend macht, so weit reicht unser Irrtum, unsere Sünde,
oder, genauer ausgedrückt, soweit gehören wir nicht uns,
sondern der Aussenwelt, den Dingen, dem, was unserem
Selbstbewusstsein als etwas Fremdes gegenübersteht.
Denn unser Selbstbewusstsein, unser Denken, reagirt natür-
lich auf alle Einwirkungen von aussen auf seine besondere Art und
Weise. Diese Thatsache ist in Wahrheit nicht mehr und nicht
weniger, als etwa ein chemisches Gesetz. Wie ein Atom Mangan in
Verbindung mit einem Atom Sauerstoff das Manganoxydul er-
giebt, so wirkt auch die Aussenwelt in strenger Gesetzmässig-
keit auf das Element ein, welches wir bald Denken, bald Fühlen,
bald Wollen nennen, je nachdem es diese Einwirkungen ordnet,
d. h. unter sich in Beziehungen setzt, oder sie auf sich
selbst, als etwas Passives, oder endlich sich selbst, als etwas
Aktives, auf diese Einwirkungen, auf die Aussenwelt bezieht.
In Wahrheit ist alles dies, — wir bezeichen es mit „Menschen-
seele," — eines und unzertrennlich. Je klarer wir denken,
desto edler fühlen wir, desto freier wollen wir. Und eben
diese Steigerung der Klarheit, des Adels, der Freiheit bis zur
11
Vollkommenheit, das ist die Reaktion dieses Elementes, der
Seele, das ist das Resultat dieses Prozesses. Es ist also unsere
eigene Schuld, wenn wir die Vollkommenheit, das Göttliche
uns nicht immer mehr und mehr zu eigen machen, wozu uns
doch, wie wir sahen, der Selbsterhaltungstrieb selbst unablässig
anleitet. Und was in uns irrt und sündigt, das sind wir selbst,
nicht Gk)tt, der uns ja mit diesem unserem mächtigsten Triebe
an sich zieht.
Somit müssen uns Fragen, wie: Giebt es eine Vorsehung ?
Giebt es eine göttliche Gerechtigkeit? schon an und für sich
sündhaft erscheinen. Denn die Liebe, die wir fühlen, die
Gerechtigkeit, die wir walten lassen, — was sind sie anderes,
als schwache Versuche, eben nach dem göttlichen Ideal uns
zu bilden. Nicht Spinoza, sondern der landläufige Theismus
ist es, der den Schöpfer von seinem Geschöpfe möglichst fern
halten möchte, der Gott und Mensch auseinanderreisst. Sie
zu vermengen, grob sinnlich verstanden, davon ist auch Spinoza
weit entfernt. Auch er lehrt einen übernatürlichen Gott
in dem Sinne, dass wir unter „Natur" die Gesamtheit der
geschaffenen Dinge verstehen, von welcher wir das
Schaffende streng zu unterscheiden haben. Gerade Spinoza
ist vom Pantheisten, der die Gottheit in der Welt aufgehen
lässt, so weit entfernt, dass er manchem in den entgegen-
gesetzten Fehler, die Welt der Gottheit zu opfern, in den
Akosmismus, zu verfallen scheinen konnte. Beides höisst aber
nur, den Spinozismus aus dem Gleichgewicht bringen, indem
man einseitig bald das eine, bald das andere Ende betont.
Aehnlich steht es mit der Hervorhebung individualistisch er-
scheinender Partien in diesem System. Gewiss, es ist der einzelne
Menschengeist, in dem dieser ganze Bau sich erhebt, es ist das
Individuum, in dem sich die Gottheit entfaltet, so weit si oin
dieser Kombination sich entfalten kann, — aber eben nur s o
weit, d. h. etwa wie im Sonnenstäubchen das Weltall. Und
das Sich-Ausleben des freien Individuums bei Spinoza, die Ver-
werfung der Zwecke, der Normen heisst nicht, der zügellosen
Willkür, den niederen Trieben das Wort reden, sondern es ist
gerade die göttliche Freiheit, welcher in der Gotteserkenntnis
und -liebe Zweck und Beweggrund, Ziel und Trieb zu-
sammenfallen. Spinozas Lehre ist also weder Pantheismus,
noch Atheismus, noch Individualismus, sondern eben Spinozismus.
Alle anderen Auffassungen des Spinozismus halten sich an be-
stimmte Einzelheiten und werden darum nie dem Ganzen
gerecht. Man denke bei der Beurteilung dieser Lehre stets
an das treffende Wort SchelUngs (S. W. X. 40): „Die Philo-
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Sophie des Spinoza ist wie das Hebräische eine Schrift ohne
Vokale." Das ist sie allerdings, und darum vergesse man nie,
dass solche unpunktirte Texte ganz besonders aus dem Zu-
sammenhang des Ganzen erklärt werden müssen, will man
ihren Sinn nicht verfehlen. Und diese Ehrlichkeit, ihn ver-
stehen zu wollen, sind wir jedem Autor schuldig, sollte auch
unser eigener Standpunkt ein ganz anderer sein.
Dies etwa ist im grossen und ganzen das System des
Spinozismus nach der „Ethik" und z. T. nach der „Abhand-
lung über die Läuterung des Verstandes," — ein System, dessen
Einkleidung vom. streng logischen Standpunkt aus manchen
Tadel verdient, ja das an sich schon vor dem Forum des
strengen Kritizismus nicht stand hält, aber es ist jedenfalls ein
in sich fest geschlossenes Ganzes. Und in dieses Ganze lassen
sich zwanglos die Gedankengänge eingliedern, welche Spinoza
in seinen anderen Schriften verfolgt.
Der „theologisch -politische Traktat" zunächst ist eine
Schutzschrift der freien Forschung, vermutlich Spinozas
selbst, gegen die Uebergriffe der Religion. Sowie die
Philosophie nichts mit der Religion, als solcher, zu thun
hat, so darf sich auch die Religion, oder besser die Kirche,
nicht in die Fragen der Philosophie hineinmengen. Ebenso
wenig darf sich der Staat, wie er seinerseits kein Machtwort
in Fragen der Religion zu beanspruchen hat, von der Religion
beherrschen lassen. Die Autorität, welche die Kirche für sich
fordert, entbehrt durchaus jeder festen Grundlage. Dies ver-
sucht Spinoza durch eine Kritik der angeblichen Stützen dieser
Autorität nachzuweisen. Er wird hierbei, wie er in der Ethik
als Naturforscher auftritt, zum Philologen, zum Begründer der
modernen Bibelkritik und zum Pädagogen, der in der Offen-
barung die grosse Erzieherin eines ganzen Volkes sieht.
Der „politische Traktat" sodann setzt z. T. das Werk
des theologisch-politischen fort, indem dieser bereits die Politik
streift, dann aber auch, indem Spinoza, wie hier die Freiheit
der Forschung gegen die Kirche, so im „politischen Traktat"
gegen den Staat verficht. Vor allem aber ist dieses Bruchstück
äusserlich, indem es die Ethik als bekannt voraussetzt, sowie
innerlich eine Ergänzung der Ethik. Wie diese das Sitten-
gesetz, so vielen ein Zwang, gerade als die Befreiung von allem
Zwange darstellt, indem, recht verstanden, unser Naturtrieb
nichts anderes erstrebt, als dieses Gesetz, so zeigt der „poli-
tische Traktat", dass auch der Staat, ein Naturerzeugnis ist,
indem das Leben im Staate, in der bürgerlichen Gemeinschaft,
so vielen eine Freiheitsberaubung, gerade den Selbsterhaltungs-
13
trieb am meisten fördert und der wahren Freiheit den weitesten
Spielraum schafift.
Dem entsprechend muss natürlich auch die Verfassung des
Staates eine solche sein, welche diese Bildung des natürlichen
Individuums zur sittlichen Freiheit möglichst begünstigt. Diese
Staatsform ist, nach dem politischen Traktat, die Demokratie,
während Spinoza jedoch, wie besonders seine Verehrung für
Karl Ludwig von der Pfalz zeigt, auch den Vorzügen einer
liberalen Monarchie nicht die Augen verschliesst.
Damit sind die wesentlichen Punkte angedeutet, an welche
die EntWickelung des Spinozismus anknüpft, und auf die wir
darum im Folgenden immer wieder werden zurückkommen
müssen.
Einleitung.
Die Geschichte des Spinozismus ist die Geschichte des
modernen Bildungsgedankens. Nicht als ob erst in Spinoza
sein Ursprung zu suchen wäre. Man hat nach seinen Wurzeln
in der Scholastik, ja selbst in antikem Boden gegraben, und
nicht umsonst hat eine fmhere Zeit einen „Spinozismus vor
Spinoza" bei den alten Denkern des Ostens wie des Westens
und weiterhin stets da entdecken wollen, wo der Mut der
freien Ueberzeugung seine Blutzeugen gefunden. Dass sich
jedoch diese Weltanschauung in den letzten zwei Jahrhunderten
gerade an diesen Namen knüpft, ist darin begründet, dass
Spinoza zuerst und am vollkommensten allen Forderungen des
modernen Denkens gerecht geworden, dass er all die Gegen-
sätze, in welchen es sich bewegt, Hellenismus und Judaismus,
Atheismus und Akosmismus, Individualismus und Pantheismus,
Atomistik und Substanzlehre mit sicherer Hand, ohne jegliche
dogmatische Voraussetzung oder äussere Rücksicht, zu einem
einheitlichen Ganzen rein menschlichen Denkens mit einander
vereint.
Der Spinozismus bildet somit bereits ein in gewissem Sinne
abschliessendes Ergebnis der geistigen Entwickelung der Mensch-
heit, sowie im Seelenleben des einzelnen. Das kindliche Ver-
trauen auf Autoritäten hört auf, wo der V^erstand zu eigenem
Leben geweckt wird. Seine Selbständigkeit bekundet sich
zunächst in dem verzehrenden Zweifel an allem, was er bisher
hinter willkürlichen Schranken hatte wähnen sollen. Sein
Halt ist ihm entzogen, der naive Optimismus weicht dumpfer
Zerrissenheit. Doch der Zweifel ist auf die Dauer unmöglich.
Das schwankende Herz sucht nach einem unerschüttei-lichen
Angelpunkt seines Denkens und Fühlens in seinem eigenen
Inneren, es heischt eine endgültige Lösung des Welträtsels.
16
Diese Lösung unserer Zweifel muss, soll sie uns wahrhaft
befriedigen, uns alles das geben, was wir bisher entbehrt;
nichts von alledem, was einst unseren Geist beunruhigt, darf
in Zukunft ihre Gewissheit in Frage ziehen. Alles, worin
irgend Wechsel oder Veränderung keimt, wird ausgeschieden.
Denn fest und ohne Wanken muss unser Standpunkt sein, und
wäre er selbst in Wolkenhöhe allein zu finden. Hier proicirt
der Geist, allein mit sich selbst beschäftigt und sich dabei im
Kern des Seins fühlend, seine eigene Einheit aus der Vogel-
perspektive auf das in nebelhafter Feme verblassende Bild der
Welt, wo sub specie aetemi jede Unebenheit sich ausgleicht,
jeder Riss sich schliesst, jeder Misston, dem Ohre entrückt, in
der Harmonie der feinsten Abstraktion sich auflöst. Aber jeder
\^ersuch, aus dieser Höhe die Wirklichkeit in ihren lebensvollen
Gestaltungen schärfer zu erfassen, wirft den einsamen Denker
wieder dem Zweifel in die Arme, macht ihn von Neuem zum
Spielball der Widersprüche, aus denen er sich in seine
schwindelnde Höhe geflüchtet; der erste Schritt aus seinem
Wolkenkuckucksheim bringt ihm die Vernichtung. Andererseits
ist auch der kühne Aufschwung in Sonnennähe nicht jeder-
manns Sache; gar mancher regt die Flügel in stolzem Anlauf,
ohne über ein ärmliches Flattern hinauszukommen.
Hiermit ist Spinozas geschichtliche Stellung und das
Unternehmen seiner Nachfolger ungefähr gekennzeichnet. Aus
dem besten Material, welches ihm das Wissen seiner Zeit
liefern konnte, zimmert er das schwanke Fahrzeug, auf welchem
er sich mit der Zuversicht des Entdeckers den Launen der
Elemente anvertraut, stets das ferne Reiseziel im Auge, welches
er als notwendiges Postulat seines Geistes klar und deutlich
zu schauen glaubt. Und waren auch seine Mittel beschränkt,
seine Ausrüstung dürftig, so hatte er doch ein für alle mal
Ausgang und Ziel der Reise genau bestimmt. Einer späteren
Zeit war es vorbehalten, mit mehr oder minder Glück die ein-
zelnen Verbindungslinien in seine Reiseroute einzuzeichnen.
Allein gar mancher Jünger Spinozas wähnte schon, am Ziel
der Reise, sein Vorbild zu umarmen, ohne doch mehr als
einen Zipfel seines Mantels ei*schaut zu haben. Und so bunt
war das Gewand des Meisters, dass wir in der Gesellschaft
derer, welche sich in seine Farben zu kleiden glaubten, die
verschiedenartigsten Elemente bei einander finden. Der Mangel
gerade an dem, weshalb die einen Spinoza in den Himmel
erheben, macht ihn bei anderen verabscheuungswürdig; hier
erblickt man in seinen Lehren die sicherste Schutzwehr ftir
das, wogegen man ihn dort siegesgewiss ins Feld führt.
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Daraus erklären sich die wunderbaren Schicksale der
Lehren Spinozas, ganz besonders in dem Lande, wo man
allein von einer zusammenhängenden Geschichte des Spinozismus
reden kann, wo dieser oft genug die schärfste Verurteilung
und Verunglimpfung erfahren musste, um sich nach und nach
unverbrüchliches Heimatsrecht zu erwerben und die Losung
der verschiedensten Parteien zu werden, — in dem Lande der
geistigen Revolutionen und der Gefühlsschwärmerei, dem Lande
der Denker «nd Dichter: in Deutschland.
Unbestreitbar ist zwar der mächtige Einfluss, welchen die
Errungenschaften des geistigen Fortschrittes selbst auf die
günstigere Beurteilung seiner Vorkämpfer ausüben, und noch
heute gilt das Wort Fichtes: „Jedes Zeitalter würde das Ver-
fahren der vorhergehenden gegen diejenigen, welche alte Irr-
tümer bestreiten, in allen Stücken nachahmen; wenn man sich
doch nicht zuweilen schämte, selbst zu thun, was man nur
soeben an den Vorfahren laut gemissbilligt hat." Doch steht
ein solcher Umschwung der öffentlichen Meinung zum anderen
Extrem, vom „Kreuziget!" zum „Hosianna!", wie wir ihn den
deutschen Urteilen über den Spinozismus, den besten Meilen-
steinen an dem Wege seiner Entwickelung, ablesen, in der
Geschichte der menschlichen Irrtümer wohl einzig da.
Spinoza hatte das Unglück, mit seinem theologisch-
politischen Traktate zuerst den Theologen in die Hände zu
fallen. Man beschimpfte diesen „ersten Systematiker des
Atheismus", wie man ihn mit Vorliebe nannte, in Wort und
Bild; mit einer wahren Berserkerwut zerpflückte und entstellte
man seine Lehren und bald glaubte man, ihn in dickleibigen
Folianten für immer begraben zu haben. Noch bis in unser
Jahrhundert hinein kompromittirte auch die loseste Beziehung
zu dem verrufenen Ketzer; selbst, wo man ihn bekämpfte,
scheute man sich, ihn mit Namen zu nennen, um nicht mit
dem seinigen den eigenen in einem Atem lesen zu lassen ; und
wehe dem, der so kühn war, anders als missbilligend von ihm
zu reden!
Erst Jacobi durfte mit Recht darauf stolz sein, dass
er als erster es gewagt, seinen Namen öffentlich mit dem
dieses „toten Hundes" in Verbindung zu bringen, ja sogar den
„Maledictus" heilig zu sprechen. Hieran schliesst sich in Herder,
Schleiermacher, Novalis eine beständige Steigerung in seiner
Verhimmelung, bis, vornehmlich durch Herbarts Anstoss, die
Spinozaforschung endlich in die Bahnen der nüchternen Kritik
einlenkte.
Was sich bis dahin eine Kritik Spinozas genannt, und
2
18
war sie selbst so eingehend wie die des ehrlichen Musaeus,
verdient eigentlich diesen Titel nicht. Denn man ging teils,
wie die Theologen und ihre philosophische Gefolgschaft, bei
Spinozas Beurteilung von dogmatischen Voraussetzungen aus
und konnte, da man sein System im Prinzip verwarf, natürlich
auch mit den Konsequenzen nicht einverstanden sein, teils
richtete man, wie seine Brüder in Cartesius, über Spinoza auf
dem Standpunkte des eigenen Systems, oder man schob ihm,
indem man sich in seine besondere BegriflFssphäre nicht hinein-
versetzen wollte oder konnte, eine falsche Auffassung unter.
Einen Ansatz zu objektiver Kritik finden wir schon bei
Wolff. Er wirft Spinoza mit Recht vor, dass er das Bestehen
eines Dinges mit dem a se existere verwechselt, dass er Modus
von Attribut nicht klar geschieden und die Ausdehnung wider-
spruchsvoll bestimmt. Doch fällt er andererseits in den Fehler
seiner Vorgänger zurück, Spinoza wegen der aus ihm selbst
erst gezogenen antitheologischen Folgerungen zu verurteilen,
wobei man sich jedoch an die ketzerriecherischen Bluthunde
zu erinnern hat, welche Wolff beständig auf den Fersen sassen.
Erst in unserem Jahrhundert, nach der Ernüchterung von dem
Rausche der Romantik, traf man den rechten Ton in der
Spinozakritik, indem man in dem Systeme selbst logische
Fehler aufdeckte, dieMethode als verfehlt nachwies und jede Lehre
auf ihre Quellen hin untersuchte, wobei der „kurze Traktat**
und das Inventar der Bibliothek Spinozas, beide erst in diesem
Jahrhundert entdeckt, treffliche Dienste leisten.
Nimmt man noch hinzu, dass diesen Perioden in der
Beurteilung Spinozas auch die verschiedenen Formen seines
Einflusses zeitlich ungefähr entsprechen, als Spinozismus der
Malerialisten, der Aufklärer, der Klassiker, der Romantiker
und Naturphilosophen und endlich der Monisten, so empfiehlt
sich eine chronologische Einteilung der Geschichte des Spino-
zismus, nach Zeiträumen von je etwa einem halben Jahrhundert.
Abschnitt I.
Das Ende des 17. Jahrhunderts.
§ 1. Einleitung.
Zu der Zeit, da wir den ersten Spuren des Spinozismus
in Deutschland begegnen, war derselbe in den Nachbarländern
des Westens und Nordwestens bereits zu einer Macht erstarkt,
mit welcher man zu rechnen hatte. Holland, das Geburtsland
unseres Philosophen und damals der Herd der mannigfachsten
religiösen Gährungen, hatte zu der neuen Lehre sogleich Stellung
genommen. Die orthodoxe Theologie, die gegen einen Cartesius
mit allem Eifer vorgegangen war, hatte auch auf seinen Schüler
wohlweislich acht gehabt. Aber trotzdem oder vielleicht eben
deshalb hatte sich in kurzem um das neue Banner eine grosse
Anzahl Missvergnügter und Freidenkender geschart, hatte Spinoza
noch zu seinen Lebzeiten einen weiten Freundes- und An-
hängerkreis, ja eine ganz eigentliche Schule gefunden.
Seine Lehren drangen, freilich meist bis zur Unkenntlichkeit
entstellt, in die höchsten Kreise sowohl, wie in die niedersten
Volksschichten ein, selbst der Klerus zeigte sich ihnen hie und
da zugänglich; man konnte sie sogar von der Kanzel herab
hören.
Nun bildeten damals die Niederlande den Mittelpunkt der
Freigeisterei des gesamten Europa. Hier hatte ein Cartesius
Zuflucht gefunden, hier schrieb Spinoza, hier verkehrte späterhin
Bayle mit Hobbes und Locke. Von hier gingen die Strahlen
des neuen Geistes nach allen Richtungen hin aus. Zunächst
hatten die geographische Nähe und die politischen sowie
merkantilen Beziehungen das Gift der Freidenkerei in Frank-
reich eingeführt und manchen Kreis in Freund und Feind
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20
geschieden. Ebenso war es übers Meer in das freisinnige
Inselreich gezogen, nach und nach zu reicher Ernte reifend.
Auch gegen Deutschland hin fanden die Lehren Spinozas
die Grenze nicht allzu streng gesperrt. Zwar waren hier die
damals herrschenden Kreise in Adel und Klerus der Einfuhr
und Ausbreitung solcher Ideen nichts weniger als zugethan;
allein der allgemeine Zug der Zeit war für derartige Keime
ungemein empfänglich.
Die Wende des siebzehnten Jahrhunderts ist die Zeit der
grossen Reisen, wo jeder Kavalier, jeder Gelehrte, der in der
Gesellschaft oder auf dem Katheder gelten wollte, den bildungs-
reichen Westen aufsuchte, und naturgemäss in einem Alter,
wo die genussfrohe Jugend für alles Neue empfänglich ist
und eine kecke Abenteuerlust doppelt lüstern nach dem süssen
Gift des Verbotenen. Holland mit seinen mustergiltigen Handels-
und Verkehrsanlagen, mit seinen zahlreichen schönen und an
Schätzen der Wissenschaft und Kunst so reichen Städten
bildete damals den Weltmarkt. Hier lernte man Leute aus
aller Herren Länder kennen, hier trafen Gelehrte und Künstler
von Weltruf zusammen.
Nicht umsonst klagen die Zopfgelehrten jener Zeit über
das fremde Setzreis an deutschem Stamme, welches unter
ihren Augen so reichlich fortwucherte. Es waren heftige Stösse,
welche damals die gelehrte Zünftigkeit sowie ganz besonders
die kirchliche Strenggläubigkeit in ihren Grundfesten erschütterten.
Namentlich von Holland aus spielten sich theologische Kämpfe
auf deutsches Gebiet herüber und verschärften hier die alten
Parteigegensätze bis zu völligem Bruch. Die Früchte dieser
Bewegung waren der Indifferentismus auf der einen, der
Pietismus auf der anderen Seite. Doch ruhte auf allen Linien
die innere Fehde sogleich, sobald es galt, in Spinoza einen
gemeinsamen Gegner abzuwehren.
Spinozas Erstlingswerk, die „Prinzipien Descartes'," hatten
nur wenig, und fast ausschliesslich bei den Philosophen von Fach,
Beachtung gefunden. Hier sprach ohne besondere Selbständig-
keit ein geschickter Darsteller der cartesianischen Lehren. Doch
wurde hierdurch bekanntlich Karl Ludwig von der Pfalz auf Spinoza
aufmerksam, und es fehlte nicht viel, so wäre dieser, wie so
\'iele andere Cartesianer, in Deutschland heimisch und ihm zu
eigen geworden. Aber selbst der Cartesianismus, unter dessen
Kahne er einziehen sollte, wurde von vielen Seiten als glaubens-
getahrlich beanstandet, und so setzte denn in einem der frei-
sinnigsten Staaten Deutschlands ein ängstlicher Professor jene
21
Klausel durch, welche Spinoza von der Annahme seiner Berufung
abschreckte.
Wie klug diese Weigerung gewesen, zeigte sich deutlich beim
Erscheinen des theologisch-politischen Traktates, wo alles, was
nur gläubig heissen wollte, über den Erzatheisten herfiel. Spinoza
schien den Theologen um so gefahrlicher, als sich zu gleicher
Zeit in Deutschland die grundsätzliche Scheidung der Ethik von
der Theologie zu vollziehen begann und sich gerade in Spinoza
der offenbare Beweis geliefert fand, dass man selbst als Gottes-
leugner einen fleckenlosen Charakter und eine untadelhafle
Lebensführung aufweisen könne. Man bekämpfte ihn somit
meist aus politischen Gesichtspunkten, zum grossen Teile mit
rein praktischen Beweismitteln. Die Waffen einer wissenschaft-
lichen Polemik gegen den Spinozismus lieferten die voraufge-
gangenen Kämpfe des Auslandes, über welche die damals auf-
kommende Zeitschriftenliteratur, nicht ohne dadurch die Lehren
Spinozas mittelbar in immer weitere Kreise zu tragen, regel-
mässigen und ausführlichen Bericht erstattete.
§ 2. Poiret.
Als Vorbilder und Gewährsmänner der Bekämpfer Spinozas
in Deutschland kommen hauptsächlich Poiret, Wittich und
Bayle in betracht. Poiret kam aus den Schulen eines
Descartes und Böhme, deren Bahnen sich oft genug mit denen
des „Spinozismus vor Spinoza" gekreuzt. Er hätte also mehr
als einen Punkt zur Verständigung mit Spinoza in dessen Lehren
finden können. Doch um so eifriger sucht er, wie die anderen
Cartesianer, wofür besonders Malebranches Polemik gegen den
Verräter an des Meisters Lehren für typisch gelten kann, aui
jede Weise den Judas aus der Gemeinde der Jünger Decartes'
äubzustossen. Er überhäuft ihn mit den bittersten Schmähungen ;
er ist der' erste, welcher im Spinozismus nicht bloss eine Ver-
irrung der Spekulation, sondern boshafte Sophisterei erblickt.
Das Ergebnis seiner Kritik fasst er (Cogitation. ration. disc. prael.
p. 14) in die Worte zusammen: „Tria in scriptis, maxime vero
in Ethicis Spinozae regnant: impietas, fatuitas et mathematicae
veritatis s. certitudinis larva, quae indivulse voluit connecti . .
Veritates christianas . . . impius non tantum aperte deridet, sed
eteasdempromalistraducit . . . exhypocrisifalacissimo . . impietate
horrenda."
§ 3, Chr. Wittich.
Weit bedeutender ist sowohl der wissenschaftliche Wert
als auch der Einfluss des* „Anti-Spinoza" (Amsterd. 1690) des
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Deutsehen Chr. Wittich, des Führers der Leydener Cartesianer.
Wir begegnen hier einer für jene Zeit ungemein gründlichen
und gewissenhaften Kritik Spinozas, weiche sogar dessen Brief-
wechsel bereits berücksichtigt und sicherlich die tüchtigste
Leistung ist, welche die cartesianische Polemik gegen Spinoza
aufzuweisen hat. Nach Wittich kann Spinoza seine Substanz
nicht absolut unendlich nennen, da ihre Attribute nur jedes in
seiner Art unendlich sein sollen. Hätte er ferner statt der
synthetischen die analytische Methode angewandt, so würde er
zu ganz anderen Ergebnissen gelangt sein. Schliesslich tadelt
Wittich an Spinoza eine gewisse Dunkelheit seiner Grundbegriffe
und seine Abweichung vom gewöhnlichen Sprachgebrauche,
indem er, ohne dies vorher anzugeben, manche Ausdrücke in
einem ganz neuen Sinne gebrauche, übrigens ein Fehler, welcher
bald darauf Wittich selbst vorgeworfen wurde. Ueberhaupt ist
sein Beispiel mustergiltig für eine ganze Klasse von Gegnern
Spinozas, deren Geschosse gegen sie selbst zurückprallten.
Während Wittichs Werk weit und breit als die schärfste Waffe
gegen Spinoza gepriesen wurde und die bedeutendsten Zeit-
schriften Auszüge daraus brachten, wie das „Leipziger Journal"
(1690 p. 346) und die „Bibliotheque universelle" (t. XXIU
p. 323), bezichtigte man ihn mit einem Male öffentlich des
Spinozismus. Es ist nun freilich wahrscheinlich, dass Spinoza
Wittich gekannt hat. Doch machte man diesem, wenn wir
Colerus glauben dürfen, mit Unrecht den Vorwurf, zu dem be-
rüchtigten Ketzer in persönlicher Beziehung gestanden zu haben.
Glaubwürdiger scheint ein anderer Bericht. Während Cuffeler
ohne weiteres den Spinozismus offen bekannte und verteidigte,
Bredenburg bei aller sonstigen Gegnerschaft manches daran
billigen musste, während ein Tschirnhausen Spinoza benutzte,
ohne ihn zu nennen, und Boulainvilliers ihn gar unter feindlicher
Maske verteidigte, kam, nach Bayle, Wittich, nachdem er an-
fangs geglaubt hatte, geometrisch erweisen zu können, dass
Gott und Natur nicht ein und dasselbe sei, bei erneuter Prü-
fung Spinozas doch dazu, dass sich das Gegenteil, also die
Hauptlehre seines Gegners, mindestens ebenso gut beweisen lasse.
§. 4. Bayle.
Bayle selbst hat durch seine Darstellung des Spinozismus
in seinem vielgelesenem „Dictionnaire" das Urteil fast des
gesamten siebzehnten Jahrhunderts irregeführt. . Wie längst
anerkannt, ging ihm völlig die Fähigkeit ab, in die Tiefen dieser
Lehre einzudringen ; ein Tadel, gegen den er sich selbst schon
23
früh, wenn auch mit wenig Glück, zu verteidigen sucht. An-
zuerkennen ist jedenfalls das rückhaltlose Lob, welches er,
wie an dieser Stelle, so auch in mündlichem Urteil, dem
Charakter Spinozas zollt.
Im übrigen ist dieser aber, nach Bayles Urteil, ein
„Systematiker des Atheismus." Die Methode ist das einzige
Originelle an ihm, die Lehren selbst kehren in anderer Form
in jedem Jahrhundert wieder. Diese werden von Bayle so
kritiklos und oft verfälscht wiedergegeben, wie die Berichte über
des Philosophen Lebensschicksale. Als grösste Absurditäten in
Bayles Sinne werden im Namen Spinozas Lehren aufgeführt,
wie: „Gott und Ausdehnung sind ein und dasselbe" oder „Gott
ist das immanente Subjekt der menschlichen Gedanken." Nun ist
allerdings nichts leichter, als eigene Fiktionen ad absurdum
zu führen. Die Teilbarkeit der Materie, — denn so fasst ^ayle
gegen Spinozas ausdrückliche Erklärung dessen Begriff der
Ausdehnung, — widerspricht der Unveränderlichkeit Gottes,
sowie die Mannigfaltigkeit und Niedrigkeit unserer Gedanken
wider die Einheit und Güte seines Wesens streitet. DerSpinozismus
begeht somit die Blasphemie, die Gottheit in den Schmutz
und das Elend der Erde herabzuzerren. Eine solche
Donquichotterie findet natürlich unschwer noch viele andere
Inkonsequenzen und Irrtümer an dem völlig verkannten Gegner,
die Bayle, in Wahrheit vom Uebereifer selbst des Gesichtes
beraubt, auf eine, von Gottes Strafgericht über Spinoza ver-
hängte Verblendung zurückführen will.
Alles in allem genommen, ist der theologisch-politische
Traktat ein „livre pernicieux et detestable, oü il (Spin.) fit
glisser toutes les semences de T atheisme qui se voit ä decouvert
dans ses opera posthuma," und das in diesen aufgestellte
System „la plus monstrueuse Hypothese qui se puisse imaginer,
la plus absurde, et la plus diametralement opposee aux notions
les plus evidentes de notre esprit" (Dictionn. philos. Amsterd.
1734. p. 201. 210 noteN. 215. 212 und note DD. art. Spinoza,
Spinozisme, Spinozistes),
In etwa gleichem Tone lassen sich nun auch in Deutsch-
land die ersten Stimmen über Spinoza vernehmen, zumeist
Theologen, was um so bedauerlicher, als deren Einfluss an
den meisten Universitäten den gesamten Lehrkörper beherrschte
und die Studirenden, da die Bibliotheken allein den Professoren
zugänglich waren, sich nur im Hörsaal über Spinoza unter-
richten konnten. (Vergl. Tholuck, Vorgeschichte des Rationalis-
mus I S. 236.)
24
§. 5. Rappolt.
Schon im Jahre des Erscheinens des theolog. - poli-
tischen Traktates, bevor noch der Narne seines Verfassers
bekannt war, eiferte dagegen der Leipziger Theologieprofessor
Fr. Rappolt in einer Antrittsrede, die jedoch nicht schwer ins
Gewicht fällt („Oratio contra Naturalistas habita ipsis Cal. Junii
a. 1670 in opp. theol. Rappolti ed. Carpzov. Lpzg. 169ci p.
1383 sq.). Spinozas Werk kündigt er (p. 2162 sq.) an als
„pessimae notae über, religionem non ad coelestis veritatis
normam, sed naturam et qualemcunque pacem atque utilitatem
in Republica exigens", als ein Buch, welches die grundsätzliche
Gleichstellung der offenbarten Religion mit der natürlichen
verfechte.
§ 6. J. Thomasius.
Unter Berufung auf Rappolts Feldzugsplan gegen die Gottes-
leugner folgt diesem im Kampf gegen den „naturalistischen" Traktat
sein Kollege von der philosophischen Fakultät Jakob Thomasius,
Leibnizens Lehrer, mit einer Programmarbeit „Adversus anony-
mum de übertäte philosophandi" vom 8. Mai 1670 (in Jac.
Thom. dissert. LXIII ed. Chr. Thomasius. Halle 1693 p. 571 sq.
progr. L). Der Titel des Traktates fordere zwar dem Anscheine
nach nur die Freiheit zu philosophiren, doch sei es in Wirklich-
keit auf die- zügellose Willkür abgesehen, zu glauben, was
einem jeden beliebe. Eine Freiheit der Gedanken will Tho-
masius zwar zugestehen, aber nur so lange man sie bei sich
behalte. Der Verfasser verfluche die Religion, welche nach
ihm zum blossen Gehoream. und äusserlich anständigen Benehmen
herabsinke. Gegenüber der von Spinoza gepriesenen Gleich-
heit all der vielen Konfessionen in Amsterdam lobt Thomasius
die Glaubenseinheit der Leipziger Professoren, die zusammen
nur eine Sekte bildeten. Jedenfalls aber dringt, wenn er sich
auch manchmal zu Ausdrücken hinreissen lässt, wie „infame
portentum*" oder, nachdem ihm später Leibniz Spinoza als
Verfasser des Traktates genannt, „Exjudaeus blasphemus et
formälis Atheus", seine duldsame Gesinnung zum Schlüsse
durch, wo er den Gegner mit den Worten anredet: „De exiliis
et necibus quae dicis, ad ea respondeant pontificii ; nos illa non
feriunt, qui negamus religionis ergo vim esse cuiquam in-
ferendam," Sehr zu beachten ist auch der Scharfsinn, mit
welchem Thomasius ohne sonstigen Anhalt die Bekanntschaft
Spinozas mit Hobbes und La Peyreres „Praeadamita" richtig
vermutet (a. a. O. p. 572. 574. 581).
25
§ 7. Musaeus.
In der antispinozistischen Literatur der nächsten Zeit zeichnet
sich durch eine rühmenswerte Gründlichkeit des Jenenser Pro-
fessors Joh. Musaeus „Spinozismus h. e. tract. theol.-polit. . . .
ad veritatis lancem examinatus" aus („Meletem. academ."
Jen. 1674 u. Wittenberg 1708). Diese Schrift des durch seinen
Scharfsinn und seine freien Anschauungen berühmten Theologen
galt bei den Zeitgenossen für die beste Widerlegung des Trak-
tates, sie gehört auch, nach Colerus, zu den wenigen gegne-
rischen Schriften, welche Spinoza in seine Büchersammlung
aufgenommen hat. Bei einem flüchtigen Einblick in das Werk
lässt die Grobheit des Tones eine der damals so gewöhnlichen,
kaum beachtenswerten theologischen Expektorationen vermuten.
Die bekämpfte Schrift wird (p. 5.) charakterisirt als „infelix sane
et immaturus ingenii infelicis et immaturi foetus, quem tenebris
Cimitieriis involvi, quam luce publica donari satius fuisset.
Auetor lucifuga, etsi tertebrionum more latere, quam nomen
suum profiteri maluit, ferturtamen esse Ben. Spinoza, natione
Judaeus, sed ob qpinionum, quas fovet, monstra dTOOüva^to^oi;,
homo, ut res ipsa loquitur, perfrictae frontis, fanaticus, et a
religione omni alienus." Bald darauf heisst es von Spinoza
(§ 3) „nullam ingenii. vim, dolum nuUum, nullas denique artes
sinit intentatas, adeo quidem, ut iure merito quiS dubitaverit,
rium ex illis, quos ipse Daemon ad divina humanaque iura
pervertenda magno numero conduxit, repertus fuerit, qui in iis
depravandis operiosior fuerit, quam hie impostor, magno ecclesiae
malo, et rei publicae detrimento natus." Auch kai'gt Musaeus
nicht (z. B. § IV) mit Titulaturen, wie „gottlos" und „unver-
schämt. " Geht man jedoch auf den Inhalt seiner Arbeit näher
ein, so findet man eine fast pedantisch genaue Analyse der
Schrift Spinozas. Paragraphenweise erörtert er, unter Angabe
ihres Inhaltes, die Grundbegriffe, wie „Freiheit" (§§ 9 — 27),
„Philosophie" (§§ 6 — 8) u. s. w., wobei er jedoch trotz allen
Strebens, sich in des Gegners Gedankengänge hineinzufinden,
oft genug die Rolle des unparteiischen Kritikers mit der des
Apologeten vertauscht, so in sein er Beurteilung der Spinozaschen
Definitionen der Religion, im besonderen des Christentums,
des Naturrechts und vor allem der Schriftauslegung. Spinozas
Behandlung der Schrift ist nichts anderes als ein Philosophiren
darüber und über die zur Sprache kommenden Gegenstände
(p. 9) ; seine Gottlosigkeit zeigt sich \n der Bestreitung der Gött-
lichkeit der Bibel (§ 69) ; nach seinen eigenen Forschungen (§ 44)
ergiebt sich, im Gegensatz zu Spinozas Resultat, dass die Bibel
keineswegs einem jeden die Freiheit zu philosophiren einräume.
26
§. 8. Spitzel.
In ganz ähnlichen Ausdrücken bewegt sich der Pastor zu
St. Jakob in Augsburg, Theophil Spitzel, in seinem „Infelix literator " .
Darin wird der „iiTeligiosissimus autor" in den heftigsten
Ausfällen wegen seines Naturalismus und seines betrügerischen
Bestrebens, seine Ausdrücke denen der Bibel anzupassen
(p 363), getadelt und sein Werk mit Berufung auf die Schrift des
Utrechter Professors Regner van Mansvelt, die nebenbei mit zu
Spinozas Bibliothek gehörte, zu ewiger Verdammung verurteilt.
Inzwischen waren die nachgelassenen Schriften Spinozas
erschienen und von Le Clerc in seiner „Bibliotheque universelle"
in der etwa zwei Jahrzehnte später auch Locke seinen ersten
Versuch veröffentlichte, in die gelehrte Welt eingeführt worden.
Die Gegner des theol.-polit. Traktates konnten nun ohne grosse
Mühe, da sich bei der spärlichen Verbreitung und schwierigen
Sprache dieser Schriften nicht leicht ein Verteidiger für sie fand,
hier von neuem die Ketzerei des Verfassers aufdecken, die sie
schon vorher festgestellt hatten.
§ 9. Kortholt.
Der Preis bei diesem Unternehmen gebührt ohne Frage
dem Kieler Theologen Kortholt, dessen Abhandlung „De tribus
impostoribus" (1680), berüchtigt durch ihren gemeinen Ton
und ihre niedrige Kampfesart, sich in der Schmähschriften-
literatur aller Zeiten einen hervorragenden Platz gesichert hat.
Es ist für den Geschmack jenes Jahrhunderts bezeichnend,
dass, nicht lange nach dem Erscheinen dieses Werkes, eine
zweite Auflage nötig wurde, welche Kortholts Sohn, der übrigens
auch später gegen den Spinozisten Edelmann einen „gründ-
lichen Beweis der christlichen Religion" (Liegn. 1753) geliefert
hat, besorgte und mit einer neuen Einleitung versah. Die
eigene Daseinsberechtigung sucht diese Schrift, nach dem
Muster der meisten damaligen theologischen Schutz- und Trutz-
schriften, aus der religiösen Verwilderung im Vaterlande zu er-
weisen. „Und leider", so heisst es hier, „steht es nur allzu
fest, dass auch unser Deutschland immer mehr und mehr von
der Niedrigkeit des offensten Atheismus befleckt wird. Was
würde es auch der Mühe lohnen, so viel Geld auf Reisen nach
Italien, Frankreich, England und Holland zu verwenden, wenn
man nicht wenigstens jene thörichten und ungeheuerlichen
Religionsideen mit nach Hause brächte? Solche Menschen
pflegen dann einen Herbert, Hobbes und Spinoza, diese ge-
schworenen Religionsfeinde, an allen Orten und bei allen Ge-
27
legenheiten mit prahlerischem Eifer allen Freunden und Genossen
zu empfehl«!, so dass, wenn man nicht frühzeitig vor diesem
Gift warnt, die höchste Gefahr ist, jene Lehren alsbald auf
allen Universitäten und an allen Höfen herrschend zu sehen.**
Die grösste Aufmerksamkeit widmet Kortholt dem letzten und
gefährlichsten jener drei Erzketzer. Es thut ihm sichtlich leid, dass
er Spinozas Charakter und Lebensführung nichts anhaben kann,
worüber er in den Berichten seines Freundes, des Grafen
Greifenkranz, der im Haag mit dem Philosophen persönlichen Um-
gang gepflogen, eine vorzügliche Quelle besitzt. Gegen seine
Lehren weiss er nur die alten Einwände eines Voetius u. a.
von neuem vorzubringen, Gott Verhalte sich, nach Spinoza, zum
Einzeldinge wie das Ganze zum Teile; er sei, da nicht schöpferisch,
ohnmächtig und nichtig; schliesslich untergrabe der Spinozismus
mit seiner Leugnung Gottes und des Teufels, des Himmels wie
der Hölle, der künftigen Belohnungen und Strafen jede Sittlich-
keit (p. 86). Besonders mag es den deutschen Professor ge-
kränkt haben, dass der arme Glasschleifer stolz den Lehrstuhl
ausschlug, welchen ihm ein deutscher Fürst aus freien Stücken
angetragen. Höchst willkommen sind ihm alle die Lügen, welche
über Spinozas Ende im Umlauf waren; auch lässt er es sich
nicht entgehen, wenigstens an dem Namen des unbesiegten
Feindes eine kindische Schmähsucht auszulassen (p. 75), worin
er nicht ohne Nachahmer geblieben, aber auch schon von
Paulus in seiner Spinozaausgabe (tom. II p. 667*) gebührend
abgefertigt wird („Nescit „„artes et fraudes Maledicti"**, sed
affingit tamen maledici sancta simplicitas").
*
§ 10. Chr. Thomasius.
Als nicht minder massgebend, auch in der Beurteilung
Spinozas, galt in den weitesten Kreisen seiner Zeitgenossen
Christian Thomasius. Schon im dritten (März-)Hert seiner
Monatsgespräche (1688) liefert er eine ausführliche Wider-
legung des berüchtigten, damals immer mehr in Aufnahme
kommenden Ketzers. Sehr charakteristisch nicht allein für seine
Stellungnahme zum Spinozismus, sondern zugleich für seine
ganze Individualität ist das Vadeirecum, mit welchem er (1703)
seinen Schüler Stolle entlässt, und welches uns dieser in seiner
Reisebeschreibung (S. 4) wiedergiebt: „Ich hätte mich vor keinem
mehr, als vor den Spinozisten in acht zu nehmen; daher
würde es gut sein, wenn ich an mich hielte und mich mit meinen
Prinzipiis nicht bloss gäbe, sondern vielmehr ihnen was abzu-
locken suchte, da ich denn, wenn ich sie erst kennte und
28
etwas von ihnen heraushätte, ihnen leichter begegnen und mi
ihnen herauskommen würde. Denn er wollte mir ihre Con-
versation eben nicht widerraten, noch auch Spinoza[s] Scripta
mir disrecommandiren, denn auch in seinem Traktatu theol.-
polit. stände viel Böses, aber manches Gute, und [nicht]
wenig Dinge, die, ob sie wohl irrig wären, dennoch Gelegen-
heiten zu nützlichen Wahrheiten und Meditationibus an die
Hand geben, wenn man nur vorsichtig und behutsam lese und
nachdächte." In ganz ähnlichem Sinne schreibt Thomasius
in seinen „Cautelae circa praecognita Jurisprudentiae** Halle 1710
(caut. circa bist, eccles. p. 57), Spinoza sei nur mit Vorsicht
zu lesen ; denn, wiewohl er anscheinend die Vortrefflichkeit
des mosaischen Gesetzes und Staatswesens darthun will, ziele
seine wahre Absicht doch gerade auf das Gegenteil. Wie in
dieser Schrift vor Spinozas Spiegelfechterei gewarnt und dabei doch
auf die Trefflichkeit mancher seiner Gedanken hingewiesen
wird, so werden auch an anderer Stelle (l. c. pars I p. 225
Not. x) die Grundlagen seiner „Ethik" als höchst gefährlich
verworfen, obschon diese im einzelnen „viele schöne Schlüsse
enthält." Später steigert Thomasius, im Anblicke des wachsen-
den Anhanges seines Gegners („Kl. teutsche Schriften" Halle
1721 S. 90) die Schärfe seines Urteils, so dass er schliesslich
(„Dissertationes" Halle 1773 t. I p. 814) Spinoza geradezu
einen Betrüger nennt, der absichtlich die Substanz so dunkel
und falsch definirt, „um darin das Gift seines Unglaubens
und das schauderhafte Dogma, nur Gott sei Substanz, verbergen
zu könfien."
§ 11. Spinozas Freunde.
Hiermit ist nun freilich die Zahl der deutschen Anti-
spinozisten bei weitem nicht erschöpft. Ihr Ton wird begreif-
licherweise um so ungehaltener, je fruchtloser sich ihre Be-
mühungen zeigen, je weniger sie ihre Landsleute zu warnen
vermögen. Spinoza selbst war bereits vielfach mit Deutschen
in Berühung gekommen, so besonders mit Kerckring, Tschim-
hausen. Schuller, Leibniz und Oldenburg. Von einem Deutschen
hatte er Unterricht in dessen Muttersprache erhalten, die sich
auch in seiner Bibliothek vertreten findet. Ferner waren, wie
Spinoza selbst durch seine Berufung nach Heidelberg beinahe
auf deutschen Boden verpflanzt worden wäre, viele Deutsche
wiederum nach Holland bezw. England gegangen, um sich
dort dauernd niederzulassen.
Unter diesen hatte Spinoza bekanntlich persönliche Freunde,
29
wenn auch Freunde von jener Zweideutigkeit und Feigheit,
welche im Briefwechsel mit dem „Freunde" den Namen zu
nennen sich scheuten. Bezeichnend genug ist hierfür das Ver-
halten Oldenburgs, der auch sonst Vorliebe für Anonymität
zeigt. Sucht sich doch selbst Ludw. Meyer, der bekannte
Herausgeber der nachgelassenen Schriften Spinozas, gegen den
Vorwurf des Spinozismus hinter dem Aushängeschild des Carte-
sianismus zu schützen. Seine „Philosophia Scripturae interpres"
(1666) hatte, wenn sie auch im einzelnen wenig vom Geiste
eines Spinoza verrät, mit dem theol.-pol. Traktate immerhin
soviel Verwandtschaft gezeigt, dass sie anfangs Spinoza zuge-
schrieben werden konnte, zumal sie zweimal mit dem verfemten
Traktat zusammen erschienen war. Wegen ihrer rationalistischen
Tendenz („Quidquid rationi contrarium, illud non est credendum")
kam sie auch später besonders bei der Bibelkritik zu
Ansehen. Ueber ein Jahrhundert alt, wurde sie 1776 von
Semler von neuem herausgegeben.
§. 12. Balth. Bekker.
Einen anderen geheimen Apostel fand Spinoza in einem
Cartesianer deutscher Herkunft (vgl. Schwager, Beytrag zur
Gesch. der Intoleranz. Lpzg. 1780 S. 3.) in Balthasar Bekker.
In seinem „Kort begryp der allgemeene kerkelyke historien
zedert het jaar 1666 tot den jare" (1684) heist es zwar (S. 551) :
„Man muss bekennen, dass die Ansichten Spinozas nur allzu-
sehr durch alle Orte und Klassen von Menschen ausgebreitet
und gewurzelt sind, dass sie die Höfe der Grossen einge-
nommen und verschiedene der besten Köpfe verpestet haben,
und dass Leute von sehr bürgerlichem Wandel durch dieselben
zur Atheisterei verrückt sind, wodurch unter der Hand
die Anzahl derer wächst, welche die Religion und das Glaubens-
bekenntnis nur aus Anstand . . und mehr aus menschlichen
als göttlichen Gründen festhalten." Dieses Urteil, welches, in
etwas eingeschränkt, wie von den holländischen, auch von den
deutschen Verhältnissen gelten kann, hindert jedoch nicht, dass
Bekkers „bezauberte Welt", bekanntlich von grösstem Einfluss
auf die Beseitigung des Teufelspukes und der Hexenprozesse,
nicht nur von Spinozas theol.-polit. Traktate angeregt, sondern
sogar zu dem Tract. de Diabolo in, jedenfalls unmittelbare,
Beziehung zu bringen ist.
Häufig scheint Spinoza auch von durchreisenden Deutschen
Besuche empfangen zu haben. So will jener Nicolaus von
Greifenkranz, der Korrespondent und Gewährsmann des älteren
30
Kortholt, wie er diesem in einem Briefe (April 1681) mitteilt,
im Jahre 1672 mit Spinoza verkehrt haben. Ferner besitzt
die Wallenrodsche Bibliothek zu Königsberg i. Pr. Spinozas
Handexemplar des theol.-pol. Traktates mit Randbemerkungen
von seiner Hand, welches er einem Danziger, J. Statius
Klefmann, am 25. Juli 1676 gewidmet hat.
§ 13. W. V. Tschirnhausen.
Am bekanntesten jedoch und bei weitem am wichtigsten
unter diesen Beziehungen Spinozas ist sein Verhäknis zu
Tschirnhausen und zu Leibniz. Ersterer, bekannt als Erfinder
der kaustischen Kurven, des Brennspiegels und als Entdecker
der Porzellanerde, nimmt auch in der Geschichte der deutschen
Philosophie eine geachtete Stellung ein. In Leyden ausser mit
mathematischen Studien auch mit Descartes beschäftigt, war
er mit Spinoza in einen lebhaften schriftlichen Verkehr getreten.
Zwölf Briefe (bei Vloten und Land epp. LVII-LX, LXIII-LXVI,
LXXX-LXXXIII) sind uns von dieser Korrespondenz erhalten,
worin sich Tschirnhausen gelegentlich auch auf eine persönliche
Unterredung mit unserem Denker bezieht (ep. 57 i. J. 1675:
„Praesens mihi indicasti methodum. « .")• In diesem Briefwechsel
begegnet uns Tschirnhausen als einer der selbständigsten und
scharfsinnigsten Kritiker der Lehren des Meisters. Wenn er
auch z. B. in der Auffassung des Raumes Spinoza den Vorzug
vor Descartes giebt, welchen er neben jenem allen anderen
Philosophen voranstellt („Cart. et D. Spin, mihi ultra modum
placent" s. Leibniz, Math. Schriften ed. Gerhardt IV S. 469),
so findet er doch andererseits schon heraus, was seither stets
als die empfindlichste Lücke im Spinozismus gegolten, nämlich
die Schwierigkeit, dass aus einem Attribute mehrere Eigen-
schaften fliessen sollen. Spinoza verspricht ihm eine eingehendere
Beantwortung seines Einwurfes, doch vereitelte dies sein nicht
lange darauf erfolgter Tod.
Am entschiedensten fühlte sich unser Mathematiker durch
Spinozas geschickte Anwendung der mathematischen Methode auf
die Natur- und Moralphilosophie angezogen, worin er selbst später
das unmittelbare Vorbild Wolffs wurde. Vor diesem verteidigte er
auch (s. Wolffs eigene Lebensbeschreibung hrsg. von Wuttke S. 127)
seinen Meister gegen den Vorwurf, er konfundire Gott und Natur,
während er, nach Tschirnhausens Ansicht, sogar einen besseren
Gottesbegriff habe als Descartes. Durch Spinoza wurde Tschirn-
hausen auch mit Huygens und Oldenburg bekannt und durch
letzteren wiederum an Leibniz empfohlen, mit welchem ihn bald eine
31
innige Freundschaft verband. Er vermittelte dem Freunde, wie
wichtige mathematische Theoreme Newtons (s. Ueberweg-Heinze,
Grundriss d. Gesch, d. Philos. III' S. 146), so auch die Haupt-
lehren der Ethik Spinozas, in welche er (s. ep. LXX) lange
vor ihrem Erscheinen Einsicht genommen hatte. Auch der
Traktat „de emendatione intellectus'* war ihm von Schuller,
der Mittelsperson zwischen ihm und dem Meister, 1674 gesandt
worden (Gerh., Math. Sehr. IV S. 451), und dieses Werk regte
ihn zu seiner Hauptschrift, der „Medicina mentis'' 1687
(2. Aufl. 1693), an. Anfangs sollte diese sogar, wie er 1682
in einem Briefe an Huygens ankündigt, den gleichen Titel
wie Spinozas Abhandlung führen. Doch hat ihn zuletzt die
Scheu vor einer überall nach Spinozisten fahndenden Inqui-
sition hiervon, sowie von der Erwähnung seines Meisters
zurückgehalten. Spinozas Einfluss giebt sich aber in Tschirn-
hausens Schrift so deutlich kund, dass Tennemann in seiner
Gesch. der Philosophie (Bd. XI S. 209), ohne die sonstigen
Beziehungen zwischen Schüler und Meister zu kennen, mit Be-
stimmtheit die Arbeit eines Spinozisten darin entdeckte.
Schon ein flüchtiger Einblick in diese „Medicina mentis** lässt
eine oft wörtliche Uebereinstimmung mit Spinozas Fragment er-
kennen. Seine Schülerschaft verrät sich in des Verfassers Forde-
rung einer „Wissenschaft des Universums, welche nach genauer
mathematischer Methode a priori bewiesen und durch unbe-
streitbare Erfahrungen a posteriori bestätigt wird** (Med. ment.
p. 223). Doch ist sein Plan in diesem Werke, dessen
zweiter Theil, die „Medicina corporis", unvollständig geblieben,
nicht ganz zur Ausführung gelangt; eine Handschrift, welche
ihn vollständiger durchführte, soll Tschirnhausen kurz vor
seinem Tode verbrannt haben (s. Bartholmess im Dict. philos,
VI p. 913). Unter der festen, an Spinozas „kurzen Traktat"
erinnernden Voraussetzung einer unmittelbaren und ununter-
brochenen Abhängigkeit aller physischen wie psychischen Vor-
gänge vom göttlichen Willen, wiewohl er mit Descartes, und
inkonsequent wie dieser, wie eine übervernünftige Offenbarung,
so auch hier eine Freiheit des Willens gelten lassen will, be-
handelt Tschirn hausen, wie sein Meister, auch die Ethik als
Naturforscher. Neben der Medizin und Mechanik ein Hauptteil
der Philosophie, zielt die Ethik auf die völlige Gesunderhaltung
des Geistes (p. 223). Dieser ist von Natur dazu angelegt,
das Gute,d. h. das was ihm nützt, was sein Sein erhält, zu suchen
(p. 10. 221), und das vernünftige Streben der Selbsterhaltung
ist das, was wir Tugend nennen (p. 52). Nun besteht aber
unser Glück nicht in dem flüchtigen Rausche der Leidenschaft,
32
sondern in dem Besitze der unverlierbaren Erkenntnisse
des Geistes (p. 10. 11. Vgl. p. 25); unsere Tugend besteht
mithin in der Erwerbung der Wahrheit. Diese Thätigkeit, die
Bildung richtiger Begriffe, nennen wir Intellekt, zum Unter-
schiede von der sinnlichen Wahrnehmung und der Vorstellung,
welche . uns die Sinne und die. Einbildungskraft übermitteln
(p. 32. 56. 59. 222). Alles Sätze, in welchen wir Spinoza
selbst zu hören meinen. Doch zeigt besonders Tschimhausens
Briefwechsel mit dem Verfasser der „Ethik", dass er, ab-
gesehen von dieser Uebereinstimmung in seinen logischen An-
sichten, in wichtigen Fragen auf anderem Boden stand und
sich darin mehr seinem Freunde Leibniz näherte.
§ 14. Leibniz.
Entsprechend der Bedeutung, welche Leibniz für die gesamte
spätere Entwicklung der deutschen Philosophie hat, ist die
Literatur über seine Quellen, insbesondere inwiefern er von
Spinoza gelernt hat, berghoch angewachsen. Es handelt sich
hierbei um nichts Geringeres als um die Streitfrage, in welchem
von beiden Geistesheroen wir den Vater der deutschen Philosophie
nicht allein, sondern der neueren Spekulation überhaupt zu
sehen haben.
Schon zu Lebzeiten Leibnizens suchte man ihn des
Spinozismus, d. h., nach dem Begriffe jener Zeit, des Atheismus
zu verdächtigen; er galt als „ein Spinoziste, der sich um keine
Kirche, keine Priester und Religion bekümmere, sondern seinem
Plaisir nachhinge und sich nach dem Preussischen Hofe richte**
(vgl. Stolles Reisebeschreibung S. 513). Er selbst verteidigt
sich dieserhalb gegen Bourguet und den Dänen Niels Stensen
(Nicol. Steno), der auch gegen Spinozas theol.-pol. Traktat
feindlich aufgetreten.
Geradezu als Plagiator des holländischen Philosophen stellte
Leibniz der Friesländer R. Andala hin in seiner „Dissert. de
unione mentis et corporis physica" § 3 p. 8 (in Diss. Philos.
Pentas. Franeck. 1712), der nebenbei auch als echter Cartesianer
in seinem „Cartesius verus Spinozismi eversor", einer Gegen-
schrift gegen des Regius „Cartesius verus Spinozismi archi-
tectus", Spinoza durchaus den Stoikern auf Rechnung setzen
will. (Vgl. „Apologia pro vera et saniore philosophia" Franeck.
1719 pars II)
In der Folge erscheint Leibniz fast ausschliesslich im Wolff-
schen Kleide. Er wird, höchstens seine Theodicee ausgenommen,
aus dessen Kompendien studirt und zugleich in und mit Wolff
33
angegriffen, der sich dehn auch bei der Verteidigung seines
Meisters gleichzeitig seiner eigenen Haut zu wehren hat.
Erst mit dem erneuten Verständnisse Spinozas kommt
man, zumal neu aufgefundene Schriften Leibnizens das Studium
förderten, wieder auf die Originalquelien seiner Lehren zurück.
Im Vordergrunde des Streites steht noch immer die Frage nach
der wahren Urheberschaft der Lehre von der prästabilirten
Harmonie, die wir denn auch in dem Briefwechsel zwischen
Lessing und Mendelssohn und von letzterem besonders in
seinen „philosophischen Gesprächen" behandelt finden. Auch
die Langesche Spinozismus -Atheismus -Riecherei erlebte eine
neue, verbesserte Auflage, wenn auch nicht mit den barbarischen
Konsequenzen der ersten, in Jacobi. Ohne weiteres kommt
Leibniz („Ueber die Lehre des Spinoza" 1785 S. 24) unter
das Fallbeil des Determinismus und Fatalismus; die Leibniz-
Wolffsche Philosophie führt in letzter Folge notwendig zu
Spinoza.
Im Gegensatze zu Mendelssohns Partei vermag Herder
(„Gott" 156) die prästabilirte Harmonie durchaus nicht in
Spinoza wiederzufinden. Im übrigen setzt er Spinoza schon
seiner nackten Offenheit wegen dem Werte nach dem „Proteus"
Leibniz (152) voran (168 f.), dessen Nachfolger irrtümlich
seine Einkleidung für seine wahre Meinung nähmen (180).
Leibniz habe überhaupt nur sein System gemacht, um nicht
Spinozist zu sein (202).
Ebensowenig entdeckt auch Platner in seinen „Aphorismen"
(1793) im Wesen der prästabilirten Harmonie etwas von Spino-
zismus. Er selbst, sonst nicht gerade Mendelssohns Freund,
hält es doch für durchaus unbillig, mit Heydenreich diesem
vorzuwerfen, er habe den Spinozismus nur aus Kompendien
studirt und absichtlich den wahren Gesichtspunkt desselben
\'errückt. Mendelssohn habe jedenfalls, wie seine Vorgänger
„der verfolgerische Lange" und Bourguet richtig erkannt, dass
Leibniz mit Spinoza, wie überhaupt mit den Cartesianern, die
Lehre gemeinsam habe, dass die Wirkungen, auch der geistigen
Wesen, unmittelbar vom höchsten Willen abhängen. (I S. 477 f.)
Aehnlich wie bei Mendelssohn setzt sich auch bei Maimon
(„Philosophisches Wörterbuch" S. 205) Leibniz dadurch in einen
grundsätzlichen Widerspruch zu Spinoza, dass er mit Recht
den Einzeldingen substantielle Bedeutung zuschreibt, während
Fr. Schlegel („Charakteristiken und Kritiken" IS. 231) Leibniz
gar nicht einmal als eigentlichen Philosophen gelten lassen
wilL Er hätte sich von Spinoza Augengläser machen lassen
sollen, „um in die ihm unbekannte Weltgegend der Philosophie,
8
34
wo Spinoza seine Heimat hat, wenigstens aus der Ferne hin-
über schauen zu können."
Mit Berufung auf Maimons „Progressen" will auch Fichte
(Ges. W. I S. 101) in Leibnizens System nur eine unvoll-
kommene Ueberwindung Spinozas finden, wenn er gleich
ebenfalls seine Wertschätzung der Sinnenwelt billigt. Doch
sieht gerade in letzterem Punkte Herbart in seinem Bestreben,
die Metaphysik „in ihrem Dasej'n und Werden vor Augen
zu stellen" ^„Metaphysik" 1828 Tl. I S. 171), eine Verwandt-
schaft beider Denker, indem doch keiner von beiden „eigentliche
Realität der Masse" lehre (§ 57). Daher auch die Vergleich-
barkeit ihrer Ansichten vom geistigen Daseyn, „nach ihnen. .
besitzt das Geistige eine eigentliche Entwickelung" (§ 58).
Selbst der Lehre von der prästabilirten Harmonie liege das
nämliche Bestreben zu gründe, wie dem Spinozismus, „die
causa transiens zu vermeiden" (§ 56). Doch dies sind nur
oberflächliche Aehnlichkeiten (S. 175), und „man thut Leibniz
Unrecht, ja man versteht ihn nicht einmal, wenn man eigent-
lichen Spinozismus bei ihm sucht."
Kritischer v^oirde unsere* Fr^ge seit Erdmann (1840) be-
handelt. Erdmann zeigte in der Vorrede zu seiner vortreff-
lichen Leibnizausgabe , dass die Schrift „de vita beata" auf
eine Hinneigung des jungen Leibniz zu Cartesius und Spinoza
schliessen lasse, woran sich sogleich eine langwierige Diskussion
knüpfte. Ein wichtiges Moment brachte Michelet in seiner
„Geschichte der Philosophie" (1843 S. 17) hinzu, indem er
Leibniz nicht als Widerspiel, sondern als Ergänzung Spinozas
auffasste, wie auch Ulrici („Geschichte und Kritik der Principien
der neuem Philos." 1845 S. 67) in seiner Lehre geradezu die
Konsequenz des Spinozismus sieht.
Schon das nächste Jahr brachte eine besondere, gründliche
Erörterung des Verhältnisses zwischen „Spinoza und Leibniz"
von Helfferich. Hatte Jacobi in Leibnizens Determinismus,
Mendelssohn in seiner prästabilirten Harmonie, Strauss
(Glbslehre 1 S. 59) in seiner Schöpfungslehre Spinozismus
entdeckt und Saintes („Hist. de la vie . . de Spinoza" p. 222;
ihm Eitelkeit und Rücksichtnahme aui die herrschende Zeit-
richtung, oder wie Conz (Spinozas theol. pol. Abhandlung
übs. Einl. S. XX\1) sich ausdrückt: „allzu \iel Weltklugheit
auf Kosten seiner Weltweisheit'*, vorgeworfen, weswegen er
überall gegen Spinoza polemisire, ohne anzugeben, was er von
ihm entnommen, so bemerkt Helfferich mit Recht dagegen,
„dass ein philosophischer Standpunkt nicht nach einzelnen
Lehren beurteilt werden darf, sondern dass es lediglich auf
35
das Princip ankommt" (S. 101). Es ist auch nicht zu leugnen,
dass (S. 49) „der Spinozismus erst dann nachhaltig auf die
Philosophie einzuwirken angefangen, nachdem — in Leibniz
— sein Gegensatz zur Geltung gekommen war". Aber
unrichtig ist es, letzteren ganz als Gegenteil Spinozas zu fassen
und beider Lehren einander diametral entgegenzusetzen. Man
soll freilich „nicht verwischen, sondern abgrenzen", aber nur
in dem Sinne, dass man jedem das 'Seine lässt und nicht,
wie dies bei Helfferich geschieht, Spinoza neben Leibniz zu
kurz kommen lässt. Aehnlich urteilt jedoch, im Gegensatze
zu Erdmann, auch Trendelenburg („Jst L . . . einmal . . Spinozist
gewesen?" 1848), Leibniz sei schon aus chronologischen
Rücksichten nicht Spinozist zu nennen, während ein Jahr
darauf sich wieder eine Stimme findet (Münst in „Tüb. theol.
Quartalsch." 1849 H. 2), nach welcher Leibniz überhaupt nie
über Spinoza hinausgekommen.
Auch so rückhaltlose Verehrer Spinozas, wie Orelli und
van Vloten, wollen von solchen Auffassungen desLeibnizianismus
als Fortschritt, Ergänzung oder Vervollkommung des Spinozismus
nichts wissen. „Was kann es," so urteilt Orelli („Spinozas
Leben und Lehre" 1845 S. 45), „für einen grelleren Gegensatz
geben, als die Lehre von einer einzigen Substanz mit zahllosen
Accidenzen, und die Theorie von einer unendlichen Menge
Monaden, deren jede eine Substanz ausmacht?" Vloten sieht
sogar in Leibnizens Lehre einen verhängnisvollen Rückschritt
gegen Spinoza („Supplem." Amst. 1862 p. 306: „quum
Cartesianam Spinoza philosophiam a tenebris Ecclesiasticis
liberavisset, Leibnizium eam in ipsas illas tenebras iterum
immersisse."). Ein Zurückgehen Leibnizens auf Spinozas Stand-
punkt gibt auch Ed. v. Hartmann zu („Phil, des Unbew."
1S69 S. 455). Doch dieses Zurückgehen von L. auf Spin,
ist so wenig ein Rückschritt wie das Zurückgehen von dem
Standpunkte der Naturwissenschaft; in beiden Fällen ist man
durch die Fortschritte der Empirie und Induktion in den Stand
gesetzt, mystisch - geniale Konzeptionen eines Früheren a
posteriori zu begreifen' und zu begründen, ein solches Zurück-
igehen auf die grossen Vorgänger ist also ein wahrhafter Fort-
schritt und ein bleibender Gewinn."
Eine mehr oder minder nahe Verwandtschaft zwischen
nseren beiden Denkern erkennen auch da, wo sie unsere Frage
treifen, die Geschichtsschreiber der Philosophie an, wie Zeller
esch. d. deutschen Philosophie 1873 S. 102 f.), Eucken
iesch. und Kritik der Grundbegriffe . . 1878 S. 86. 91. 102.
1) und Jodl (Gesch. der Ethik I. S. 341). K. Fischer
*3
36
(Gesch. d. n. Philos. IP 3. Aufl. 1888 S. 604 ff. 618. 621)
vertieft die Erörterung des streitigen Punktes durch die
Scheidung der einzelnen Phasen in der philosophischen Ent-
wickelung Leibnizens. Er betont den grossen kirchlichen und
theologischen Gegensatz zwischen beiden Denkern vor Ab-
fassung der Monadenlehre, wodurch jedoch eine Entlehnung
des einen vom anderen in der Philosophie nicht ausgeschlossen
wird. Die Monadenlehre selbst ist nach Fischer ohne Spinozas
Einfluss entstanden, doch kommt ihr Verfasser, indem er
daraus die Konsequenzen zieht, zu Spinozas Standpunkt. So
hatte auch Pfleiderer (Gesch. der Religionsphilosophie S. 68.
76 f. 78. 80), der Leibnizens Verdienst nicht in der Ab-
schwächung, sondern in der idealistischen Ergänzung Spinozas
sieht, gerade in seinen „Concessionen an die vulgäre Welt-
anschauung" den Stachel herausgefunden, welcher tiefere, konse-
quente Denker wieder auf den Spinozismus hinlenken musste.
Schliesslich haben in jüngster Zeit (vgl. Stein, „Leibniz
und Spinoza" S. 3Q. 54. 62. 98 u. a.) durch neu aufgefundenes
handschriftliches Material die Mutmassungen über Leibnizens
Beziehungen zu Spinoza einen festeren Untergrund und seine
eigenen Andeutungen darüber grösseres Gewicht erhalten. (Vgl.
Nouv. Ess. I, 1 p. 206 ed. Erdm. cf. IV, 12 p. 383. IV, lo
p. 386 u. a.)
Stehen nun solche Beziehungen Leibnizens zu unserem
Denker einmal fest, so ist jetzt in den Hauptgedanken seines
Systemes, welche auf die spätere Philosophie gestaltend einge-
wirkt haben, zu prüfen, was sich schon bei Spinoza findet,
und ob das Leibniz Eigentümliche darin einen wahren Foit-
schritt des Denkens bedeutet.
Die Grundlage seiner Metaphysik ist die Monadenlehre.
Leibniz sucht, wie viele vor ihm und u. a. auch Spinoza, nach
der Substanz der Dinge. Den Begriff der Substanz führt er
auf den der Kraft zurück, thätige Kraft und Individualität sind
ihm Wechselbegriffe. Ist nun damit ein Fortschritt über Spinoza
hinaus zu verzeichnen, der sich begnügt, das einheitliche Sein
eben als solches zu definiren, ohne ein so nichtssagendes Wor
wie Kraft dafür zu gebrauchen, womit zugleich schon der Begrif:
der Veränderlichkeit zu dem des im Wechsel beharrenden Sei^^
hinzugetreten ? !
Gleichzeitig ist Leibniz durch den Gegensatz zu Descarte?
zu einer einseitigen Fassung des Substanzbegriffes gefühn
worden, während Spinoza nicht allein den Attributen des
Denkens und der Ausdehnung ihr Recht wahrt, sondern v\
billiger Rücksicht auf die raum-zeitliche Beschränktheit de^
37
menschlichen Geistes, seiner Substanz noch unendlich viele
andere unendliche Attribute zuspricht.
Ferner kennen wir doch nur eine Monade, die Seele. Nach
ihrem Muster muss demnach in auf- und absteigender Linie
alles anthropomorphisirt werden, und so operirt Leibniz mystisch,
wie später Schopenhauer mit seinem Willen, mit unbewussten
Vorstellungen selbst bei den kleinsten Stoffteilchen. Aehnlich
w^erden auch die Beziehungen zwischen Leib und Seele auf
das Verhältnis aller Monaden zu einander bezw. zu der höchsten,
der Gottheit, bezogen; das anthropologische Prinzip wird zum
kosmologischen erhoben. Und Leibnizens Bestimmung jener
psychologischen Beziehungen selbst steht sogar hinter seines
Vorgängers Malebranche Auffassung des Verhältnisses zwischen
den beiden unser Wesen bildenden Faktoren zurück. Denn
während dieser die Wechselbeziehungen zwischen ihnen durch
einen erst- und einmaligen Eingriff Gottes erklärt, zieht jener
selbst für die schlichtesten Erfahrungen einen groben „Concursus
Dei" herbei. Auch ist die Leibnizsche Substanz, die Kraft, gar
nicht einmal einheitlich; sie teilt sich vielmehr in eine aktive
(Bewegung) und eine passive (Widerstand, Trägheit).
Die grösste Schwierigkeit aber bereitet dem Spiritualisten
die Erklärung der Materie. Leibniz denkt sich die Körper aus
Monaden zusammengesetzt. Jede Monade, die doch mehr oder
minder Selbstbewusstsein haben soll, muss nun hiervon zum
Besten des Ganzen opfern. Weshalb? Wegen der praestabi-
lirten Harmonie. Also dasselbe Prinzip, welches die aktive
Kraft der Monade regelt, soll nun zugleich das Gegenteil, die
Beschränkung ihres Wesens, bewirken. Wollten wir nun aber
trotz alledem eine solche Begründung der Erkenntnislehre durch
gegenseitige Einwirkungen der Kräfte auf einander gelten lassen,
womit sich Leibniz, nach welchem ja „die Monade keine
Fenster hat", jedenfalls selbst widerspricht, so bliebe doch das
Wesen der Materie, das „Ding an sich", völlig im Dunkeln.
Es wäre damit höchstens etwa Malebranches „etendue intelli-
gible" zu erklären.
Und welche Variationen muss sich bei Leibniz der Begriff
der „Substanz" gefallen lassen! In jedem Organismus, so lehrt
er, giebt die einzelne Monas ihre Selbständigkeit auf, um von
der Zentralmonas bestimmt zu werden. Was entspricht denn
dann aber hier auf geistigem Gebiete dem einzelnen Stoff-
teilchen? Was macht ferner die eine Monas auf Kosten der
anderen zum Zentrum? Weshalb und wodurch ist denn über-
haupt eine Monas stärker und höher als die andere? Weshalb
ist Gott ganz immateriell zu fassen ? Aus welchem Grunde ist
38
die Menschenmonas unsterblich, die tierische nicht? Und wie
erklärt sich schliesslich unser „Denken", da doch unsere „Vor-
stellungen" allein durch die praestab. Harmonie ermöglicht
werden? Leibniz kann zwar überall als Notbehelf den Gegen-
satz von aktiver und passiver Kraft zu Hilfe nehmen, aber,
abgesehen davon, dass eine ,, passive Kraft" stark an ein
„hölzernes Eisen** erinnert, offenbart sich jedenfalls in dieser
Ausflucht der unleugbare Dualismus seines Systemes.
In der Ethik erwartet man sodann nach solchen Praemissen
einen strengen Determinismus. Mag nun Leibniz hier mit einem
Male, als hätte er seine Metaphysik vergessen, zwischen physi-
scher und moralischer Notwendigkeit scheiden, er kommt über
diese und ähnliche Schwierigkeiten, wie die Erklärung des
Bösen, nicht hinweg. Wenn er ferner sagt, alles habe seine
Substanz in der Gottheit und müsste zu sein aufhören, wenn
Gott sein Wirken einstellte, so liegt hierin der Zwiespalt zwischen
Immanenz und Supranaturalismus, an dem sein ganzes System
krankt, offen zu Tage. Wollte er ganz konsequent sein, so
käme er hier zum Spinozismus zurück, von dem er ausgegangen.
Er setzt die sechste Proportion der ,, Ethik" den folgenden von
der Einzigkeit der Substanz entgegen, kommt aber damit, wie
wir sehen, sogleich in die Brüche.
Wenn demnach auch Leibniz ohne den direkten Einfluss
Spinozas zu seiner Monadenlehre gelangt ist und sich auf
diesem Standpunkte gegen die glaubensfeindlichen Konsequenzen,
welche auf dem Wege des Spinozismus liegen sollen, immer
fester verschanzt und verwahrt, so ist er doch allmählich durch
die Folgerungen aus den eigenen Vordersätzen, mit Aufnahme
mancher Elemente Spinozas, wie der Definitionen der Seele,
der Liebe u. a., unwillkürlich zu dessen Resultaten gelangt.
Und für die nähere Begründung und Ausführung seines Systemes
ist Spinoza jedenfalls von grosser Bedeutung als negativer
Faktor, indem Leibniz ihn beständig als Gegner vor Augen
hat, an welchem er seine Kräfte misst. Auch hat nicht um-
sonst die Unsicherheit und Inkonsequenz, die seine Schüler
an ihm fanden, sie wieder auf Spinoza zurückgeführt; und
dieser war es erst, der sie unter dem Formelkram der Wolffschen
Scholastik den reinen Kern der Leibnizschen Lehre verstehen
und würdigen lehrte.
Leibniz hatte das Kleid der Substanz Spinozas für seine
Monas zurechtschneiden wollen. Doch die Form, welche das
blosse Sein, die Abstraktion gefasst, wurde von dem neuen Inhalt,
dem Werden, dem quellenden Leben gesprengt, und Mittelpunkt
und Einheit waren damit dem Leibnizschen Gedankenbau ent-
39
seh wunden. Doch bleibt es Leibnizens un verlorenes Verdienst,
eine Fortbildung des Spinozismus ermöglicht zu haben, in dem
er gegenüber dem vorwiegenden Substantialismus Spinozas den
anderen Pol, die Weltseite, betonte und sich in den dazwischen
klaffenden Abgrund als erstes jener Opfer stürzte, über deren
Leiber sicheren Fusses hinüberzuschreiten, ein späteres Geschlecht
sich vorbehielt.
Aber eine lange Zeit sollte noch verstreichen, ehe man für
Leibnizens Lehren das rechte Verständnis zeigte. Die breiteren
Schichten des Volkes nahmen davon, wie von derartigen
abstrakt-spekulativen Erörterungen überhaupt, gar keine Kenntnis.
Und noch weit mehr hätte dies sicherlich von dem noch
aristokratischeren Spinozismus gegolten, wenn nicht der theol.-
politische Traktat die Brücke zu seinem Verständnisse würde
geschlagen haben. Auf dieses von den Theologen so eifrig
verfolgte Werk wurde eine gleichzeitig sich regende und rasch
anwachsende Unzufriedenheit mit Klerus und Regierung auf-
merksam, und hier fand ein kampflustiger Freisinn die besten
Waffen gegen Pfaffen- und Schranzentum. So finden wir denn
in der That in den ersten Aposteln der Aufklärung in Deutsch-
land mehr oder minder bewusste Prediger spinozistischer Lehren.
§ 15. Matth. Knuzen.
Als erster dieser Wanderpropheten, deren oft zügelloser
Wandel ihrer Sache mehr schadete, als sie durch ihre Argumente
sie zu fördern vermochten, begegnet uns der Abenteurer Matthias
Knuzen, wie er selbst berichtet, „bürtig aus Eyderstädt von
Oldensvoorth, eines Organisten Sohn. Dieser, nachdem er von
Universitäten, als Königsberg, Coppenhagen etc. nach Holstein
gekommen, und gesehen, wie daselbst in seinem Vatterlande
mehr als andrer Orten fast alle Prediger in dem Geld- und
Ehrgeitz gleichsam ersoffen waren, auch fast keiner befördert
wurde, es sey denn, dass er Doctor oder zum wenigsten Ma-
gister wäre, hat sich obgedachter M. Knuzen . . einen geringen
Pfarr-dienst dadurch zu erjagen, sich anfänglich für einen Ma-
gister, hernach für einen Licentiatum Theologiae ausgegeben
und tituliren lassen." Nachdem ihm darauf wegen seiner
ketzerischen Predigten die Kanzel verboten worden, reiste er
„nach Rom und an andre Oerter", wo er „Briefe über
Briefe auf alle Universitäten in der Welt geschrieben und
schreiben lassen, worinnen er weitläufftig beweiset, dass
die gantze Bibel mit ihr selber streitet." Und „weil er ge-
sehen, dass durch Geistlichkeit und Obrigkeit die Armen
40
geprellet bei jeder Gelegenheit, hat er der Welt eine andere
viel bessere Bibel gezeigt, welche alle Menschen mit,
bey, ja in sich führen, nehmlich die Vernunfft oder das Wissen,
doch nicht eines, sondern vieler Menschen, Luc. 24, 39, mit
dem Gewissen vereiniget," und dieses gebietet: „Ehrlich leben,
niemand beleidigen und einem jeden das Seine geben." Nach
diesem Programm nannten sich Knuzens Anhänger, deren
er, in einem Alter von etlichen zwanzig Jahren, bereits eine
grosse Anzahl, und in Jena allein viele hundert haben wollte,
die „Gewissener". Gegen ihn wandte sich 1674 Johann
Musaeus in einer „Abweisung der ausgesprengten abscheulichen
Verläumdung, als wäre in der fürstl. sächs. Residentz und
gesammte Universität Jena eine neue Sekte der sogen.
Gewissener entstanden etc.". Eine neue Auflage dieser Schrift
(1675) brachte als Anhang Knuzens „Chartequen". Ausser
diesem seinem Gegner Musaeus ist es noch sein „Retter"
Edelmann, der Knuzens Schriftchen der Nachwelt erhalten hat,
da sie von den Regierungen auf das sorgfältigste unterdrückt
und höchst selten geworden waren. Wie die meisten solcher
verfemten Schriften wurden sie in Abschriften unter Gesinnungs-
genossen verbreitet, und auf diese Weise waren sie Edelmann
zu Gesicht gekommen, der sie denn auch in seinem „Moses
mit dem aufgedeckten Angesicht" (II S. 34 fg.) von neuem
veröffentlichte. Sie verraten allerdings eine für jene Zeit ganz
unerhörte Freigeisterei. Es heisst darin (s. M. Knuzen
Oldensvoortha-Holsati Epistola I et Dialogi 2. Jenae 1672)
geradezu: „Wir leugnen Gott; die Obrigkeit verachten wir
gründlich; die Kirchen verwerfen wir samt allen Pfaffen."
„Zwischen dem Ehestande und der Hurerey ist nach der Bibel
kein Unterschied," bekanntlich ein Satz, der in der Doktrin
der Naturrechtslehrer, wie Pufendorf und u. a. besonders die
Zielscheibe der theologischen Angriffe war. An anderer Stelle
proklamirt Knuzen: „Wir Gewissener glauben nichts, es sey
dann, dass es mit dem Wissen oder Vernunfft, doch nicht
eines, (allein) welcher vielleicht rasen kann, sondern vieler, doch
nicht kleiner Kinder, sondern erwachsener Menschen Gewissen
vereinigt, übereinstimmt" (s. bei Edelmann a. a. O. S. 34.
46 fg. 51. 54. 69. 72). Dieses Hervorheben der Vernunft als
des alleinigen Massstabes bei der Beurteilung der Schrift, sowie
Einzelheiten, z. B. der Tadel der Vieldeutigkeit biblischer Aus-
drücke, wie Geist, Glaube, Gesetz u. a. (bei Edelm. S. 48
vgl. Tr. theol.-pol. cap. I), erinnern stark an den Theol.-pol.
Traktat, wenn auch sonst in Knuzens Schriften nicht viel vom
Geiste Spinozas zu entdecken ist.
41
§ 16. Stosch.
Während Knuzen, ein Mann aus dem Volke, nur den
Widerstreit der Vernunft gegen den Kirchenglauben betont und
mit seinen irrlichterirenden Einfällen höchstens ein paar
Professoren aufzuscheuchen vermag, giebt uns der Berliner
Friedr. Wilh. Stosch mit seiner „Concordia rationis et fidei"
(1692) das Beispiel eines Spinozisten aus den höchsten
Gesellschaftskreisen, welcher, wie der Titel seiner Schrift
andeutet, die Ergebnisse der Philosophie, der Natur- und Rechts-
wissenschaft, welche kurz vorher fast gleichzeitig in Deutschland
eine durchgreifende Umwälzung erfahren hatten, mit dem
christlich-katholischen Dogma zu vereinigen redlich bemüht ist.
Das Berlin jener Zeit war noch nicht das Berlin Friedrichs des
Grossen. Kirche und Staat wachten sorgfaltig, in Wahrung
gemeinsamer Interessen, über dem Autoritätsglauben des Volkes.
Um so grösseres Aufsehen musste das Buch eines königlichen
Sekretärs erregen, welches den landläufigen Ansichten über
Gott und die Welt geradezu ins Gesicht schlug. Man holte
darüber die Gutachten der Berliner Hofprediger und der
theologischen Fakultät zu Frankfurt a. d. O. ein, und daraufhin
wurde auf allen Kanzeln Berlins der königliche Befehl ver-
kündet, dass, wer diese Schrift besitze oder von ihrem Besitze
wisse, 500 Thaler Strafe zahlen, „wer es aber verkaufife, den
Staubbesen bekommen** solle. Trotzdem konnte man nicht
verhindern, dass Stoschens Schrift in verschiedenen Abschriften
verbreitet, die wirksamste Propaganda für den Spinozismus
gemacht hat, so dass Stosch ohne Frage wesentlich dazu bei-
getragen hat, den Boden Berlins für spätere Freigeister zu
präpariren. Mit einer Widerrufung seiner Ansichten, die man
ihm abnötigte, scheint er es nicht besonders ernst gemeint
zu haben, wie aus einer Bemerkung in seinem Handexemplar
zu entnehmen ist:
„Ad librum a Ministerio condemnatum:
Q (aestio): Parve liber quid enim peccasti dente sinistro,
Quod te discerptum turba sacrata velit?
R (esponsio): Invisum dixi verum, propter quod et olim
Vel Dominum letho turba sacrata dedit."
Wie noch ein Jahrhundert nach ihm Ewald (in der Ueber-
setzung der philosophischen Schriften Spinozas 17ß7 Bd. I
S. III), bittet Stosch in der Vorrede zu seiner Schrift den
Leser, beim Anblick verhasster Namen, wie Spinoza, Hobbes,
Pereyre u. a. nicht zu erschrecken. Er berichte nur über ihre
Ansichten, ohne sich selbst zu ihren Irrlehren zu bekennen.
42
Und in der That steht er, mag man auch Spinoza noch so
oft und sogar wörtlich bei ihm wiederfinden, nicht ganz auf
seinem Boden; weshalb denn manche, wie Trinius („Freidenker-
lexicon" S. 444 ff.), ihn gegen den Vorwurf der Spinozisterei
verteidigen. Stosch gibt den Lehren Spinozas durch Beimischung
Gassendischer Sätze eine durchaus materialistische Spitze, wie
überhaupt in seiner Schrift allenthalben eine naturalistische Auf-
fassung zu Worte kommt, deren entschiedene Sprache gegenüber
der damals noch vielfach herrschenden aristotelisch-scholastischen
Metaphysik an Jac. Thomasius und Chr. Weise erinnert.
Auffallen muss es jedenfalls, dass, wie schon hier bei
Stosch, so auch in der ganzen späteren deutschen Literatur
der „fromme Pater" Malebranche ohne eine Spur der
Anrüchigkeit, welche seinem so nahen Geistesverwandten
Spinoza anhaftet, ohne Passvisitation zugelassen wird.
Im einzelnen verrät sich der Spinozismus des Verfassers
in dem Uebergewicht, welches er der Vernunft dem Glauben
gegenüber zuschreibt (Prooemium 2 b). Die Vernunft ist zu-
verlässiger als Glauben. Doch ist auch dieses am Platze, wo
wir nicht selbst zugegen sein können. Die Gewährsmänner
sind aber selbst wiederum mit Hilfe der Vernunft zu prüfen,
so dass selbst der Glaube sich auf diese stützen muss. Ferner
spricht Stosch sogleich im ersten Kapitel der Einleitung zur
Moralphilosophie einen unverblümten Determinismus aus (§ 1).
Der Mensch habe sich zunächst darüber klar zu werden, dass
er nicht durch sich selbst Bestand habe, sondern nur ein Teil
des Alls sei, ein endliches, denkendes und ausgedehntes Wesen,
welches in bestimmter Weise zu sein und zu wirken determinirt
ist. Gleichfalls in Spinozas Ausdrücken folgt hierauf (§ 3) die
Definition Gottes als der einzigen und alleinigen Substanz.
In dem zweiten Kapitel, worin Stosch (§15 vgl. Tholuck,
Vorgesch. des Rationalismus II S. 11) der alten Metaphysik
nur noch den Wert eines Lexicons metaphysischer Terminologie
lässt, behandelt er in einem Atem den homo christianus mit
dem homo naturalis, physicus, astrologus, oeconomus, fasst
er also die Religion unter einer Kategorie mit Beruf und Wissen
zusammen. Eine stofflose Substanz ist ihm ein Unding.
Ebenso nimmt er „Himmel" und „Hölle" nur metaphorisch.
In der Psychologie tritt Spinoza (Cap. III) anfangs ein wenig
hinter Gassendi zurück, um in der Affektenlehre (§§ 15 — 51)
fast ausschliesslich als Muster herangezogen zu werden. Das
folgende Kapitel handelt, nach dem Vorbilde der „Ethik", v^on
der Nichtigkeit der Leidenschaften und von ihrer Bekämpfung,
wodurch allein wir frei werden können (s. bes. § 1. 3. 4. 5. 8.
43
16); die Philosophie nennt er eine „Medicina animi." Hierauf
tritt wieder da, wo „De Bono et Malo" (Cap. V) gehandelt
wird, Gassendi mehr in den Vordergrund, wenn auch in
manchen Punkten, so in der Definition der Tugend (§ 4) und
sonst (s. § 1), Spinoza Recht behält. Mit Berufung auf dessen
Theol.-pol. Traktat unterscheidet Stosch im nächsten Kapitel
(§ 2) zwischen einem inneren und äusseren Gottesdienste,
welch letzterer aber unter seinen Händen, ganz gegen
Spinozas Absicht, zur blossen Heuchelei wird, so wie er
auch (§ 5) Notlügen zu einem guten Zwecke und andere piae
fraudes für statthaft erklärt. Gegen den Spinozaschen Idealismus
verstösst auch seine bedingungsweise Forderung des Selbst-
mordes, als einer Pflicht des Menschen gegen sich selbst
(Cap. VIII § 5), und die Basirung unserer sozialen Pflichten auf
den niedrigen Egoismus (Cap. IX § 1), wobei er auf Pufendorf,
Grotius und Hobbes verweist. Auch die beiden nächsten Ka-
pitel sind geeignet, den Spinozismus arg in Misskredit zu bringen,
indem Stosch (Cap. X p. 77. 81, XI 93. 95) die materialistisch
und fatalistisch klingenden Sätze des Meisters über das Wesen
der Seele, über die Unsterblichkeit und die göttlichen Strafen
heranzieht, ohne ihm andererseits auch nur einen Zug seines
Idealismus zu entlehnen. Das Schlusskapitel handelt von der
offenbarten Religion im Geiste des theol.-politischen Traktates,
wenn auch mit einer mehr polemischen Färbung (§ 1). Theolo-
gische und natürliche Wahrheit können einander nie wider-
sprechen, weil es ja im Grunde nur eine Wahrheit giebt und
Gott sich stets gleich bleibt. Die Religion im landläufigen Sinne
ist nur für die grosse Masse des Volkes da, welche, von ihren
Leidenschaften völlig beherrscht, sich nicht der Vernunft zu
bedienen weiss.
Der christlichen Religion giebt Stosch zwar vor anderen den
Vorzug (§ 16), doch verwirft er alle Dogmen (i^ 18) bis auf
das eine von der Gottessohnschaft Christi „auf eine besondere
Weise" (§ 17), was natürlich im Munde des Rationalisten, wie
wir schon bei Spinoza sehen, auch nicht allzu ernst zu nehmen
ist. „Wie viel", so schliesst (p. 124) das Schriftchen, „hat
man nicht zu verlernen, wenn man der Wahrheit folgen will!
Und wie schwer ist es, jede Scherbe von dem Gerüche zu
reinigen, den sie einmal angezogen hat!"
Der Schrift selbst folgen noch einige Zusätze, so ein Gebet,
welches für den Deterministen und Spinozisten bezeichnend
ist: „Summe Deus, ens perfectissimum, unica et sola substantia,
a quo, ex quo, et in quo omnia sunt quae sunt, et praeter
quem nihil per se subsistit. Tu autor et columen es vitae
44
meae." (Vgl. oben Cap. VII § 4: „nulla sanctior praecatio in-
stitui potest, quam ea qua iubemur postulare, ut Dei voluntas
fiat".) Den Schluss des Ganzen bildet (p. 145) die edle Mah-
nung: „Quicquid agis, age motus seriä consideratione sive
cognitione Dei, Tui et Socii!"
§ 17. Wächter.
Unter ähnlichem Titel „Naturae et Scripturae Concordia"
erschien, gleichfalls in Berlin, einige Jahrzehnte später eine Schrift,
deren Inhalt jedoch in ihrem Verfasser nichts weniger als einen
Anhänger Spinozas vermuten Hesse, wenn nicht andere Schriften
bereits sein Verhältnis zu Spinoza bekannt gegeben hätten.
Joh. Georg Wächter, ein geborener Schwabe, später Lehrer der
Philosophie zu Berlin, war einst als junger Mann gelegentlich
einer Reise mit einem aus Vorliebe für die Lehren der Kabbala,
die man sich damals mit dem Spinozismus (vgl.Leibniz, Theodicee
praef. § 9) und sogar mit den Fundamentallehren des Christen-
tums (vgl. Franck,. la Kabbale, dtsch. von Gellinek 1844 S. 19)
in Uebereinstimmung dachte, zum Judentume übergetretenen
Augsburger, Joh. Pet. Speeth, genannt Mose Germanus, in ein
ziemlich eingehendes Gespräch über die Vorzüge des Judentumes
bezw. des Christentumes geraten. Im Anschluss daran ver-
fasste er seine erste Schrift: „Der Spinozismus im Juden thumb*'
(Amst. 1699), worin er mit einer argen Verwirrung der Be-
griffe, — wofür er oft genug von Speeth (s. dessen „De ortu
et progressu pantheismi" Amst. 1699) an bis auf Herder („Gott"
1787 S. 171) und Mendelssohn (Ges. Sehr. V S. 646) .getadelt
worden, — aber doch mit einer wohlthuenden Toleranz die
Unvereinbarkeit der Kabbala mit dem Christentume darzulegen
suchte. Zugleich verwarf er die Kabbala samt dem Spinozis-
mus, welche er in den Hauptsätzen mit einander übereinstimmend
fand, als atheistisch. Spinoza, so hiess es hier, bestrebe sich
zwar, Gott als ein unendliches, in sich einiges Wesen darzu-
stellen. In der That habe er jedoch Gott zu einem Konglo-
merat der endlichen Dinge gemacht und die Welt vergöttert.
Doch schon wenige Jahre darauf, im „Elucidarius Cabbalisti-
cus" (1706), finden wir seine Ansichten wesentlich geändert.
Er gesteht (s. praef. bes. p. 7), früher Spinoza, ohne ihn näher
zu kennen, allein von Vorurteilen und „den gegen ihn aufge-
regten Leidenschaften" geleitet, beurteilt zu haben. Dies Unrecht
sucht er damit gut zu machen, dass er in überschwänglichen
Ausdrücken den viel verleumdeten Philosophen als das Ideal
eines Weisen schildert, welcher allein aus philosophischen
45
Gründen die Göttlichkeit Christi und die Wahrheit seiner Lehre
anerkannt habe. Auch in seiner Wertschätzung der älteren
Kabbala wird er seinem einstigen Gegner Speeth nicht viel
nachgegeben haben.
Doch ist dieser Umschlag seines Urteils nicht ganz un-
vermittelt. In seinen „Origines iuris naturalis" (Berlin 1704)
schliesst sich Wächter in vielen Punkten, oft selbst im Aus-
druck, an Spinoza an. Mit Hilfe der mathematischen Methode
sucht er aus dem Gottesbegriffe das ganze System des Natur-
rechts zu deduziren, so dass die Schrift schon im Aeusseren
an die Ethik erinnert. Im einzelnen lehnt sich der Verfasser
an Spinoza an in Sätzen wie: (postul. I pag. 1) „Die Macht
der Naturgegenstände, wodurch sie existiren und wirken, ist
die Macht Gottes". (Post. III) „Aus der unendlichen Macht
Gottes folgt Unendliches auf unendliche Weisen." (Post. \'I
vgl. VIII) „Tugend ist die Macht des Geistes, allein nach der
Vorschrift der Vernunft zu leben." (Propos. IV pag. 13) „Was
die Menschen durch die Macht ihres Geistes bewirken, das
richten sie, soweit sie dessen adaequate Ursache sind, nach
dem höchsten Rechte ihrer Natur aus." (Prop. 6) „Die Selbst-
erhaltung erlaubt das Naturrecht, (prop. 8 pag. 26) desgleichen
den Uebergang zu einem vollkommeneren Zustand" u. ä. m.
Natürlich konnte bei solchen Lehren die Anklage des
Spinozismus (vgl. „Unschuld. Nachrichten" 1704 S. 668 u. a)
nicht ausbleiben, und Wächter musste sich, wie das damals
üblich war, über seine Beziehungen zu dieser Lehre erklären,
d. h. mit anderen Worten, sie öffentlich verleugnen. (Vgl. Bayle
Dict. Tl. 4 S. 272.) Doch hält er in Wirklichkeit trotz alledem
treu zu Spinoza. In seiner 1724 anonym erschienenen Streit-
schrift: „Die mit ihr selbst streitende Harmonia der neuen
Weltweisen", worin er auch die wichtigsten Resultate seiner
Vergleichung Spinozas mit der Kabbala (S. 26) noch einmal '
wiedergiebt, beurteilt er Leibniz als Spinozist und sucht (S. 26)
das Hauptverdienst an der Erfindung der prästabilirten Harmonie
seinem Meister bezw. dessen jüdischen Quellen zu sichern.
Jedenfalls hat Wächter, wie man auch über seine philosophische
Befähigung urteilen mag, das Verdienst, als einer der ersten
in Deutschland über Spinoza sowohl, wie über die jüdische
Philosophie, unparteiisch geurteilt zu haben.
Abschnitt IL
Des 18. Jahrhunderts erste Hälfte.
§ 18. Einleitung.
Damit sind wir bereits zum achtzehnten Jahrhundert über-
gegangen. Die Strömungen, welche wir schon am Ende des
vorigen Zeitraumes das theologische Deutschland unterspülen
sehen, treten nun immer offener zu Tage, und zwar in demselben
Verhältnisse, als Kirche und Staat alle ihre Kräfte anstrengen,
jede freiheitliche Regung im Keime zu ersticken.
Thron und Altar waren in Gefahr. Aller Orten brodelte
es unheimlich. Dazu gössen Frankreich und England immer
wieder Oel in diese Geistesgluten. Die kirchlichen Kreise
schlössen sich enger zusammen. Man gründete Zeitschriften,
wie die „Unschuldigen Nachrichten", Thränenfluten über die
religiöse Verderbnis des Volkes. Die einheimischen wie die
fremden Missethäter kamen hier an den Pranger, ihr Charakter-
bild wurde verzerrt, der Polizei nach Kräften in die Hände
gearbeitet.
Diese verbot mit den grausamsten Mitteln nicht allein
das Drucken uud Verkaufen, sondern selbst das Lesen
der ketzerischen Schriften. Trotzdem fanden, wie in unsern
Tagen die sozialistischen Schriften, auch damals die Arbeiten
z. B. eines Edelmann durch geheime Propaganda einen reissenden
Absatz. Immer kühner legten die Zeugen des neuen Geistes
die Maske ab. Bald predigten sie offen, von Ort zu Ort gehetzt,
unter den schwersten Opfern ihre Lehre. Sie fand dadurch
immer weitere Verbreitung.
Noch war man aber weder im feindlichen noch selbst im
freundlichen Lager für das innere Verständnis des Spinozismus
reif. Noch sind es hauptsächlich die Theologen, welche endlose
47
Diskussionen gegen Spinozas Lehre von den Wundem, den
Propheten u, s. f. aufwerfen. Manche Professoren, wie Staal-
kopf, Budde, Jäger u. a., widmen selbst dem Kampfe eine
ganze Literatur und werben durch antispinozistische Themen
bei den Promotionen unter den jüngeren Gelehrten immer neue
Gefolgschaft. Jedes Jahr bringt mehrere derartige Dissertationen
oder gelegentliche Polemiken in den Werken der „Zions-
wächter".
Es kam ihnen hierbei so manches zu Hilfe. In Holland
selbst kursirten Gerüchte, welche das Charakterbild Spinozas
verdunkelten. Der daselbst in der theologischen Welt infolge
seiner Lehren ausgebrochene Streit war auch nicht gerade zu
ihren Gunsten verlaufen. Angesichts ihrer schädlichen
Wirkungen hatten sich hier sogar Privatleute, wie Bredenburg
und Blyenbergh, gegen Spinoza erhoben. JJnd gerade die
sonst selbst so verschrieenen Freigeister, wie Bekker und später
in Deutschland Budde, Thomasius, Dippel, wehrten sich gegen
jede Gemeinschaft mit dem Erzatheisten. Der Kampf gegen
Spinoza war international, soweit die Kirche ihre Fittige
spannte. Von allen Seiten konnten für die deutschen Kämpen,
wie von Jenichen („Historia Spinozismi Leenhofiani" 1707) u. a.,
die Waffen zusammengetragen werden.
Ueberdies hatten auch die Philosophen, nach dem Vorgange
der Theologen, Spinoza zum Atheisten gestempelt. Wie diese
ihn einst in ihren Apologetiken in die verschiedensten Kategorien,
wie Fanatismus, Naturalismus u. s. f. gezwängt hatten, so
schmiedete nun auch die Philosophie ihre Schlagwörter für
den gänzlich missverstandenen Fach genossen, jene Waffen,
welche, wenn auch noch so hohl, doch, vom blindwütenden
Vorurteile geführt, durch ihr Getöse den Gegner völlig über-
tönen, bis sie endlich an der Kritik einer späteren Zeit in nichts
zersplittern. Toland hatte den holländischen Exjuden einen
Pantheisten genannt. Nichts lag nun näher, als alles das, was
bisher gegen den Pantheismus von Mosheim u. a. vorgebracht
worden, nun auch gegen Spinoza in Erinnerung zu bringen.
Die Franzosen, wie schon Bayle und nach ihm Voltaire u. a.,
hatten in Spinoza nur den Materialisten in der Metaphysik, in
der Ethik den Epikureer sehen wollen. Alles dieses kam
den Deutschen wie gefunden. Daneben gab man sich Mühe,
bei den Griechen, Juden und wo irgend ein bisher unbekanntes
Wissensgebiet sich den Forscherblicken der Europäer zu ent-
hüllen begann, selbst bei den Jndern, sowie in China den Quellen
des Spinozismus nachzuspüren.
Doch glaubte man so, unter dem Schanddenkmal, zu dem
48
jeder Gläubige sein Scherflein meinte beisteuern zu müssen, den
Ge'istesriesen für alle Zeiten begraben zu haben, so hatte dieses
Denkmal jedenfalls die seltsame Eigenschaft der Memnons-
säulen, im Morgenrote des neuen Tages beredt zu werden.
Ueberall spukte der Geist des Verdammten, und eine Gespenster-
furcht, die an die Zeiten des Hexenwahns erinnert, verfolgte
jeden, der auch nur im entferntesten zu der kompromittirendsten
aller Weltanschauungen in Beziehung stand. So fand der
Hass gegen Spinoza noch lange nach dessen Tode, wie in
dem Wolffschen und Edelmannschen Atheismusstreit, stets neue
Schlachtfelder, sich auszutoben.
§ 19. Fürstellung vier neuer Weltweisen.
Sogleich zu, Beginn des Jahrhunderts begegnet uns eine
Unmenge von Spinozastreitern, meist von jener gemeinen Phy-
siognomie, welche uns der Kampf gegen den Spinozismus im
vorigen Zeiträume oft genug gezeigt hatte. Den Reigen eröffnet
mit einer Schandschrift vom Schlage der Kortholtschen, deren
Titel übrigens mit Umkehrung der Buchstaben geheimnis-
voll als „Subiroth Sopim" (1787) für eines der elendesten
Machwerke in der ganzen Spinozaliteratur hat herhalten
müssen, die „Fürstellung vier neuer Welt-Weisen, namentlich
I. Ren. des Cartes II. Thom. Hobbes III. Ben. Spinozas
IV. Balth. Bekkers, nach ihrem Leben und fürnehmsten Irr-
thümern" (1702)". Hier heisst es in der Vorrede: „Sonderlich
Spinoza scheint wol recht vom Satan dazu gedinget zu seyn,
die Atheisterey auf guten Fuss zu setzen" und weiter (p. 9 — 1 1)
in einem Tone, der alles Dagewesene weit hinter sich lässt:
„Dis sind die greulichen Lehren, die entsetzlichen Irrthümer,
so dieser ungesaltzene jüdische Philosophus (mit Gunst zu reden)
in die Welt geschi . . en. Könnte auch der Teufel wol ärger
philosophiren? Und dennoch finden sich welche, so ihm be^--
zupflichten sich nicht entsehen. Allein es ist kein Wunder,
da man heutiges Tages fast überall sich bemühet, entweder
zu viel zu glauben oder gar nichts zu glauben."
§ 20. Deyling.
Man sieht also, dass es jener Zeit nicht an Selbsterkenntnis
gefehlt hat. Daraus erklärt sich auch das klägliche Gezeter
des Leipziger Theologie -Professors Deyling. In seinen dick-
leibigen „Observationes sacrae", die, ohne auch nur die ge-
ringste Selbständigkeit zu zeigen, heute höchstens noch wegen
49
ihres reichhaltigen Schimpfwörtervorrates gegen Spinoza auf-
geschlagen werden, überhäuft er seinen Feind mit Koseworten,
wie: „doctrinae impietate, opinionumque absurditate Atheus
percelebris" (pars I observ. 1 pag. 2), „sacratissimus et exse-
crabilis" (obs. XV p. 67), „audacissimus et impudentissimus"
(ibid.), „auctor detestabiHs xou irav^sioiiou (pars II p. 3), ,,de-
testabilis memoriae Atheus" (ib. p. 23), „exsecrandae memoriae
homo" (ib. p. 184, vgl. p. 366). Seine Lehren sind Fabeln und
Blödsinn (parsip. 16, II p. 23; vgl. II p. 3), sie verraten die
Dummheit und Gottlosigkeit dieses Betrügers (I p, 67), und mit
einer seltenen Naivetät stützt sich Deyling auf das Argument,
dass selbst Spinozas eifrigste Anhänger zugeben müssten, er
sei der ewigen Verdammnis wert, falls sich alles, was seine
Gegner ihm vor^Verfen, als stichhaltig erweise (pars II p. 3).
Allein dieser Beweis sollte eben noch erst erbracht werden.
Es genügte nicht, frühere Beschuldigungen aufzuwärmen und
Spinoza einfach als Plagiator (pars IV p. 850), als Haupt der
Pantheisten (pars II p. 3) und Deisten (pars I p. 7) in Bausch
und Bogen zu verdammen. Besonders in den letzteren, einem
Locke, Shaftesbury, Morgan, Annet und Hume, erstand den
Zionswächtern eine neue Gegnerschaar aus der Spinozaschen
Drachensaat. Hier traten ihnen von neuem der theol.-politische
Traktat mit seiner Forderung der Duldung aller Glaubens-
meinungen, seiner Verwerfung von Lohn und Strafe in einem
anderen Leben und des Wunderglaubens, sowie andererseits
in Morgan die mystische Gottinnigkeit der „Ethik" auf das
wirksamste entgegen.
§ 21. Mosheim.
Das Eifern von der Kanzel herab fruchtete nichts, wie
das Beispiel des beredten Mosheim zeigt, dessen Zommut gegen
Spinoza sich zu der Frage versteigt („Heilige Reden 1726 — 39"):
,,Ist was lächerlicher als im Ernste zu sagen, diese Welt sey
Gott? Dieser Staub, den wir mit Füssen treten, gehöre zu
Gottes Wesen? Hasen, Hunde, Mücken wären Glieder Gottes?
Ist was lächerlicher?"
§ 22. Die Zeitschriften.
Da aber diese Lächerlichkeiten nur um so gefahrlicher
wurden, je länger man der Welt den noch lächerlicheren An-
blick ihrer, trotz der Ueberlegenheit an Zahl der Anhänger und
in äusseren Machtmitteln, erfolglosen Bekämpfung bot, gaben
4
50
die Horch, Pauli, Calow, Saubert, Quistorp, Schleusing, Schubert,
Weidner u. ä. den Guerillakrieg gegen Spinoza nach und nach
auf. Mit vereinten Kräften glaubte man mehr auszurichten.
Die einzelnen Schwärmsteme am Himmel des Antispinozismus
schlössen sich nun zu grösseren Gestirnen zusammen, wie in
Löschers „Altes und Neues aus dem Schatz der theologischen
Wissenschaften" (später „Unschuldige Nachrichten"), in Heu-
manns „Acta Philosophorum", den „Deutschen Acta Eruditorum",
Hissmanns Magazin u. ä. „O wie glücklich waren wir'*, so
lässt sich Löscher in der Vorrede (S. 2) zu seiner Zeitschrift
erstem Jahrgang (1701) vernehmen, „vor zwanzig Jahren, da
man von solcher schändlichen Licenz wenig oder gar nichts
wusste, mit Erstaunen anhörete, was vor Unheil das ungemessene
Bücherschreiben durch viel atheistische und fanatische Bücher
im allzufreven Holland anrichtete: wir höreten mit Grausen
von einem Hobbes, Houtu^'n, Spinoza, Acosta, Beverland und
ihren Schriften reden.
Nunmehr ist es (Gott sei's geklagt!) so weit kommen,
dass das holländische Samaria gegen das evangelische teutsche
Jerusalem fromm worden ist, denn es ja einige lichtscheuende
Kinder der Finstemiss bisher ärger als jene gemacht. Dies
bedauern wir am meisten, dass dergleichen giftige Dinge nicht
allein am meisten gelesen und gekauft werden, sondern auch
viel eher \'erleger finden als was zu Gottes Ehre und Be-
lörderung des Guten gemeint ist, zumal die Erfahrung lehrt,
dass die gründlichste Widei legung solcher schädlichen Schriften
entweder keinen \'erleger bekommen oder von wenigen und
nur mit Unwillen gelesen werden."
Die Besonderheit dieser Zeitsohriftenpolemik bestand darin,
dass das Leserpublikum stets auf dem Laufenden gehalten wurde
sowohl über neue Entdeckungen \"on Spinozisterei, so (Acta
Philos- 1716 S. 11^' in Holland, beiden Stoikern (ebd. S. 814).
den Chinesen «ebd. 722 >, Jord. Bruno »S. 797 flf. 814) oder
Scotus Erigena «Jhn^i:. 172o S. >>S2/. als auch über deren
Widerlegungen »so ^Deutsche Acta Erud.^ 17.>s S. 676 fg. 679).
An solche Vermutungen über Spinozas Beziehungen zu den
Elearen, Plato, den Stoikern, der Kabbala, der christlichen
Philos^^rhie, Bl>hme, Bruno u. a. knüpfen sich allmählich ernstere
Studien, welche unseren Philos^^phen immer deutlicher aus
seinen ^Jaelien erklären. Damals hatte man jed^^ch hierbei nur
den Zweck im Auge, die \ielgerjihmre 0>nginaIität Spinozas
in Frage zu stellen. Auch wurden zu ^^leicher Zeit über
seinen Charakter Berichte bekannt, die ihn in sehr zvvei-
deutiicem Lichte erscheL'^en lassen mussten.
61
§ 23. Stolle.
Solche Gerüchte kamen besonders dem geborenen Schlesier
und späteren Jenenser Professor Stolle auf seiner Reise in den
Niederlanden zu Ohren, auf welcher er nebenbei auch den erst
etwa anderthalb Jahrhunderte später aufgefundenen kurzen
Traktat Spinozas zu sehen bekam. Doch konnte Stolle, der,
ein treuer Schüler von Chr. Thomasius, über den Amsterdamer
Philosophen möglichst unparteiisch zu urteilen sich bemühte,
solchen Erzählungen die für Spinozas Charakter nur günstigen
persönlichen Aeusserungen Bayles entgegenhalten. An dessen,
sonst durchaus nicht für Spinoza vorteilhaften, Urteil übt der
jüngere Gronow im Gespräche mit Stolle scharfe Kritik.
§ 24. Köhler.
Doch wurden alle Schmähreden, woran bereits Kortholt
das deutsche Ohr gewöhnt hatte, ebenso wie Bayles, schon
durch sein beständiges Hin- und Herschwanken Misstrauen
erweckendes, Urteil und Apotheosen, wie die des Arztes Lukas,
hinfällig durch das „Leven van Spinoza" (1705; 2. Aufl. 1880)
des Predigers Joh. Köhler oder Colerus, wie er sich nannte,
eines geborenen Deutschen, welches bald darauf (1706) ins
Französische und 1734 von Wiegand Kahler ins Deutsche
übertragen wurde. Den zuverlässigsten Angaben über Spinozas
Leben folgend, entwirft der Verfasser ein so günstiges Bild
von dem Charakter des Philosophen, dass man ihn des
Kryptospinozismus bezichtigte. Dagegen spricht jedoch nicht
allein das Urteil StoUes, der Köhler persönlich kannte, sondern
schon Köhlers, etwa gleichzeitig mit der Biographie erschienene,
durchaus Spinoza feindliche Predigt über die Auferstehung
Christi. (,,La verite de la resurrection de Jesus Christ prouvee
contre tous ceux qui la nient; et en particulier contre les
vaines echapatoires de B. de Spin., dans un sermon prononce
dans TEglise Lutherienne de la Haye, le jour de Päques de
Tannee 1704" ist der Titel der franz. Uebersetzung vom
J. 1706). Hier verschmäht er selbst Spielereien mit dem
Namen des Gegners ä la Kortholt nicht ((1. c. p. 47 „Nullus
Spinoso fructus decei-pitur Agro" . . „epines de Spinosa").
§ 25. Kahler.
Mit der Kahlerschen Uebersetzung der Köhlerschen
Biographie scheint das anonyme „Leben des Ben. von Spinoza
„aus denen Schriften dieses beruffenen Welt-Weisens und aus dem
Zeugniss vieler glaubwürdigen Personen . . von Joh. Colero . .
-4*
52
nunmehro aber aus dem Frantzösischen ins Hoch-Teutsche
übersetzet und mit verschiedenen Anmerkungen vermehret'*
(Frkft. u. Lpzg. 1733) identisch zu sein.
Aus den wissenschaftlich nichtgeradewertvoUen Anmerkugen
dieses Buches spricht ein verhältnismässig sehr mildes Urteil über
Spinoza. Auch ist hier die einzige Stelle, wo der hundertsten Wieder-
kehr des Geburtstages unseres Philosophen öffentlich gedacht
wurde. In der Vorrede sagt der Verfasser (S. 3) : „Es sind in dem
Wintermonat des nechst verflossenen 1732sten Jahrs, 100 Jahre
gewesen, dass der zwar scharfsinnige, aber auch zugleich
sehr seltsame und abscheuliche Weltweise, Ben. von Sp.
das Licht dieser Welt erblicket hat."* Nun ist aber
Spinoza „ohnstreitig ein Atheist" gewesen, ja „sogar das Haupt
solcher abentheuerlichen Leute in denen neuern Zeiten."
Darum „fraget sich nun nicht uneben, ob man auch recht daran
thue, dass man eines dergleichen Mannes Leben beschreibet,
und dadurch seinen Namen nebst dem, was er in der Welt
Schlimmes gethan, verewiget."
Doch hat dergleichen den Vorteil zu zeigen, „dass
der beste und scharfsinnigste Verstand auf die abscheu-
lichsten Neigungen gerathen könne, wenn er nicht durch
eine höhere Kraft geleitet und vor Irrwege behütet wird."
Ferner ersieht man daraus, „was massen die ungläubigsten
Leute offt mit einem sonderbahren Schein der Tugend prangen,
ein so stilles, gelassenes und vergnügtes Leben führen, dass
man meynen solte, sie wären kerngute Christen und in der
Liebe des höchsten Guts sehr weit gekommen", was für „Prediger
und vornehme Gottes-Gelehrten", welche meist das Gegenteil
zeigen, ein Sporn sein müsste, sich „von dergl. Un-Christen
nicht beschämen" zu lassen. Auch von der mathematischen
Klarheit der Darstellung des Atheisten sollten die Theologen
lernen (Anm. d). „Hätte auch Spinoza ein solches Werk in
der Gottes-Gelehrtheit angetroffen, so würde er vielleicht die
Uebung derselben nicht sobald aus seiner Studier-Stuben ver-
wiesen haben". Ferner verdient er wegen Erlernung eines
Handwerks gelobt zu werden (Anm. f), „heutigen Tages findet
man nirgends mehr Müssiggänger als unter denen, welche sich
vor Musen-Söhnen ausgeben". Durch seine Massigkeit u. s. w.
beweise Spinoza, dass auch ein Atheist tugendhaft leben könne
(Anm. h). Sein Abfall vom Glauben wird „dem Geitz, Hoch-
muth und Zancksucht der Geistlichen "auf Rechnung gesetzt
(Anm. m). Im Allgemeinen wird an Spinozas Verirrung
seinen Lebensumständen Schuld gegeben und das Richten
damber Gott überlassen (S. 117 fg.).
53
§. 26. Wolff.
Dass hierSpinoza seinen erbittertsten Feindeo, den Theologen,
als Muster eines Charakters ungerügt und ungestraft empfohlen
werden durfte, ist ein bedeutsames Zeichen für den Umschwung
in der Beurteilung Spinozas. Diese Wandlung ist zum grössten
Teile als eine Wirkung der Wolffschen Philosophie zu betrachten.
Selten wohl stand eine Zeit so ganz und gar unter dem Ein-
flüsse — bezw. im Feindeslager — eines einzelnen Mannes,
wie das Zeitalter Wolffs unter dem seinigen. So musste denn
auch für die damalige Auffassung des Spinozismus vor allem
die Stellung entscheidend sein, welche seine Philosophie dazu
einnahm.
Mit der aufrichtigen Ueberzeugung eines kirchengläubigen
Christen widersetzt sich Wolff dem Spinozismus so entschieden,
wie überhaupt jedem „Atheismus", worunter er auch jene Lehre
versteht. Doch wird ihm dies gerade bei Spinoza nicht so
ganz leicht. Denn auf Leibniz weiter- oder vielmehr dessen
Lehren zum ab:;eschlossenen System ausbauend, hatte er von
seinem Meister den Determinismus angenommen, der schon
diesem ^en Vorwurf des Spinozismus eingetragen. Wolff sucht
sich gegen eine derartige Beschuldigung dadurch zu schützen,
dass er zum Unterschiede von seiner eigenen Lehre im Spino-
zismus einen blinden Fatalismus nachweist, der allerdings noch
schlimmer als Atheismus sei. Auch die oft angegiiffene praesta-
bilirte Harmonie bei Leibniz habe mit Spinozas Doktrin nichts
gemeinsam, indem dieser von einem Verhältnisse zwischen
Seele und Leib überhaupt nichts wissen wolle, sondern sie
beide als eine Substanz zusammenfasse. Wenn er selbst ferner
die Ewigkeit der Welt lehre, es sei damit durchaus nicht etwa
im Sinne Spinozas die Ewigkeit Gottes gemeint.
Spinozas vielgepriesene Methode erfährt gleichfalls seine
Missbilligung. Er weist in der Gedankenentwickelung der
„Ethik" im einzelnen manchen logischen Fehler nach. Doch
ist Wolff der erste, welcher öffentlich vor dem Irrtum warnt,
als confundire Spinoza, wenn er auch die Wirkungen der
Geschöpfe mit den göttlichen vermenge, Gott und die Welt,
und als liesse er das Unendliche sich aus dem Endlichen zu-
sammensetzen.
Hier spüren wir den Einfluss Tschirnhausens, wie über-
haupt in allen den Einzelheiten der Lehre Wolffs, in denen
sie an den Spinozismus erinnert, so in der Betrachtung Gottes
in der Natur, die für die gesamte spätere Philosophie und
Theologie von höchster Bedeutung wurde, in der Unter-
54
Scheidung von Attributen und Modis in der Logik, in der Begriffs-
bestimmung von Gut und Uebei, der Berücksichtigung der
physiologischen Seite bei den psychischen Vorgängen u. a. m.
Ausfälle gegen Spinoza macht Wolff gelegentlich in seinen
Werken in passendem Zusammenhange oder in Anmerkungen
zur „Ethik". Sie waren auch durchaus angebracht, nicht allein
wegen der zahlreichen und auf jede Gelegenheit zum Angriffe
lauernden Gegnerschaft, sondern schon darum, weil „viele,
namentlich in Berlin", welches neben Königsberg damals als
die Hochburg der verketzerten Lehre erschien, „erwarteten,
dass Wolff sich für den Spinozismus erklären werde, um dann
ihrerseits darauf gestützt, sich offen als Atheisten zu bekennen."
Der Graf von Manteuffel, welcher seinen Freund Wolff hierauf
aufmerksam macht, spricht zugleich die Hoffnung aus, dieser
werde vielmehr entschieden gegen den Spinozismus auftreten.
Doch erwidert Wolff hierauf, „er möge mit dem Unterschiede
seiner Lehre von der des Spinoza nicht viel lärmen machen",
nachdem er sich im zweiten Teile seiner „Theologia naturalis''
darüber ausgelassen.
Wir brauchen nun diese Antwort nicht als eine Ausflucht
aufzufassen. Wolff war in der That davon überzeugt, in seinen
Schriften das beste Bollwerk gegen Spinozasirrlehren errichtet zu
haben. Dies wurde in der Folge auch die Meinung seiner Schüler,
so dass von da ab der Spinozismus als ein längst überwundener
Standpunkt betrachtet wurde, ohne dass man ahnte, wie weit in
Wolff die Philosophie hinter Spinoza zuriickgeschritten. Man
denke nur an die flache Wolffsche Teleologie, um sich den
Abstand zwischen beiden Standpunkten zu vergegenwärtigen.
§ 27. Joh. Joach. Lange.
Trotzdem hatten die Spürnasen der damals mehr als je
geschäftigen Ketzerriecher an Wolff den Odor des Spinozismus
entdeckt. Im Schutze einer Regierung, wie des damaligen
preussischen Soldatenregiments, liess es sich ungestört im
Trüben fischen. Nicht selten steckten auch hinter dem heiligsten
Glaubenseifer, wie bei Lange und ähnlichen traurigen Berühnnt-
heiten, die niedrigsten persönlichen Rücksichten. Was Lange
sachlich gegen Wolff vorzubringen weiss, ist kaum der Rede
wert. Er glaubt die Leibniz- Wolffsche Lehre mit einem Schlage
vernichten zu können, wenn er zwischen ihr und dem System
des Amsterdamer Juden Beziehungen herausklügelt. Es ist
hauptsächlich die Frage nach der Autorschaft der prästab.
Harmonielehre, welche er immer wieder auffrischt.
5B
§ 28. Budden.
Weit anständiger in Ton und Motiven tritt um dieselbe
Zeit als Gegner Wolffs sein Amtsgenosse Budden auf. In
seinen zahlreichen und ungemein verbreiteten Schriften stellt
er sich vornehmtich die Aufgabe, den Spinozismus zu be-
kämpfen, ohne dagegen irgend ein neues Argument vorbringen
zu können. Poiret, Bayle und Kortholt sind seine Gewährs-
männer. Alle Irrtümer, welche über Spinoza und seine Lehre
ungeprüft von einem zum andern sich fortgepflanzt, sind hier
kompendiarisch beisammen zu finden. Buddens Besonderheit
ist jedoch die Aufspürung von Spinozisten in allen Weltteilen und
Zeiten. Darin gilt er der späteren Antispinozisterei als Autorität.
Griechen und Christen, Chinesen und Inder werden gewaltsam
zur Vergleichung mit dem Ketzer aller Ketzer herangezogen.
Naturgemäss übertrug sich Buddens Hass gegen den Meister auch
auf dessen vermeintliche Schüler, wie Wächter und Wolft.
§ 29. Brücken
Das grösste Verdienst dieses Eklektikers besteht überhaupt
wohl darin, seinem Schüler Brucker die Anregung zu seiner
höchst verdienstlichen „Kritischen Geschichte der Philosophie"
(Lpzg. 1744) gegeben zu haben. Brucker sieht zwar mit den
Augen seines Lehrers den Kernpunkt des „gottlosen Systems*"
(p. 694) allein in der Lehre: „es gebe nur eine Substanz, und
es könne keine Substanz eine andere hervorbringen." Doch
hat sein Werk für die Geschichte des Spinozismus den Wert,
eine gewissenhafte Uebersicht über das vorhandene Material
geboten zu haben.
§ 30. Reimmann.
Bei diesem Unternehmen hatte Brucker schon Vorai'beiten
benutzen können. Jac. Friedr. Reimmann bewegt sich mit
seinem „Versuch einer Einleitung in die Historie der Theologie
u. s. w." (Magdbg. und Lpzg. 1717, vgl. seinen „Versuch
einer Einl. in die historiam literariam derer Teutschen" Halle
1708—1713 I S. 97 und IV S. 651) noch ganz im Fahr-
wasser der Schimpfpolemik gegen Spinoza. Er will „denen
Spinozisten das Maul stopfen" (S. 258), deren „atheistische
Stänckereyen" (S. 105) „ein Hauffen lose Händel gemacht".
Ihr Meister ist (S. 637) ,,in seinem Herzen ein gefährlicher
Atheiste und ein Mann gewesen, der die Religion mit der
Wurzel auszureuten sich auf das Aeusserste bemühet habe."
In seiner Ethik „(vS. 645) machet er aus Gott und der Natur,
B6
dem Schöpfer und den Geschöpfen ein selbständiges Wesen
und ein Ding. Er leitet unser Thun und Lassen her aus einer
unveränderlichen Notwendigkeit, er wirfft die wichtigsten
Glaubens-Artickul und Lebensregeln über einen Hauffen, er ver-
nichtiget den Unterschied unter Tugend und Laster. . . Summa
er gehet eintzig und alleine darauf aus, das Gebäude der bis-
herigen Theologie und Philosophie zu unterminiren, und mit
spitzfündigen Erfindungen in die Luffl zu sprengen, und an
dessen Stelle ein anders aufzuführen, darinn die Atheisterey . .
sicher wohnen könne". Mit einem missbilligenden Seitenblick
auf Wächters Gesinnungswechsel in bezug auf Spinoza (S. 105.
647) will Reimmann die Hauptquellen des „Cabbalistischen
Marcktschreyers" (S. 646) in der Kabbala (S. 632 ff. 615. 627)
und in Ibn Ezra (S. 607) finden. Zum Schlüsse bestätigt er
(S. 648), „dass sich der Spinozismus mehr unter den Christen
als Juden ausgebreitet hat, wenn wir von dem Räume des-
selben nach der äusserlichen Benennung urtheilen wollen.
Denn weil der Spinozismus von denen Juden ausgegangen,
so achten sie ihn nicht würdig seinen Nahmen zu nennen,
ich geschweige denn sich mercken zu lassen, dass sie im
geringsten Stücke mit ihm einstimmig wären".
§ 31. Schudt.
Auf etwa gleicher Stufe steht auch Joh. Jac. Schudt in seinen
„Jüdischen Merkwürdigkeiten" (Frkf. u. Lpzg. 1714 — 15). Mit
naivster Gläubigkeit tischt er alle Lügenmärchen über Spinoza
auf, deren er nur habhaft werden kann. Dieser „Atheist und
Spötter aller Religionen" (I 288) ist, so betet Schudt Benthams
Lüge nach, „von den Juden zu den Reformirten Christen
übergetreten und, wie einige melden, in Raserey und Un-
sinnigkeit davon gefahren". Auch berichtet er (II 95 Buch VI
cap. 29 § 7) „was Herr Prof. C. S. Schurtzfleisch sei. einstens
zu Wittenberg in einem Collegio par discours anführte, als
Spinoza einstens in eine christliche Kirche gekommen und
da gesehen wie die Leuthe so andächtig gewesen . . habe er
bitterlich zu weinen angefangen und gesagt: er betrübe sich
dass er das Numen nicht spühre noch solche Empfindlichkeit
und Rührung von Gott in seiner Seele empfinde als er sehe
dass diese Leuthe haben".
§ 32. Hollmann.
Es ist der damals übliche Ton, von Spinoza zu reden,
wie er uns bei den meisten Schriftstellern jener Zeit begegnet
und sich noch in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
67
hie und da vernehmen lässt. „Ein Spinozist", heisst es in
dem damals vielgelesenen „Lettre d'un Anonyme*' des Professors
Hollmann, „ist in meinen Augen ein elender und verworrener
Mensch, mit dem man Mitleid haben und wenn ihm noch zu
helfen ist, mit ein paar nicht gar tiefsinnigen Anmerkungen
aus der Vemunftlehre und einer deutlichen Erklärung was „eins",
was „viel" heisse, und was eine Substanz sei, zu Hülfe zu
kommen suchen muss. Wer hiervon deutliche und von allen
Vorurteilen gereinigte Begriffe hat, der wird sich schämen, wenn
ihn die verworrenen Einfälle der Spinozisten nur eine Viertel-
stunde beunruhigt haben."
§ 33. Arnold.
Höchst selten fand sich eine Stimme, welche dem Geschrei
der anmassenden Orthodoxie gegenüber sich, wenn auch nur
zaghaft und unbestimmt, des Fluchbeladenen annahm, wie
Arnold in seiner berühmten „Unpartheiischen Kirchen- und Ketzer-
historie" (Frkf. a/M. 1729), die (S. 108,")) darauf hinweist, es
könne „eben niemand einige ausdrückliche Worte in seinen
[Spin.s] Schriften finden, darinnen er Gottes Existenz geleugnet
hätte, wie die Scribenten, die seiner sonst nicht schonen, frei-
willig bekennen."
§ 34. Die Wolffianer.
Dass eine solche mildere Auffassung der Lehren Spinozas
sich nicht überall Bahn brach, lag zum nicht geringen Teile
daran, dass selbst unter Wolffs Schülern die Mehrzahl weit
strenger mit ihm ins Gericht ging, als ihr Meister, anfangs
hauptsächlich, um diesen gegen immer neue Verdächtigungen
der Spinozisterei zu verteidigen. Die Jenenser Universität musste
sich in einem Gutachten sogar ausdrücklich gegen Wolffs Feinde
erklären, „die dem Socianismo, ja wohl gar dem Spinozismo
beikommende Irrthümer gegen ihn behaupten wollten."
Die Resultate des daraus sich entspinnenden Kampfes fasst
die sichtlich unter Wolffs Einfluss abgefasste anonyme
,,Commentatio de deo, mundo et homine atque fato" (Frkf. und
Lpzg. 1726) zusammen, woran sich als Anhang noch Hollmanns
,,Observationes elencticae in controversia Wolffiana" schliessen,
und wobei auch Spinoza schlecht ausgeht. In ähnlichem
Sinne behandelt ihn Joh. Lorenz Schmidt, der bekannte \'er-
fasser der Wertheimer Bibel, in seiner Uebersetzung der „Ethik"
samt der Wolffschen Widerlegung derselben (1744). Bilfinger
B8
erklärt sich gegen Spinozas Methode in der Behandlung der
heiligen Schriften. Matin Knutzen, der Lehrer Kants, trägt
in seinem „Philosoph. Beweis von der Wahrheit der christlichen
Religion" (3. Aufl. Kgsbg. 1742 S. 3) „kein Bedenken, den
Unglauben mit den von diesem selbst verlangten Waffen zu
bestreiten". Denn „warum sollte man den Unglauben zu
beschämen, seinen Sätzen, die ihnen mit Recht zukommenden
Ehrennamen entziehen, wenn ein Spinoz in seiner Sittenlehre
und andere Ungläubige das Geheimniss der Bosheit unter diesem
Kleide der Wahrheit verhüllen, und diese Benennungen bey
ihren irrigen Sätzen entweyhen und missbrauchen dürfen.'"
Eine seltsame Erscheinung, die wir auch noch späterz.B. bei
Dippel antreffen, bietet sich uns in dem älteren Reimarus dar, indem
er, Spinozas theolog.-politischen Traktat in der Linken, mit der
Rechten auf das entschiedenste gegen dessen „Ethik" loszieht.
Wie dieser Spinoza besonders ausser seinem Fatalismus („Von
den vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion" 6. Aufl.
1791 S. 163) eine in seinen Grundbegriffen verborgene petitio
principii (ebd. 160 fg.) vorwirft, so findet Gottfr. Ploucquet in
seinen ,,Principia de Substantiis et Phaenomenis" (Frkf. und
Lpzg. 1 764 S. 230 ff.) in den Definitionen und dem logischen
Autbau der „Ethik" Fehler heraus. In seinen zahlreichen
Schriften kommt S. J. Baumgarten, der ältere Bruder des
berühmten Aesthetikers Alexander Baumgarten, wiederholt auf
Spinoza zu sprechen. Er warnt seine Zuhörer vor gewissen
Redensarten bei den Piatonikern und den Patres, aus denen
leicht spinozistische Irrtümer gefolgert werden könnten. Hätte
Spinoza nur die Prinzipien Descartes' geschrieben, so „würde
man ihn noch jetzt als einen scharfsinnigen Cartesianer ver-
ehren", allein sein theol.-pol. Traktat zeige deutlich die Absicht,
,,die Religion umzustossen, und sich Freyheit zu schaffen, einen
Gottesverleugner abzugeben." In Baumgartens Aufzählung der
Spinozisten findet sich, wenn er auch dabei kritiklos, wie sein
Vorgänger Buddeus, verfährt und z. B. die französischen
Materialisten ohne Weiteres mit dazu zählt, manche wertvolle
Angabe. Das Gleiche gilt von TöUners „Anti-Deistic".
Selbst Gottsched, eigentlich nur Dilettant in der Philosophie,
tritt als Schildträger der Leibniz-Wolffschen Philosophie, zu der
er schon in Königsberg Zuneigung gefasst hatte, auf den Plan.
Als Dekan der philosophischen Fakultät zu Leipzig nimmt er
verschiedentlich Gelegenheit, in der Verteidigung jener Philosophie
Spinoza öffentlich anzugreifen, der auch ihm als „Atheus
theoreticus, omnium qui fuerunt, certissimus" gilt. Auch er
wendet sich vor allem gegen die Dunkelheit und Zweideutigkeit
51i
der Definitionen Spinozas. Mit Berufung auf das hier gefundene
Ergebnis stellt er es wenige Jahre darauf, in seinen Anmerkungen
zur Uebersetzung der Leibnizschen Theodicee (Hannover und
Lpzg. 1744 S. 604 Anm.), seinen Lesern anheim, zu „urteilen,
wie entfernt Hr. v. Leibniz von den Irrthümern des Spinoza
gewesen. Seine blosse Erklärung einer Substanz, die auch
Hr. Wolf beybehalten hat, stösst das ganze Spinozistische Lehr-
gebäude über einen Haufen". Dabei glaubt Gottsched selbst
natürlich aus dem Grunde „das ganze vei'wirrte, ausschweifende,
und theils auf blossen Missbrauch der Worte, theils auf
kabbalistische Träume gegründete Lehrgebäude des unglücklichen
Spinoza zu verstehen; wofern man anders sagen kann, dass
dergleichen Chimären und difficiles impiaeque nugae einigen
Verstand haben" (ebd. S. 585 Anm.).
So fand sich alles, was sich sonst gegenseitig mit zähester
Ausdauer bekämpfte, Wolffianer und ihre Gegner, Deisten und
Antideisten, wenigstens an einem Punkte einig zusammen,
nämlich wo es galt, Spinoza, den von allen Verstossenen, stets von
neuem im Chorus zu verdammen. Und doch schwoll der Strom,
gegen den zu schwimmen sie alle ihre Kräfte einsetzten, immer
mächtiger an. Von allen Seiten floss ihm neue Nahrung zu.
Bis in die ersten Jahre des vorigen Jahrhunderts warf
jene grosse Zeit ihre Schatten voraus, welche mit Recht als das
Zeitalter Friedrichs des Grossen bezeichnet wird. Die drei Haupt-
träger des Aufklärungsgedankens fanden an Preussens König
einen treuen Beschützer. Der Cartesianismus, sonst meist in
Deutschland verpönt, „weil er an allem zu zweifeln gebiete", hatte
unter Preussens Schutz in dem kleinen Duisburg ein neues
Heim gefunden. Hier fand die studirende Jugend eine Pflanz-
stätte jenes freien niederländischen Geistes vor, der vorher nur
an der Quelle selbst, wie etwa an Boerhaves Sezirtische, zu
spüren gewesen. Clauberg, der Vorgänger Spinozas, hatte hier,
vom Meister selbst empfohlen, als erster auf deutschem Boden,
die neue Lehre vorgetragen.
§ 35. Jac. Wittich.
Schon ein Menschenalter später stand an seiner Stelle ein
Nachfolger, welcher gleich dem grossen Denker von Amsterdam
noch einen Schritt weiter über des Meisters Lehren hinaus
wagte und damit zugleich, wie damals selbstverständlich, vor
das Forum der Spinozismusrichter trat. Wegen seiner „Dissert.
philolog. de natura Dei contra Spinozam" (Duisburg 1711)
wurde der jüngere Wittich \'on Anton Driessen u. a. der
60
Hinneigung zum Spinozismus beschuldigt, den er in seiner
Thesis, dass die Ausdehnung ein Attribut Gottes sei, und durch
seine zweideutige Darstellung dieser Lehre vertreten haben
sollte: wenigstens, wie sich Budden in dem Gutachten der
Jenenser Theologen und Philosophen darüber auslässt, in dem
damals üblichen Sinne „als Gottlosigkeit überhaupt, die man
Atheismus nennt, aus was für Gründen auch immer sie sich
herleite."
§ 36. Lau,
E>er andere gewichtige Faktor, der die neue Zeit mit
heraufführen hilft, ist der Materialismus, wie er später am
Hofe zu Sanssouci laut zu Worte kam. Auch er zieht in
Deutschland auf den Krücken des Spinozismus ein. Schon
Stosch hatte die Immaterialität und Unsterblichkeit der Seele
geleugnet. Noch \iel weiter geht sein Landsmann Theodor
Ludwig Lau in seinen „Meditationes philosophicae de Deo,
mundo et homine" (1717).
Erhat mit seinem \'orgänger manches gemeinsam. Auch er
schreibt in einerhohen politischen Stellung, alsiürstlich kurländischer
Staatsrat und Kabinetsdirektor, auch er führt sich als Katholik
V^catholicus Deum colo'^i ein und zeigt, gleich Stosch, eine um-
fassende Kenntnis der Litteratur Hollands, woher er hauptsächlich
seine Bildung geholt zu haben scheint, und des zeitgenössischen
Frankreich. Im einzelnen erinnern an die „Concordia rationis et
Hdei" Laus Auffassung des Gebetes und seine Behandlung der
positiven Religion, Doch scheidet ihn von Stosch eine noch
engere Anschliessung an Spinoza, sowie eine auffallende Laxheit
des Stiles, welche sich meist mit leicht hingeworfenen,
unbewiesenen Bemerkungen begnügt und augenscheinlich
mehr auf einen rhetorischen Erfolg, als auf eine wissenschaft-
liche Darstellung abzielt. Was man aber auch hieraus, so\vie
aus seinem oft k\Tiischen und herausfordernden Tone auf
seinen Charakter schliessen mag, zu beachten bleibt immerhin
eine Ueberzeugungstreue, welche in einem Alter, wo man sich
nicht mehr leichten Herzens von einer gesicherten, angesehenen
Lebensstellung trennt, denutige Rücksichten der offenen \'er-
tretung einmal gewonnener Anschauungen hintansetzt. Im
Dezember 1728 erging seitens der kgl. Regierung „auf ein-
gekommene Acta appellationis vom Hof-Gericht** an Lau die
„Auff'orderung des Widerrufes vor dem kgl. preussischen Ehrw.
Sambländischen - Consistorium wegen des gelehrten In-
differentismum Religionuni**, Lau leistete auch im Oktober
61
des folgenden Jahres Folge, verlor aber trotzdem sein Amt
und führte von da an ein unstetes Leben, welches er 1740 zu
Altena beschloss.
Unter Laus zahlreichen Schriften, worunter auch eine
Uebersetzung von „Benedict! Spinosae Lebensbeschreibung aus
des Bayle Dictionnaire bist. crit. mit einer Vorrede" in die
Augen lallt, sind die für ihn so verhängnisvollen „Meditationes"
die wichtigste. Sie geben sich selbst nur als ersten Entwurf
eines geplanten grösseren Werkes (p. 3). Der Verfasser,
welcher weder als Theologe noch als Jurist, was er von Fach
war, noch als Mediziner, sondern lediglich als Philosoph schreibt,
versichert, wie Stosch, keiner bestimmten Sekte zu folgen und
seine selbstgewonnene Ueberzeugung furchtlos gegen jeden
Angi'iff verteidigen zu wollen (p. 5 f.). Wie vor ihm Knuzen
und nach ihm Edelmann („Moses" S. 39), der in einzelnen
Punkten sehr dicht an Lau streift, beruft sich dieser für seine
christliche Gesinnung auf die Autorität eines Gregor von Nazianz
(„Honeste vivo, neminem laedo"), für seine politische Ungeföhrlich-
keit, mit ähnlicher Ironie, auf das preussische „Suum cuique".
Im ersten Kapitel, den „theologisch-physikalischen Ge-
danken", beseitigt er mit einem Federstrich Begriff und
Bezeichnung des Atheismus, da alle empfindenden und denkenden
Menschen Gottes Sinn und Existenz notwendiger Weise
anerkennen. Sein Spinozismus und zugleich seine falsche
Auffassung Spinozas zeigt sich unzweideutig bereits in dem
nächsten Satze, wo er das Wesen Gottes relativ bestimmt:
(§ IV) ,,Deus natura naturans: ego ftatura naturata. Ratio
ratiocinans: ego ratio ratiocinata. Forma formans: ego forma for-
mata. Materia Simplex: ego materia modificata. Oceanus: ego
Fluvius. Aqua: ego gutta. Ignis : ego scintilla. Terra: egogleba.
Aer: ego eftluvium. Sol: ego radius. Corpus: ego membrum.
Mens: ego mentis operatio. Aetemus, omnipotens, omnipraesens,
omniscius." Dieser Gott offenbart sich in seinen eigenen
Werken, der Natur, weit besser, schöner und zuverlässiger,
als im Menschenwort, welches uns von ihm. in der heiligen
Schrift erzählt. Der Polytheismus der Heiden und (so!) der
Christen wird an der logischen Unmöglichkeit einer göttlichen
Vielheit zu schänden. Die wahre Gottesliebe kennt keinerlei
Rücksicht auf Belohnung, sie sieht von allen Dogmen ab und
beschränkt sich auf einen Gottesdienst des Bewundems,
Dankens, Handelns und Gehorchens. Daneben aber gilt für
den äusseren Gottesdienst der Grundsatz „Cuius regio, eius
religio". Man gehört als Staatsbürger zur Staatsreligion.
Es folgt nun in den „Meditationes physicae" Laus ent-
62
schieden pantheistische Kosmologie. Um es nicht mit den
Theologen zu verderben, spielt er zwar zum Scheine mit dem
biblischen ,,Fiat!" Doch lehrt er selbst die Unzeitlichkeit,
wie überhaupt die Unbegreiflichkeit einer Weltschöpfung.
Jedenfalls ist Gott der Beweger und Leiter der Welt. Diese
Bewegung äussert sich in den beiden Gegensätzen von Liebe
und Hass, Eintracht und Zwietracht. Sie ist, wie die Substanz
der Welt, ewig. Den Wechsel der Formen, welchem diese
unterliegt, denkt Lau sich als Kabbaiist.
Als krassen Materialisten zeigt er sich sodann in den
„Meditationes physico-medicae". Der Mensch erscheint hier als
eine Maschine, aus zweifacher Materie zusammengesetzt. Die
zarte heisst „Seele**, die grobe ,,Leib", Seele und Blut sind gleich-
wertige Begriffe. Wenn ein solcher Denker trotzdem in der
Affektenlehre mit Spinoza zusammentrifft, so ist dies eben ein
Zeichen für das Ueberwiegen des physiologischen Moments in
Spinozas Psychologie.
Aber noch weit mehr kompromittirt Lau Spinoza dadurch,
dass er ihn in dem Schlusskapitel, den „meditationes ethico-
polit.-juridicae**, zum Wortführer des zügellosesten Libertinismus
macht. Spinozas Moralphilosophie ist eine zweischneidige Waffe.
Vom Prinzip abgesehen, lässt sich kaum ein konsequenteres
System des Egoismus und Epikureismus denken. Dadurch aber,
dass dieses Prinzip, der Selbsterhaltungstrieb, rationell gefasst
wird, verwandelt sich die ganze Ethik in die herrlichste Ver-
teidigung des idealsten Altruismus. Lässt man nun diesen Kern
des Ganzen nicht zu* gehöriger Geltung kommen, und betont
man nur das Aeusserliche und Einzelne, so kann es nicht
schwer fallen, den ganzen Beweisapparat Spinozas in den Dienst
einer Lehre zu stellen, welche das Ziel des Gottähnlichkeits-
strebens setzt in ein schrankenloses Handeln „sine rege: lege:
grege.**
Noch offener und schärfer, wie in dieser seiner Haupt-
schrift, greift Lau die Orthodoxie, die „Saxoniae religionis
Atlantes et Simsones," wie er sie nennt, an in seinen ,, Medi-
tationes theses, dubia, Philosophico-theologica; placidae erudi-
torum disquisitioni, religionis cujusvis et nationis: in magno
mundi auditorio'submissa; a veritatis electicae amico " (17 U^).
„Mein Glaube ist,** so fordert er hier die Geistlichkeit heraus,
„wie der eurige: orthodox; wahr, nicht falsch; tugendhaft,
nicht lästerlich; löblich, nicht schandbar; christlich, nicht
heidnisch; apostolisch, nicht pharisäisch.** Für die erste, älteste,
allgemeinste Religion hält er den Deismus (§ 10). Den Ur-
sprung des Bösen, der Sünde, des Lasters sieht er (p. 32) im
63
Gesetz. „Non scivissem, concupiscentiam esse peccatum: lex
nisi dixisset." Im Naturzustande sind alle Handlungen in-
different. Denn die Natur weiss zwischen Recht und Unrecht
nicht zu unterscheiden. Erst in der Gesellschaft erhält unser
Thun moralische Werte.
§ 37. Der Deismus.
Der Deismus, zu dem sich hier auch Lau bekennt, war
das dritte Vehikel, auf welchem der Geist des Auslandes
in Deutschland Eingang fand. Die trefflichsten Vorspanndienste
leistete ihm die Wolfifsche Philosophie. Seine Kirche und Dog-
matik wurde der Freimaurerorden mit seinem Ordensstatut. Der
Fürst, der diese beiden in seinen mächtigen Schutz nimmt, giebt
zugleich dem Deismus den klassischen Ausdruck in dem ge-
flügelten Worte : „Jeder kann nach seiner Fa9on selig werden.**
Es handelte sich nun nicht mehr um Streitigkeiten zwischen
den einzelnen Konfessionen, wie sie ein Jahrhundert früher
Deutschland den blutigsten, greuelvollsten Bruderkrieg und end-
lose theologische Zänkereien gebracht hatten. Um die Berechti-
gung der positiven Religion überhaupt gegenüber dem Vernunft-
glauben stritten nunmehr die Parteien.
Wie des deutschen Cartesianismus und Materialismus Ur-
sprünge, so lagen auch die Saugarme des Deismus nicht weit
von der Wurzel des Spinozismus. Trotzdem wurden noch
immer jeder Gedanke, welcher gar zu deutlich an die \''er-
wandtschaft dieser beiden Strömungen erinnerte und spinozi-
stische Neigungen verriet, von Kirche und Staat auf den Index
gesetzt.
§ 38. Chr. Gabr. Fischer.
So hat der Professor der Physik Chr. Gabr. Fischer, wie
Lau ein Königsberger und wie Wittich Cartesianer, dasselbe
Schicksal wie sein Lehrer Wolfif erfahren müssen, weil er
dessen Philosophie eine unverkennbare Wendung zum Spino-
zismus gegeben und im Geiste dieser Doktrin mehrere Dogmen
rationell umzudeuten gewagt hatte. Er musste binnen vier-
undzwanzig Stunden die Stadt und binnen achtundvierzig das
ganze Land verlassen, hielt dann in Danzig philosophische Vor-
lesungen und durfte, nachdem er sich noch längere Zeit im
Ausland aufgehalten, erst nach einer Widen^ufung seiner Lehren
nach Königsberg zurückkehren, wo er bis an sein Lebensende
(1751) als Privatmann wohnte.
64
Fischer vertritt in seinen Werken ausdrücklich den Carte-
sianismus, und bei der abfälligen Kritik, welche er besonders
in seiner Hauptschrift, den ,, Vernünftigen Gedanken von der
Natur", an dem Substanzbegriffe Spinozas übt, und der ganzen
Art und Weise, wie er von diesem spricht, sollte man in ihm
höchstens einen Schüler Malebranches vermuten, welchen er
sehr oft beifällig anführt, aber nicht einen Spinozisten. Allein
während der „fromme Pater" sich wenigstens gegen den Vor-
wurf der Spinozisterei hinter das Zugeständnis der mensch-
lichen Willensfreiheit hatte flüchten können, fallt bei Fischer
auch dieses Flickwerk weg. Als blosse Modifikationen der
einen Substanz stellen sich bei ihm die Geschöpfe dar. „Es
ist bekannt," so heisst es in der Vorrede, „was vor grobe
Irrtümer, unendliche Streitigkeiten, unbedachtsame und fast
ärgerliche Reden aus dem missbrauchten Wort: Natur in die
geflossen und sie gleichsam überschwemmt haben. Dieses wilde
Wasser habe ich nunmehr vierzig Jahre befahren, und dabey
nach der rechten Quelle gesunder Erkenntnis mich vielfaltig um-
gesehen . . . Die Kraft, welche Spinoza in der Welt, die ältesten
Heiden im Licht, die neueren Weltweisen im Weltzeuge suchen,
finde ich ausser der Welt, ausser dem Weltzeuge, einig und
allein in dem zeuglosen Geist . . . Von dieser göttlichen Kraft sehe
ich nichts in die Welt ausfliessen, sich trennen, noch theilen;
sondern gedachte einige untheilbare und unzertrennliche Kraft
allenthalben würken. Keine so genannte würkende Mittelursach
hat etwas von solcher Kraft in sich; sondern eine jede der-
selben hat bloss eine Tüchtigkeit nach gewisser Beschränkung
zu würken d. i. eine Natur in sich." Nur die göttliche Kraft
wirkt, ,, indem sie jedes Geschöpf, nach angeschaffener Natur
und Tüchtigkeit zum göttlichen Vorhaben selbst richtet und
anwendet, dadurch ihre allgemeine Würkung auf besondere Art
eigenmächtig und selbst, d. i. allmächtig beschränket. Alles
thätige Wirken in der Welt ist demnach Gott eigen . . Die zeug-
losen Seelen in der Welt hat Gott nicht zu Werkzeugen, son-
dern zu seinem Dienst erschaffen. Er hat sie tüchtig gemacht,
nicht zur Bewegung, dass sie das Werkzeug verändern, noch
daraus äusserliche Erfolge stellen mögen; sondern dass sie die
göttlichen Werke und Weltregierung anschauen . . ." Demnach
hat also „ein erschaffener Geist und eine Seele ebenfalls keine
eigene angeschaffene Kraft, etwas Gutes in ihr selbst zu wirken,
sondern bloss eine Tüchtigkeit und Freyheit dem Wirken der
göttlichen Kraft Raum zu geben. Die Bewegungen des Leibes
sowol, als alle Veränderungen, die dadurch in der Welt ent-
stehen, geschehen nach dem Ausschlag der Seelen, ohne ihr
66
äusseres Wirken und Zuthun, ganz weislich und ordentlich,
aber nicht stets nach ihrer Absicht erfreulich. . . Hiernach ist
in der ganzen Welt noch irgend in einem Geschöpf, eigentlich
zu reden, eine Kraft, wohl aber sind alle Creaturen tüchtig und
geschickt, dass die einige untheilbare göttliche Kraft durch und
in sie samt und sonders würke." Gottes Denken äussert sich
im Schaffen (S. 210), sein Wille ist unveränderlich (S. 213),
wir können darum die Natur auch ausser der Natur selbst
verstehen.
Der Mensch ist nach Fischer (S. 722) „der modus sub-
sistendi, die Art urrd Weise, wie zwei in der Welt würkbare
Grundsachen . . nebeneinander zugleich währen und bestehen."
Unter Leib verstehen wir (S. 702) die äusserlichen, unter Seele
die innerlichen Verrichtungen dieses „Modus". Beide sind
in ihrem Wesen gänzlich von einander zu sondern, wobei
zu beachten ist, dass die Empfindungen und Gemütsbewegungen,
als „physische Veränderungen" nicht zur Seele gezählt werden.
Diese „vermag im ganzen Röhrwerk des Leibes nichts" (§ 932
S. 708fg.). Sie kann höchstens (S. 710) „eine Gemütsbewegung
der anderen vorziehen, dabey anhalten, und dadurch diese
im- Leibe vordringen und ausbrechen lassen"; denn (S. 712)
jede Wirkung ist unmittelbar von der göttlichen Kraft her-
zuleiten.
Natürlich muss man sich angesichts solcher Lehren fragen,
was bleibt denn an Wirklichkeit den Modis übrig, und falls
sie etwas ausser Gott darstellen sollen, woher dieses Etwas?
Doch bereitet diese Schwierigkeit dem Verfasser so wenig
Kopfzerbrechen, dass er ohne eine Antwort hierauf zu geben,
vielmehr Spinoza daraus einen Vorwurf macht, dass er weit
konsequenter, wie die Kraft, so auch die Substanz der Einzel-
dinge in Gott sucht. Diese Klippe sucht Fischer wohlweislich
zu umschiffen, weil seit Bayle gerade deswegen Spinoza des
Materialismus beschuldigt wurde.
§ 39. De Jariges.
Diese falsche Auffassung war noch um die Mitte des
Jahrhunderts die in den gelehrten Kreisen giltige, wie die
Arbeit des nachmaligen preussischen Grosskanzlers „Herrn de
Jariges, Mitglied der Königl. Akademie der Wissenschaften zu
Berlin, über das System des Spinoza und über Bayles Er-
innerungen gegen dieses System" deutlich genug an den Tag
legt. Hier begnügt man sich nicht einmal mit Bayles Irrtümern,
man sucht ihn durch neue Fehler zu verbessern. Die Sub-
66
stanz wird als Ausdehnung, diese als tote Materie genommen.
Der Verstand Gottes, eine Modifikation der Substanz, gilt für eine
UnvoUkommenheit in Gott. Jedes Einzelding besitzt die göttlichen
Eigenschaften. Spinoza will nur zwei Attribute annehmen u. s. f.
§ 40. Von Wolff zu Spinoza.
Daher selbst in Berlin, dem Centrum der Aufklärung, der
Eifer gegen jede Schrift, welche, wenn auch nur auf theolo-
gischem Gebiet, dem Spinozismus einen Schritt über die Grenzen
des Deismus hinaus näher trat, wie die 'eines Lauckhard,
dessen Vater, wie Dippel, neben einem durch Wolff geweckten
Spinozismus alchymistischem Aberglauben gehuldigt, eines
Loen, der die natürliche Religion mit den beiden alleinigen
Dogmen des Glaubens an Christus und des Gehorsams gegen
die Gebote Gottes an die Stelle der christlichen einsetzen will,
eines Bachstrohm, der die Mysterien verwirft und die Schrift
im Sinne des theol.-pol. Traktates auslegen will, vor allem
eines Gebhardi, dessen „Vernünftige Gedanken von dem Ge-
brauch der strengen Lehrart in der Theologie" und ,, Vernunft-
massige Betrachtung der übernatürlichen Begebenheiten" auf
kgl. Befehl in Berlin und auch sonst verboten wurden. Darin
werden die Wunder, die Offenbarung, die Vernünftigkeit der
Bibel, der Teufel u. s. w., sowie in einer dritten Schrift „Drey
Gespräche über wichtige Wahrheiten" (1744) auch noch die
Endlichkeit und Begrenztheit der Welt geleugnet. Es zeigt sich
hier nicht allein der Einfluss der Leibniz-Wolffschen Philosophie,
sondern nicht minder der englischen Deisten, Bekkers und vor
allem Spinozas.
Dagegen ist eine Schrift, wie „Der Mensch wie er
sich nach dem Lichte der Vernunft zur Glückseligkeit ge-
schickt machen kann" (Lpzg. 1748) von Joh. Fr. Mayen,
der mit der Familie des Grafen von Manteuffel, des Vertrauten
Friedrichs des Grossen, in Verkehr gestanden zu haben scheint,
ein Beispiel dafür, wie man Spinoza fast wörtlich benützen
konnte, ohne den Rahmen des Wolffianismus zu überschreiten.
Hier heisst es z. B.: (§ 78 S. 15) „Wir nennen dasjenige gut,
was uns vergnügt macht, und übel, was uns missvergnügt
macht. (§ 109 S. 20) Der Zustand des Menschen, in welchem
er der sinnlichen Neigung nicht widerstehen kann, heisst Skla-
verey, oder die sittliche Knechtschaft. (S. HO) Die Sclaverey
wird gehoben, wenn die sinnlichen Gedanken durch die ver-
nünftigen beherrscht und eingeschränkt werden. (§ 170) Man
suche in allem, so weit als möglich, vollkommen zu werden.
67
(182) Die Tugend ist ein Bestreben seine Handlungen nach den
Gesetzen der Vernunft einzurichten. (196) Man suche sein
Leben zu erhalten. (215) Man strebe nach gewissen Geschick-
lichkeiten des Leibes. (§ 222) Je geschickter der Mensch ist;
desto mehr Gutes entsteht für ihn daraus. (308) Die Freiheit
hat ihren Grund in der Vernunft. (346) Die Bändigung der
Afifecten ist das gewisseste Mittel, tugendhaft zu werden" u. ä. m.
§ 41. Dippel.
Andererseits stossen wir auf die selbst für jene wunder-
liche Zeit auffallende Erscheinung, dass man über Fischer hinaus
seinen Gedankengang bis in das Herz des Spinozismus fort-
führen, in derselben Richtung über den Deismus hinaus seiner
Zeit vielleicht um Jahrhunderte v^orauseilen und nicht allein
sich, sondern einer ganzen verwandten Richtung den Tadel der
Spinozisterei zuziehen konnte, ohne doch im eigentlichen Sinne
ein Spinozist zu sein, ja ohne auch nur in anderen Ausdrücken,
als die erbittertsten Feinde des Amsterdamer Juden, von ihm
und seinen Lehren zu reden. Dieses Schauspiel gewährt uns
Joh. Chr. Dippel, eine der merkwürdigsten Erscheinungen des
vorigen Jahrhunderts. Fast alle glaubensfeindlichen Elemente
seiner Zeit vereinigen sich unbeschadet der zwischen ihnen selbst
waltenden Gegensätze, in dem Charakterbilde dieses Mannes.
Mit Knuzen, dem er auch in seinem Lebenswandel und äusseren
Schicksalen sehr nahe steht, ist er Rationalist. Er fordert sogar
die Zivilehe und die Aufhebung des Privatbesitzes. Die Obrig-
keit lässt er nur im Reiche der Natur gelten, ein wahrer Christ
steht von rechtswegen unter keiner weltlichen Regierung. An-
dererseits ist er wiederum mit den Pietisten Pietist. Das Wesen
der Religion findet er in der Liebe und Selbstverleugnung. Gott
offenbart sich besser, als in der Hg. Schrift, in unserem Herzen.
Wahre Frömmigkeit ist in allen Bekenntnissen möglich. Da-
neben ist er, wie Lau, Kabbaiist und treibt chemische Studien,
denen wir die Erfindung des Berlinerblau zu verdanken haben.
In seinen zahlreichen Schriften bekämpft Dippel in einer
krausen Sprache und mit den gemeinsten Ausdrücken die
ganze zeitgenössische Philosophie, doch niemanden erbitterter
als Spinoza. All die glühenden Kohlen von Bayles und Kor-
tholts Herde werden auf Spinozas Haupt gesammelt. Fatalis-
mus, Mechanismus, Blasphemie und ähnliche Verbrechen werden
ihm zur Last gelegt. Seine Titel sind: „Gauckler; Dornbusch;
degenerirter Jud, der in seinem Ausgang von den Juden viel
mehr Wahrheit verlohren, als er unter den heydnischen Christen
5*
68
gefunden ; Esprit fort, wann fort so viel bedeuten soll als gros
(grob oder plumb); Tropf: armer Teufel: Narr, der das Toll-
haus billig meritirt: wunderlicher Philosophus, der mit aller
seiner grossen Mühe und mit aller Spitzfindigkeit seiner ver-
derbten Einbildungskraft, nichts als die lahmsten und elendesten
Fratzen auf die Bahn gebracht, und hierauf einen sich selbst
widersprechenden Satz mit dem andern gehäufifet: Narr aller
Narren: mathematische Phantast, Hans Ochse, Bube aller Buben"
u. ä- m. Seine Lehren sind: ^Lappereien: unzeitige und gauckel-
hafifte Alfantzereien : einem Menschen so unanständiger Wahn-
witz und kaum vor viehisch zu achtende Erfindung . ., als
welche nicht mit Worten, sondern billig mit Schlägen gezüch-
tiget werden sollte, wo anders noch einige Züchtigung bey so
niedrig -gesinnten finstem Machinen statt findet.** (S. Sehr.
Berleburg 1747 Bd. U S. 76 fg. 79. 80. 162 fg. 355 fg. 848.)
Sachlich ficht Dippel vor allem Spinozas Akosmismus an,
der den Geschöpfen jede Möglichkeit einer Selbstthätigkeit be-
nimmt und andererseits Gott zur unmittelbaren Ursache aller
Fehler in der Welt macht. ^Dieser Dombusch oder Spinosa
sähe alsobald, dass es gleichviel gesagt sein würde, Creaturen
zu machen, die keine eigene Bewegung haben, und nur leidende
unter der fatalen Direction . . . der ersten bewegenden Ursache
stünden : und die erste bewegende Ui'sache selbst als das Wesen
aller sogenannten Creaturen anzugeben : so dass nichts zu sehen
und zu finden wäre als Gott und dessen Wesen selbst, wie
es sich auf unterschiedene Weisen . . modificirt oder auf dem
Theatro zum Anschauen stellet. Dann wann das andere dem
Wesen Gottes nicht entgegenlaufet, nämlich ein Urheber aller
solchen Confusion zu seyn, durch die erste Bewegung, so war
es klar genug, dass dem Wesen Gottes selbst alles konte ohne
einige Furcht der Impietät heimgeschrieben werden, was Cartes
und Hobbes, noch als Wii'kung der Geschöpfen ausser dem
Wesen Gottes angesehen, indem der Actus der Schöpfung nach
der Schrift aus Gott, und also aus dem ersten Wesen seinen
Object hat. Er sähe auch das dabey, dass die Machine in
ihrem Band viel vollständiger würde ei*scheinen, wann überall
des Cartesii Dencking mit des Hobbesii mathematischer Aus-
breitung wesentlich \'ereiniget stünde: deshalb corrigirte er ge-
trost des Cartes allzu subtile Abstractiones und suchte in dem
Wesen Gottes selbst nicht nur die Dencking, sondern auch
die Ausbreitung, worinnen er in soweit der Wahrheit näher
kam, als Hobbes und Cartes, wann die Ausbreitung so viel
heissen soll, als der materialische Grund aller Geschöpfen,
und nicht ein Körper, der unter denen Gesetzen der Ma-
69
thesis liegt, und äussere Proportiones zeiget, welche Propor-
tiones erst durch den freyen Actum der Schöpfung sind ent-
decket worden, da die Individua, oder sonderbare Substantien,
nach allen ihren wesendlichen Theilen aus dem Unendlichen . .
ins Endliche sind gesetzt . . Aber weil der Tropf das teufe-
lische Fatum schon zu Grunde geleget, und keine singulaire
Bewegung oder individualen Lebensgrund, wollte statuiren, um
aus vieler bewegenden Ursachen Concordantz oder Discrepantz
. . die Phaenomena in der äussern Natur und auch in der Re-
ligion zu unterscheiden, so musste er nothwendig bey aller
Klugheit noch weiter in des Teufels Netz fallen, und alsobald
das Wesen Gottes selbst von aller Ewigkeit so unterstellen, wie
er es nach seiner dummen Klugheit gegenwärtig fände, und
es auch in alle Ewigkeit so sichtbar und denen legibus . . der
Mathesis unterworffen bleiben lassen." (Fatum Fatuum S. Sehr.
Bd. II S. 76 ff.) ^ Demnach dürfte Spinoza konsequenter Weise
weder (ebd. S. 7^)) „denen Schreibern der hg. Schrift den gött-
lichen Trieb und Gewissheit disputiren, da sie doch nach seinem
Grund nichts anders als göttlich haben lehren und schreiben
können, indem sie wesendliche Theile der Gottheit selbst waren,
und Gott allein in ihnen, als in modis essentiae divinae alles
dachte und thate", noch (ebd. S 80, vgl. „Chymischer Versuch"
S. .84v')) von einem „Tract. de emendatione intellectus" reden,
„welcher Titul, nach seinem Praesupposito notwendig so viel
bedeutet, als emendatio essentiae divinae." Er macht auch in
Wahrheit „die Hauptursache aller Dinge, nämlich den allein
weisen und vollkommen seligen Gott, als den unmittelbaren
Unterwurff alles . . Elendes und aller Unordnung." („\'itae
animalis morbus et medicina . . wobey zugleich die Tollheiten
des Mechanismi und Spinozismi aus dem Grunde entdecket und
mit handtastlichem sonnenklaren Beweiss aus dem Bezirk der
gesunden Vernunfift Verstössen werden" a. a. O. Bd. II S. 162 fg.
583. Vgl. Bd. III S. :W4f.)
Den theolog.-polit. Traktat trifft derselbe \\)rwurf, welcher
später gegen Kants Kritik der practischen Vernunft erhoben
wurde, dass der Verfasser damit ganz gegen sein System den
Forderungen des wirklichen Lebens Zugeständnisse mache (a.a.O.
n S. 355 fg.).
Hieraus ist also jedenfalls das eine zu entnehmen, dass
Dippel die Auffassung der Ausdehnung als eines Attributes der
Gottheit grundsätzlich billigt. Dies spricht auch unzweideutig
aus einer anderen Stelle („Wegweiser zum verlohrenen Licht"
a. a. O. 937): „Was Epiphanius mit den Anthropomorphiten
vor einen cörperlichen Begriff von Gott selbst gehabt, ist droben
70
erinnert. So grob verstehen wir es nicht, bezeugen aber ohne
Furcht der Ketzerey, dass das Sichtbare im Unsichtbaren sein
Wesen und seine Krafft habe, dass die Leiber und Geister der
äussern Natur den freyen Geistern der unsichbaren Welt unter-
worfifen sind . . dass endlich das unendliche geistliche Wesen
Gott selbst als die Mutter alles, noch alle Geschöpfe trage und
beseele . ." Der evolutionäre Pantheismus, der sich in solchen
Sätzen kundgiebt, war zwar zu Dippels Zeiten geeignet, seinem
Vertreter den Makel des Spinozismus zuzuziehen. In Wahrheit
steht er aber dem Geiste der „Ethik" so fern, dass man dabei,
wie hier der Fall, ein aufrichtiger und unversöhnlicher Gegner
Spinozas sein kann.
§ 42. Edelmann.
Anders Dippels Schüler Joh. Chr. Edelmann. Was Zensur
und Kirchenbann vermag, zeigt sich deutlich an diesem kon-
sequentesten und kühnsten Freidenker Deutschlands in der
ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts. Zu seiner Zeit von
den meisten bekämpft, von vielen gefürchtet, war er schon
lange vor seinem Ableben ein toter Mann. Unter diesem Tot-
schweigen blieb er denn auch verborgen, bis der Hauch einer
anderen Zeit durch die Welt strich, bis man im Streite mit
der Kirche sich des alten Vorkämpfers wieder erinnerte und
seine Waffen ausgrub.
Nicht zufällig ist es erst David Friedrich Strauss, der Edel-
manns Namen wieder in Ehren nennt. Strauss selbst war von
gegnerischer Seite als „Edelmannus redivivus" bezeichnet worden,
und er lässt sich mit Stolz diesen Titel gefallen. Nicht lange
darauf wies Bruno Bauer in seiner „Geschichte der Politik . .
des achtzehnten Jahrhunderts" (Charlottenburg 1843 S. 204ff.,
vgl. S. 741) Edelmann den gebührenden Platz an in der Reihe
der Streiter für Geistesfreiheit und Duldsamkeit, die Deutsch-
land zu seinen Söhnen zählen darf. Damit war das Publikum
für die Herausgabe seiner Selbstbiographie (1849) empfänglich
gemacht, deren Berechtigung und Statthaftigkeit aber der Heraus-
geber erst ausdrücklich erweisen zu sollen glaubt. Seitdem
erscheint er denn regelmässig bei den Geschichtsschreibern,
wie Gei-vinus (Gesch. der deutschen Dichtung * 1853 V S. 245),
Dorner (Gesch. der protest. Theologie . . S. 684), Thoiuck
(Gesch. des Rationalismus . . Berlin 1865 S. 172 ff.), Hettner
(Gesch. der Literatur des achtzehnten Jahrdts. I S. 272) und
Pünjer (Gesch. der christlichen Religionsphilos. I S. 326 f.) als
einer der ersten Auiklärer und Verbreiter des Spinozismus, wenn
71
auch, trotz 1" holucks (a. a. O. S. 55) Gegenbeweis, seine Ein-
wirkung auf die breiteren Schichten des Volkes noch immer
unterschätzt wird.
Nicht oft hat wohl die Gelehrtengeschichte eine solche
Aehnlichkeit der äusseren Schicksale von Meister und Jünger
aufzuweisen, wie die Biographien Edelmanns und Spinozas,
mit einander verglichen, sie uns zeigen. Zu einer Zeit, wo
fast das gesamte Denken sich in den Schranken der Leibniz-
Wolffschen Philosophie bewegte, ist Ed. der erste, der ungeachtet
der Bannstrahlen der Theologen und der Feindschaft der Philo-
sophen, das Banner des Spinozismus vor aller Augen entrollt,
den Charakter seines Meisters, dem er sich, mit einer damals
seltenen Freiheit, öffentlich mit Leib und Seele verschreibt,
seinen frommen Verfolgern als die schärfste Kritik ihres Ver-
haltens entgegenhält, der unbeirrt und unbestochen durch Gla,nz
und äussere Stellung, wie selbst seine Feinde anerkennen müssen,
oft von der bittersten Not gequält, mitten durch die Schar
der pietistischen Schwärmer und orthodoxen Gläubigen frei
seine Bahn zieht, jeden Fehdehandschuh mutig aufnimmt und
den Kampf siegreich zu Ende führt.
Niemand hätte in dem frommen Schüler eines Budden,
eines der heftigsten Gegner Spinozas, Spinozas einstigen Banner-
träger ahnen mögen. Erst Arnold mit seiner Ketzergeschichte
und vor allem Dippel mit seinen zündenden Invektiven gegen
die Uebergriffe der Orthodoxie, die aller Orten mächtigen Staub
aufwirbelten, warfen Edelmann auf die Bahn des Pfaffenfeindes.
Rührend sind die eigenen Schilderungen seiner verzehrenden
Zweifel, von der Art, wie sie ihre typische Darstellung in der
Vorrede zum „Tract. de emendatione intellectus" erhalten haben.
Wiewohl Spinozas Schriften damals, wie aus den Klagen seiner
Gegner deutlich zu ersehen, immer weitere Verbreitung fanden,
kommt Edelmann erst an der Hand der englischen Freidenker
zum Spinozismus, den er wie eine längst ersehnte Offenbarung,
wie ein neues Evangelium begrüsst. „Ich hatte,'* so erzählt
er selbst in seiner Lebensbeschreibung S. 334, „weiss nicht
mehr wo? den Satz Spinozas gelesen: Deum essentiam rerum
immanentem, non transeuntem statui etc. Dieser Satz kam
mir von einem Manne, der so ein verschrieener Atheist sein
sollte, so rührend vor, dass ich in einen rechten Eifer gevieth,
dass man einen Mann, der einen der Majestät Gottes so an-
ständigen Satz behauptete, zu einem Gottesverläugner machen
wollte. Ich wurde daher, anstatt mich selbigen schrecken zu
lassen, erst recht begierig, den Spinoza selber zu lesen. Ich
konnte dieses verrufenen Mannes Schriften unter den mancherlei
72
Heiligen zu Berleburg nirgends antreffen, musste mich also
nothwendig, wenn ich sie lesen wollte, weiter umsehen. Weil
ich nun wusste, dass in Berlin öfters Auctiones gehalten wurden,
so schrieb ich an meinen Bruder Benignum [Kaufmann Pinelli],
der mir eben einen Catalogum geschicket hatte, in welchem
des Spinozae Werke, die unter hundert Auctionen kaum einmal
vorzukommen pflegen, mit enthalten waren, dass er mir solche
.schicken sollte." Am 24. Juni 1740 hat er sie in Händen.
„Das Erste," so erzählt er S. 350, „worauf mein Gemüth durch
einen starken innerlichen Zug gelenkt wurde, war des Spinozae
tract. theol. pol.
Das scheussliche Portrait, das mir meine Lehrer von diesem
Buche und seinem Verfasser gemacht hatten, würde vielleicht
vermögend gewesen sein, mich zu bewegen, es ungelesen wieder
von mir zu legen, wenn ich nicht bereits aus der Erfahrung
gewusst hätte, dass in alle den Schriften, wovor diese Herren
am meisten zu warnen pflegen, das meiste Gute stecke. Ich
nahm also den ehrlichen Spinozam, dessen blosser Name mir
in meinen Universitätsjahren schon ein Schaudern verursachte,
nunmehr nicht nur ohne Furcht in die Hände, sondern ich
las ihn auch mit grosser Aufmerksamkeit durch. Und obschon
eine Widerlegungschrift,, [„jedenfalls Cupers „Arcana Atheismi"]
,,mit dabei gebunden war, die ich ebenfalls durchzulesen
vornahm, so fand ich doch bald in den ersten Kapiteln, wie
wenig Spinoza in denselben widerlegt war. Ich wiederkäuete
also fleissig, was ich bei ihm gelesen hatte, nahm meine \'er-
nunft, die ich nun schon besser brauchen konnte, selber dabei
zu Rath, untersuchte die Beschaffenheit der Sache so gut es
mir in meiner damaligen Positur möglich war, zog andere
Schriftsteller mit zu Rath, die bald für bald wider das er-
schreckliche Ansehen der Bibel geschrieben hatten. Je mehr
ich aber suchte, je mehr fand ich, auf was für einem elenden
Grund dieses fürchterliche Götzenbild stand und bekam immer
mehr Muth, demselben etwas näherzutreten . . genug, der
Trieb, den ich zu näherer Untersuchung der Bibel bei mir
spürte, machte mir immer mehr Herz, mich an nichts zu
kehren, was mir bei diesem Geschäft im Wege stehen möchte."*
Mit welchem Eifer Edelmann sich auf das Studium Spi-
nozas warf, dies beweisen in der That seine nun rasch auf-
einander folgenden Schriften. Zunächst erschien „Die Göttlich-
keit der Vernunft; zur Ermunterung, den unbekannten Gott
etwas näher kennen" zu lernen (1740). Hier nimmt Edelmann
(S. 279 Anm. b) Spinozas Lehre „von der freyen Nothwendig-
keit Gottes" in Schutz. Dass „alle Creaturen nur Schatten des
73
Seyns Gottes**, ist (S. 361) ^eine so gründliche, herrliche und
unumstössliche Wahrheit, dass schier keine darüber ist, und
kannst du . . daraus abnehmen, wie gottlos man bisher an
dem ehrlichen Spinoza gehandelt, da man ihn dieser Wahrheit
wegen zum Atheisten gemacht/* Ferner (S. 562) hat „Spinoza
noch viel zu wenig gesagt, wenn er hin und wieder geschrieben,
es sey eben so unmöglich, dass Gott menschliche Natur an-
nehmen könne, als unmöglich es sey, dass ein Circul die Natur
eines Trianguls annehmen könne." Noch ist also Spinoza
nicht ganz verdaut, noch steckt Edelmann in früheren halb-
richtigen Auffassungen seiner Lehren; aber schon benutzt er
jede Gelegenheit, mit Entschiedenheit für ihn einzutreten, schon
rüstet er zu weiterem Kampfe für seinen Meister (s. S. 270
Anm. b).
Dasselbe Jahr brachte denn auch bereits einen zweiten
Absagebrief an die Orthodoxie: „Moses mit dem aufgedeckten
Angesichte, von zwei ungleichen Brüdern, Lichtlieb und Blind-
ling beschauet nach Art der unschuldigen Wahrheiten in einem
freymüthigen Gespräche abgehandelt, und Licht- und Klarheit-
liebenden Gemüthern zu Gott geheiligter Bew^underung und
Ergötzung vorgestellt, bey Betrachtung der Worte Pauli II Cor.
III 12, 13." Das Gespräch, in welchem Lichtlieb Edelmanns
Rolle vertritt, erinnert in manchen Punkten an die für die Ge-
schichte des deutschen Spinozismus so wichtige Unterredung Les-
sings mit Jacobi. Mit einer oft ans Unflätige streifenden
Schärfe und Grobheit plaidirt Edelmann hier gegen die Eng-
herzigkeit der Zionswächter für Dippel (S. 46), „der diese
Lügenschmiede freylich viel beherzter anredt" und andere (S. 57)
„verworffene, und von der allein selig machen wollenden Kirche
äusserst blamirte Ketzer," darunter natürlich auch für Spinoza.
Wenn man diesen einen Atheisten nennt, so weiss er „nichts
Bessers drauf zu antw^orten, als dass ich in den Augen deiner
privilegirten Verleumder lieber mit Spinoza ein Atheist, als mit
dem Herrn Stockfinster ein Orthodox sein w^ollte." Bei dieser
Gelegenheit tritt er auch als „Retter" seines gewaltsam unter-
drückten Vorgängers Knuzen auf, dessen Grundsätze in der
Bibelkritik er anerkennt , während , nach seiner Meinung,
Knuzens — erklärliche — Erbitterung mit der Verwerfung
aller Obrigkeit über das Ziel hinausgeschossen hat (S. 60).
Den „Unschuldigen Nachrichten", welche (S. 571) ein „Te
Deum" angestimmt hatten , „es habe Gott (Knuzen) diesen
Apostel aus der Schule des Satans" [Anm. Edelm.'s: ,, der-
gleichen Gespenst der gute Mensch doch nicht geglaubt"] „mit
seiner lügenhaften Prahlerey zu schänden gemacht und den
74
ausgestreuten Saamen des höllischen Unkrauts ehe er zum
Aufgehen gekommen . . nach seiner Gnade und Allmacht er-
stickt," will er,, zeigen, dass der lebendigeGott nicht so furchtsam
sey, wie ihr Affter-Gott, der sich fürchtet, dass ihn ein paar
Bogen Pappier aus seinem Himmel werffen und sein An-
dencken gänzlich unter den Menschenkindern auslöschen würde. "
Nicht die vom fanatischen Pöbel so beschimpften (S. 40), son-
dern die „gewissenlosen Abgötter und unvernünfftigen Bibel-
anbeter sind Atheisten." Als ^ nun Blindling (S. 118) „etwas
näher von Spinozae Lehren unterrichtet seyn" will, „weil
nicht allein die Pfarrer, sondern auch wohl Leute, die was
mehr verstehen wollen, schrecklich missvergnügte Gesichter
machen, wenn seiner ungefähr erwähnt wird," rückt sein
Partner offenherzig mit einem ausführlichen Bekenntnisse heraus.
„Es wäre mir sehr leid, wenn ich in den Augen dieser armen
Leute (der Orthodoxen) kein Atheist sein sollte." Ferner (S. 120)
„gestehe ich, dass ich meinen Augen kaum trauen darff, wenn
ich dieses Mannes Schrifften (Spin.) selber lese und bedencke,
dass ihn unsere heutigen Christen haben zum Atheisten machen
dürffen. Denn da er ausdrücklich Gott nicht nur dergestalt
zur Ursache aller Dinge macht, dass er dieselbigen hervor ge-
bracht, wie etwa ein Künstler sein Werck, der hernach wieder
davon geht und selbiges dem willkührlichen Verfahren andrer
überlässt; sondern deutlich bekennet, dass Gott stets wesent-
lich in allen Dingen gegenwärtig bleibe und eben durch sein
Daseyn mache, dass sie sind, was sie sind, wesswegen er ihn
gar recht das Seyn und Wesen aller Dinge nennet; so hätte
unsre heutige gottlose Maul-Christenheit sich nicht besser ver-
rathen können, dass sie noch gar nichts gründliches von Gott
wisse, als da sie sich unterstanden, diesen Mann zum Atheisten
zu machen. Ich will dir dessen eigene Worte vorhalten, und
sie mit den Aussprüchen der Schrifft und anderer untadelichen
Männer zusammen halten, und dich und alle vernünfftige Men-
schen sodann urtheilen lassen, mit was vor Recht man einen
Mann habe zum Atheisten machen können, der mehr Er-
kenntnis von dem lebendigen Gott in zwey oder drei Zeilen
zeigt, als unsre gantze atheistische Christenheit in alle ihren
Schmieralien zusammen . ."
Hingegen waren „die alten Christen guteSpinozisten." „W^as
(S. 122) vor Gefahr kan doch uns armen Würmern draus erwachsen,
dass der lebendige Gott, nachdem er uns hat werden heissen, und in
ihm etwas zu seyn erlaubt, mit seiner wesentlichen Gegenwart so-
dann nicht von uns weicht, oder uns unserm eigenen noch unerfahr-
nen Willkühr und einem blinden Schicksahl übergiebt; sodann von
75
dem ersten Augenblick unsers Daseyns beständig in und bey
uns bleibt, und selbst das alles in uns und allen Dingen ist,
was uns vvahrhafftig vergnügt und selig machen kann? . . Haben
unsre wahnwitzigen Schwätzer denn keine Lust, dereinst ein-
mahl selig zu werden? Sonder Zweifel muss es ihnen kein
Ernst seyn, wenn sie es gleich mit Worten vorgeben. Denn
sonst würden sie sich ja vielmehr freuen, wenn sie hörten,
dass Gott schon jetzt das Wesen aller Dinge sey, als dass sie
vor diesem Ausspruche so erschrocken solten. Denn wann
Gott dereinst in den Seligen Alles in Allem seyn wird, so
muss er das fürwahr nur in den Spinozisten thun, die es
nicht vor gefährlich halten, wenn Gott auch in ihnen alles ist
und weset. Denn in den andern guten Freunden kan ers
nicht seyn, weil sie selber gern seyn möchten, ja sich steifT
und vest einbilden, sie wären würcklich selbst, was sie sind,
da doch die Schriftt den deutlichen Ausspruch von allen Men-
schen thut: Ps. 39, 6 „„Wie gar nichts sind alle Menschen?****
Bejammems- würdige Thoren! Wenn wollt ihr einmahl klug
werden und nach Gott fragen, nach dem lebendigen Gott in,
durch und von dem ihr alles seyd, was ihr seyd? dessen Wesen
und Seyn ihm dergestalt eigen und alleinig ist, dass euch
davon weiter nichts zukommt, als dass ihr ihn nur in euch
seyn lasset, was er seyn will . .**
Wie Augustin erklärthiernach Edelmann den Sündenfall dahin,
dass „wir haben seyn wollen, wir haben selbständig seyn wollen, wir
sind nicht zufrieden gewesen, dass wir inunddurch Gott waren, was
wir waren, sondern wären gerneselbst etwas nach unserm Be-
lieben gewesen." Die Schlange, der Teufel u. s. f. sind er-
dichtete Begriffe, in Wahrheit „lediglich unsere Willensbegierde"
. . „Wir waren also selbst der Satan, der wider Gott agirte."
Es ist (S. 126) „eben so unmöglich, ohne und ausser Gott,
vor sich selbst ein Seyn und Wesen zu haben, als unmöglich
es ist, dass der Tag ohne die Sonne nur einen Augenblick
Tag, ein Bächlein ohne die Quelle, und ein Schatten ohne
den CÖTpeT ein Seyn und Wesen haben könne ..."
Von einer Erbsünde kann keine Rede sein (S. 129). „Nicht
unsere Natur und Wesen ist verderbt, so wie wir bissher höchst
gotteslästerlicher Weise gelehret. Denn wir sind göttlichen Ge-
schlechts Act. 17, 18 . . Gott ist es ja, nach dem klaren und deut-
lichen Ausspruche der SchrifTt, der in uns würkt beyde das Wollen
und Vollbringen nach seinem Wohlgefallen, folglich kan nichts
in und durch uns geschehen, es scheine so verkehrt und wider-
göttlich als es immer wolle, es muss endlich doch nach dem
guten und wohlgefälligen Willen Gottes zu unserm Heil und
76
Besten ausschlagen, . . die gantze Schwierigkeit in dieser Sache
bestehet darinne, dass wir keinen rechten Begrifif vom Bösen
haben ; wir bilden uns dasselbe als was Wesentliches und dem
Guten gerad Entgegenstehendes ein." Es ist aber „im Grunde
weiter nichts als ein geringes Gut, wovor es auch der grosse
Leibniz erkannt; ein Gut, das nicht vor uns, sondern vor
andere Geschöpfe erschaffen ist." (S. 136) „Wenn unsere
hochgelahrten Ignoranten bissher nur diss eintzige Wörtgen
(„Seyn") recht verstanden hätten, . . so würden sie sich auch
durch Verwerffung des Satzes Spinozae nicht so prostituiret
haben, als geschehen, und der gantze Plunder ihrer systema-
tischen Theologie würde bald ein ander Aussehen bekommen
haben." (S. 148) „Alle Creaturen sind nichts, Er aber ist
gar, und wohl derjenigen Creatur, die ihr Nichts erkennet, und
Gott alles in allem in sich seyn lasset. Denn darin bestehet
alle Seligkeit." (S. 149) „Denn das bischen Erlaubniss, so
uns Gott gegeben hat, entweder in seinem Lichte, oder in
seinem Schatten zu leben, ich will sagen, entweder in oder
ausser dem Fleische und den materialischen Dingen, womit
wir umgeben sind, . . das ist es eben, worinne wir hauptsäch-
lich vor andern Wercken Gottes einen Vorzug haben; ausser-
demj sind wir eben nichts mehr als jene, nehmlich gewisse
Arten . . modificationes essentiae divinae, vor welcher neuen
Redensart, die armen Götzenknechte in allerley Sekten schon
so viel Creutze gemacht, dass man aller Welt Kirchhöfe damit
besetzen könte." (S. 159) Die Orthodoxen sagen: Gott ist
doch kein Koth, kein Sünder, kein Teufel. Dabei scheiden
sie jedoch nicht „zwischen wahrem Seyn und zwischen dem,
was in der Zeit zu werden angefangen hat und auch mit der
Zeit authören muss." (S. 161) „Du bist ja undisputirlich das
Wesen deines Schattens, und mit demselben dergestalt ver-
bunden, dass er ohne dich unmöglich seyn könte. Bist denn
du aber desswegen dein Schatten selber, oder ist zwischen dir
und demselben kein Unterschied.^ Also ist ja auch freylich
zwar Gott das Seyn und Wesen aller Dinge, weil ohne ihn
keine einige Creatur nur einen Augenblick bestehen und ein
Wesen haben könte. Desswegen muss er ja aber auf keine
Weise die Creatur selber seyn." (S. 162) Doch „da wissen
sich die armen Schwätzer schon zu helfen. Es müsste keine
Distinction mehr in der Welt seyn, wenn sie das Maul halten
solten. Sie sagen: Gott sey zwar seiner Kraft nach allent-
halben gegenwärtig, aber nicht seinem Wesen nach, welches
aber eben so abgeschmackt klingt, als wenn man sprechen
wolte: die Sonne wäre zwar ihrer Kraft nach in dem Tage
77
gegenwärtig, aber nicht ihrem Wesen nach. Gerade als wenn
die Kraft einer Sache von dem Wesen derselbigen getrennt
werden könte."
So grausam hatte der Geistlichkeit in Deutschland bis dahin
niemand mitzuspielen gewagt, und nach Edelmann zeigt uns
die Geschichte nur einmal sein, allerdings vergrössertes und
idealisirtes , Ebenbild: in Gotthold Efraim Lessing. Mit der
glaubensseligen Mystik des Pietisten wendet sich Edelmann
gegen den flachen Wolffschen Rationalismus. (S. 166. „ein
dreyfachW, das grosse Weh gemacht: Weiber, Wein, Wolff**.)
Mit der Entrüstung des deutschen Patrioten kehrt er sich ab
„von den ekelhaften Suppengedichten des frantzösischen Schma-
rotzers Voltaire" (S. 149. 151). Gegen Orthodoxie wie gegen
platten Deismus ficht er unter der Fahne und mit den Waffen
Spinozas; sein Hauptgegner ist der Hamburger Hauptpastor
Wagner, der Vorgänger Götzes.
Natürlich Hessen sich seine Feinde nicht die polizeiliche
Unterstützung entgehen. Edelmann wurde zur Widerrufung
seiner Ketzerei aufgefordert. In derr. aus diesem Anlass ab-
gelegten Glaubensbekenntnisse spricht der Schüler Spinozas
und Dippels offen und frei aus: „1) Ich erkenne aus Betrach-
tung der Natur und aller Dinge, im Licht der Vernunft, ein
einiges, ewiges, unveränderliches, höchst vollkommenes und in
allen Dingen gegenwärtiges Sein und Wesen, dessen Vortreff-
lichkeiten und Eigenschaften mehr empfunden als ausgesprochen
werden können . . 2) Ich lasse jedem die Freiheit, es so zu
betrachten, wie es sich ihm selbst in seiner dermaligen Positur
zu erkennen giebt." 3) Die Bibel ist wie jedes Menschenwerk
nur Stückwerk. 4) „Aus diesem Grunde glaube ich ferner,
dass der Gehorsam gegen die Stimme Gottes im Gewissen des
Menschen einen wahren Himmel und hingegen die Wider-
spenstigkeit gegen dieselbe eine unaussprechliche Hölle zu wege
bringe. Unser Geist, als eine Kraft des unsterblichen Gottes,
hört nach dem Tode des Fleisches nicht auf, eben das zu sein,
was er seinem Wesen nach gegenwärtig ist." 5) Christus ist
ein wahrer Mensch wie wir gewesen, aber mit ausnehmenden
Gaben und Tugenden begabt. Die Wendung „Sohn Gottes"
will nichts als diese Vortrefflichkeit besagen. 6) Die Haupt-
absicht Jesu ist gewesen, die durch die vielerlei thörichten Mei-
nungen von Gott bisher untereinander gestreuten Gemüter der
Menschen in Liebe zu vereinigen und alle Religionszänkerei
aufzuheben. 7) Jesus ist nicht nur wirklich dem Geiste nach
auferstanden, sondern komme auch, eben diesem Geiste nach.
78
täglich in vielen Tausenden seiner Zeugen wieder. 8) Gebilde
wie Teufel u. a. sind Pfaffenlügen u. s. w.
Nach kühner spricht der Spinozismus Edelmanns, in seiner
Hand die schärfste Waffe der Polemik, in seiner „Epistel St.
Harenbergs" (1747), die denn auch auf kaiserlichen Befehl samt
dem „Glaubensbekenntnis" und „Moses" in Frankfurt konfiszirt
und durch den Scharfrichter öffentlich verbrannt wurde. Doch
fand sie schon im nächsten Jahre Nachfolge in dem „Evan-
gelium St. Harenbergs", worin der Spinozismus aus der Bibel
erwiesen und ihm vor anderen Bekenntnissen auch der Vor-
zug der Duldsamkeit gegen abweichende Ansichten zuge-
sprochen wird.
Inzwischen war Edelmann nach einem kurzen Aufenthalte
in Hamburg nach seinem früheren Wohnorte Berlin zurück-
gekehrt, wo er still und zumckgezogen, doch, wie sein Meister
Spinoza, nicht ohne freundschaftlichen Verkehr lebte, bis an
dessen neunzigstem Todestage (21. Februar 1767) ein Schlag-
fluss seinem Wirken ein Ziel setzte. Wie erfolgreich seine ge-
heime Propaganda arbeitete, lässt sich aus seiner Angabe er-
weisen, dass er allein für seinen Briefwechsel in einem Jahre
achtzig Thaler verwendet. Von vielen Seiten flössen diesem
\^nirdigen Vorgänger eines Reimarus und Lessing Unterstützungen
zu. Die aus Konfiscationen geretteten Exemplare seiner Schriften
wurden teuer bezahlt. „In Berlin," so wird uns („Ueber den
Religionszustand in den preussischen Staaten seit Friedrich II"
Lpzg. 1778 1 S. 514) berichtet, „sind viele Edelmannianer Offi-
ziere, Bedienten, Bürger, selbst Frauenzimmer. Ich bin er-
staunt, als ich von einem Weibe Edelmanns Lehrsätze hörte.
Selbst Bediente bekennen sich zu seiner Schule."
§ 43. Der Kampf um Edelmann.
Aber weit offenkundiger als dieses Zeugnis spricht für
Edelmanns Bedeutung das Heer von Stimmen, welche sich
sogleich öffentlich für und wider ihn erhoben. Im Meister selbst
will mit seinen plumpen Ausfällen gegen Spinoza Klemm schon
im Jahre 1743 zugleich den Jünger Edelmann vernichten. Bald
darauf verteidigt in seiner Disputation unter Klemms Beistand
ein frommes Brüderpaar die gefährdete Religion gegen jene
Glaubensspötter. Ein Jahr später erscheint bereits ein anonymes
„Sendschreiben an Hr. Abt Mosheim" und in gleichem Fahr-
wasser 1747 : „Dreyer verschiedener Politicorum Bedencken über
des H. J. Ch. Edelmanns Glaubensbekenntnis", welches mit
dem „Ceterum censeo" schliesst: (S. 29) Edelmanns, der (S. 1 P
79
„einer von den Orackeln des pietistischen Deismi, welches heut
zu tag in Teutschland so gemein ist," „Nähme und Schriften
sind, ohne damit viel Aufsehens zu machen, der dicksten
Finsternis einer ewigen Verborgenheit zu widmen."
Diesen Angriffen gegenüber blieb selbstv^erständlich auch
Edelmanns Anhang nicht müssig. Schon früh hatte Edelmann
in einem getauften Juden Using einen warmen Verteidiger ge-
funden. In seinem Geiste war auch das „Sendschreiben eines
obschon gantz im Verborgenen, dennoch gemäss des, von dem
Haupte derer Freygeister Joh. VIII 31. 32 ertheilten Befehls,
recht unermüdet nach der Wahrheit forschenden Fre\'geistes,
an Sr. Hochw., den kgl. preuss. Consistorialrath und Hof-
prediger Herrn A. Fr. W. Hack, zu Berlin 1748" abgefasst.
Von demselben Verfasser, der sich hinter dem Pseudonvm
Christian Gottlieb verbirgt, stammen, verschiedenen Mutmassungen
zufolge, auch die „Freyen, doch unmassgeblichen Gedanken
und Erinnerungen über die bisherigen Streitschriften wider den
Herrn Edelmann . . von einigen unpartheyischen Liebhabern
der Wahrheit 1748" her, welche, besonders wegen der zahl-
reichen Schmähungen gegen die Geistlichkeit, konfiszirt wurden.
Es heisst darin S. 8 f.: „Ich kann nicht umhin be\' der Ge-
legenheit wegen Aehnlichkeit der Sache zu gestehen, dass ich
mich sehr verwundere, wie nicht nur die Herren Theologi
(denn von denen ist wohl nichts anders zu vermuthen), sondern
auch die neuere Philosophie nicht Ausdrücke genug aufsuchen
können, den Spinoza als den greulichsten Atheisten, ja der
noch viel schädlicher als alle andere Atheisten sey, abzumahlen;
man macht von ihm eine Idee, als ob er sich, nur um sich
einen besondern Nahmen zu machen, äusserst bemühet habe
Gott aufzuheben und zu läugnen" . . . , während „ein solcher
malitiöse und mit Vorsatz, wieder besser W^issen und Gewissen
und ohne allen Nutzen und zeitlichen Vortheil sich selbst und
andere betrügender Atheist so wenig sej'n kann, als wenig man
von einem vernünftigen Menschen glauben wird, dass er recht
muthwilliger W^eise von einer gefährlichen Treppe herunter
fallen werde." Trotz der Irrtümer Spinozas „sollte doch sein
stiller, tugendhafter und uninteressirter Wandel, darinn er gewiss
wohl denen meisten solcher Zeloten, als ein Muster vorgestellet
zu werden verdiente, wohl eine sattsam hinlängliche Ursache
seyn, ein gelindes Urtheil von ihm zu fällen, nicht alles zu
Boltzen zu drehen und aufs Aergste auszulegen, und alle
menschliche Liebe und Achtung gegen einen so grossen Mann
aufzugeben. Denn wer kan von sich selbst absque formidine
opposui . . behaupten, dass nicht in seinen Begriffen von Gott
80
und göttlichen Sachen einige irrige Vorstellungen mit unter-
lauffen möchten."
Es liegt nicht gar zu fern, in dem Verfasser dieser Schrift
den uns schon bekannten Chr. Gabr. Fischer zu suchen,
der hier unter dem Schutze der Pseudonymität freier reden
konnte, als in seinen anderen Schriften. Die „freyen Gedanken"
fanden sogleich offenen Widerspruch bei Reinwolle, einem Pro-
selyten, der bereits zwei Jahre vorher, mit eben so wenig Er-
folg, sein frisches Christentum gegen Edelmann ins Feuer ge-
führt hatte. Diesmal sekundirte einer der hitzigsten Kampthähne
gegen Edelmann, der Pfarrer Schumacher, in seiner „Stärke
und Schwäche des deistischen Unglaubens' aus den freyen doch
unmassgeblichen Gedanken . . bewiesen", deren Ton für die
in der damaligen Geistlichkeit übliche Art, von Spinoza zu
reden, sehr bezeichnend ist. Diesem werden Lehren unter-
geschoben wie: (S. 21) „Alles, was man siehet, und empfindet,
was man mit Füssen tritt und verabscheuet, ist Gott. Er kan
nicht anders würken, als er thut . . „Er ist an nothwendige Ge-
setze gebunden, die ihn zum Hebezeuge machen, das würket
und nicht weiss, wie, oder was es würket und wodurch es
beweget wird. Die^ Geschöpfe sind Abänderungen von diesem
Gotte, welche nach mechanischen Bestimmungsgründen, wie
Stein und Erz so hervorgebracht werden u. s. w. Der Gott
des Spinoza ist also ein Inbegriff der allenviderwärtigsten
Dinge, die keine menschliche Vernunft zu vereinigen weiss . .
Herr Edelmann hat in seinem Mose . . diese hohen Begriffe
des Spinoza von Gott etwas änderst erklärt und dabey gleich-
falls seine hohe Weisheit nicht weniger zu erkennen gegeben.
Es kommt ihm recht tiefsinnig vor, wenn man behauptet, Gott
sei ein Wesen, das durch seine Drehungen und Wendungen
verschiedene Figuren, als Schatten machte. . . . Wenn nun
etwa eine Katze oder ein Affe entstehet, so ist der Schatten,
welcher durch die Wendung dieses Gottes verursachet wird,
in eine Aehnlichkeit mit dieser Art Thiere geraten. Sehet das
sind die hohen Begriffe, welche diese Leute von Gott haben.**
Auch Spinozas Charakter darf nicht unbefleckt bleiben. (S. 22)
„Ich will hier die Ursachen und Gründe nicht untersuchen,
warum dieser Atheist vor der Welt ehrbar gelebet. Es ist
anderswo geschehen. So viel will ich nur sagen, dass ein
äusserlich eingezogenes Leben noch kein untrigliches Merkmal
einer tugendhaften Seele sey. Eine wahre Tugend setzet ein
erleuchteter und wiedergebohrnes Gemüht zum Grunde. Findet
sich ein solches Licht in dem Verstände des Spinoza und eine
solche Veränderung in seinem Herzen.^ Seine Lehrsätze zeugen
81
das Gegentheil. Sie entdecken: einen verfinsterten Geist und
eine Gemüthsart, die von Natur müssig und wenn man sagen
soll, was die Sache ist, listig und schleichend gewesen, damit
er seine gottlosen Sätze unter einem äusserlichen Schein der
Tugend desto erträglicher machte und die Welt, die er mit
seinem Verstände beleidigte, mit seinen Sitten wieder aussöhnte."
Hier sehen wir wieder die alte Frage angeregt, ob ein iVtheist
zugleich ein tugendhafter Mensch sein könne. Wie einst Spinoza,
so legte sie nun Edelmann nahe. So brachte das Jahr 1750
eine „Gelegentliche Untersuchung der Frage: Ob ein Atheist
ein tugendsames Leben führen könne, oder nicht?" von dem
Greifswalder Theologieprofessor Balthasar. (S. 11) „Ein atheis-
tisches Gesetz und Moral lasset sich nicht besser, als aus des
Spinosae tr. theol.-pol. begreiffen . . . Nun ist zwar Spinosa noch
mit dem Hobbes in so weit einig, dass er einen Unterschied inter
statum Naturae et Rationis machet, und diesen jenem vorziehet;
allein wer siehet nicht, dass es eine pure Gauckeley sey? Denn
eines Theils machet er die allgemeine Verbindlichkeit zur Aus-
übung der Vernunft herunter, und leget den statum rationis
bloss dem blinden Hazard, je nachdem einer das Glück gehabt
gebohren und erzogen zu werden, bey; andern Theils leitet
er den vernünftigen Zustand nicht aus einer freithätigen An-
wendung, sondern aus einer mechanischen und fatalen Noth-
wendigkeit her, folglich ist sein Tugendsamer machinalement
tugendsam, aber wie sein Lasterhafter machinalement lasterhaft
ist. Ueberhaupt aber ist zu wissen, dass Spinosa, in itzt-ange-
zogenem Tractat, seine Klauen noch in etwas zurückgehalten,
und nicht freyweg bekennt, dass Gott und die Natur einerley
wären ; hat also noch derzeit einigen Grund gehabt, die lectiones
rationis von dem instinctu naturali zu unterscheiden. Wer aber,
nach seiner Ethique, Gott und die Natur zu vermischen die
Tollheit beginge, würde auch Vernunft und Natur vermischen
müssen. . . Will man mehr von solcher Moral wissen, so lese
man die l'Homme Machine, im gleichen den Discours sur le Bon-
heur. . . Wenn man (S. 17) des Spinosa Schriften lieset, so
wird man irre gemacht, und weiss selbst nicht, was man von
ihm denken soll. In seinem tract. th.-pol. suchet er zwar die
Göttlichkeit der hg. Schrift zu bestürmen, allein von Gott an
und für sich, redet er noch hin und wieder mit solcher Ehr-
furcht, dass man fast glauben sollte, der Kerl sey ein guter
Gottesgelehrter gewesen. Er spricht auch selbst von unserm
Heilande Christo . . . mit vieler Ehrfurcht . . Hernach, in seiner
Kthique, giebet er zwar deutlich genug zu verstehen, dass er
Gott und die Natur für eines und dasselbe halte, indessen so
6
82
behält er doch noch immer Hochachtung vor seinem Mundi
Spiritu, und redet auf allen Blättern von Gott, von Belohnung
der Tugend und Strafe der Untugend. Hält man nun seine
Lebensgeschichte, so wie sie uns Colerus hinterlassen, damit
zusammen, so geräth man fast auf die Gedanken, dass Spinoza
in seinem Herzen wohl kein rechter Atheist gewesen. , . Dass
er massig gelebt, kann ihm nicht sonderlich zum Ruhm gereichen,
weil er, ümb die Welt vollends irre zu machen, gerne lange
leben wollte, dabey aber mit einer beständigen Kränklichkeit
und Schwindsucht behaftet gewesen. Die Sparsamkeit
ist allen Juden gleichsam angebohren, und dass er hätte
Geschenke und Gaben annehmen sollen, hat er eines Theils
nicht nöthig gehabt, andern Theils hat es sein Hochmuth nicht
zugelassen. Am allerwenigsten aber verdient seine beständige
Einsiedlerey etwaniges Lob; denn dieses hat er aus keiner andern
Ursache gethan, als ümb ein verfluchtes Systeme, wodurch er
den wahren Gott, sein Wort und alle Religion über einen Hauffen
zu werffen getrachtet, auszuklauben, und deswegen hat der
Misanthrope auch öffentliche Ehrenämter, z. B. ein Professorat
in Heidelberg ausgeschlagen ... (S. 18) Kurz, wenn wir alles
genau beym Lichte besehen, so hat seine hauptsächlichste
Tugendverrichtung darinnen bestanden, dass er zwischen vier
Wänden gotteslästerliche Bücher ausgeschwitzet ... Es ist mit
seinen Schriften überhaupt ein Mischmasch, bald süss bald
sauer, und komme ich fast auf die Gedanken, dass Spinosa
wohl nicht allzu richtig beyweilen im Kopfe gewesen . . . Gott-
los wäre es schon genug, Gott und die Natur zu vermischen,
indem, auf solche Art, Gott selbst unmittelbar beydes sowohl
alles Gute, als alles Böse in seinen Weisen (modis) würken
und Ihm selbst zuwider sein müsste. Dabey aber noch aus-
drücklich statuiren, dass dieses durch eine absolute Nothwendig-
keit, ohne Zweck und Raison, geschehe, solches gehet über
alle Tollheit."
Spinoza hatte es in der That seinen Feinden gar zu
leicht gemacht, mit wenig Witz und viel Behagen allen mög-
lichen Unsinn aus seinen Lehren herauszudestilliren. Glück-
licherweise war Balthasar mit seiner „gelegentlichen Unter-
suchung" nicht allgemein anerkannter Dolmetsch der öffentlichen
Meinung. Sein jüngerer Kollege Ahlwardt, an und gegen den
er sein Sendschreiben gerichtet, blieb ihm die Antwort nicht
schuldig.
Doch lenkte, um die Diskussion nicht ganz auf ein anderes
Gebiet hinüber spielen zu lassen, einer jener Dunkelmänner in
„Des berichtigten J. Chr. Edelmanns Leben und Schriften"
83
(Frkft. 1750) die Aufmerksamkeit von neuem auf den „Spinoza
redivivus" (S. 34). Hier erfahren wir von Edelmann (S. 35)
„er bedienet sich schlechter Kleidung, und isset kein Fleisch,
trincket weder Wein noch Bier. Seine Pei*son ist sonst im
Umgange gantz leutselig und liebreich. Spielet auch noch seine
Flute traverse, und ist kein Feind einer schönen Operarie."
Doch verbreitet er (S. 34f.) „das Giflft des Spinoza", dieser
„machte die Natur zu Gott, und der Menschen Hertz zu Gottes
Wort. Dieses sey mit seinem Siegel, als dem Ebenbilde Gottes
versiegelt. "
Diese Wendungen wiederholen sich ohne wesentlichen
Unterschied in all den zahlreichen Polemiken gegen Edelmann.
Selbst diejenigen, welche wie der Kandidat der Rechte Mannso
in seinem „entblösset dargestellten Religionsspötter" (Witten-
berg 1753 S. 9) einsahen, dass „mit Poltern und Lärmen auf
der Kanzel kein Religionsspötter widerleget" werde, brachten
nicht schwereres Geschütz auf den Plan.
Bei allem Hass gegen Edelmann hatten aber seine Feinde,
wie Pratje u. a., wenigstens seinen Charakter unangetastet
lassen müssen, weshalb uns Mendelssohns Bericht über ihn an
Lessing (1755) um so mehr überrascht. Erst als Edelmann
seine schriftstellerische Thätigkeit eingestellt hatte, kamen, ähn-
lich wie bei Spinoza, auch über seine Lebensumstände die
abenteuerlichsten Gerüchte auf. Doch hatte seine Wirksamkeit
selbst mit seinem Tode noch keineswegs ihr Ziel erreicht.
Langsam keimte die Saat, die er ausgestreut, unter der Ober-
fläche weiter, um mit einem Male die reife Frucht ans Tages-
licht zu senden in dem Manne, der seinen Vordermann im
Kampfe gegen Zopf und Vorurteil gekannt und ihm eine seiner
sonderbarsten Lehren, den Glauben an die Seelenwanderung,
als Ausfluss des Spinozismus, jedenfalls entlehnt hat: in Lessing.
Mit diesem beginnt eine neue Aera in der Geschichte des
deutschen Spinozismus.
(J*
Abschnitt ffl.
Des XVIII. Jahrhunderts zweite Hälfte.
§. 44. Einleitung.
Bis dahin hatte Spinozas Prophetenstimme, in den Niede-
rungen ungehört, nur hie und da an auf den Höhen der Mensch-
heit, an den nächststehenden Geistesriesen ein bald mehr, bald
minder deutliches Echo geweckt. Nun erst fand diese Stimme
an der Neige des Jahrhunderts der Aufklärung in dem Aether
reinster Humanität die JMassen bereit, durch ihren Schall von
der Bergwand gelöst, in die Tiefe zu rollen, lawinenartig alles
mit sich reissend, was ihrem Laufe sich entgegenstellte. Ohne
in seiner wahre Tiefe selbst von den Besten verstanden zu
werden, hatte Spinoza einzelne mutige und handfeste Verteidiger
gefunden, während die grosse Masse des Volkes selten mehr,
als Neugierde für solche Kämpfe an den Tag gelegt hatte.
Nun aber traf alles zusammen, was der Entfaltung und Ver-
breitung seiner Lehre nur forderlich sein konnte.
Der Grundzug dieser Zeit ist ein entschieden revolutionärer.
Nicht allein darum, weil das politische Denken durch die Logik
der „Haupt- und Staatsaktionen", besonders im französischen
Westen, auch in Deutschland unwillkürlich in eine freiere Bahn
mit fortgerissen wurde, da die aufschiessenden Feuergarben der
grossen Revolution über den Rhein hinüber mit ihrem blu-
tigen Schein die Nacht der Völkerknechtschaft beleuchteten und
in die morschen Zwingburgen des Despotismus ihren Funken-
regen sandten, der sich nach und nach zur verzehrenden Flamme
entfachen sollte. Es waren vielmehr bereits die Vorboten der
französischen Revolution, vor allem Rousseau, welche in Deutsch-
land, wenn auch später als bei den Nachbarn, doch um so
kräftiger und tiefer Wurzel fassten. Am ehesten Uesse sich diese
85
Epoche des deutschen Geisteslebens mit der Renaissance in
Italien vergleichen. Man schüttelte den scholastischen Staub
von den Kleidern. Die Klassiker las man ebenso, wie Shake-
speare und Leibniz, mit ganz anderen Augen. Das Fühlen
und Empfinden wurde viel reiner und menschlicher. Ein im
wahrsten Sinne protestantischer Geist zauberte in erreichbare
Nähe das reine Menschheitsideal vor die Augen der Edelsten.
Mendelssohn und Friedrich der Grosse, Lessing und Kant
arbeiteten, so fügte es die Vorsehung, so wenig sie sich auch
gegenseitig verstehen mochten, gemeinsam daran, den morschen
Bau der alten Zeit einzureissen und abzutragen. Nun aber galt
es neu zu bauen. Halte Spinoza schon manchen wuchtigen
Axthieb bei dem Werke der Zerstörung geführt, jetzt, wo man
nach einheitlicher Erfassung des Seins in der Natur wie im
Menschenleben strebte, gleich weit entfernt von dem mühsam
abgeräumten theologischen Spiritualismus, wie von dem, das
deutsche Gemüt anwidernden , französischen Materialismus,
jetzt war der Spinozismus der Geist, der dem neuen Bau
Leben gab.
Einer übertriebenen Weltflüchtigkeit gegenüber, welche in
den verschiedensten theologischen Formen einen, dem deutschen
Wesen ureigenen, Pessimismus gepredigt, wurde nun die Natur-
seite des Menschenlebens betont. Der Mensch ist nicht ein
blosses Gedankenwesen, losgelöst vom Ganzen der Natur, son-
dern ihr leibliches Kind, in wechselndem Nehmen und Geben
der. Kräfte sich ihr verwebend. Es war das geniale Sich-
ausleben des Triebes im Gegensatze zum abstrakten Pflicht-
gebot, die Phantasie an SteU« des begrifflichen Denkens, woher
unsere Stürmer und Dränger wie unsere Romantiker, die Dichter
sowohl wie die Naturforscher und Philosophen, welche damals
einen seltsamen Bund geschlossen, die schöpferischen Antriebe
empfingen. Das Schlagwort für diese ganze grosse bunte Zeit
ist: Goethe.
Noch nie hatte auch die Philosophie so im Vordergrunde
des allgemeinen Interesses gestanden. Dabei zeigte sich Spinoza
als der grosse Taktiker, der aus den Schwächen der Gegner
die wichtigsten Vorteile zu ziehen weiss. Gar mancher flüchtete
sich aus den Plänkeleien zwichen Leibnizianern und Kantianern
auf das neutrale Gebiet des Spinozismus. Auch erwies sich
Spinoza als Meister in der Kunst, dem geschlagenen Feinde
goldene Brücken zu bauen. Erst durch ihn lernte man Leibniz
in seiner spekulativen Tiefe würdigen, aber zugleich auch
seine Hauptlehren reiner und bestimmter in Spinoza wieder-
finden.
86
§ 45. Lessing.
Fast vor unseren Augen vollzieht sich dieser Vorgang in
Lessing. Die Frage nach seinem Spinozismus ist bekanntlich
der Ausgangspunkt des deutschen Neospinozismus. Sein Ge-
spräch mit Jacobi und der sich daran knüpfende Jacobi-Men-
delssohnsche Streit weckte in ganz Deutschland längst schlum-
mernde Keime und rief die führenden Geister der verschieden-
sten Richtungen und Parteien in langem Zeugenverhör für und
wider auf. Noch heut sind die Akten darüber nicht ganz ge-
schlossen.
Ohne Frage hat Jacobis Benehmen gegen Mendelssohn
seiner Sache geschadet und der Gegenpartei ein moralisches
Uebergewicht gegeben, das viele auf Mendelssohns bezw. Leib-
nizens Seite gezogen hat. So sieht Schlüter „Die Lehre des
Spin." S. 97 mit Fr. Schlegel („Vorlesungen" L S. 294) in
der einzigen Thatsache, dass Lessing die persönliche Fortdauer
der menschlichen Seele aufrecht hält, einen hinlänglichen Beweis
dafür, dass er kein Spinozist gewesen. Aehnlich sucht Heine
Mendelssohn durch seinen Beifall zu trösten (Deutschland I
Buch 2 S. 69.)
Eine gründliche Untersuchung der Frage, bereits mit Be-
rücksichtigung wissenschaftlicher Vorarbeiten, verdanken wir der
trefflichen Monographie von Carl Schwarz („Lessing als Theo-
loge", Halle 1854). Er zieht aus Lessings Werken Stellen heran,
welche deutlich aussagen: „Lessing glaubt an eine transcen-
dentale Einheit Gottes, er lehrt die göttliche Immanenz, er ist
Determinist. Doch geht er nicht überall mit Spinoza." Schwarz
setzt zunächst einen Unterschied zwischen beide in der Methode,
ohne zu bedenken, dass die Einkleidung der „Ethik" deutlich
genug in ihren Rissen und Sprüngen die induktive Auffindung
ihrer Resultate durchblicken lässt. Sodann hat Lessings Gott
im Gegensatz zu dem Spinozas: Leben, ein absolutes Selbst-
bewusstsein und die Dreieinigkeit. Endlich werden beide ein-
ander in der Fassung des Weltbegriffes entgegengesetzt, indem
Spinozas Welt blosser Schein sein soll.- Dagegen besteht
Schwarz mit Recht auf der Glaubwürdigkeit des Jacobischen
Berichtes, entgegen den Ansichten Guhrauers, der ihn, zu
Gunsten der Leibnizschen Vaterrechte auf die Lessingsche
Philosophie, nicht als Quelle für deren Kenntniss gelten lassen
will, und zu Schelling, der sich Lessings Aeusserungen in dem
bekannten Gespräche nur als Betonung des Gegensatzes zu
Jacobis Supranaturalismus erklären kann.
87
Aehnlich wie Schwarz sprechen sich auch Zimmermann,
Ritter und Schaarschmidt aus, welch letzterer aber doch an
Schwarz eine allzu starke Betonung des Gegensatzes zwischen
Lessing und Spinoza tadelt und den Abstand zwischen ihnen
nicht so weit findet. Nach sorgfältiger Prüfung sieht sich
Hebler in seinen „Lessing-Studien" (1862), auf deren Ergeb-
nissen im wesentlichen Rehorn („Lessings Stellung zur Philo-
sophie des Spinoza" 1877) fusst, in dem Gespräche ein be-
deutendes, wenn auch im einzelnen nicht ganz zuverlässiges
Monument. Dem Spinozismus in Lessing stehen Leibnizens
Individualismus und Teleologie gegenüber. Den Spinozismus
fasst er als Panentheismus. Mit bekannter Gewissenhaftigkeit
entscheidet sich ähnlich Zeller, und nach ihm Ueberweg, dahin,
dass Lessing nur als Leibnizianer Spinozist ist.
Dagegen nimmt sich Hettner, wie stets in änlichen Fragen,
mit grosser Wärme Spinozas an. Er bringt für diese wert-
volle neue Instanzen bei und sucht die gegnerischen Einwürfe
zu entkräften. Nach ihm ist Lessing dem Geiste seiner ersten
Schriften stets treu geblieben. Für Spinozas Einfluss hatte
sich auch Danzel ausgesprochen, weswegen er von Witte
und Guhrauer angegriffen wird, manchmal in einem Tone,
der an die alten Urteile über den „Erzatheisten" Spinoza
erinnert.
Neuerdings hat schliesslich Pfleiderer wohl das Richtige
getroffen, wenn er in Lessings Weltanschauung einen, wie
Mendelssohn ihn bezeichnet hatte, „geläuterten" d. h. einen
ähnlich wie bei Herder, Goethe, Schelling u. s. f. durch den
Leibnizschen Individualismus belebten und vergeistigten Spino-
zismus sieht.
Was Lessing zu Spinoza führte, war zunächst wohl die
Neugierde, den Denker näher kennen zu lernen, den die ver-
schiedenen Parteien verschieden beurteilten und doch alle,
voran die Theologen, einstimmig verdammten. Er selbst ge-
steht in einem unvollendeten Aufsatze über Bibliolatrie: „Ich
suchte jede neue Schrift wider die Religion ebenso begierig auf,
und schenkte ihr eben das geduldige, unparteiische Gehör, das
ich sonst nur den Schriften für die Religion schuldig zu sein
glaubte." Dieses Streben hatte ihn schon in Breslau zu den
Schriften Dippels hingezogen. Wenn nun dieser auch in den
derbsten Flüchen gegen Spinoza wetterte, so war er doch ganz
besonders dazu angethan, Lessing auf den grossen Verketzer-
ten aufmerksam und mit seinen wichtigsten Lehren bekannt
zu machen. Als Lessing ihn aber erst aus seinen eigenen
Schriften kennen lernte, muss ihn die Zuversichtlichkeit und
88
Selbstgevvissheit, als ein ihm selbst verwandter Zug in Spinozas
Wesen, sehr sympathisch angesprochen haben.
Man setzt gewöhnlich Lessings Spinozastudium in seine
erste Breslauer Periode (1760 — 65). Doch finden sich Spuren
einer solchen Bekanntschaft schon früher. Jn dem von Lessings
Bruder wohl mit Recht — gegen Danzel (1755) — um 1750 ange-
setzten Aufsatze über die Herrenhuter vermisst man zwischen
den Namen eines Cartesius und Leibniz den Spinozas. Lessing
erwähnt diesen das erste Mal in seinem bekannten Briefe an
J. D. Michaelis (1754), wo es von Mendelssohn heisst: „Seine
Redlichkeit und sein philosophischer Geist lässt mich ihn im
voraus als einen zweiten Spinoza betrachten, dem zur völligen
Gleicheit mit dem ersteren nichts als seine Jrrtümer fehlen
werden." Dies lässt weder auf eine nähere Kenntnis Spinozas
noch auf ein grösseres Wohlwollen für diesen, als für Leibniz
schliessen. Es ist ein Urteil über Spinoza, wie es damals üb-
lich war, wie es jeder Wolffianer fällen konnte, und wie es
Lessing von Mendelssohn selbst oft gehört haben mochte, seinem
„metaphysischen" Freunde, während er nur als „bel-esprit** ge-
nommen werden will. Seine zweite philosophische Schrift
„das Christentum der Vernunft" zeigt ihn uns in seinem Denken,
wenn auch jedenfalls ohne direkte Beziehungen zu Leibniz,
diesem näher stehend. Doch lassen sich aus seiner Deduktion
des Universums aus Gott und aus der Ineinssetzung des gött-
lichen Denkens, Vorstellens und Schaffens Anklänge an Spinoza
heraushören.
Auf eine Lektüre der Ethik und zugleich auf frühere
Gespräche zwischen Lessing und Mendelssohn über den
Spinozismus verweist erst ihr Briefwechsel, und zwar ist
es vor allem die Affektenlehre Spinozas, die sie beschäftigt
(S. 204). Mendelssohn teilt seinem Freunde seine Auffassung
der „titillatio" mit, wie sie die Ethik definirt, und Lessing er-
klärt sich, nach einem Einblick in die Stelle, damit einver-
standen. Aus seiner Anführung der Ethik ist zu entnehmen,
dass er sie in deutscher Uebersetzung, jedenfalls der Schmidtschen,
liest.
Auch die beiden folgenden Dokumente für Lessings Spino-
zismus sind an seinen jüdischen Freund gerichtet. Der Aufsatz
„Ueber die Wirklichkeit der Dinge in Gott" (1763, s. S. W.
Bd. 11 S. 111 ff.) zeigt uns Lessing durchaus auf dem Boden
des Spinozismus. Hettner sieht darin „eine Begründung des
Spinozismus, deren Art und Sprache darauf berechnet war, auch
diejenigen, welche noch innerhalb der Wolffschen Philosophie
standen, von der Unabweislichkeit desselben zu überzeugen."
89
Lessings denkfester Kopf konnte sich mit Leibnizens
Monadenlehre auf die Dauer nicht zufrieden geben. „Ich mag
mir die Wirklichkeit der Dinge ausser Gott erklären, wie ich
will, so muss ich bekennen, dass ich mir keinen Begriff davon
machen kann/ In erkennbarer Polemik gegen Leibniz, macht
Lessing denen, welche die Wirklichkeit als Ergänzung der Mög-
lichkeit annehmen, um der Jmmanenzlehre auszuweichen, einen
ähnlichen Vorwurf, wie einst Aristoteles der Platonischen Ideen-
lehre. Sicherlich ist es nach diesen Ausführungen unhaltbar,
mit Mendelssohn Lessing die Lehre von einer Ausserweltlichkeit
Gottes zuschreiben zu wollen.
Wie hier das Verhältnis Gottes zur Welt, so sind auch
die Beziehungen zwischen Leib und Seele in einem Briefe an
Mendelssohn desselben Jahres im Geiste Spinozas behandelt.
Hier nimmt Lessing in der damals oft erörterten Frage nach
der Priorität der Erfindung der praestabilirten Harmonie-Lehre,
wie in dem Gespräche mit Jacoci, unumwunden für Spinoza
Stellung. Auch im persönlichen Verkehr mit seinen Breslauer
Freunden nimmt er ihn offen gegen Bayle in Schutz. Leibniz
kommt für ihn in jenen Jahren überhaupt kaum in betracht.
Jn Spinoza verwandtem Geiste äussert sich Lessing femer
über die Bestrafung des Bösen in der „Hamburg. Dramaturgie**
0768 69), und seine Freunde sowohl in Hamburg, wie besonders
Jerusalem, das Vorbild des Goetheschen „Werther**, konnten
aus seinem Munde das freimütige Bekenntnis des Spinozimus
hören. Neben so vielen unzweideutigen Belegen fallt die viel
umstrittene Inschrift: iv xai -äv am Gleimschen Gartenhause
jedenfalls nur schwach ins Gewicht.
Unter Leibnizens Einflüsse soll Lessing besonders in der
WolfTenbüttler Zeit gestanden haben, nachdem er wie einst
Spinoza einen Ruf des pfalzischen Kurfürsten ausgeschlagen.
Allein wir besitzen hier zunächst in Lessings B merkungen zu
den „Philosophischen Gesprächen" Jerusalems (1776) ein neues
wertvolles Denkmal für seinen Spinozismus. Ferner ist nach dem
\^oraufgehenden anzunehmen, dass, wenn er Leibniz las, er
es mit den Augen Spinozas that. Nie giebt er ihm ausdrück-
lich vor diesem den Vorzug. Jn seinem reifsten Werke, der
«Erziehung des Menschengeschlechts**, dem Hauptzankapfel in
unserer Frage, erscheint Lessing eben als Historiker, der das
göttliche Element in der Menschengeschichte in seiner Ent-
wickelung betrachtet, deren höchste Stufe er sich (§ § 14. 73.
Sl — 86) ganz und gar als Spinozist ausmalt, ohne dass ein
Einfluss Leibnizens dabei mitzuspielen braucht.
90
Vor allem verraten seine theologischen Ansichten schon
sehr früh spinozistisches Gepräge. In einem Berliner Brief an
den Vater betont Lessing das Praktische in der Religion, trennt
er Moral von Dogma. Lessing ist es, der, einem platten Deis-
mus gegenüber, mit Spinoza die Priester gegen die Anklage
des Betruges in Schutz nimmt, der gegen Kants kategorischen
Imperativismus der Freiheit und Liebe wieder zu ihrem Rechte
verhilft, der als würdiger Jünger Spinozas das positive Christen-
tum von der Lehre Christi, wie überhaupt Theologie von
Philosophie zu scheiden weiss. ,
Um so bedeutungsvoller erscheint uns daneben das Ge-
spräch mit Jacobi, aus demselben Jahre wie die Erziehung des
Menschengeschlechts. Es ist der Sache nach von Elise Rei-
marus bestätigt ; nichts streitet darin gegen die sonstigen Aeusse-
rungen Lessings. Bezeichnender Weise w^undert sich Mendels-
sohn bei Jacobis Mitteilungen nicht darüber, dass Lessing
Spinozismus überhaupt, sondern dass er augenscheinlich mehr
als einen „geläuterten" zur Schau trägt, wie er ihm bei seinem
Freunde von Berlin her bekannt war. Doch Lessing hat, seinem
eigenen Geständnisse gemäss, dem Freunde von seiner Wand-
lung, die sich in Berlin vollzogen, keine Kenntnis geben wollen,
jedenfalls weil er bei ihm auf kein Verständnis dafür rechnen
durfte.
Nach alledem erscheint Lessing als Spinozist im Kerne
seiner Weltanschauung, soweit sich diese aus seinen meta-
physischen Aphorismen zu einem einheitlichen Bilde zusammen-
setzen lässt. Sobald er rein menschliche Dinge behandelt, muss
er natürlich in das Fachwerk des unbeweglichen Substantialis-
mus Füllung, Leben und Bewegung bringen, wie dies vor ihm
Leibniz und vor allem Spinoza selbst in seinen Tract. theol.-
politicus und Tr. de emendatione intellectus bereits versucht.
Nicht umsonst will Dippel diesen der Inkonsequenz überführt
haben, da er als Ethiker und Geschichtsschreiber das Prinzip
der Entwicklung und des Individualismus zu Hilfe ruft.
Ebenso steht Lessing auch als Theologe in vielen Punkten
an der Seite Spinozas, dem er sich besonders in der Geradheit des
Charakters, der Rücksichtslosigkeit des Denkens und der steten
Kriegsbereitschaft gegen Roheit des Geistes und Gemeinheit der
Gesinnung verwandt fühlen mochte. So ragt er als lebendigse
Mittelglied zwischen Leibniz und dem neuen deutschen Spino-
zismus in die Folgezeit hinein. Seine Philosophie ist einer der
grossen Versuche, durch Augengläser aus der Werkstatt Spinozas
das Leben zu betrachten und zu begreifen. Wenn ihn aber
91
seine Verehrer so emsig von dem Makel des Spinozismus rei-
nigen wollen, so zeigt sich darin nur noch eine Spur jenes
Spinozaschauders, den Lessing selbst zu bannen so eifrig sich
bemüht hat.
§ 46. Jerusalem.
Lessing war auf der Bahn des Spinozismus bald an einen
Kreuzweg geraten. Auf der einen Seite warnte Mendelssohn
vor den unmoralischen Konsequenzen dieses Systems. Ein
anderer Freund gab sich wiederum ohne Scheu ganz und
gar dem Zuge des Gedankens hin. Wer Lessing näher
kannte, zweifelte keinen Augenblick an seiner Entscheidung für
diesen Weg.
Dieser junge Freund Lessings ist einer der tragischsten
Charaktere unserer Literatur: Karl Wilhelm Jerusalem. Das
erste Opfer des sentimentalen Spinozismus, der uns in der Folge
noch oft begegnet, ist er zugleich -als Typus einer problema-
tischen Natur für Deutschlands grössten Dichter der Vorwurf
eines Seelengemäldes geworden, welches auf das gesamte Denken
und Empfinden seiner Zeit einen unermesslichen Einfluss aus-
geübt hat. Jerusalem hat ausserdem noch die hohe Bedeutung,
dass, bei Gelegenheit der Herausgabe ihrer gemeinsamen Ge-
spräche, ein Lessing die wichtigsten Aufschlüsse über seine
Weltanschauung gibt. Die Unterhaltung bewegt sich haupt-
sächlich um den Begriff der menschlichen Freiheit. „Darüber
waren wir", so heisst es „Philosophische Aufsätze" (Braun-
schweig 1776) S. 22: „zuförderst einig, dass der ganze Streit
um die Freiheit unserer Handlungen von der Frage abhänge:
ob wir einige Gewalt über unsere Vorstellungen haben?" Gilt
dies nicht, so sind wir unfrei. (S. 24) „Was gewinnen wir
dabey, wenn wir es noch so viel beweisen, dass unsere Hand-
lungen in einer andern Welt, in einer andern Verbindung der
Dinge anders seyn könnten. Die gegenwärtige Verbindung ist
einmal da."
Doch Lessings sanguinische Beweglichkeit, die an
Leibnizens Vielgeschäftigkeit erinnert, fühlt sich anfangs bei
Spinozas unerbittlich starrem Determinismus nicht recht be-
haglich. Er möchte (S. 25) „lieber mit andern Weltweisen
unser Gefühl hierüber den Ausspruch thun lassen, welches
Ihrer Meynung nach laut für die Freyheit spreche." Hierauf
erwidert Jerusalem als echter Jünger Spinozas: (S. 26) „Welches
Gefühl kann gegen die unwidersprechlichen Gründe entscheiden,
womit uns die Vernunft alle Gewalt über unsere Vorstellungen
92
abspricht?" In demselben Geleise geht es dann weiter: (S. 32f.^;
„Tugend ist die Beherrschung unserer Leidenschaften durch die
Vernunft;" und (S. 33) „was heisst unsere Leidenschaften durch
die Vernunft beherrschen? — Nichts anders, als die dunkeln
Vorstellungen unserer Seele zu deutlichen aufklären . . (S. 34)
Haben wir es einmal dahin gebracht, so ist es uns alsdann
unmöglich, dass wir nicht das grössere Gut dem geringern vor-
ziehn, dass wir noch nach Leidenschaft handeln sollten. (S. 36)
Tugendhaft ist -also derjenige, der nach deutlichen;' lasterhaft
aber, der nach dunkeln Vorstellungen handelt. (S. 60) Das
sinnliche Vergnügen entspringt aus der Vorstellung einer ver-
besserten Leibesbeschaffenheit, oder einer erhöheten Vollkommen-
heit des Körpers."
Besonders „der dritte Aufsatz zeiget," nach der Meinung
des Herausgebers (S. 111), „wie wohl der Verfasser ein System
gefasst hatte, das wegen seiner gefahrlichen Folgerungen so
verschrieen ist, und gewiss weit allgemeiner seyn würde,
wenn man sich so leicht gewöhnen könnte, diese Folgerungen
selbst in dem Lichte zu betrachten, in welchem sie hier er-
scheinen. Tugend und Laster so erklärt, Belohnung und Strafe
in diese Greuzen eingeschränkt; was verlieren wir, wenn man
uns die Freyheit abspricht? Etwas — wenn es Etwas ist — .
das wir nicht brauchen, weder zu unserer Thätigkeit hier,
noch zu unserer Glückseligkeit dort; etwas, dessen Besitz weit
unruhiger und besorgter machen musste als das Gefühl seines
Gegentheils nimmermehr machen kann. . . Ich danke dem
Schöpfer, dass ich muss, das Beste muss." So war es denn
Jerusalem gelungen, den Freund auf seine Seite zu ziehen,
sicherlich dadurch noch mehr in seinen Ansichten bestärkt.
Doch war hiermit eine Gegnerschaft Mendelssohn gegenüber
so wenig bedingt, dass vielmehr Jerusalem selbst dem „Phaedon**
den giössten Einfluss auf seine Denkweise bezeugt.
§ 47. Mendelssohn.
Durch Mendelssohn w^ar Lessing jedenfalls mit Spinoza
näher bekanntgeworden. Es handelte sich damals (1754) um
die Frage, ob Spinoza oder Leibniz als der wahre Entdecker
der praestabilirten Harmonie anzusehen sei und um die Theorie
der Affekte, in deren Behandlung bei Spinoza Mendelssohn ^so
viel Gründliches" fand. 1755 folgten seine „Philosophischen
Gespräche",
Schon hier offenbart sich in seiner Auffassung Spinozas,
die sich von derjenigen anderer Wolffianer in nichts unter-
93
scheidet, die Unfähigkeit, die Tiefen einer solchen Spekulation
zu ergründen. Er kommt nicht etwa, wie Lessing, als Laie
zu Spinoza mit dem Bestreben, eine Weltanschauung wissen-
schaftlich zu begründen, wozu Naturel und Erfahrung bereits
die Keime • gepflanzt. Als geschulter Metaphysiker tritt er
vielmehr mit dem ganzen Rüstzeug der Wolffschen Scho-
lastik auf und sieht auch in Spinoza einen Scholastiker seines-
gleichen, an dessen Definitionen er mit seiner Splitterkritik
hängen bleibt. Sein Verhältnis zu Lessing zeigt hier eine neue
Seite, welche den Vergleich mit den Beziehungen Hegels zu
Goethe nahe legt.
Leibniz spielt in den „Gesprächen" die Hauptrolle. Mendels-
sohn zählt Leibnizens Vorzüge vor Spinoza auf, wie er ihn
auch gegen Voltaires „Candide" in Schutz nimmt. Doch
merkt man es dem Verfasser deutlich an, welch tiefen Ein-
druck die Bekanntschaft mit dem allerorts verstossenen Glaubens-
bruder in ihm zurückgelassen. Es will für jene Zeit, und
besonders für die Denkweise seiner Glaubensbrüder viel heissen,
dass er von dem gebannten Spinoza nicht allein in den
lobendsten Ausdrücken redet, sondern ihm sogar die Erfindung
der praestabilirten Harmonie zuschreibt, wobei Leibniz, der all-
mächtige Gebieter im Reiche des philosophischen Gedankens,
mit seiner politischen Klugheit in ein etwas schiefes Licht zu
stehen kommt. Wie sein ganzes Leben hindurh in der irr-
tümlichen Auffassung eines Bayle von Spinozas „Ausdehnung"
befangen, zeigt Mendelssohn schon hier, dass er durch den
Franzosen zum Studium und durch ihn und gegen ihn zugleich
zur Kritik Spinozas angeregt worden.
Von grossem Werte ist die Scheidung, welche Theophil-
Mendelssohn in Spinoza vornimmt. „Spinozas Meinungen sind
nach dem Geständnisse aller Welt sehr ungereimt. Eigentlich
aber sind sie es nur in so weit, als er sie auf diese ausser
uns sichtbare Welt hat anwenden wollen. In Betrachtung der-
jenigen Welt hingegen, die, mit Leibniz zu reden, vor dem
Ratschlüsse Gottes (antecedenter ad decretum), als ein mög-
licher Zusammenhang verschiedener Dinge, in seinem Verstände
existirt hat, kann vieles von Spinozas Meinungen mit der wahren
Weltweisheit und mit der Religion bestehen. Doch hiervon
ein andermal." Es bedurfte dieses ausdrücklichen Hinweises
nicht einmal, um uns in diesen Sätzen die Grundgedanken der
„Morgenstunden", wo er in der That sich eingehender mit
Spinoza beschäftigt, erkennen zu lassen.
Sehr treffend motivirt Mendelssohn, ebenfalls im ersten
„Gespräch", das Leibnizsche Verfahren gegen Spinoza. „Sagen
94
Sie mir, würden diese Leute, wenn Leibniz frei gestanden hätte,
dass er das Wesentliche seiner Harmonie von Spinoza entlehnte,
würden diese Leute nicht schon in dem Namen „Spinoza** die
Widerlegung derselben zu finden geglaubt haben ? Ganz gewiss ;
ja sie würden nicht ermangelt haben, die Einfalt zu erinnern,
dass man sich hüten müsse, auch den geringsten Hausrath
eines Menschen, der von der Pest dahin gerissen worden, zu
brauchen."
Im zweiten Gespräche, wo Leibniz wieder in den Sattel
gehoben wird, heisst es von Spinoza: „Bevor der Uebergang
von der Cartesianischen bis zur Leibnizianischpn Weltweisheit
geschehen konnte, musste jemand in den dazwischen liegenden
ungeheuren Abgrund stürzen. Dieses unglückliche Loos traf
Spinoza." Wie sehr ist sein Schicksal zu bedauern! Er war
ein Opfer für den menschlichen Verstand, allein ein Opfer,
das mit Blumen geziert zu werden verdient. Ohne ihn hätte
die Weltweisheit ihre Grenzen nimmermehr so weit ausdehnen
können. Spinoza hat also aus verzeihlichem, ja geschichtlich
notwendigem Irrtum gelehrt, was mit seinem fehlerlosen Lebens-
wandel sehr wenig übereinstimmt, „das aber der verworfenste
Bube wünscht, um ungestraft seinen bösen Lüsten fröhnen zu
können." Wie hier die Ethik missverstanden ist, so teilt
Mendelssohn auch mit Lessing die Auffassung Spinozas, „es
wäre niemals eine Welt ausser Gott wirklich geworden, und
alle sichtbaren Dinge wären bis auf diese Stunde nicht ausser
Gott für sich bestehend, sondern immer noch bloss in dem
göttlichen Verstände anzutreffen. " Der gemeinsame Irrtum
beider Freunde lässt auf eine vorangehende Besprechung dieses
Gegenstandes schliessen.
Abgesehen auch von diesen Gesprächen und dem Brief-
wechsel mit Lessing sowie mit den Geschwistern Reimarus und
Jacobi fehlt es nicht an Anzeichen dafür, dass sich Mendels-
sohn eifrig mit Spinoza beschäftigt hat. Unter dem 29. Dez.
1769 schreibt er an Platen: „Wenn wir dem Ganzen . . das
Denken als ein Prädikat zulegen wollen, so heben wir unsere
eigene Subsistenz auf, und machen unser Denken zu einer
blossen Determination des göttlichen Wesens. Ich glaube, dass
es unnötig sei, diesen Irrtum meines Mitbruders Spinoza zu
widerlegen." 1781 macht er zu einem Briefe an Abbt vom
Jahre 1765 die Anmerkung: „So konnte eine fast unmerkliche
Kleinigkeit in der Erklärung des Wortes Substanz zur ganzen
Lehre des Spinoza führen."
Am deutlichsten spricht Mendelssohns Auffassung der Lehre
Spinozas aus seinen „Morgenstunden", seinem reifsten philo-
95
sophischen Werke. Manche seiner Einwürfe gegen den Spino-
zismus hat erst „die Kritik der reinen Vernunft" für alle Zeiten
beseitigt, die übrigen zeugen von einem falschen Verständnisse
jener Doktrin. Wie Bayle fasst Mendelssohn (s. bes. Vorträge
13 — 15) Spinozas Substanz als eine aus der unendlichen Viel-
heit der endlichen Dinge resultirende unendliche Totalität.
Gegen einen solchen Irrtum liegen natürlich die Einwände
auf der Hand: Eine Vielheit endlicher Dinge kann nie ein
Unendliches geben; ein extensiv Unendliches kann nie einem
intentiv Unendlichen oder dem Absoluten gleich sein. Ferner
kann doch bei aller Abhängigkeit von der göttlichen
Substanz den endlichen Dingen wenigstens eine sekundäre
Substantialität eingeräumt werden. Schliesslich bleibt bei Leug-
nung der Zwecke „sowohl in Absicht auf die Körperwelt, als
in Absicht auf die denkenden Wesen" die Form der Einzel-
dinge unerklärt.
Doch lässt der Verfasser in den beiden folgenden Vor-
trägen (14. 15) wenigstens einem „geläuterten" Spinozismus
sein Recht. Ein solcher könne sogar der richtigen Fassung
des Gottesbegriffes nur förderlich sein. Auch hier beruft sich
Mendelssohn, wie in den ,, Gesprächen**, auf die Wolffsche
Kritik Spinozas, die er allen übrigen vorzieht. Wie Wolff zollt
auch er dem Charakter ,,des redlichen Wahrheitsforschers"
alle Ehre, „der sein Leben einzig und allein der Wahrheit ge-
widmet hatte** (Vortr. 13. Ende).
Sehr wichtig für die Beurteilung des Lessingschen Spino-
zismus ist der nächste (14.) Vortrag. Nach Mendelssohn, der
sich hierbei jedenfalls auf eine derartige Erfahrung im Gespräche
mit dem Freunde stützt, würde Lessing zwischen dem Systeme
Spinozas in seinem mathematischen Panzer und dem Spino-
zismus selbst, als einer pantheistischen allgemeineren Welt-
anschauung geschieden haben. Diese bleibt noch immer zu
rechte bestehen, sollte sich auch jenes mit der Zeit als un-
haltbar erweisen. Ganz richtig wird in Lessings Namen die
Existenz der Dinge ausser Gott für überflüssig erklärt, wogegen
Mendelssohn für die Substantialität des Geistes ausser Gottes
Wesen eintritt. ,,Wenn mein Freund**, so schliesst der Vor-
trag, „der Verteidiger des geläuterten Spinozismus, alles dieses
zugiebt, wie er, vermöge seiner Grundsätze, sicherlich gethan
haben würde, so ist Moral und Religion geborgen; so unter-
scheidet sich ferner diese Schule von unserem Systeme bloss
in einer Subtilität, die niemals praktisch werden kann, in einer
unfruchtbaren Betrachtung: ob Gott diesen Gedanken des besten
Zusammenhanges zufalliger Dinge hat ausstrahlen, ausfliessen,
96
ausströmen können ? . . Thuet auf Worte Verzicht, und Weis-
heitsfreund, umarme deinen Bruder!" Diese Vertuschungsmanie,
„die alle Streitigkeiten der philosophischen Schule für blosse
Wortstreitigkeiten zu erklären" geneigt ist und den „Morgen-
stunden" Kants herbe Kritik zugezogen hat, erklärt sich aus
den praktischen Motiven der Mendelssohnschen Philosophie,
welche insofern dem freien, unbeirrten Denken eines Lessing
nachsteht und mit Unrecht als ein spinozistischer Zug be-
trachtet wird.
Mit Lessing beschäftigt sich Mendelssohn auch im nächsten
Vortrage. „Mit ihm habe ich sehr lange philosophischen Um-
gang gehabt; wir haben uns viele Jahre hindurch unsere Ge-
danken über diese Materien einander mitgeteilt.** Gegen den
Einwurf, dass der Deist Lessing, der Verfasser des Nathan,
dieses „Anti-Candide**, wie er hier genannt wird, nicht Spinozist
gewesen sein könne, tritt Mendelssohn für seinen Freund, als
einen Verteidiger des Pantheismus, ein. „Ohne demselben
(dem Pantheismus) zugethan zu sein, konnte er sich, so wie
ich ihn gekannt habe, selbst eines Irrthums mit Eifer annehmen,
wenn die Gründe nicht hinreichend waren, mit welchen man
ihn bestreiten wollte." Und schliesslich ist ja ein „geläuterter''
Spinozismus ganz unschädlich. Dafür, dass in der That auch
ein solcher ,, verfeinerter Pantheismus" seinem Freunde eigen
war, bringt er selbst aus Lessings „Christentum der Vernunft*'
die Belege bei. Somit fand Jacobi mit seiner Entdeckung des
Lessingschen Spinozismus Mendelssohn gar nicht so überrascht,
wie er erwartet hatte.
Der Verteidigung Lessings gegen Jacobis Verdächtigungen
und zugleich de:* genauen Angabe seiner eigenen Stellungnahme
zum Spinozismus gilt Mendelssohns nächste und zugleich letzte
Schrift: „An die Freunde Lessings."
„Lessing und Heuchler, der Urheber Nathan's und
Gotteslästerer!" Dies Hess sich in Mendelssohns Kopf nicht
zusammenreimen. Lessing wäre als Spinozist ihm immer
noch der alte liebe Freund geblieben, zumal Spinozas
Philosophie der Lehre des Judentums am nächsten komme
und dieses selbst beweise, dass man als Spinozist ein
sehr braver Mensch sein könne. Ausserdem wusste er, dass
Lessing von Jugend auf eine Neigung zum Pantheismus besessen
habe. Doch hätte Lessing in Wahrheit das, was Jacobi ihm
in den Mund legt, gesagt, so würde er vor Mendelssohn ge-
heuchelt haben, oder er wäre noch in den letzten Tagen seines
Lebens tief gesunken. Die Glaubwürdigkeit des von Jacobi
veröffentlichten Gespräches erscheint ihm schon darum als
97
zweifelhaft, weil, nach seiner Meinung, Jacobi sich selbst darin
alles Vernünftige vorbringen lässt. Und wie hätte ein Lessing
den „Prometheus" loben können! Jacobis Benehmen bezeichnet
er als unanständig, als einen Vertrauensbruch. Seine blinde,
denkfeindliche Glaubensseligkeit widert ihn an.
Im Ganzen genommen, entfernen also den sonst selbst
.cegen derartige Konsequenzmacherei eifernden Mendelssohn von
Spinoza die theologischen und moralischen Folgerungen, welche
sich aus der Spinoza zugeschriebenen Unterdrückung der Indi-
vidualitäten und der Lehre von einem verstand- und willenlosen
Gotte notwendig ergeben. Doch nähert sie einander wiederum
alles das, was Mendelssohns Meister Leibniz mit Spinoza ge-
mein hat, ja die Anerkennung eines „geläuterten" Spinozismus
knüpft die Beziehung zwischen den beiden grossen Glaubens-
brüdern noch enger.
Doch konnte ein solcher Pakt, wenn er auch noch so
ehrenvoll für die Unparteilichkeit und Duldsamkeit des ersten
unserer „Aufklärer" zeugt, für die andere Partei, zumal Spinoza
von Mendelssohn nicht einmal recht ernst genommen wurde,
nur mehr nachteilig als vorteilhaft sein. Ein tieferes Verständnis
fand Spinoza in Deutschland erst infolge jenes Streites zwischen
Mendelssohn und Jacobi über Lessings Spinozismus.
§ 48. Der Streit zwischen Jacobi und Mendelssohn.
Dieser Streit, der letzte Spatenstich zur Eröffnung des
Grabes Spinozas, ist nicht allein eines der wichtigsten und
folgenreichsten Ereignisse in der literarischen Geschichte Deutsch-
lands, sondern zugleich eine der interessantesten Gelehrtenfehden
überhaupt. Das ganze gelehrte und schöngeistige Deutschland
nahm in dieser Auseinandersetzung für oder gegen entschieden
Partei, und scharf sonderten sich darin Gegensätze, die ursprüng-
lich auf anderen Gebieten wurzelten.
Das berühmte Gespräch zwischen Lessing und Jacobi, kurz
vor Lessings Tode, hatte den ersten Anlass dazu gegeben.
Jacobi glaubte in der Thatsache des Lessingschen Spinozismus
ein Geheimnis zu besitzen, welches er für zu wertvoll hielt,
um es der Oeffentlichkeit vorzuenthalten. Nicht allein, dass
ihm keine Beute willkommener sein konnte, als bei einer Grösse,
wie Lessing, Spinozismus oder, was er damit für gleichwertig
hielt, Atheismus zu entdecken, wonach er gerade damals unter
den zeitgenössischen Denkern auf der Suche war. Es war für
den eitlen Mann offenbar auch eine erwünschte Gelegenheit, sich
neben Lessing nennen zu hören.
98
Ein solches Bestreben bekundet schon sein „Etwas das
Lessing gesagt hat," eine Erläuterung zu seines Freundes Job.
Müller „Reisen der Päpste" aus dem Jahre 1782. Hiergegen
richteten sich (1783) die „Gedanken verschiedener bei Gelegen-
heit einer merkwürdigen Schrift" im „Deutschen Museum," die
zum Teil aus Mendelssohns Feder stammten. Während dieser
Plänkeleien wurde letzerer zugleich auf einer anderen Front
von einem Gegner angegriffen, der Jacobi nicht fern stand und
nun durch den gemeinsamen Feldzug gegen Mendelssohn noch
näher trat: dem „Magus des Nordens", Job. Georg Hamann.
Im übrigen aber schloss sich der Norden enger um das Haupt
der Aufklärung, Mendelssohn, zusammen, während der Süden
unter Jacobis Führung in den Kampf um Lessings Erbe zog.
Mendelssohn hatte nämlich in seinem „Jerusalem" (1783)
das Verhältnis von Staat und Kirche ähnlich, wie Spinoza, und
auch die Offenbarungslehre in einer Weise behandelt, welche ihm
von Hamann, in dessen gegen Mendelssohn gerichteten „Golgatha
und Scheblimini(l784),den Vorwurf des Atheismus eintrug, welchen
zu gleicher Zeit Jacobi mit seiner Bezichtigung des Spinozismus
gegen Lessings Manen schleuderte. Inzwischen war Mendels-
sohn in direkte Beziehungen zu Jacobi getreten. Unmittelbar
auf jene Aufsätze im „Deutschen Museum" (Jan. bis Febr. 1783)
folgt (März bis Juni) eine Privatkorrespondenz zwischen Jacobi
und Mendelssohn einer- und Elise Reimarus, der gemeinsamen
Freundin beider, andererseits. Jacobi hört von Mendelssohns
Absicht, über Lessing zu schreiben und eröffnet der Freundin
sein „Geheimnis", da dadurch erst das Lebensbild des ihnen
allen so teuren Freundes vervollständigt werde. Mendels-
sohn, der davon durch seine Korrespondentin erfährt, nimmt
Jacobis „Endeckung" mit Misstrauen auf. „ Was heisst( 16. August
1783) dieses „„Lessing war in seinen letzten Tagen ein ent-
schiedener Spinozist"? Mit dem ewigen Classificiren ! Dasswir
immer die Sachen nur in Rubriken eintragen wollen! Wie hat
sich Lessing dieses gegen Jacobi geäussert? Hat er mit trockenen
Worten gesagt: ich halte das System für wahr und gegründet?
und welches? das er in seinem tract. theol.-pol. oder in seinen
princ.-philos. Gart, vorgetragen, oder das Lud. Meyer in seinem
Namen nach seinem Tode bekannt machte? Und wenn zu dem
allgemein dafür bekannten atheistischen System des Spinoza,
so frage ich einen denkenden Kopf wie Jacobi: hat Lessing das
System so genommen, wie es Bayle missverstanden oder wie
Andere es besser erklärt haben? — Wenn Lessing im Stande
war, sich so schlechtweg, ohne alle nähere Bestimmung,
zu dem System irgend eines Mannes zu verstehen; so
99
war Lessing zu der Zeit nicht mehr bei sich selber, oder
in seiner sonderbaren Laune, etwas Paradoxes zu behaupten,
das er in einer ernsthaften Stunde selbst wieder verwarf. Hat
aber Lessing etwa gesagt: „„Lieber Bruder! der so sehr ver-
schriene Spinoza mag wohl in manchen Stücken weiter ge-
sehen haben, als alle die Schreier, die an ihm zu Helden ge-
worden sind. Sein System ist so ungereimt nicht, als man
glaubt."" Hat er etwas dergl. sich merken lassen, wie ich von
meinem Freunde vermute; ... ich bin zu aller Zeit bereit, dieses
von ganzem Herzen zu unterschreiben, man bringe mich, unter
welche Rubrik man wolle. Herr Jacobi ist sicherlich der Mann
nicht, der sich die Sachen nur halb sagen lässt, oder der das
Gesagte nur halb versteht. ... Ich wünsche also sehr, dass
sich Ihr Freund gefallen liesse, uns ausfiirlich zu berichten! —
Bis dahin bleibe ich bloss bei meinem bewunderungsvollen
Ausrufe: Lessing ein entschiedener Spinozist! so wie Lessing
und ich einst ausriefen: Pope ein Metaphysiker! Sobald
uns aber Herr Jacobi hierüber befriedigt hat, sehe ich nicht
ob, warum u. s. w. Die G., S." [Goethe — Schiller?] „und
wie die Leute übrigens heissen, werden sich freuen und über
uns triumphiren. Immerhin . . . Ihre Furcht, . . . hinter den
Worten: „„in seinen letzten Tagen"" etwas weit Fataleres zu
finden, als das Wort Spinozist, hat mich ungemein vergnügt. .
Und wie: wenn er nun beides geworden wäre: Spinozist und
Kabbaiist zugleich ? So sehr disparat sind diese Systeme nicht,
dass sie sich einander völlig ausschliessen."
Auf diesen Brief hin, der uns über Mendelssohns Stellung zu
Spinoza sowohl wie zu Lessing und dem Jacobischen Kreise die
wertvollsten Aufschlüsse gibt, entspann sich (1783 — 85) zwischen
Jacobi und seinem Partner ein Briefwechsel, der allerdings mehr den
Spinozismus selbst als Lessing zum Gegenstande hatte. Schon
am 18. Nov. 1783 berichtet Mendelssohn, nachdem er von
Jacobi den gewünschten Bescheid erhalten, an Elise und Dr. Rei-
marus: „Ich sehe wohl, dass ich Herrn Jacobi misskannt habe.
Ich hielt ihn für einen schönen Geist, der sich nebenher mit
Philosophie beschäftigt . . . Für jetzt ist es mir noch ganz un-
möglich, weder an Lessing, noch an Spinoza anhaltend zu
denken. Lieber spät als schlecht. Es wird alsdann von Herrn
Jacobi und von Ihrem . . . Rath abhangen, welcher Gebrauch von
dieser Unterhaltung mit Hrn. Jac. zu machen sei. . . . Ich
bin ohnehin nicht willens, wenn ich über Lessing schreibe,
etwa einen Propheten oder einen Heiligen aus ihm zu machen. . .
Das Gedicht „Prometheus" hat mir gefallen. Eine gute Persi-
phlage! Glücklicher kann das spinozistische System nicht in
S361G0B
100
seiner ganzen Nacktheit gezeigt werden. Die Lücken desselben
fallen nie so deutlich ins Auge, als wenn es, durch Hülfe der
Poesie, ad sensum communem reducirt wird. Ich erinnere
mich, dass Abbe Bernis es auch versucht hat, dieses System
in Verse einzukleiden. Allein das hagere Skelett scheint sich
mit keiner Bekleidung zu vertragen. . . desto scheusslicher, je
prächtiger das Gewand ist. Und nun fordern Sie (mich) zu
keiner Arbeit auf, die ihn in Lebensgefahr stürzen würde. Die alten
bekannten Gründe, so schlussrichtig und bündig sie mir auch
vorkommen, sind den Sophisten unseres Jahrhunderts zu Spott
und Mähre geworden. Was nicht quer durch den Sinn fährt,
und wie ein Wetterschlag erschüttert, macht keinen Eindruck
mehr. . . Als treuer Gehilfe oder Schildknappe will ich Ihnen
zur Seite stehen." Hierauf von Elise aufgefordert, gegen Jacobi
für Lessing in die Schranken zu treten, findet Mendelssohn
(5. Januar 1784) „die Arbeit, ihn (Jac.) zu widerlegen, höchst
unangenehm und verdriesslich . . Zum Verwirren und Durch-
einanderwerfen der Begriffe gehört bloss Scharfsinn; und diesen
haben solche rasche Köpfe im Ueberfluss ..."
Doch Jacobis Herausforderung selbst, die ihm 'durch
die Freundin überbracht wird, kann er nicht gut ausweichen.
Er schreibt an jenen am 1. Aug. 1784: „Sie haben
den Handschuh ritterlich hingeworfen, ich nehme ihn auf,
und nun lassen Sie uns unseren metaphysischen Ehren-
kampf nach Ritterbrauch unter den Augen der Dame aus-
fechten, die von uns beiden hochgeschätzt wird. " Dieses Schieds-
richteramt bietet er Elise mit den Worten an (8. August 1784):
„Sie haben selbst Anlass dazu gegeben, indem Sie mir die
Ausforderung des Herrn Jacobi zugeschickt haben . . Ich hoffe,
wir werden unter Ihren Augen die Gesetze der Bescheidenheit
... nie überschreiten" Am 28. Jan. 85 berichtet er über seine
gegen Jacobi gerichteten „Morgenstunden" und sucht die
Hamburger Freunde auf seine Seite zu ziehen. „Hat" [Dr. Reimarus]
„mich seitdem vergessen? Sollte er wohl erlauben, dereinst
von seinen philosophischen Briefen öffentlichen Gebrauch zu
machen? . . Die Sache ist mir wenigstens sehr wichtig, und
verdient von seiner Seite einige Aufopferung. Auch um die
Erlaubniss werde ich ihn bitten, seine Widerlegung des Spino-
zismus gehörigen Orts einzuschalten."
§ 49. Reimarus d. J.
Diese Widerlegung des Spinozismus findet sich in der 1787
zu Hamburg erschienenen Untersuchung „Ueber die Gründe
der menschlichen Erkenntnis und der natürlichen Religion" von
101
dem jüngeren Reimarus. Dieser, von Fach Mediziner, gesteht
selbst in der Vorrede, erst durch den Streit zwischen Mendels-
sohn und Jacobi zu seinem, übrigens recht laienhaften, Urteil
über Spinoza angeregt worden zu sein. Er nimmt ausdrück-
lich mit dem Berliner Freunde an, dass ,, Lessing in dem Ge-
spräche nur Scherz getrieben" (S. 14v3 f.), und wendet sich
gegen die Jacobi, Wizenmann, Lavater, „welche keine ver-
nünftige Religion anerkennen" (S. 171). Wo Reimarus von
Spinoza handelt, legt er seinen Untersuchungen nur die Dar-
stellung des Spinozismus, wie sie Jacobi gibt, zu gründe.
Spinoza hat nach seiner Meinung (S. 143) in der That manche
scharfsinnige und richtige Bemerkungen geäussert. Aber (§ 33)
„seine Vorstellung des Allein wesens ist doch nur Abstraction,
oder Zusammenfassung im Begriffe." Denn (§ 55) ,, Vielheit
und Veränderung in untheilbarer umwandelbarer Einheit sind
leere Ausdrücke. Allgemeines Wissen, unbestimmte Kraft, ist
kein Wesen, keine Kraft." Er selbst hatte kurz vorher gelehrt
(§ 40): „Der Gottheit können wir, allgemein gesagt, nur die
ursprüngliche vollkommenste Kraft zuschreiben," und er schliesst
mit den Worten (§ 60): „Meines Theils finde ich in der That,
dass jede neue Untersuchung meine Zuversicht nur noch mehr
bevestigt, und allen Anlass, jene vollkommene Urkraft in Ihren
Würkungen gleichsam vor Augen zu haben, desto lebhafter
macht. Jede Einrichtung, wie des grossen Weltbaues, so jedes
unorganischen, organischen, empfindenden Wesens, die sich
mir darbietet, wiederholt mir nun mit grösseren Vergnügen die
Ordnung der unabsehbaren Reihen, deren Zusammentreffen ich
nachgespürt habe." Während sich also in diesen Worten des
Naturforschers bereits eine Spur der Herder -Goetheschen Auf-
fassung Spinozas zeigt, ist Reimarus im übrigen noch ganz
der Sohn der Aufklärung, der dem Spinozismus höchstens so
viel Konzessionen macht, wie etwa ein Wolff oder Mendels-
sohn (vgl. § 48, 49)."
Diesen Mann wünscht nun Mendelssohn (29. Apr. 85) zum
„Kampfrichter" in seiner Streitsache. „Ohne (seine) Censur kann
nichts öffentlich in der Sache erscheinen. Grüssen Sie den liebens-
würdigen Gegner (Jacobi) in meinem Namen." Jacobi sollte auch
nichts veröffentlichen, ohne vorher die „Morgenstunden" gelesen zu
haben. Doch bald erklärt er, gelegentlich der Uebersendung der
„Morgen-Stunden" an die Hamburger Freundin, eine Verständigung
mit dem Gegner für unmöglich (24. Mai 85). Aehnlich lauten
Mendelssohns Briefe vom Juni und Juli. In den „Morgen-
stunden", aber erst im zweiten Teile, sollte auch der Brief-
wechsel mit Jacobi veröffentlicht werden, wozu er vorher die
102
Erlaubnis von Jacobi eingeholt hatte. Er kündigt diesem das
Erscheinen seiner Schrift (21. Juli 85) an und übersendet ihm
sowie der Freundin den ersten Teil gedruckt (4. Oct.).
Doch war ihm Jacobi inzwischen zuvorgekommen. Er
schickte auch gleichzeitig dem Gegner seine „Briefe über die
Lehre des Spinoza" und freut sich hinterher, in einem Briefe
an Goethe, dass die Packete sich gekreuzt und er somit nicht
der Hinterlist geziehen werden könne. Den in diese Schrift
aufgenommenen Aufsatz über die Lehre des Spinoza hatte er
schon Anfang 1785 unter anderen Goethe und Herder zur
Begutachtung unterbreitet. Nach seinem zweiten Zusammen-
sein mit den Freunden in Weimar, wozu ihn Goethe in der
erbetenen Zuschrift (9. Juni 85) eingeladen, hatte sich seine
Auffassung Spinozas der ihrigen mehr angepasst, als Herder
bei der Abfassung seines Urteils über Jacobis Darstellung des
Spinozismus (6. Juni) es wohl für möglich gehalten hatte. Am
30. Juni bittet auch Lavater um Einsicht in den Briefwechsel
mit Mendelssohn, wovon Jacobi ihm (27. Mai) gemeldet.
Sobald dieser mit seinen „Briefen" fertig war, sandte er
sie am 2. Sept. an Herder und Goethe. Letzterer ist, wie aus
seinen Briefen vom 11. Sept. und 20. Oct. hervorgeht, in der
Sache mit Jacobi durchaus nicht einverstanden. Doch lässt er
sich durch die Bande persönlicher Freundschaft in dem Streite mit
den Berlinern, wenn auch nicht öffentlich, auf seine Seite ziehen.
V^om 20. Oct. ist auch der Brief Mendelssohns an Elise datirt,
worin er seiner Entrüstung über das Benehmen Jacobis Aus-
druck verleiht. Ganz ebenso dachte auch die Freundin dar-
über. Schon am 8. Oct. hatte sich Mendelssohn in einem
Schreiben an Nicolai noch schärfer geäussert. Wie Jacobi seine
„Briefe", so übersendet er seine „Morgenstunden" allen den
massgebenden Persönlichkeiten, von denen er Beifall erwarten
konnte, so am 16. Oct. Kant, den' 7. Nov. Garve. Damit war
der Streit vor das Forum der Oeffentlichkeit gekommen. Nun
laufen die Urteile für und wider ein ,,Hie Mendelssohn! Hie
Jacobi!" das ist die Losung.
Goethe schreibt am 1. Dez. mehr humoristisch und ohne
ausgesprochen gegen Mendelssohn Stellung zu nehmen, in dem
er nur den Juden sah, und der ihm als Metaphysiker nicht
gerade sehr zusagen mochte. Trotzdem ergreift Jacobi mit
überstürzender Hast die kaum dargereichte Helfershand und
berichtet in Ausdrücken, die weit mehr ihn selbst als den
Gegner erniedrigen, über seinen Feldzugsplan und den bis-
herigen Verlauf des Gefechtes.
103
§ 50. Claudius und Wieland.
Auch Claudius erscheint auf Jacobis Seite, Doch konnte
er einen gegen die Berliner gerichteten Aufsatz nirgends unter-
bringen. Selbst Wieland, d^r übrigens Jacobi in seinem Ver-
hältnisse zu Spinoza nicht ganz fernsteht, versagt ihm die Auf-
nahme in den „Merkur".
»»
§. 51. Hamann.
Besonders eifrig zeigt sich Hamann, der auch schon am
14. Dez. Kant für Jacobis Sache interessirt wissen will. Er
wirbt für den Freund im Norden, um die Gegner im eigenen
Lager zu fassen. Jacobi hätte sich keinen treueren Bundes-
genossen wünschen können. Hamann war nicht nur der er-
klärte Feind der Aufklärungsphilosophie, er hatte auch vor
kurzem Spinoza kennen gelernt und fühlte sich von ihm ab-
gestossen. Schon am 1. Juni 1785 bescheinigt er Jacobi den
Empfang der „Briefe" und am 28. Sept. ermutigt er ihn,
Mendelssohn zuvorzukommen. Er macht sich Hoffnung auf
Kants Beistand und zieht Kraus und Hippel auf seine Seite,
ein Eifer, für den sich Jacobi durch die grösste Offenheit er-
kenntlich zeigt. Dadurch ermutigt, wirbt und spionirt Hamann,
wie seine Briefe bis Ende 1785 zeigen, immer emsiger. Sein
sehnlichster Wunsch ist es, Kant zu gewinnen, der sich jedoch
immer wieder aus der Schlinge zieht. Niemand verfügt über
einen reicheren Schimpfwörterschatz gegen Mendelssohn, als
Hamann. Erst bei der Nachricht von dem Ableben des Gegners
regt sich, in der Erinnerung an die einstige Freundschaft, ein
Gefühl der Dankbarkeit in ihm. Doch als Jacobis Benehmen
an Mendelssohns Tod Schuld gegeben wird, hält er wieder
Stange und fällt in die alte Rolle des judenfresserischen Bra-
marbas zurück.
Ueberhaupt war durch Mendelssohns Tod eine kleine
Wendung im Kampfe eingetreten. Ohne Zweifel litt seine Sache
durch die apotheosirende Reklame, zu welcher seine Berliner
Freunde seinen Namen missbrauchten. Kant blieb trotz der
Versuche, ihn für das Schiedsrichteramt zu gewinnen, für seine
Person neutral. Doch schrieb unter seiner Aegide 1786 Jacob
in Halle gegen Mendelssohn. Besonders oft wird in diesem
Streit auch ein Name erwähnt, der sich die sonderbarsten
Verstümmelungen gefallen lassen muss. Er gehört einem
Schützling Jacobis, Wizenmann, der ausser seiner, aus Magen-
interessen leicht erklärlichen, Anhänglichkeit an diesen seinen
104
Freund der Geschichte keinen Grund zur Erinnerung gegeben
hat. In den ungeziemendsten Ausdrücken vertritt er gegen
Mendelssohn die Sache des positiven Christentums. Dieser
Umstand sowie sein tragisches Geschick und vor allem Jacobis
Empfehlung erwarben ihm in seinen Kreisen viel Anteil. Doch
steht sein Benehmen noch weit zurück hinter demjenigen,
welches der berüchtigte Joh. Heinrich Schulz in seiner Schmutz-
schrift zu Tage fördert.
Im allgemeinen hatten aber Jacobis Benehmen, der natür-
lich Mendelssohns letzte Schrift nicht unerwidert lassen durfte,
und dessen, mit dem Streite in Beziehung gebrachter, Tod doch
manchen auf Mendelssohns Seite gerufen. So kehrt Goethe,
der sich immer mehr vom Kampfplatze zurückgezogen hatte,
schon im Mai 86, nachdem ihm Jacobi seine zweite Streitschrift
zugesandt, ihm noch entschiedener den Rücken. Der einzige,
mit welchem er in der Spinozafrage übereinstimmte, war Herder.
Dieser hatte anfangs Mendelssohns Freundschaft gesucht; seine
leicht verletzbare Eitelkeit, sein Verhängnis, hatte sich aber
hindernd dazwischen gelegt. Mit Jacobi von früher her be-
freundet, hatte er denn auch an dessen Seite am Kampfe teil-
genommen. Doch schon am 16. September 85 hatte er Jacobis
Fahne verlassen, um 1787 mit seinem längst geplanten „Gott"
selbständig auf den Plan zu treten.
Was Jacobi noch an Gefolgschaft bleibt, fesselt an ihn
entweder persönliche Freundschaft oder Hass gegen Mendels-
sohn und dessen Parteigänger.
§ 52. Stolberg.
So kann Graf Stolberg seiner Entrüstung über die Berliner,
seiner Freude über die Entdeckung des Lessingschen Spinozis-
mus sowie über den Abfall des Mendelssohnianers Moritz gar
nicht Genüge thun.
§ 53. Joh. V. Müller.
Auch Forster, der Naturforscher, und Johannes von Müller,
der Historiker, halten zu Jacobi. Der letztere, zugleich mit
Herder eng befreundet, schreibt (April 86) aus Mainz über
Jacobis „Spinoza": „Der Anfang (peroratio) gefällt mir, ich
habe ihm über dieses Buch geschrieben und kann seine Ter-
minologie nicht annehmen." Unter dem 15. Oct. heisst es:
106
„Der Streit Jacobis mit Mendelssohn ist wichtig und nützlich;
seine Gedanken sind meine: die Religion ist urspmnglich durch
Gott in den ersten Menschen gekommen, war Vätersage, bis
Schrift nöthig ward, und wird in gewissen Zeiten der \'er-
dunkelung durch Männer Gottes und Begebenheiten erneuert;
Jesus Christus aber ist der Schlüssel der Historie."
Ueber Schulzens Schandschrift urteilt Müller am 30. Dez. 86:
„Der Schulze, welcher in Zopf und Stiefeln geprediget und
seiner Profession einAtheiste ist, hat „den entlar\^ten Mendels-
sohn" geschrieben; es ist einiges v\ ahres in dem Lästerbüchlein,
und besonders die lustige Laune auf Unkosten E." [Engel]
„und M." [Moritz], die ich nicht eben bedauere."
§ 54. Hemsterhuis.
Ferner zählte Jacobi schon vor dem Streite einen Anhänger
in dem Haupte der holländischen Philosophen, in Hemsterhuis,
der sich selbst gegen die Anklage des Spinozismus zu wehren
hatte.
§ 55. Jean Paul.
Etwas abseits vom Kampfgetümmel, wenn auch mit wohl-
wollender Neutralität für Jacobi, stand dessen und Herders
gemeinsamer Freund Jean Paul.
§ 56. Lavater.
Am zuverlässigsten erwies sich aber Lavater. Hamann
hatte sich bei aller Anhänglichkeit an Jacobi doch zuletzt durch
dessen Liebäugeln mit dem Katholizismus sowie durch den
gemeinen Ton seiner Vasallen gegen Mendelssohn und zum
Teil gegen Spinoza, dessen Geistesschärfe ihm bei aller \'er-
fehltheit der Methode stets Bewunderung abgerungen, von ihm
abgestossen gefühlt.
An seine Stelle tritt nun Lavater. Dieser bleibt weder mit
Hamann einseitig auf dem Standpunkt der Schrift, noch wie
Jacobi bei dem schreienden Widerstreit zwischen Denken und
Fühlen stehen. Er sucht sie beide mit einander zu vereinigen.
Man kann kaum begeisterter von Spinoza reden, als es Lavater
in seinen „Physiognomischen Fragmenten" thut, die ja im
letzten Grunde auf Spinozas Lehre von der Uebereinstimmung
der seelischen und leiblichen Verhältnisse beruhen. Dem flachen
106
Rationalismus zieht er entschieden den Atheisten Spinoza vor,
wenn er eine Demonstrirbarkeit Gottes aufgibt. Als Spinozist,
betrachtet Lavater sich selbst als Maschine, als Bibelgläubiger
hingegen, als ein freihandelndes Wesen. Darum hält er auch
vor Lichtenberg mit seinem Beifall für Spinoza nicht zumck,
der uns, nach den übrigen Zeugnissen einer solchen Neigung
Lavaters, weniger überrascht, als Lichtenberg selbst, der ihn
bei dem vermeintlichen stockfinsteren Orthodoxen am wenigsten
erwartet hätte. Er nimmt an dem Fortgang des Kampfes den
regsten Anteil und sorgt für die Verbreitung der Jacobischen
Schrift in seinen Kreisen.
§ 57. Rehberg.
Dagegen war Jacobi mit seiner Aufdringlichkeit an anderen
Stellen auf offenen Widerspruch gestossen. So bei Rehberg,
mit dem er trotzdem in ehrlicher Feindschaft verkehren will.
Rehberg äussert sich zu verschiedenen Malen verschieden über
Spinoza. Schon im Jahre 1779 hatte er sich um den Preis
der Berliner Akademie beworben und bei dieser Gelegenheit in
Leibniz den einzigen Ausweg aus dem Irrsal des Spinozismus
gesehen. Doch näheres Eingehen auf Spinoza hatte ihn immer
mehr für diesen eingenommen. 1787 gab er Spinozas Fata-
lismus und Determinismus entschieden den Vorzug vor Leib-
nizens Optimismus und Willensfreiheit. Er will sogar, wie später
Hegel, den Spinozismus, den er für den einzig zulässigen
Theismus hält, symbolisch mit dem Christentume vereinigen.
Den Vonvurf, den sich Rehberg dadurch aufgeladen, bemüht
er sich später (1828), als hochgestellter Würdenträger und be-
kannter Publizist zur Zeit der Reaction, mit vielem Beugen und
Wenden, abzuwälzen. Doch ist er auch jetzt noch stolz darauf,
als einer der ersten für Spinoza eingetreten zu sein. Rehberg
sieht im Spinozismus den Ort, wo alle, auch die verschiedensten,
Parteien friedlich beieinander stehen könnten. Als Beweis
hierfür gilt ihm Goethe, den er persönlich kannte, mit einem
Spinozismus, in dem sich Idealismus und Realismus harmonisch
vereinigen. Dies begründet Rehberg ganz richtig damit, dass
Spinoza sein System rein abstrakt entworfen, ohne Rücksicht
auf die Welt der wirklichen Dinge und die Erklärung ihrer
Entstehung, worin notwendigerweise die Meinungen auseinander-
gehen und sich Parteigegensätze bilden. Nun will aber Rehberg
bei alledem nur die Absicht gehabt haben, Spinoza als den
konsequentesten Systematiker wahrheitsgemäss darzustellen,
um, als echter Kantianer, in ihm und durch ihn alle Meta-
physik als hinfällig zu erweisen.
107
§ 58. Garve.
Derjenige, der Kants Lehre mit unter den ersten einer
sorgfältigen Kritik unterzogen hat, Garve, ist zugleich einer
der strengsten Richter über Jacobis Vorgehen gegen Mendels-
sohn. Jacobi will von einem Interesse Garves für seine „Briefe"
gehört haben und sendet ihm ein Exemplar seiner Schrift.
Wie sehr hätte er aber staunen können, wenn er Garves Mit-
teilungen davon an Weisse und ZoUikofer würde gelesen haben.
Nirgends ist sein Benehmen schärfer verurteilt worden. Besonders
unwillig wendet sich in Garve der ehrliche Protestantismus des
Aufklärers gegen die katholisirenden Neigungen, welche die
„Jacobiner" zur Schau trugen. Mit Herder stimmt er im Lobe
Spinozas überein. Er schätzt die Ethik nicht allein als An-
regung zu Denkübungen, sondern ganz besonders in ihren
psychologischen Stücken, für die er, wie Mendelssohn, aus der
Schule der Engländer gründliches Verständnis mitbrachte. Nurvon
Spinozas Metaphysik will er nichts wissen. Hatte Rehberg Spinozas
Substanz als die unendliche göttliche Denkkraft gefasst, die alle
denkenden Einzelwesen in der Einheit ihres Bewusstseins enthält,
so erscheint Garve der Spinozismus nur als krasser Materialismus.
§ 59. Platner.
Gleichfalls ein Gegner Kants und Jacobis, schliesst sich
Platner doch in der Auffassung des Spinozismus enger an
Rehberg und Herder an, so vorsichtig er auch im übrigen
über Spinoza urteilt. Er findet einen Dualismus mit dem Spino-
zismus verträglich, verteidigt diesen gegen die Anklage des
Atheismus und nähert sich ihm, als einer der getreuesten Leib-
nizianer, sowohl in der Lehre von der Materie, als auch durch
seinen Determinismus.
§ 60. Jacobi.
Und doch hatte, abgesehen von seinem Verhältnisse zu
Mendelssohn, trotz aller Gegnerschaft Jacobi in der Auffassung
des Spinozismus das Recht auf seiner Seite. Wie seine ganze
Erscheinung in der Geschichte der Philosophie, so ist besonders
seine Stellung zu Spinoza eine höchst merkwürdige. Es ist
zweifellos, dass seit Jacobi sich ein ganz neues richtigeres
Verständnis des Spinozismus angebahnt, und ebenso sicher,
dass niemand mehr zu seiner Verbreitung beigetragen hat, als
er. Und doch erscheint gerade Jacobi als Spinozas entschiedenster
Gegner. Jacobi stellt in seiner ganzen Denkweise eine be-
sondere Spielart der Weimarer Genieperiode dar. Er vertritt
108
in diesem Kreise die religiöse Gefühlsmystik; er zählt zu Geistern
wie Bonnet, Pascal, Rousseau. Es ist ihm in der Philosophie
nicht um folgerichtiges Ausdenken einmal gefasster Prinzipien
zu thun. Im Gegenteil, im rechten Augenblicke soll das Herz
dem Verstände Halt gebieten und dem Geiste das Sprungbrett
leihen zu dem berüchtigten Salto mortale in das göttliche
Wesen. Ohne diese Selbstbeschränkung kommt man, von
welchen Voraussetzungen man auch ausgehen mag, zu einem
und demselben letzten Ziele: dem Pantheismus und Atheismus.
JedjCS rückhaltlose spekulative Denken führt zur Leugnung eines
persönlichen Gottes, zur Verwerfung der Teleologie und der
Willensfreiheit. Für diesen Standpunkt, den er mit allen Mitteln
bekämpft, findet er das klassische Beispiel im Spinozismus,
als der atheistischen Konsequenz des Grundsatzes: ,,Gigni de
nihilo nihil."
Die Erscheinung Spinozas muss bei der ersten Bekannt-
schaft auf das Gefühlsleben eines Jacobi einen überwältigen-
den Eindruck hervorgerufen haben, wie ihn Flehte in seiner
,, Bestimmung des Menschen'' meisterhaft zeichnet. Bekannt
ist sein Hymnus auf Spinoza, sein Philosophenideal : „Sei Du
mir gesegnet, grosser, ja heiliger Benedictus! Wenn Du auch
über die Natur des höchsten Wesens philosophiren und in
Worten Dich verirren mochtest, seine Wahrheit war in Deiner
Seele und seine Liebe war Dein Leben." Besonders imponirte
ihm, der beständig zwischen den Trieben des Herzens und den
Befehlen des Verstandes hin- und herschwankte, die olympische
Ruhe Spinozas. „Einen solchen Himmel im Verstände, wie
sich dieser helle, reine Kopf geschaffen hatte, mögen wenige
gekostet haben." Auf ihn selbst ging etwas von dieser „alles
ausgleichenden" Ruhe über, er lernte, wie er selbst gesteht,
dadurch gewisse Dinge nehmen, wie sie sind. Andererseits
fand er sich aber eben dadurch auch vor dem Abgrunde ge-
warnt, in welchen ihn der Verstand zu stürzen drohte. In
Spinoza sah er seinen eigensten Widerpart.
Nun scheint sich aber Jacobi doch zu früh in diesen gegen-
sätzlichen Standpunkt verbohrt zu haben. Denn ebenso, wie
sich in seiner Auffassung anderer Philosophen der Mangel an
Ruhe bemerkbar macht, um sich ganz selbstlos in die Gedanken-
gänge eines anderen \'ertiefen zu können, hat ihn auch der tief
empfundene Gegensatz zu Spinoza an dem rechten Verständ-
nisse seiner Lehren gehindert. Eine, wie selten, geistreiche
Interpretation der Grundgedanken Spinozas bleibt zwar sein un-
bestrittenes X'erdienst. Auch ist er der erste, der den Spino-
zismus als absolutes Kausalitätssj'stem erkannt und dabei
109
auf die so oft gerügte Inkonsequenz der unbewiesenen Annahme
wirklicher Einzeldinge hingewiesen hat.
Dagegen fällt er in alte Irrtümer zurück, wenn nach ihm
Spinozas Substanz sich gar nicht von den Einzeldingen unter-
scheidet, sein Gott keine Attribute ausser Denken und Aus-
dehnung besitzt, und jeder Pantheismus und Fatalismus Spino-
zismus ist. Von dieser falschen Auffassung des Spinozismus
ausgehend, wittert er denn auch einen solchen in jeder voraus-
setzungslosen Spekulation. Infolge dieser Ketzerriecherei hat
sich Jacobi viele Feinde auf den Hals gehetzt und schliesslich —
purch Schellings Polemik — seinen literarischen Ruf gänzlich
eingebüsst. Der Atheismus ist der rote Faden, der sich durch
alle Systeme von Spinoza bis Schelling zieht. In Leibniz sieht
er einen versteckten, in Fichte einen umgekehrten, in Schelling
einen potenzirten Spinozismus; Kant muss wenigstens zu einem
Vergleiche mit Spinoza herhalten. Damit erklärt sich auch
Jacobis Schicksal in dem Streite mit Mendelssohn. Seine supra-
naturalistische und allzu theologische Beurteilung Spinozas war
es besonders, wodurch er sich die wertvolle Freundschaft eines
Herder und Goethe verscherzte, welche die gemeinsame Ver-
ehrung des Geistesriesen anfangs nur noch mehr zu festigen
versprochen hatte.
§ 61. Lichtenberg.
Jacobi lehrte: „Die Speculation gelangt durch sich selbst
nur zu einer geistlosen Nothwendigkeit, einer Substanz." ,,Sich
selbst überlassene Vernunft führt auf nichts anders hinaus
(als auf Spinozismus), und es ist unmöglich, dass sie auf etwas
anderes hinausführe", dies sind Worte Lichtenbergs, welche von
neuem beweisen, wie in puncto Spinozae die verschiedensten
Köpfe übereinstimmen können. Ebenso Feind der Theologen,
besonders der Lavater-Jacobischen Gefühlsschwärmerei, wie der
Kantischen Philosophie, hatte Lichtenberg im Spinozismus die
Weltanschauung gefunden, zu der ihn seine physikalischen
Studien hinführten, und die sich mit seinem klaren, ehrlichen
Deismus am besten vertrug. Er betrachtet nicht allein das
Lebensbild des grossen Freidenkers mit innigster Teilnahme,
er bekennt sich, noch offener als Lessing, mit dem er nahe
Verwandtschaft zeigt, zu Spinozas Lehre und sieht in ihr die
Religion der Zukunft. „Wenn die Welt noch eine unzählbare
Zahl von Jahren steht, so wird die Universalreligion geläuterter
Spinozismus sein." Ohne Scheu konnte er auch gelegentlich
in der Unterhaltung den verketzerten Juden zur Sprache bringen
und dabei, ähnlich wie Jacobi bei Lessing, merkwürdige Ent-
110
deckungen machen. Ein solches Gespräch mit Lavater hat
uns Lichtenberg selbst in seinem Briefwechsel aufbewahrt,
welcher mit seinen philosophischen Erörterungen, vermischt mit
physikalischen Formeln, dem Spinozischen nicht unähnlich ist
(„Verm. Schrift." Bd. 8 S. 151. Brief an Ramberg vom 3. Juli
1788): „Kaum hatte sich Herr Lavater niedergesetzt (Lass
war dabei), so kamen wir von ungefähr auf Mendelssohn,
Lessing, Jacobi und Spinozismus zu sprechen.
Da ich nun (offenherzig) den Spinoza seit der Zeit, da
ich ihn verstand, für einen ganz ausserordentlichen Kopf hielt,
so nahm ich mir zwischen diesen beiden Theologen vor, mich
seiner anzunehmen. Ich sagte also, dass ich glaubte, tieferes
Studium der Natur, noch Jahrtausende fortgesetzt, werde endlich
auf Spinozismus führen, welches dieser grosse Mann voraus-
gesehen. So wie unsere Kenntnis der Körperwelt zunehme,
so verengerten sich die Grenzen des Geisterreiches. Gespenster,
Dryaden, Najaden, Jupiter mit dem Bart über den Wolken etc.
seien nun fort. Das einzige Gespenst, w^as wir noch erkennten,
sei das, was in unterm Körper spuke. Wir eigneten nemlich
den Kräften eine träge Basis zu und nennten sie Materie, da
wir doch offenbar von Materie nichts kennten, als eben diese
Kräfte. Die träge Basis sei bloss Hirngespinst. Daher rühre
das infame Zwei in der Welt. Leib und Seele, Gott und Welt
. . Mit einem Wort alles, was sei, das sei . Eins, und weiter
Nichts ! "Ev xai ttccv, Unum et omne . . Wissen Sie wohl, was
Lavater sagte, der mir unglaublich aufmerksam zugehört: Das
glaube er auch. Nur machte er einige Einwürfe, auf die er
selbst nicht viel rechnete und die alle aus dem christlichen
System flüchtig hergeholt waren. Ich kann nicht leugnen, ich
wurde über des Mannes wahre Philosophie und Unparteilichkeit
so bewegt, dass ich ihm sagte: . . einem solchen unparteiischen
Denker, als ich jetzt in ihm fände, hätte ich, aufrichtig zu
reden, nicht in ihm erwartet. Es war wirklich ausserordent-
lich. Nachdem er weg war, fand ich einen grösseren Zu-
sammenhang zwischen diesen Umständen, als ich anfangs er-
wartet hätte: Er hielt bis jetzt Jesum Christum für den wahren
Gott, daraus fliesst sein Wunderglaube; findet er den falsch,
so ist das andere Extremum Spinozismus; und ich glaube, er
ist auf dem Punkt, jenen falsch zu finden."
§ 62. Herder.
Auf der anderen Seite berührt sich Lichtenberg auf dem
Boden des Spinozismus mit seinem zweiten Extrem, dem Wei-
marer Kreise, den Stürmern und Drängern, welche vor allem
111
die Lauge seines Spottes zu spüren hatten. Hier hatte Spinoza
eine andächtige Gemeinde von Gläubigen gefunden. Als Priester
dieser Spinozagemeinde waltete Herder.
Herder nimmt in der Geschichte des deutschen Spinozis-
mus einen der wichtigsten Plätze ein. Er ist nicht nur ein
begeisterter Verehrer und geistreicher Dolmetsch Spinozas.
Durch ihn wurde auch dessen Lehre erst flir die philosophische
Auffassung der Natur und Geschichte fruchtbar gemacht; sein
Spinozismus gab die erste Anregung zu exakter Erforschung
des Seelenlebens.
Wie steht es nun um diesen Spinozismus Herders? Schon
Franke weiss in seiner Geschichte des Spinozismus die Vorzüge
zu würdigen, welche diese Auffassung Spinozas besitzt. Doch
sieht er zugleich schon darin nicht den geschichtlichen Spinoza,
sondern zum nicht geringen Teile Herder selbst. Die glänzen-
den Federn, womit dieser seinen Abgott schmückt, vindizirt
der Pastor freilich dem Theismus (s. „Ueber die neueren Schick-
sale" S. 35 f.). Herder, der „den Begriff einer durch das
gesammte Universum verbreiteten, wohlthätigen und harmo-
nischen Wirksamkeit weit vollkommener, glücklicher colorirt
und vielseitiger wendet als alle vor ihm," , »verschmilzt das
kalte, abstracte Spinozische Grundwesen der Welt mit dem
Begriff einer geistvollen, Allleben spendenden Naturwirksamkeit
. . . Nirgends erscheint der Spinozismus glimpflicher; nur Schade,
dass es nicht der echte Spinozismus ist.** „Soll es Spinozisten
in der Welt geben, so mögen es Herdersche Spinozisten sein.**
(S. 38) Wäre Spinoza von lebhafterer Gemüthsart gewesen
und hätte er um so viel später gelebt, . . . wer weiss, wie
nahe er dem Herderschen Geist seines eigenen Systems dann
gekommen wäre und ob er dann nicht gar zum Theismus
übergegangen wäre, der alle Vorzüge der geistvollen Herder-
schen Pantheismus ohne seine Mängel hat?** Diesen Verstoss
gegen seine eigene Forderung („Gott"'* S. VIII)): „Einen
Schriftsteller aus sich selbst zu erklären, ist die honestas dem
honesto schuldig", hat denn auch die spätere Krtik (Danzel,
Schmidt, Hettner, Harms, Hagen, Pfleiderer u. a.) Herder nicht
erspart.
Die erste Einwirkung Spinozas auf Herder durch Goethes
Vermittelung setzt Hettner in seiner zweiten Entwickelungsstufe
an. Er stützt sich besonders auf Herders Geständnis (Brief-
wechs. I S. 105), „dass er viel in seiner Bildung Goethe ver-
danke." Schon im Jahre 1778 steht der Verfasser der Schrift
,, Vom Erkennen" gegen Leibniz auf Spinozas Seite. Um diese
Zeit reifte auch der Plan zum „Gott". Gleichfalls im Geiste
112
des grossen Apostels des Amor Dei intellectualis ist, wie die
Gedichte „Ich" und „Selbst", 1781 „Liebe und Selbstheit"
verfasst. Am offensten, wenn auch nicht allzu gründlich sind
Herders Urteile über Spinoza in seinem Briefwechsel mit Jacobi.
1787 erscheint sein „Gott". Unter dem Glase des Spinozismus
betrachtet er die Geschichte, Religion und Moral in den „Ideen
zur Geschichte der Menschheit" und der „Philosophie der Ge-
schichte".
Wie Francke, so sieht auch Hettner in Herders Reden
von Gott und göttlichen Dingen theologische Reminiscenzen ;
sie verraten ihm die Absicht des Geistlichen, seinen Pantheismus
zu verheimlichen. Mit Recht betont er zum Schlüsse, dass
wir ohne einen Herder weder Goethe und Schiller noch eine
romantische Schule noch Schelling und Hegel hätten.
Hettners Annahme, dass Herder erst durch Goethe auf
Spinoza hingewiesen worden sei, widerlegt Haym damit, dass
seine Schrift „Spinoza, Shaftesbury, Leibniz" bereits 1776, also
vor der Weimarer Zeit geplant war, und „Vom Erkennen"
Spinozas Einfluss zeigt. Doch will Haym den Grundstock der
Herderschen Philosophie in Leibniz suchen, während Pfleiderer
(Rlgsphilos. S. 201) darin nur eine „schon von Lessing vor-
bereitete, von Herder erst mit Bestimmtheit vollzogene Ver-
knüpfung des Spinozismus mit dem tieferen Geist der Leibniz-
schen Monadologie" sieht, „eine Leistung, deren Tragweite für
unsere Culturentwickelung . kaum hoch genug angeschlagen
werden kann." Doch vergisst auch Pfleiderer, wie es so oft
geschieht, bei der kulturgeschichtlichen Würdigung eines Leibniz
die metaphysische Minderwertigkeit seiner, in sich widerspruchs-
vollen und, durch einseitige Betonung des geistigen Momentes,
den Standpunkt des Substantialismus verschiebenden, Doktrin.
Damit steht zugleich der Vorwurf im Zusammenhang, Spinoza
habe das Handeln nach Rücksichten und Zwecken aus dem
Programm des göttlichen Wirkens gestrichen. Was ist eine
solche Teleologie anderes, als ein Rückfall in den alten Fehler
des Anthropomorphisirens der Gottheit? Was uns subjektiv als
zweckvolle Handlung erscheint, ist doch objektiv nichts weiter
als ein rein kausaler Vorgang!
Wann und wie hat nun Herder in Wahrheit zu Spinoza
Stellung genommen? Dass er von ihm frühzeitig eine all-
gemeine Kenntniss besessen, lässt sich bei der Universalilät
seines Geistes ohne weiteres annehmen und wird zudem durch
häufige Hinweise auf die „Ethik" bestätigt. Doch wird man
wohl Haym darin Recht geben müssen, dass sich aus solchen
Spuren noch nicht auf ein genaues Studium dieses Werkes
113
schliessen lässt. Die älteste Stelle, in einem Briefe vom 27. Dez.
1774, die uns über seine Auffassung des grossen Philosophen
Aufschluss gibt, zeigt bereits in den Grundzügen deutlich den
Charakter seines späteren Spinozismus mit dem ihm eigenen Ge-
fühle für den tiefenSinn des „kalten, geometrischen Glasschleifers".
Am 15. Febr. 1775, unmittelbar nach Abfassung der „Erläu-
terungen", schreibt Herder an Gleim: „Lesen Sie Spinozas
Moral" u. s. w. Hier finden wir den ersten Beleg für eine
Lektüre des Hauptwerkes Spinozas. 1776 hat er es offenbar
im Urtext gelesen, er plant seine Schrift „Spinoza, Shaftes-
bury, Leibniz." Im Oktober desselben Jahres kommt Herder
nach Weimar, wo ihn nun der gemeinsame Kult mit einem
Freundschaftsbande mehr an Goethe fesselt. Doch steht damals
Spinoza in seiner Sympathie noch auf einer Stufe mit Shaftesbury,
noch gehört ihm nicht der Prinzipat in Herders Herzen.
Die Schrift „Vom Erkennen und Empfinden", 1778 er-
schienen, nimmt Hettner ganz und gar für Spinozas Ein-
fluss in Anspruch, dem auch Haym, während er im übrigen
meist Leibniz darin wiederfindet, ein grosses Anrecht auf die
Vaterschaft einräumt. Jedenfalls hat Herder bei Abfassung
dieser Schrift (1775) Spinoza bereits den ersten Platz unter
seinen Meistern eingeräumt. Den diesen kennzeichnenden Aus-
druck : „der ohne Zweifel noch göttlichere Spinoza" mit Witte
und Biedermann ironisch zu nehmen, liegt nach dem ganzen
Ton und Geist der Schrift durchaus kein Anlass vor.
Eine hohe Bedeutung für die Ausbildung des Herderschen
sowohl wie des Goetheschen Spinozismus hatte der Verkehr mit
Jacobi. Bei seinem ersten Besuche in Weimar fand dieser die
Freunde in der Beurteilung Spinozas auf einem von dem
seinen völlig verschiedenen Standpunkt. Selbst als sie nach
seiner Abreise die „Ethik" nochmals vorgenommen hatten,
konnten sie sich nicht zu seiner Auffassung verstehen. Eine
Annäherung an den eigenen Standpunkt fand Herder erst in der
ihm zur Beurteilung zugestellten Jacobischen „Lehre Spinozas".
Am 15. Mai 1799 schreibt Jean Paul an Jacobi: „Herder
schrieb jetzt die zweite Auflage von „Gott*', und strich den
kleinsten Seitenblick gegen Dich weg'* — (er bleibt aber bei seiner
Ansicht über Spinoza) — „so viele Schmerzen ihm auch Dein
Spinoza gab, und theilte sie mir im Manuscripte mit, um statt
Deiner Seele zu fühlen und zu rügen.** Zu gleicher Zeit und
in demselben Sinne äussert sich auch Herder Jean Paul gegen-
über: „In Ansehung der Meinung über Spinozas System gehen
wir beide, Jacobi und ich, jeder seines Weges, und ich, meiner
geringen Wenigkeit nach, bleibe auf dem meinigen noch fester,**
8
114
und am 6. Febr. 1784 schreibt er an Jacobi: • „Im Ernst,
liebster Jacobi, seitdem ich in der Philosophie geräumt habe,
bin ich immer und jedesmal neu die Wahrheit des Lessingschen
Satzes inne geworden, dass eigentlich nur die Spinozistische
Philosophie mit ihr ganz eins sei, nicht als ob ich ihr völlig
beipflichtete — denn auch Spinoza hat in alle dem, wie mich
dünkt, unentwickelte Begriffe, wo Descartes ihm zu nahe stand,
nach dem er sich ganz gebildet hatte. Ich würde also auch
mein System nie Spinozismus nennen; denn die Samenkörner
davon liegen in den ältesten aller aufgeklärten Nationen bei-
nah reiner, nur ist er der erste, der das Herz hatte, es nach
unserer Weise in ein System zu combiniren, und dabei das
Unglück hatte, gerade die spitzesten Seiten und Winkel heraus-
zukehren, wodurch ers bei Juden, Christen und Heiden de-
creditirte. . . . Und so bin ich der Meinung, dass seit Spinozas
Tode niemand dem System des £v xai Tuav Gerechtigkeit ver-
schafft habe (auch Mendelssohn nicht in seinen Gesprächen
über Spinoza.) O dass es Lessing nicht gethan hat ! Furcht-
samkeit wars gewiss nicht von ihni, dass er damit nicht hervor-
rückte, da er keine Folgen einer für wahr gehaltenen Meinung
scheute und alle Arten der Einkleidung ihm zu Gebot standen.
Der böse Tod hat ihn übereilet! Seit sieben Jahren und länger
trage ich mich mit einer Parallele der drei Männer Spinoza,
Shaftesbury, Leibniz, und habe nicht dazu kommen können.
Vorigen Sommer fing ich aufs Neue an und ging drüber. Die
beiden ersten waren durchgelesen; da kam die unbändige
Hitze. .... Jetzt solls gewiss nicht lang unterbleiben." Er
bittet nun um eine Abschrift des Gespräches zwischen Jacobi
und Lessing. „Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr ich
mit Lessing in den Hauptprinzipien, selbst in dem, was er von
Leibniz gegen Spinoza sagt, übereinstimme . . (S. 254) Das
KptoTov c|>£ü8o(;, 1. Jac, in Ihrem und in aller Antispinozisten
System ist das, dass Gott, als das grosse ens entium, die in
allen Erscheinungen ewig wirkende Ursache ihres Wesens ein
0, ein abstracter Begriff sei, wie wir ihn uns formiren; das
ist er aber nach Spinoza nicht, sondern das allerrealste, thätigste
Eins, das allein zu sich spricht: „„Ich bin, der ich bin."'' . .
Nicht also von der Verneinung des Satzes: Ex nihil nihil fit,
fängt die Philosophie der wahren Entität an, sondern von dem
ewigen Satze: Quidquid est, illud est. Eben diesen Begrifi'
des Seins hat Spinoza so fruchtbar entwickelt und ihn, wie
mich dünkt, mit Recht über alle Vorstellungs- und Denkarten
einzelner Erscheinungen sowohl als über eingeschränkte Arten
der Existenz im Raum erhoben. Was Ihr, lieben Leute, mit
115
dem „ausser der Welt existiren" wollt, begreifeich nicht: existirt
Gott nicht in der Welt, überall in der Welt, und zwar überall
ungemessen, ganz und untheilbar (denn die ganze Welt ist nur
eine Erscheinung seiner Grösse für uns erscheinende Gestalten),
so existirt er nirgends. Ausser der Welt ist kein Raum, der
Raum wird nur, indem für uns eine Welt wird, als Ab-
straction einer Erscheinung. Eingeschränkte Personalität passt
aufs unendliche Wesen eben so wenig, da Person bei uns nur
durch Einschränkung wird, als eine Art modus oder als ein
mit einem Wahn der Einheit wirkendes Aggregat von Wesen.
In Gott fällt dieser Wahn weg: er ist das höchste, lebendigste
thätigste Eins — nicht in allen Dingen, als ob die was ausser
ihm wären, sondern durch alle Dinge, die nur sinnliche Dar-
stellung für sinnliche Geschöpfe erscheinen . . (256) Wie gern
möchte ich hiervon noch weiter schwätzen, aber Raum und
Zeit gebricht mir, die beiden modi, die alle eingeschränkte
Wesen umschränken."
Spinoza erscheint hier also als Systematiker einer uralten
Weltanschauung, welche im Gegensatze zu dem landläufigen Theis-
mus, der Gott das Wesen ausbläst und insofern eigentlich Atheismus
heissen sollte, Gott zum allerrealsten, immanenten Wesen macht
und ihm uneingeschränkte Persönlichkeit beilegt. Herder ist ganz
der spekulative Mystiker wie Spinoza, weshalb Jacobi seine Ge-
danken in Wächters Elucidarnie wiederfinden will. (S. 261) Er
sieht bereits im Spinozismus die Philosophie, die alle Systeme in sich
vereint; nur bedauerts der Theologe, den konfessionelle Schranken
hemmen, sich ihr nicht ganz hingeben zu können. Sicherlich hat
er den Spinoza früher als Goethe gelesen und, wenn nicht
Goethe zur Lektüre angeregt, so doch mit diesem zugleich die
Anregung hierzu von Jacobi empfangen. In seinem Briefe
an Jacobi vom 20. Dez. 1784, nach der mündlichen Ausein-
andersetzung mit dem Freunde über den Sinn des Spinozismus,
verteidigt Herder nochmals seinen Standpunkt (S. 261): „Ich /
will . . , wie billig und recht ist, mit dem göttlichen Spinoza
fortfahren . . Mache mir also nicht das Wesen zum abstracten
Begriff, das nur allein da ist, durch welches ich nur sofern
bin, als ich ein kleiner Zweig auf dieser ewigen und unendlichen
Wurzel vom Baume des Lebens grüne, (S. 265) Machst Du
mir diesen innigsten, höchsten, alles in eins fassenden Begriff
zum leeren Namen, so bist Du ein Atheus, und nicht Spinoza.
Nach ihm ist er das Wesen der Wesen, Jehovah. Siehe, da
bist Du abermals ein Ketzer, und das ist, was ich wollte . . .
Ich muss Dir gestehen, mich macht diese Philosophie sehr
glücklich; könnte ich nur meinen innersten Sinn aufschliessen,
8*
116
sie ganz und unverrückt zu gemessen! Ich wünsche Dir ein
gleiches, denn sie ist die einzige, die alle Vorstellungsarten und
Systeme vereinigt. Goethe hat, seit Du weg bist," (Sept. 1784)
„den Spinoza gelesen; und es ist mir ein grosser Probierstein,
dass er ihn ganz so verstanden, wie ich ihn verstehe. Du
musst auch zu uns herüber. " An dem Streit zwischen Pempel-
fort und Berlin nimmt Herder regen Anteil. „Du weisst,"
schreibt er am 6. Juni 1785 an Jacobi (S. 270), „wie sehr ich
an dem Gefecht Theil nehme, auch wenn Du nicht der Fechter
wärest: mir gehet das Herz auf, wenn ich von dieser leider
nur zu erhabenen Philosophie einen Laut höre." (S. 271)
Mendelssohn „nahm Dich, den Antispinozisten gegen Lessing,
für den leidigen Spinoza selbst; und nun dünkt mich, lassest
Du Dich aus Deinem Standort locken und gibst einen Lehrbe-
griff des Spinoza, ohne wenigstens Dir den Rücken frei zu
halten, wiefern dies Dein System sei oder nicht?" Hierauf
gibt er eine Kritik dieser Jacobischen Darstellung und macht
dabei die treffliche Bemerkung, dass Spinoza den Begi'iff des
Werdens als dunkel mit Absicht vermieden habe. (S. 273j
„Spinoza hat keinen Begriff vom Werden, vom Nichtgeworden-
sein, Entstehen und Nichtentstandensein. Sein ganzes System
ist gebauet, damit man dieser dunkeln Worte entbehre ; sollte
es also gut sein, damit anzufangen? (S. 275) Vermummt
hat Spinoza nichts; wo seine Ausdrücke uns unpassend sind,
entspringen sie von der ihm zu nahen, damals gewöhnlichen
Catesischen Sprache. (277) Das System Spinozas ist hier im
Wesentlichen dargestellt, wie ichs mir denke." Unter dem
16. September 1785 heisst es terner: (278) „Das Aergerniss
des Spinozismus ist jetzt gegeben ; lass sehen, wie Merdelssohn
ihm steuert. Du bist bei dem allen ein wahrer ortnodoxer
Christ; denn Du hast einen extramundanen Gott, comme
il faut, und hast Deine Seele errettet . . . Ich mische mich
vor der Hand nicht drein und bleibe mit meinem „„Spinoza,
Shaftesbury, Leibniz"" zu Hause. Wir waren gestern Abend bei
Goethe und haben durch eine sehr glückliche Buchstabenschnitzerei
aus Catechismus Atheismus herausgebracht . ."
/ 1787 erschien Herders „Gott", die Hauptquelle für die Kennt-
nis des Herderschen Spinozismus. Dieser zeigt, wie der kurze
Traktat Spinozas, die Gedanken, die sich in der Ethik zu festen,
starren Begriffen krystallisirt haben, noch in lebendigem Flusse.
Wie Lessing vindizirt Herder der Gottheit, der „höchsten Kraft, die
sich selbst kenne, sichselbst geniesse und habe" und ihrem „Wesen
nach Kraft, Weisheit und Güte ist", eine, wenn auch „unein-
geschränkte", Persönlichkeit, dem Menschen die Individualität
117
und eine Unsterblichkeit in Form der Seelenwanderung. Doch
ist Herder eine schärfere Betonung des naturalistischen Charakters
der Lehre Spinozas besonders eigen. Die Welt ist ein Reich
lebendiger Kräfte, unzähliger Organisationen. Zwecke im Wirken
Gottes suchen ist Religion, „Freude des Gemütes und Freiheit,
Erkenntnis und Seligkeit." Lenkt Herder schon hier unzwei-
deutig in das Leibnizische Geleise rein, so verfolgt er diese
Bahn noch bestimmter in seinen geschichtsphilosophischen
Schriften. Doch wenn er selbst durchaus Spinozist sein will,
so kann man ihm diesen Titel ohne Bedenken lassen. Denn
einzig und allein da, wo Leibniz Spinoza lehrt und diesen in
seinem Geiste fortbildet, begleitet ihn Herder, ohne auch nur
mit einem Schritte seiner Kompromisstheologie und seinem
Spiritualismus näher zu treten. Mag auch das Studium Leibnizens
unbewusst in ihm nachgewirkt haben, so darf man doch nie
vergessen, dass er zugleich auch bei Kant in die Schule ge-
gangen und mit diesem zugleich unter dem Einflüsse der
Franzosen und Engländer steht. Andererseits sind es ja erst
Philosopheme, wie dasjenige Herders, durch welche ohne ihre
Absicht erst ein wahreres Verständnis Leibnizens angebahnt
worden und seine Lehre von den Schlacken der Wolffschen
Beisätze geläutert worden ist.
§ 63. Goethe.
Herder am nächsten in der Auffassung Spinozas stand
Goethe. Die Literatur über Goethes Verhältnis zu dem Amster-
damer Philosophen hat sich bereits berghoch aufgetürmt. Schon
früh wird sein Name in der Spinozafrage genannt. Sein
Gedicht „Prometheus" hatte unschuldiger Weise zu Lessings
Bekenntnis und damit zu dem Streit um Spinoza den Anlass
gegeben; es war das Zauberwort, das den Geist des verschollenen
Denkers aus dem Bann eines ganzen Jahrhunderts erlöste.
Von eigentlichem Spinozismus ist aber in diesem Gedichte
ebensowenig zu merken, wie in Goethes gleichzeitiger schwär-
merischer Neigung zum Studium der Natur. (S. Kestner, Goethe
und Werther 1854- S. 40 f. „Er hat . . die Natur, im physikalischen
und moralischen Verstände genommen, zu seinem Hauptstudium
gemacht.") Er hatte Spinoza aus den Urteilen eines Poiret und
Bayle kennen gelernt. Kein Wunder also, dass er auch
später noch, drei Jahre vor seiner Bekehrung zum Spino-
zismus und merkwürdiger Weise gerade da, wo er sich
diesem unbewusst auffallend nähert, ihn abfällig beurteilt.
Getrennt über Gott und Natur abhandeln," so lautet eine Notiz
??
118
aus jener Zeit (Scholl, Briefe . . . von Goethe aus den Jahren
1766 — 1786*^^ 1857 S. 104.) „ist schwierig und misslich, eben
als wenn wir über Leib und Seele gesondert denken. Wir er-
kennen die Seele nur durch das Mittel des Leibes, Gott nur
durch die durchschaute Natur; daher scheint es mir verkehrt,
Denker der Verkehrtheit zu zeihen, die ganz philosophisch Gott
mit der Welt verknüpft haben. Denn was ist, muss notwendig
zum Wesen Gottes gehören, weil Gott das einzige Wirkliche
ist und alles umfasst. Die hg. Schrift ist unserem Urteil auch
nicht entgegen; . . . und das ganze Altertum erkannte ebenso;
eine Uebereinstimmung, auf die ich grosses Gewicht lege. Denn
mir zeugt das Urteil so grosser Männer für die Vernunft-
mässigkeit jenes Systems, wonach die Welt von Gott ausfliesst;
wenn ich auch zu keiner Schule schwören will und sehr be-
daure, dass im Spinozismus, da auch die ärgsten Irrtümer die-
selbe Quelle haben, dieser so reinen Lehre ein so böser Bruder
(i. T. : iniquissimum fratrem) erwachsen ist." In seiner „Ge-
schichte des ewigen Juden" sollte dieser, nach Goethes Ab-
sicht, bekanntlich auch Spinoza besuchen und bei dieser Ge-
legenheit die wesentliche Uebereinstimmung des Christentums
mit dem Spinozismus betont werden. Auch einige Aufzeich-
nungen in den Strassburger Tagebüchern tragen unverkennbar
ein pantheistisches Gepräge,
Am 7. April 1773 schreibt er an Höpfner (Goethe-Jahr-
buch VIII): „Ihren Spinoza hat mir M[ercks] gegeben. Ich darf
ihn doch ein wenig behalten? Ich will nur sehn, wie
weit ich dem Menschen in seinen Schachten und Erdgängen
nachkomme."
Im Juli 1774 hatte Goethe in Jacobi endlich den Mann
gefunden, der mehr als sonst jemand geeignet war, ihn für
seinen späteren Mentor in allen Fragen des Lebens zu begeistern.
Spinoza war der wichtigste Gegenstand ihrer Gespräche; ge-
festigt in seinem Pantheismus, verliess er den Freund.
Doch sollte er seinem ersten Lehrer im Spinozismus bald
untreu werden. Er brachte bessere Vorbedingungen mit zur
Erfassung dieser Religion der Natur. Nun erst las er diese
mit dem richtigen Verständnis, nicht mehr, wie früher, als
Kabbaiist, sondern als echter Schüler Spinozas. Er selbst legt
davon in einem Briefe an Knebel und vor allem in seinem
herrlichen Aufsatz „Die Natur" offenkundig Zeugnis ab.
Das eigentliche Studium Spinozas aber begann Goethe erst
etwa 1784. Am 20. Dez. schreibt Herder an Jacobi, Goethe
habe den Spinoza gelesen. Schon im folgenden Jahre findet
sich Gelegenheit, in dem Streite zwischen Mendelssohn und
119
Jacobi Partei zu ergreifen. Am 9. Juni 1785, nach dem Em-
pfange der „Briefe über die Lehre Spinoza", schreibt Goethe
aus Ilmenau an Jacobi: „Ich mache Herdern und mir Vor-
würfe, dass wir so lange mit unserer Antwort zögern, Du
musst uns entschuldigen, ich wenigstens erkläre mich höchst
ungern über eine solche Materie schriftlich, ja es ist mir bei-
nahe unmöglich. Darüber sind wir einig und waren es
beym ersten Anblicke, dass die Idee, die Du von der Lehre
des Spinoza giebst, derjenigen die wir davon gefasst haben
um vieles näher rückt als wir nach deinen mündlichen Aeusse-
rungen erwarten konnten, und ich glaube wir wurden im Ge-
spräch völlig zusammenkommen. Du erkennst die höchste
Realität an, welche der Grund des ganzen Spinozismus ist,
worauf alles Uebrige ruht, woraus alles Uebrige fliesst. Er
beweisst nicht das Dasein Gottes, das Daseyn ist Gott. Und
wenn ihn andere deshalb Atheum schelten, so möchte ich ihn
Theissimum und Christianissimum nennen und preisen. Schon
vor vierzehn Tagen hatte ich angefangen dir zu schreiben,
ich nahm eine Copie deiner Abhandlung mit nach Ilmeau, wo
ich noch manchmal hineingesehen habe . . Vergieb mir, dass
ich so gerne schweige, wenn von einem göttlichen Wesen die
Rede ist, das ich nur in und aus den rebus singularibus er-
kenne, zu deren nähern und tiefern Betrachtungen niemand
mehr aufmuntern kann als Spinoza selbst, obgleich vor seinem
Blicke alle einzelnen Dinge zu verschwinden scheinen. Ich
kann nicht sagen, dass ich jemals die Schriften dieses
trefflichen Mannes in einer Folge gelesen habe, dass mir jemals
das ganze Gebäude seiner Gedanken völlig überschaulich vor
der Seele gestanden hätte. Meine Voretellungs- und Lebens-
art erlauben's nicht. Aber wenn ich hineinsehe, glaube ich
ihn zu verstehen, das heisst er ist mir nie mit sich selbst in
Widerspruch und ich kann für meine Sinnes und Handelnsweise
sehr heilsame Einflüsse daher nehmen. Deswegen wird es
mir schwer, was du von ihm sagst mit ihm selbst zu vergleichen.
Sprache und Gedanke sind bei ihm so innig verbunden, dass
es mir wenigstens scheint, als sage man ganz was anders
wenn man nicht seine eigensten Worte braucht. Wie oft hast
du nicht ganze Stellen aus ihm untersetzen müssen. Du trägst
in anderer Ordnung mit anderen Worten seine Lehre vor und
mich dünkt, die höchste Cousequenz der allersubtilsten Ideen
muss dadurch oft unterbrochen werden. Verzeihe mir, der ich nie
an metaphysische Vorstellungsart Anspruchgemacht habe, dass ich
nach so langer Zeit nicht mehr und nichts besseres schreibe.
Heute mahne ich Herdern und hoffe, der soUs besser machen. "
120
Aus diesen Worten ist zu ersehen, dass Spinoza der
Gegenstand eingehender Erörterungen zwischen Goethe und
Herder gewesen, dass jener aber die Werke des Philosophen
nicht vollständig kennt und darum auch Jacobis Arbeit
nicht hat an dem Massstabe des Originals beurteilen können.
Er betrachtet Spinoza weder als Metaphysiker, noch als
Theologe, er studirt ihn als Naturforscher. In einem Wei-
marer Briefe vom 11. Sept. 95 heisst es von Jacobis „Briefen":
„Du sendest mir Deinen Spinoza. Die historische Form kleidet
das Werkgen gut. Ob du aber wohl gethan hast, mein Gedicht
mit meinem Nahmen vorauf zu setzen, damit man wie bey
dem noch ärgerlichem Prometheus mit Fingern auf mich deute,
das mache mit dem Geist aus, der Dich es geheissen hat.
Herder findet lustig, dass ich bey dieser Gelgenheit mit Lessing
auf Einen Scheiterhaufen zu sitzen komme?
Ein sehr wertvolles Glaubensbekenntnis Goethes bringt der
nächste Brief an Jacobi vom 2 1 . Okt. : „ Dass ich über dein Büchlein
nicht mehr geschrieben, verzeih! Ich mag weder vornehm, noch
gleichgültig scheinen. Du weisst, dass ich über die Sache selbst
nicht deiner Meinung bin. Dass mir Spinozismus und Atheis-
mus zweierlei ist. Dass ich den Spinoza, wenn ich ihn lese,
mir nur aus sich selbst erklären kann, und dass ich, ohne
seine Vorstellungsart von Natur selbst zu haben, doch, wenn
die Rede wäre, ein Buch anzugeben, das unter allen, die ich
kenne, am meisten mit der meinigen übereinstimmt, die Ethik
nennen müsste. Ebenso wenig kann ich billigen, wie du am
Schlüsse mit dem Worte Glauben umgehst." Hier stellt sich
Goethe offen, unter der Fahne des verschrieenen Atheisten,
Jacobi gegenüber. Am 1. Dez. schreibt er an diesen, nach
der Lektüre der Mendelssohnschen „Morgenstunden", sehr humo-
ristisch: „Was hast du zu den Morgenstunden gesagt? und
zu den jüdischen Pfiffen, mit denen der neue Sokrates zu Werke
geht? Wie klug er Spinoza und Lessing eingeführt hat. du
armer Christe, wie schlimm wird dir es ergehen! wenn er
deine schnarrenden Flüglein nach und nach umsponnen haben
wird! Machst du Gegenanstalten? Und wie?"
Goethe nimmtalso eine mehr beobachtende, als für Jacobi
entschiedene Stellung ein. Bald darauf (13. Dez.) erhält er \'on
diesem die erwünschte Auskunft: „Von den Rabbinischen X^or-
lesungen also ! Lieber, sie haben mir eine solche Langeweile ver-
ursacht, dass ich dieser Langenweile habe unterliegen und das Buch
aufgeben müssen. Es sollen recht viele Leute, aus allen Ge-
genden von Deutschland darüber eingeschlafen seyn. Die
Hauptstücke, deren du erwähnst, auch die Vorrede, habe ich
121
angesehen, und grade dazu gesagt, was auch du dazu sagst,
nemlich dass der Jude ein Erzjude sey. . . . Pfiffig genug ist
der neue Sokrates wohl allerdings zu Werke gegangen. Aber mir
deucht , das ist jetzt nur desto schlimmer für ihn. Da
er sein 14tes, IStes und 17tes Hauptstück schrieb, war ihm
(wie nun jedermann erfährt), schon lange alles, was in meiner
Schrift enthalten ist, bekannt; und er schrieb sie dennoch;
stellete dennoch Lessingen als einen Apostel der Providenz, als
einen Märtyrer der reinen Gottesverehrung dar. Muss er nicht
aus diesem Gesichtspunkte vor jedem Auge, das sehen kann,
in einer lächerlichen, selbst in einer widrigenGestalt erscheinen? . . .
Sage mir doch. Lieber, ob du denn nicht auch, was Mendels-
sohn über das System des Spinoza beybringt, im höchsten
Grade abgeschmackt und elend findest? Mir steht der Verstand
platt stille, vor dem ganz erlogenen, durchaus grundlosen Ge-
wäsche, und ich kann es mir nicht anders erklären, als dass
Mendelssohn es nicht der Mühe werth gehalten, den Spinoza
selbst zur Hand zu nehmen, da Leibniz und Wolf schon über
ihn entschieden haben . . . Aber das will dem — (Esel möcht
ich sagen) gar nicht aus dem Kopf, dass auch der Gott des
vSpinoza seine Welt doch einmahl geschaffen haben müsse.
Ueberhaupt sieht man, dass er sich in die hohen Begriffe, die
von einem Ganzen ausgehen, überall nicht zu finden weiss.
Sie sind ihm zu mächtig und zu kraus: „„Er kanns in Kopf
nicht bringen." Er hofft auf Kants und Hemsterhuis* Bundes-
genossenschaft gegen die Berliner. „Mein Büchlein," so schreibt
er schon am folgenden Tage, „hat Kant, so wie es erschien,
mit grosser Begierde gelesen und soll mit dem Vortrage und
dem ganzen Inhalt der Aufgabe sehr zufrieden gewesen seyn.
Aus dem Spinoza hat er nie einen Sinn ziehen können. Will
es auch nicht können. Vielleicht künftig mehr hierüber im Ver-
trauen. Mendelssohn hat mir seine Rabbinischen Vorlesungen
selbst geschickt, so wie ich ihm auch meine Schrift geschickt
habe. Glücklichenveise kreuzten die Packete sich. Mendels-
sohn soll in einem hohen Grade gegen mich aufgebracht und er-
bittert seyn; die ganze Berlinische Clique mit ihm. Ich konnte
mir dieses, nachdem ich die Morgenstunden gelesen hatte, leicht
vorstellen. Dass sich der Geist der piae fraudis, der dieses
Geschlecht regiert, in dem Grade biosgeben würde, hätte ich
nicht vermuthet. Gegenanstalten habe ich noch keine gemacht.
Weiss auch nicht, wie ich sie machen soll. Sage mir deine
Meynung. Dass du Theil an der Sache, und an meiner Lage
dabey nimmsi, freut mich tief in der Seele, und interessirt mich
mehr, als alles was ich sonst persönlich dabey haben mag."
122
Ein solcher Geist konnte nicht auf die Dauer Goethes Freund
sein. Vornehm abweisend antwortet dieser, nachdem er sich,
wie sein Brief an Frau von Stein (Dez. 85) erraten lässt, immer
tiefer in Spinoza hineingelesen, erst Februar 86: „Deinen Brief
habe ich wohl erhalten und die Litteratur Zeitung" (worin
Kants Aufsatz) „gleich bestellt . . Wieland hat ich weiss nicht
welche Bedenken die Recension" (von Claudius) „einzurücken,
also ist's recht gut. Mendelssohns Todt war sehr unerwartet,
die Zurückgebliebenen werden nun für den Todten fechten und
sie haben dadurch gut Spiel. Da ich ausser Herdern niemand
sehe noch höre, den diese Angelegenheit interessirt; so weiss
ich nicht, was deine Schrift und Mendelssohns Betragen im
Publiko für Sensation macht. Ueberhaupt liegt die Sache zu
sehr ausser dem Gesichtskreis der meisten."
Noch deutlicher und kälter ist der Brief vom 5. Mai: „Dein
Büchlein habe ich mit Anteil gelesen, nicht mit Freude. Es ist und
bleibt eine Streitschrift, eine philosophische, und ich habe eine
solche Abneigung vor allen litterarischen Händeln, dass Raphael
mir einen mahlen und Shäkespear ihn dramatisiren könnte und ich
würde mich kaum daran ergötzen, was alles gesagt ist. Du musstest
die Bogen schreiben, das sah ich und erwartete sie, nur hätte
ich gewünscht die Spezies facti wäre simpler vorgetragen, alles
Leidenschaftliche dabey kann ich nicht billigen und die vielen
Um- und Anhänge thun auch nicht gut, wenn man kämpft,
je knapper, je besser . . Dann lieber Bruder, dass ich aufrichtig
sey, das Strauseney will mir gar nicht gefallen . . Wenn die
Gegner nur halb klug sind; so machen sie auf den langhälsigen
Verfasser Jagd, der in unendlicher Selbstzufriedenheit aus den
Büschen hervorsieht und im Schatten sich seiner Superiorität
über Elstern und Raben erfreut, und sie haben das ga^ze
Publikum auf ihrer Seite. Lieber Freund, man hat Exempel,
dass Adlereyer im Schoose Jupiters für einen Pferdekäfer nicht
sicher waren. Wenn Selbstgefühl sich in Verachtung andrer,
auch der Geringsten auslässt, muss es widrig ausfairen . . An
dir ist überhaupt vieles zu beneiden! . . Dagegen hat dich aber
Gott mit der Metaphysik gestraft und dir einen Pfahl ins Fleisch
gesetzt, mich dagegen mit der Physik gesegnet, damit mir es
im Anschaun seiner Werke wohl werde, deren er mir nur
wenig zu eigen hat geben wollen . . wie weit wir von ein-
ander abstehn, hab ich erst recht wieder aus dem Büchlein
selbst gesehn. Ich halte mich fest und fester an die Gottes-
verehrung des Atheisten p. 77 und überlasse euch alles, was
ihr Religion heisset und heissen m.üsst. Wenn du sagst, man
könne an Gott nur glauben . . , so sage ich dir, ich halte viel
123
aufs Schauen, und wenn Spinoza von der Scientia intuitiva
spricht, und sagt: „^Hoc cognoscendi genus etc. . . .; so geben
mir diese wenigen Worte Muth, mein ganzes Leben der Be-
trachtung der Dinge zu widmen, die ich reichen und von deren
essentia formali**" ich mir eine adäquate Idee zu bilden hoffen
kann, ohne mich im Mindesten zu bekümmern, wie weit ich
kommen werde und was mir zugeschnitten ist . . Vergieb, dass
ich so hingeschrieben habe, wie mirs eben ums Herz war . . .**
Jacobis zweite Schrift gegen Mendelssohns Partei gab also
durch ihre unwürdige Polemik Goethe das Signal von Jacobi
abzuschwenken. Um so treuer steht er zu Spinoza, wie er
und Herder ihn verstanden, sowohl auf seiner italienischen Reise
(1787), als auch in den Gedichten jener Periode, wie „Die
Weisen und die Leute'*, „Sag es niemand, nur dem Weisen*'
u. a. m. Am 15. Februar 1789 berührt Jacobi in einem Briefe,
der Goethe die neue Ausgabe der „Briefe** ankündigen soll,
noch einmal die alte Streitfrage. Damit schwindet zugleich
Spinozas Namen aus diesem so wertvollen Briefwechsel, der
auch in der Folge noch wichtige Aufschlüsse über Goethes
philosophischen Standpunkt gibt.
Mit Fichte, wie überhaupt der kritischen Philosophie, die
sich „vorzüglich aufs Trennen legt,** ist er unzufrieden. Da-
gegen begrüsst er (1808) Schelling als den ,, Spinoza redivivus*'
als Gesinnungsgenossen. Mit diesem teilt er auch die Ent-
rüstung über Jacobis „Von den göttlichen Dingen**. Weh-
mütig klingt es, wenn dieser trotzdem den berühmten Freund
nicht verlieren will und ihn bittet, bei der Aufzeichnung seiner
Erinnerungen auch „der Laube, in der du über Spinoza, mir
so unvergesslich, sprachst** (s. Brief vom 28. Dez. 1812) nicht
zu vergessen. Diese Mahnung war überflüssig. Denn gerade
durch Jacobis Schrift fühlte sich Goethe nur um so inniger
mit Spinoza verbunden, der nun nicht mehr von seiner Seite
wich, und dem er denn auch in seiner „Dichtung und Wahrheit **
in jenen allbekannten Stellen das schönste Denkmal gesetzt hat.
So zeigt sich denn „der grosse Heide** auch als Verehrer und
\''erfechter des „grossen Attheisten**, und freudig wird er von
den Gleichgesinnten als solcher gefeiert. Heine (Deutschland
I Buch 2. S 92) preist ihn als den „Spinoza der Poesie.
Alle Gedichte Goethes sind durchdrungen von demselben Geiste,
der auch uns in den Schriften des Spinoza anweht. Die Lehre
des Spinoza hat sich aus der mathematischen Hülle entpuppt
und umflattert uns als Goethesches Lied.*'
Aber erst Danzel liefert, nachdem Schlüter auf die Spino-
zistische Färbung einzelner Goethescher Schriften, besonders
124
der „Wahlverwandtschaften", hingewiesen hatte, eine glänzend
geschriebene und in der Hauptsache gelungene Monographie
„Ueber Goethes Spinozismus" (Hamburg 1843). Nach Danzel ist
Goethe der einzige, für welchen Spinoza die Grundlage seiner
Bildung geworden ist. Und dies trifft in der That bei den
meisten Spinozisten zu. Fast durchweg haben sie sich von
einem anderen mehr oder minder heterogenen Gebiete her auf
dem Boden des Spinozismus angebaut, ohne hier auf die Dauer
Wurzel zu fassen, während bei Goethe, den seine Naturstudien
und sein Pantheismus vorzüglich auf Spinoza vorbereitet hatten,
Spinozas Lehren die beste Muttererde vorfanden. Die gleich-
zeitige Philosophie will den Gegensatz zwischen Natur und
Geist mit Entlehnung Spinozistischen Werkzeugs idealistisch
lösen. Goethe sucht ihn in seiner Dichtung zu überwinden.
Unbeirrt durch die Einseitigkeit des kritischen Standpunktes,
brauchte er nicht das Gleichgewicht beider Pole zu verrücken
und zu zerreissen, was in Spinoza geeint war.
Gleichfalls dem Sinne des Meisters getreuer, als die idea-
listische Schule, löst Goethe die Frage nach dem Zusammen-
hange der endlichen Dinge mit der Substanz, die ihm als Rea-
listen besonders nahe liegen musste. „In der Kunst und im
Genie . . sehen wir das Individuum walten, aber dasselbe er-
hebt sich in sich selbst zum Ewigen, und wiederum ist dieses
letztere nicht ein Fremdes, sondern das Individuum hat seinen
inne wohnenden Inhalt und seine eigene Form als ewige erfasst.*'
Wie Danzel betonen auch Julian Schmidt und Kuno Fischer
neben der Anleitung, die Goethe von Spinoza in der Auffassung
des Naturlebens empfangen, die ethische Wirkung, die der
Denkerfürst auf den Dichterheros ausgeübt. Für beide hängen
diese Gebiete auf das engste zusammen. Die „Resignation"
ist eben die Anerkennung eines unverrückbaren Naturlaufes und
die Ergebung in den Willen eines unverbrüchlichen Natur-
gesetzes. Dass eine solche Moral auch krankhafte Auswüchse
haben kann, zeigen am besten Goethes ,, Wahlverwandtschaften".
Vorsichtiger äussert sich bereits Scholl (Briefe und Auf-
sätze . . S. 105). Er findet in dem Einfluss Spinozas auf
Goethe nur ,,die Bestärkung in eben dem Glauben, den er schon"
früher ,, äussert, dass Gott und Natur durch einander anzuschauen
seien. Dieser Glaube war in ihm energisch, war Eins mit
seinem Dichtertalent, seinem Berufe, darstellend sein Selbst zu
ergreifen, dichtend Erfahrung und Natur zu verklären." In
der That sind es verschiedene Quellen derselben Weitanschauung,
u. a. auch, wie bei Schelling, Giordano Bruno, welche, durch die
Bekanntschaft mit Spinoza mit einem Schlage an das Tage>-
125
licht gezaubert, nun für alle Zeit in einem Becken ihre Wasser
vereinigen.
Eine das gesamte zur Zeit vorliegende Material benutzende
Darstellung gibt uns erst Hettner (Literaturgesch. III S. 126 ff.).
Nach ihm hat Spinoza nicht allein sittlich auf Goethe eingewirkt,
wovon, als dem, was auch dem Greise noch geblieben, dieser
freilich in „Dichtung und Wahrheit*' am meisten spricht. Er
hat in ihm auch eine dogmatische Wandlung herbeigeführt.
Der ,, Prometheus" ist das erste Kind dieses System wechseis.
Danzel hatte in dem Gedichte ebenfalls Spinozismus finden
wollen, während andere darin Voltaires Züge erblicken. Jeden-
falls ist der hier offen ausgesprochene Atheismus höchstens als
Uebergangsstufe zum Pantheismus anzusehen. Anders steht
es schon mit dem Glaubensbekenntnis im „Faust". Mit Hettner
aber Goethe zum Lehrer Herders im Spinozismus zu machen,
widerspricht nicht nur allen sonstigen Darstellungen dieses
\"erhältnisses, sondern zugleich den Thatsachen selbst. Ein-
gehender über diesen Punkt und im ganzen kritischer urteilt
Pfleiderer.
Nach Suphan begann Goethe das eigentliche Studium
Spinozas unter Herders Anleitung erst 1784. Pfleiderer findet
aber Spuren ähnlicher Gesinnung schon früher bei Goethe, nicht
allein in seinen Ansichten von der Natur, sondern nicht minder
in seinen theologischen Anschauungen, obgleich er Spinozas
theol.-politischen Traktat nie erwähnt. Im Spinozismus fand er
den Stein der Weisen, den er vergeblich in der Kabbala und bei
Paracelsus, bei den Herrenhutern wie bei Lavater gesucht hatte.
Nun geht aber Pfleiderer entschieden zu weit, wenn er
einige Unterschiede, wie sie zwischen dem geometrischen Meta-
physiker des 17. und dem ganz in Empfindung und Anschauung
lebenden und webenden Dichter an der Neige des 18. Jahr-
hunderts ganz selbstverständlich, fast zu Gegensätzen heraus-
kehrt. Ganz ebenso wie Spinoza betont auch Goethe der Sub-
stanz gegenüber die Unwesenhaftigkeit des Modus, „sich auf-
zugeben ist Genuss." Ausdrücklich erklärt er sich gegen die
Annahme von Endursachen. „So wie Kant**, schreibt er an
Zelter (V S. 340), „hatte mich Spinoza früher schon in dem
Hass gegen die absurden Endursachen beglaubigt. Natur und
Kunst sind zu gross, um auf Zwecke auszugehen, und haben's
auch nicht nöthig, denn Bezüge giebt es überall, und Bezüge
sind das Leben." Und dass Spinozas mechanistische Naturer-
klärung sich doch noch wesentlich vom Systeme de la Nature
unterscheidet, sollte nicht erst gesagt zu werden brauchen.
Goethe fällt in diesem Punkte ebenso wenig wie Schelling von
126
Spinoza ab, wenn er, dem Fortschritte der exakten Wissen-
schaften entsprechend, die modernen Werte statt der veralteten
in den Rahmen des Spinozismus einsetzt. Goethe ferner unter-
schieben, dass nach ihm „dem Ganzen eine Idee zu Grunde
liege, wonach Gott in der Natur, die Natur in Gott von Ewig-
keit zu Ewigkeit wirken möge", heisst ihn, ganz ohne ersicht-
lichen Grund, auf den Boden des Idealismus zerren; und die
Gottheit als Verstand und Vernunft zu fassen, ohne dass hier-
bei die Ausdehnung zu kurz kommt, das verträgt sich sehr
wohl mit Spinoza. Von der bedingungsweisen Zulässigkeit des
volkstümlichen Anthropomorphisirens der Gottheit spricht schliess-
lich der Dichter des Faust auch nicht anders, als der Verfasser
des Tractatus theol.-politicus.
Treffend hält zwar Pfleiderer dem „Prometheus", als weit
Spinozistischer, „Die Grenzen der Menschheit" entgegen. Un-
haltbar aber ist die Behauptung, der Anschauungsweise Spinozas
widerstrebe die Erforschung des einzelnen Naturobjektes. Er
selbst war nicht nur ein tüchtiger Detailforscher, er fordert nicht
allein ausdrücklich zu naturwissenschaftlichen Studien auf, sondern
der Geist seiner Lehre hat seit Lichtenberg und Goethe die
exakte Forschung oft genug befruchtet und gefördert. Ebenso
verfehlt ist es, in Spinoza immer wieder den quietistischen
Mystiker zu suchen.
Goethe und Spinoza haben vielniehr im Kern ihrer Lebens-
und Weltansicht nichts, was ihre Bahnen hätte wesentlich aus-
einanderführen können. Goethe verharrt in der That auch
Zeit seines Lebens auf Spinozas Standpunkt. Von hier aus
erfasste er mit dem Blicke des Genies das Grosse und Bleibende
in dem Getriebe des menschlichen Fühlens und Handelns.
Unter der Lupe Spinozas erschloss ihm die Natur ihre ewigen
Geheimnisse. Shakespeare dort, wie Linne hier, gaben ihm
Sonde und Spaten, doch Spinoza führte seine Hand. Nicht
eine eigentliche Fortbildung des Spinozismus haben wir ihm
zu danken, sondern mehr eine Wiedergeburt Spinozas selbst.
Seinen zum System erstarrten Formen haucht der grosse Dichter
und Naturforscher frischen Odem ein. In seinen unsterblichen
Werken prangt der grosse Lehrer des Monismus in neuem
Kleide in ewig jugendlichem Leben.
§ 64. Schiller.
Brüderlich neben diesem Kastor unseres nationalen Schrift-
tums finden wir seinen Pollux auch hier an dem Himmel des
Spinozismus. Man denkt sich Schiller als Philosophen meist
127
gänzlich unter dem Einflüsse Kants. Um so mehr muss es von
von vornherein überraschen, ihn frühzeitig im Zusammenhange
mit Spinoza nennen zu hören. Man möchte zunächst mit
Schlüter (S. 106) meinen: Schiller als Enthusiast für moralische
Freiheit, für Tugend und Menschenadel stösst ... die spino-
zische Weltansicht. mit Hohn und Verachtung von sich."
Erst zwanzig Jahre später hören wir von Ueberweg ein
kritisches Urteil hierüber. Schon vorher hatte Gervinus (Ltrgesch.
Bd. V S. 153) vermutet, dass „Schiller mit spinozistischen An-
sichten im stillen Verkehr" gestanden. Boas hatte sogar in
„Schillers Jugendjahre" II, S. 182 f. behauptet: „Das frühe
Studium Spinozas hatte den Jüngling tief durchdrungen, hatte
sein ganzes Wesen erfüllt, und es spiegelt sich fast in allen
seinen Jugendwerken, mit besonderer Deutlichkeit aber in den
Briefen des Julius an Raphael." Ueberweg (Seh. als Historiker
und Philosoph 1884 S. 34) hält es nun zunächst für
sehr unwahrscheinlich, dass Schiller „auf der Akademie
oder auch in den nächstfolgenden Jahren Spinoza gelesen habe. "
In den erwähnten Briefen zeige das Gedicht „Die Freundschaft"
eine unverkennbare Verwandtschaft mit Spinozas Ansichten
(S. 35). Doch soll diese Schiller nicht wie Boas (S. 148)
wollte, unmittelbar aus Spinoza, sondern durch Vermittelung
der englischen Moralisten oder Leibniz kennen gelernt haben.
Allein Ueberweg selbst sagt, dass Schiller diese „auch nur
durch Klopstock und Haller kannte". Jedenfalls stehe Schillers
Theosophie Leibniz näher als Spinoza. Ausserdem bedenke
man die Unzugänglichkeit der Schriften des anrüchigen Ketzers,
dessen Nüchternheit poetisch gestimmte Jünglinge abstossen
musste!
Ferner findet sich in Schillers ,, Anthologie** (1782) unter der
Chiffre O ein Epigramm ,,Hier liegt ein Eichbaum umgerissen'*
u. s. w. (In Goedekes Ausgabe I. S. 226 No. 12.) Ueber-
weg sieht mit Boas (S. 182) hierin eine Anspielung auf Spi-
nozas Schicksal unter den Händen seiner Schüler. In diesem
Falle müsste der diesen gemachte „Vorwurf doch unvermeidlich
auf Leibniz zurückfallen", der andererseits aber, nach Ueber-
weg, unserem Dichter näher stehen soll, als Spinoza. Aus den
Worten Schillers „hör' ich reden" wird auch gefolgert, dass
er nicht Spinoza selbst gelesen.
Eine andere Möglichkeit der Bekanntschaft mit Spinoza
bietet nach Ueberweg die Lektüre des „Schwäbischen Magazin
von gelehrten Sachen" von Balthasar Haug, welches 1776
(S. 139 — 152) einen Aufsatz über Spinoza brachte, der aber,
anscheinend von theologischer Hand, nichts weniger als günstig
128
über den leibhaftigen Anti-Christ urteilte. Dass endlich Schiller
(1787) Körner bittet, ihm die Grundlehren Spinozas ausein-
anderzusetzen und noch 1788 gesteht, wenig Philosophisches
gelesen zu haben, ist, nach Ueberweg (S. 87), für seine An-
nahme entscheidend. So schliesst er denn auch in seinem
Grundriss 111*^ S. 295 zu Gunsten Leibnizens jeden Einfluss
Spinozos auf Schiller aus.
Ueberweg stützt sich also auf die Unzugänglichkeit der
Schriften Spinozas. Nun wird aber jedem, der die Geschichte
des Spinozismus, wie überhaupt die einer öffentlich verbotenen
und damit allen Neugierigen und freier Denkenden auf das
wirksamste empfohlenen Lehre kennt, dieser Grund nicht als
sehr stichhaltig erscheinen. In den Originalen wie in Ab-
schriften, in aufrichtigen wie in scheinbaren Widerlegungen ver-
breitet sich im Geheimen der Zündstoff solcher Lehren nach
allen Seiten.
Behauptet aber Ueberweg gar, Spinozas Schriften be-
leidigten ein dichterisches Gemüt, so stehen dem, neben vielen
anderen Beispielen, das nächstliegende eines C. Ph. Conz, des
Freundes des jungen Schiller, entgegen. Conz, seiner Zeit als
Dichter bekannt und später Professor in Tübingen, hat auch
in der Spinozaliteratur als einer der ersten deutschen Ueber-
setzer der theol. -politischen Abhandlung einen Ehrenplatz inne.
Sein Verhältnis zu Spinoza, mit dem er sich eingestandener-
massen schon früher beschäftigt hatte, ist sehr bezeichnend für
dasjenige Schillers zu dem Vater der modernen Bibelkritik.
Auch Conz bekennt als Philosoph den Kantianismus. \'on
diesem Standpunkte aus gibt er in der That am Schlüsse seiner
Einleitung eine ausführliche Kritik Spinozas. Trotzdem schätzt
er in diesem nicht allein den Mann, der in der Philosophie unter
den ersten zu nennen, sondern auch der modernen Theologie
weit vorgearbeitet, um nun undankbaren Plagiatoren in die
Hände zu fallen. S. VIII der Vorrede heisst es: „Was damals
z. Z. Spinozas empörte, ist jetzt durch die moderne Bibelkritik
selbst anerkannt." Und „gerade das Zusammentreffen dieser
Resultate" der modernen Foschung „mit denen unsers Yer-
fassers erhöht das Interesse an der Spinozischen Schrift, die
von grossen Theologen, von den älteren mit Schmähungen
abgefertiget, von neueren vernachlässigt ward, (z. B. L Clericus,
bibl. chois T. XXVI part. II. II est etonnant, que cet homme
ait pu passer apres cela pour un homme d'esprit en ces pro-
vinces, et ces Galimathias pour de helles choses.)" u. s. \v.
Ganz in demselben Geiste ist auch jenes Schillersche Epi-
gramm gehalten. Auch die Anspielung darin wird nun erst
129
klar. Es sind nicht Philosophen, die wenig gelesen zu haben,
Schiller selbst bekennt, sondern es sind die modernen Theologen,
gegen die er sich, ganz wie Conz, ohne sie zu nennen, wendet.
Seine Arbeit hatte Conz (s. Vorbericht S. III) bereits „zu einer
Zeit unternommen, als ihm sein damaliger öffentlicher Beruf
bey den bekannten, durch den neueren Geist der Philosophie her-
beigeführten, religionsphilosophischen Streitigkeiten eine Unter-
suchung der Urkunden unseres Glaubens zu einem dringenden
Anliegen seines Verstandes und Herzens machten. Wie er
zuerst dadurch in die Bekanntschaft mit diesem geistreichen
Werke gebracht wurde, wie es ihm angenehm und lehrreich
sein musste, den ruhigen, mit Würde und Strenge geführten,
Untersuchungen eines so vorzüglichen Denkers als Spinoza war,
zu folgen, so entstand in ihm der Gedanke, das Werk selber
anfänglich theilweise blos für seinen Gebrauch zu übersetzen,
und, als er damit weiter und weiter vorgerückt war, der andere,
es könnte wohl auch in dem gegenwärtigen Zeitpunkte eine
öffentliche Bekanntmachung dieser neuen Verdeutschung nicht
ohne Nutzen sein, um bei den Gährungen in der Philosophie
und Theologie das Studium der Freunde der Wahrheit und
ihre Prüfung in diesem Punkte auf einen Mann wieder zu
leiten, der es so sehr verdiente, durch Lessing und Jakobi aus
dem schmählichen Banne hervorgezogen zu werden, in den blin-
der Eifer, Missverstand und Unverstand und wohl auch böser
Wille, der an die Denkscheue sich gerne gesellt, ihn so lange
niedergedrückt hatten." Hier finden wir die nächste Quelle
für die Bekanntschaft Schillers mit Spinoza.
Bei näherem Zusehen erweist sich auch die Berufung auf
Schillers Briefwechsel mit Körner, als Argument gegen seine
nähere Kenntnis des Spinozismus, als gebrechliche Stütze. Am
23. Juli 1787 (s. Briefw. Lpzg. 1859 Bd. I S. 105) schreibt
Schiller an seinen Freund: „Von Herder ist mir hier eine
Schrift in die Hand gekommen. Gott ist der Titel. Der An-
fang, der von Spinoza handelt, hat mir gefallen. Das Uebrige
hat keine Klarheit für mich."
Unter dem 8. August heisst es bald darauf (a. a. O. S. 127):
„Ich sagte ihm" (Herder) „einiges, was ich über diese Materie
gedacht hatte, und dass ich aus der Idee Gott die ganze Philo-
sophie herableiten würde: Er sagte mir, er wünsche, dass ich
diese Schrift läse; sie würde für mich sein und enthalte seine
vollständige überzeugende Idee von Gott . . Lies sie doch und
schreibe mir Deine Meinung. Für mich enthält sie zu viel Meta-
physisches. Der Anfang mit Spinoza ist sehr interessant." . .
Es handelt sich also in Schillers Bitte nur um eine nähere
130
Erklärung dessen, was Herder in seiner Schrift als seine Auf-
fassung des Spinozismus gibt. Für Schillers Stellungnahme
zu Spinoza lässt sich daraus nichts Bestimmtes folgern. In
seiner Antwort (19. August, S. 144) geht Körner als Kantianer
auf Spinozas Auffassung von Raum und Zeit ein. „Die Schrift
„„Gott"" ist eigentlich ein Rückfall in seine" (Herders) „alten meta-
physischen Lieblingsideen, deren er sich jetzt beinahe schämt,
. . und doch ist sein ganzes System, so gut wie jedes andere,
eine metaphysische Hypothese, die auf willkürliche Begriffe
gegründet ist. . . Dass er" (Spinoza) „die Ausdehnung für eine
Eigenschaft Gottes annimmt, ist eine Folge der Cartesianischen
Begriffe von Geist und Körper. Ueber die Zeit dachte er
richtig. Er sah sie für eine Bestimmung abhängiger, be-
schränkter, veränderlicher Wesen an, deren das unabhängige
selbständige Wesen nicht fähig ist. Eben dieses würde er
auch vom Räume angesehen haben , wenn die Begriffe
über das Wesen der Materie zu seiner Zeit mehr aufgehellt
gewesen wären. Ihm fehlte der Mittelbegriff zwischen Körper
und Geist: substantielle Kräfte. . . (S. 146) Leibnitzs moralische
Nothwendigkeit war ein Wortbehelf, um dem Vorwurf des Fa-
talismus auszuweichen. . . (S. 147) Durch obigen Beweis vom
Dasein einer inneren Nothwendigkeit glaubt nun Herder das
Spinozasche System, sowie er es vorträgt, erwiesen zu haben . .
(S. 148) Aber sein ganzes System hat, sowie das Spino-
zasche, einen grossen Einwurf wider sich, den er nicht weg-
geräumt hat. Wenn nämlich Gott das einzige Prinzip aller
Thätigkeit in allen einzelnen existirenden Wesen ist, wo bleibt
die Individualität? Was gewinnt man durch eine Hypothese,
wogegen sich das Selbstgefühl der Persönlichkeit sträubt, als
den trostlosen Gedanken, dass alles, was der ausgebildetste
Mensch zu seiner Vervollkommnung gethan hat, nach seinem
Tode keine Spur zurücklässt? Die unendliche Kraft, die ihn
beseelt, ist keines Wachsthums fähig . . und ist Dir
der Begriff eine Gottheit denkbar, die sich selbst auf unend-
lich mannigfaltige Weise beschränkt, um durch diese Be-
schränkungen Individuen hervorzubringen.?"
Besonderen Ein-druck musste auch, wie auf Goethe, auf
Schiller Herders schwärmerische Begeisterung für Spinoza im
persönlichen Verkehr machen. Am 17. Mai 1788 (S. 297( schreibt
er an Körner: „Ich bin willens, Herdern diesen Sommer, so zu
sagen, zuverzehren", undkurzvorher(15. April, S. 277): „Dasssich
mein Julius gleich mit dem Universum eingelassen, ist bei mir
wohl individuell; nämlich, weil ich selbst fast keine andere
Philosophie gelesen habe und zufällig mit keiner andern bekannt
131
geworden bin. Ich habe immer nur das aus philosophischen
Schriften (den wenigen, die ich las) genommen, das sich dich-
terisch fühlen und behandeln lässt. Daher wurde diese Materie,
als die dankbarste für Witz und Phantasie, bald mein Lieb-
lingsgegenstand. " Schiller hielt also wie als Geschichtsschreiber
so auch in der Philosophie eine poetische Auslese, und da
zeigte sich der Spinozismus der dichterischen Behandlung gar nicht
so spröde, wie Ueberweg behauptet.
Ebenso wenig kann man mit diesem in der „Theosophie"
mehr Leibniz als Spinoza finden. Ueberweg selbst sagt (S. 84),
die Theosophie kulminire in dem Satze: „Die Natur ist der
unendlich geteilte Gott; Gott ist die ursprüngliche Einheit der
Natur . . (S. 85) Sie steht dem Monismus des Spinoza nicht
fern. Die von Spinoza behauptete wesentliche Zusammengehörig-
keit der beiden Attribute seiner „Substanz: Denken und Aus-
dehnung, lässt sich in Schillers Sätzen über Bewegung und
Geist wieder erkennen. Die Spinozistischen Modi und jene
Schillersche, Selbstteilung der Gottheit, die der Spaltung des
Lichtstrahles verglichen wird, aus dessen getrennten Elementen
sich die ursprüngliche Einheit durch Wiedervereinigung her-
stellen kann, sind Vorstellungen, die mit einander etwas Ver-
wandtes haben, sofern in beiden das Individuelle als eine gewisse
Selbstbeschränkung des Absoluten erscheint. . . Die Schillersche
Philosophie unterscheidet sich von dem Spinozistischen System
nicht unwesentlich, theils in den philosophischen Principien,
theils und noch mehr in einzelnen religiösen Doctrinen.*' Bei
Schiller: „Theilung der göttlichen Substanz in zahllose empfin-
dende Substanzen, Spinoza kennt nur die Eine Substanz, die
ihm nicht ein persönliches Wesen, sondern die allgemeine
Grundlage aller persönlichen Wesen ist. Der Theosoph lässt
Gottes idealisches Geistesbild in die Wirklichkeit hinübertreten:
Spinoza kennt keinen derartigen Uebergang, sondern nur ewige
Immanenz der göttlichen Substanz in der Endlichkeit und der
Endlichkeit in Gott." Bei Spinoza hat jeder Modus nur zeit-
weilige Existenz, ist Gott nicht wirksam ausser der Nothwen-
digkeit, giebt es keinen Glauben jenseits der reinen X'ernunft-
erkenntnis. „In den meisten von den Beziehungen, w^orin der
Theosoph von Spinoza abweicht, steht er Leibniz näher. " Doch
gesteht ja Ueberweg zugleich (S. 87), dass Schiller Leibniz
jedenfalls ebensowenig aus seinen eigenen Werken studirt habe,
wie Spinoza, und dass ausserdem die „Schillerschen Substanzen
nicht wie die Monaden selbständig und abgeschlossen" .sind.
Somit finden wir im Schillerschen Spinozismus wiederum
einen selbständigen, geistreichen Versuch, die Kluft zwischen
9*
132
der Spinozischen Substanz und der Welt der endlichen Dinge,
auf die ihn sein Freund Körner hingewiesen hatte, durch eine
Art Selbstbeschränkung der Gottheit, wie sie dieser auch schon
in Spinoza selbst finden will, auszufüllen. Mit Recht vertritt
deshalb Hettner (Bd. 3 S. 396 ff.) die Sache Spinozas mit
grossem Eifer. Spuren von Pantheismus zeigen sich schon in
manchen Gedichten der Anthologie, besonders in der scharfen
Betonung der Thatsächlichkeit der Natur, ohne welche Gott
gar nicht gedacht werden kann. Gleichen Geist verraten „Die
Grösse der Welt", die „Hymne an den Unendlichen", „die
Freundschaft" („Geisterreich und Körperweltgewühle wälzet
Eines Rades Schwung zum Ziele"), vor Allem die philosophischen
Briefe zwischen Julius und Raphael. „Gott und Natur sind zwei
Grössen, die sich vollkommen gleich sind. Die ganze Summe
von harmonischer Thätigkeit, die in der göttlichen Substanz
beisammen existirt, ist in der Natur, dem Abbild dieser Substanz,
zu unzähligen Graden und Massen und Stufen vereinzelt; die
Natur ist ein unendlich getheilter Gott. . . Liebe ist die Leiter,
worauf wir emporklimmen zur Gottähnlichkeit; ohne Anspruch,
uns selbst bewusst, ziehen wir dahin!** Diesen spinozistischen
Nerv fühlen wir auch aus allen übrigen Schöpfungen Schillers
heraus, so aus den Briefen über ästhetische Erziehung, aus
der Abhandlung über die erste Menschengesellschaft, aus „naive
und sentimentale Dichtung" u. s. w.
§ 65. Wilh. V. Humboldt.
Hier liegt zugleich ein Punkt, in welchem sich Schiller mit
zwei ihm auch sonst nahe verwandten Geistern bemhrt. Er
schreibt am 14. April 1783 an Reinwald (s. Wolzogen, Seh. 's
Leben Bd. I S. 102): „Und sind nicht alle Erscheinungen
der Freundschaft und Liebe vom sanften Händedruck und Kuss
bis zur innigsten Umarmung so viele Aeusserungen eines zur
Vermischung strebenden Wesens?" Eine ähnliche All-Einslehre
finden wir nun auch bei Wilhelm von Humboldt, der im
übrigen Kantianer wie Schiller. („Ueber den Geschlechts-
unterschied" bei R. Haym, W. v. H., Berlin 1856 S. 111):
„Die physische und die moralische Welt machen doch zuletzt
nur Ein grosses Ganze aus, und die Erscheinungen in beiden
gehorchen nur einerlei Gesetzen.** Nach der Erforschung beider
,, bleibt endlich noch ein Blick auf das gegenseitige Verhältnis
dieser beiden völlig ungleichartigen Reiche übrig, um diejenigen
Gezetze aufzufinden, welche, in beiden herrschend, die höchste
Verknüpfung des Naturganzen vollenden."
133
§ 66. Hölderlin.
Wie Humboldt ausser in seinem Kantianismus, so stand der
unglückliche Hölderlin ausser in seiner glühenden Begeisterung
für die Griechen, auch in seinem Pantheismus Schiller sehr
nahe. In demselben Jahre, in welchem dieser an Goethe schrieb
(30. Juni 1797), dass er sich durch Hölderlins Erscheinung
sehr oft an seine eigene sonstige Gestalt erinnert fühle, erschien
der erste Teil des „Hyperion". Schon 1791 hatte Hölderlin,
mit Schelling und Hegel Zögling des Tübinger Stifts, in des
letzteren Stammbuch das ev xai icctv als sein Symbolum ein-
geschrieben (s. Rosenkranz, Hold, s Leben, Berlin 1844, Vor-
rede S. IV). Im Spinozismus findet denn auch Hyperions ver-
störtes Gemüt die ersehnte Ruhe und Befriedigung. „Du scheinst
noch, Sonne des Himmels! . . Mir ist, als löste der Schmerz
der Einsamkeit sich auf ins Leben der Gottheit. Eins zu sein
mit Allem, das ist Leben der Gottheit, das ist der Himmel des
Menschen ! Eins zu sein mit Allem, was lebt, in seliger Selbst-
vergessenheit wiederzukehren ins All der Natur, das ist der
Gipfel der Gedanken und Freuden. Eins zu sein mit Allem,
was lebt! Mit diesen Worten legt die Tugend den zürnenden
Harnisch, der Geist des Menschen den Scepter weg und alle
Gedanken schwinden vor dem Bilde der ewig einigen Welt,
und das eherne Schicksal entsagt der Herrschaft, und aus dem
Bunde der Wesen schwindet der Tod, und Unzertrennlichkeit
und ewige Jugend beseligt und verschönert die Welt. . . Wisst
Ihr seinen Namen? den Namen dess, der Eins ist und alles.
Sein Name ist Schönheit. . . Ideal wird, was Natur war . .
einiges, ewiges, glühendes Leben ist überall.*'
§ 67. Kant.
Wie diese seine Freunde, hat also auch Schiller einen
Grundzug seines Denkens dem Spinozismus entlehnt, der ihm
selbst später noch als Massstab in der Beurteilung philosophischer
Grössen diente, als er bereits eifriger Kantianer war, so wenig
sich auch äusserlich beide Doktrinen zu vertragen scheinen.
Kant war erst durch den Jacobi-Mendelssohnschen Streit auf
Spinoza näher aufmerksam geworden. Der Verfasser der Ver-
nunftkritik erschien auf seinem Standpunkt ausserhalb aller
Parteien am geeignetsten zum Schiedsrichter ; von beiden Seiten
bemühte man sich um seine Unterstützung.
Schorr am 28. Sept. 1785 schreibt Hamann an den Ver-
fasser der „Briefe über die Lehre Spinozas" (Jacobis W. Bd. IV
Abt. 3 S. 82): „Kant ist mit Ihrem Vortrag und dem Inhalt
134
der ganzen Aufgabe sehr zufrieden. Aus dem System des
Spinoza hat er niemals einen Sinn ziehen können ; und mit Kraus
ein Langes und Breites drüber gesprochen, der aber Ihre Schrift
noch nicht gelesen. Herzlichen Dank . . von Hippel. Er liest
sehr langsam und war noch nicht fertig, als ich ihn das letzte-
mal besuchte." So glaubte Hamann bereits, Kant und dessen
nähere Freunde, wie Kraus, der in der That auf Spinoza nicht
besonders günstig zu sprechen war, auf seiner Seite zu haben.
Nicht lange darauf erhält Kant (15. Okt. 85) von Mendelssohn
ein Exemplar der „Morgenstunden'' mit einem Anschreiben
(Mend. s ges. Sehr. 1844 Bd. 5 S. 637): „Herr Jacobi ist
mir zuvorgeeilt." . . der „darauf ausgeht, unsern Lessing zum
erklärten Spinozisten zu machen. Jacobi will ihm den Spino-
zismus vordemonstrirt haben; Lessing habe alles mit seinen
Grundsätzen übereinstimmend gefunden, und sich gefreut, nach
langem Suchen endlich einen Bruder im Pantheismus anzutreffen,
der über das System des AU-ein- oder Ein-allerlei so schönes
Licht zu verbreiten weiss. Er für seine Person zieht sich am
Ende unter die Kanone des Glaubens zurück. . . Ueberhaupt
ist diese Schrift des Herrn Jacobi ein seltenes Gemisch, eine
fast monströse Geburt ; der Kopf von Goethe, der Leib Spinoza,
und die Füsse von Lavater. Mit welchem Rechte aber man
sich jetziger Zeit so allgemein erlaubt, eine Privat- Correspondenz,
ohne Anfrage und Bewilligung von Seiten des Briefschreibenden,
öffentlich bekannt zu machen, ist mir unbegreiflich . . Wie
hat Jacobi . . sich überwinden können, dieses Geheimnis seines
verstorbenen Freundes nicht nur mir, vor dem er es geflissent-
lich verborgen, sondern der ganzen Welt zu verrathen ? Seine
eigene Person bringt er in Sicherheit, und verlässt seinen
Freund nackt und wehrlos auf freiem Felde, dass er ein Raub
oder ein Spott der Feinde werde. Ich kann mich in dieses Betragen
nicht finden, und möchte wissen, was rechtschaffene Männer
davon denken. Ich fürchte, die Philosophie hat ihre Schwärmer,
die ebenso ungestüm verfolgen und fast noch mehr auf das
Proselytenmachen gesteuert sind, als die Schwärmer der po-
sitiven Religion."
In der That fühlte sich Kant ebenso wie Mendelssohn
sachlich wie persönlich gegen Jacobi und seinen Anhang ein-
genommen. Er macht kein Hehl daraus, wie sehr ihm „die
Jacobische Grille . . eine affektirte Genieschwärmerei" zuwider
war; er verwahrt sich gegen die Leichtfertigkeit, mit welcher man
aus seiner Lehre einen „verklärten" Spinozismus herafcsdrechseln
wollte. Doch giebt er Hamann und Jacobi so ausweichenden
Bescheid, dass diese ihn noch immer zu gewinnen hoffen.
136
Am3. Dez. 85 schreibt Hamann anJacobi (a. a. O. S. 114):
„Kant hat mir gestanden, den Spinozismus niemals recht
studirt zu haben. , . Mit Ihrem Vortrag war er sehr zufrieden,
und diesen beneidet er auch dem Mendelssohn," und am
28. (S. 122): „Ich werde noch Alles anwenden, um Kant zum
Schreiben aufzubringen." Freudig hatte denn auch schon am
14. Jacobi Goethe über Kants Beifall berichtet. Für die neue
Auflage seiner Schrift, die er Kant zugeschickt hatte, erhielt er
von diesem selbst ein Dankschreiben, in dem es u. a. heisst:
„Den Synkretismus des Spinozismus mit dem Deismus in
Herders Gott haben Sie aufs Gründlichste widerlegt." Doch
stellten sich die Sachen immer schlimmer für ihn.
Am 4. März 86 empfängt er von Hamann die Nachricht
(S. 174): „Ich habe gestern Kant besucht, der voll von der
Alendelssohnschen Sache ist. Wir waren weit von einander
in unseren Urteilen", und unter dem 9. April (S. 202) heisst
es : „Von Brahl.. erhielt ich den vorläufigen Wink, dass Kant sollte
ersucht worden seyn aus Berlin, den Schiedsrichter abzugeben;
wozu er denn wohl zu klug ist. Er soll sich aber auch so etwas
haben entfahren lassen, und es ist wahrscheinlich, dass er
von seinem gewesenen Schüler, D. Herz, darum ersucht worden.
Kant hat erklärt, dass er etwas in die Monatsschrift über
die Verdienste Mendelssohns um die jüdische und christliche
Religion wollte einrücken lassen", er soll „bis zur Schwärmerei
von Mendelssohns Original-Genie und seinem Jerusalem ein-
genommen gewesen seyn. . . (S. 203) Kants Neutralität lassen
Sie sich gar nicht beunruhigen . . (S. 229) Hippel . . ist
gleiches Sinnes mit uns." Am 29. Juni meldet der „Magus des
Nordens" (S. 229): „Kant schreibt über das Mendelssohnsche
Orientii'en etwas, aber er ist Dein Freund und des Resultaten-
machers" (Wizenmann). „Crispus" (Kraus) „studirt auch jetzt
den Spinoza . ." Doch zu dem Kernpunkt der Frage, zu Spinoza
selbst, hatte Kant noch immer nicht bestimmt Stellung genommen,
da er ihn ebenso wenig wie Jacobis Schrift über ihn verstehen
zu können offen bekennt. Erst einer seiner Schüler, Ludwig
Heinrich Jakob in Halle,* schrieb unter seiner Aegide eine
„Prüfung der Mendelssohnschen Morgenstunden oder aller spe-
kulativen Beweise für das Dasein Gottes . . Nebst einer Ab-
handlung von Herrn Professor Kant'* (Lpzg. 1786). Hier
heisst es (S. 189): „Auch gegen den Spinozismus lässt sich . .
gar nicht dogmatisch zu Felde ziehen, so dass man ihm etwas
Positives entgegen setzen könnte. Wir können ihm bloss das
Unzureichende seiner Beweise zeigen, und er mag sein speku-
latives System noch so fein ausgesponnen haben, so wird es
136
sich doch nie über das Ansehen einer Hypothesa erheben
können, weil wir schon a priori allem, was die Vernunft er-
sinnet, seinen gewissen Platz anweisen können, indem alles,
was Verstand ohne Erfahrung erdenkt, objektive nichts ist,
unerachtet kein einziger Widerspruch in dem erdachten System
ist. Kömmt es aber bloss darauf an, transcendentale Hypothesen
auszuhecken, so werden sich genug erfinden lassen, die wir
andern Dogmatikern entgegensetzen können; und wenn sonst
moralische Zwecke es erfordern, die eine der andern vorzuziehen,
so werden uns keine Grübeleyen daran verhindern können. . .
(S. 191) Es würde dem Spinozisten leicht fallen, sich gegen
alle dogmatischen Behauptungen des Herrn Mendelssohn zu
retten, und sogar die Lücken, die er wahrzunehmen glaubt,
vollkommen auszufüllen, ob er gleich dadurch für die Realität
seines Systems nichts gewinnen würde, da er auch nur als
ein rechter Dogmatiker in dem grundlosen Ocean der leeren
Ideen festen Fuss fassen will, welches doch ganz unmöglich ist."
Kant selbst setzt sich, entsprechend der höheren Bedeutung,
welche der Spinozismus seitdem gewonnen, mit ihm in seiner
Kritik der Urteilskraft ausführlich auseinander. Spinoza will
(W. Rosenkr. Bd. IV S. 281 f.) „uns aller Nachfrage nach dem
Grunde der Möglichkeit der Zwecke der Natur dadurch überheben
und dieser Idee alle Realität nehmen, dass er sie überhaupt nicht
für Produkte, sondern für einem Urwesen inhärirende Accidenzen
gelten lässt, und diesem Wesen, als Substrat jener Naturdinge
in Ansehung derselben nicht Causalität, sondern blos Sub-
sistenz beilegt und (wegen der unbedingten Notwendigkeit des-
selben, sammt allen Naturdingen, als ihm inhärirenden Accidenzen)
den Naturformen zwar die Einheit des Grundes, die zu aller
Zweckmässigkeit erforderlich ist, sichert, aber zugleich die Zu-
fälligkeit derselben, ohne die keine Zweckmässigkeit gedacht
werden kann, entreisst und mit ihr alles Absichtliche, so wie
dem Urgründe der Naturdinge allen Verstand, wegnimmt.
Der Spinozism leistet aber das nicht, was er will. Er
will einen Erklärungsgrund der Zweckverknüpfung (die er nicht
leugnet) der Dinge der Natur angeben und nennt blos die
Einheit des Subjects, dem sie alle inhäriren. Aber wenn er
ihm auch diese Art zu existiren für die Weltwesen einräumt,
so ist doch jede ontologische Einheit darum noch nicht sofort
Zweckeinheit und macht diese keineswegs begreiflich. . . Man
sieht hieraus wohl, dass Spinoza dadurch, dass er unsere Be-
griffe von dem Zweckmässigen in der Natur auf das Bewusst-
sein unserer selbst in einem allbefassenden (doch zugleich
einfachen) Wesen zurück führte und jene Form blos in der
137
Einheit des letztem suchte, nicht den Realism, sondern blos
den Idealism der Zweckmässigkeit derselben zu behaupten
die Absicht haben musste, diese aber selbst doch nicht bewerk-
stelligen konnte, weil die blosse Vorstellung der Einheit des
Substrats auch nicht einmal die Idee von einer auch nur un-
absichtlichen, Zweckmässigkeit bewirken kann." Kants eigene
Ansicht ist (§ 80 S. 315 f.): „Gleich wie der Mechanismus
der Natur . . allein nicht zulangen kann, um sich die Mög-
lichkeit eines organisirten Wesens danach zu denken, sondern
(wenigstens nach der Beschaffenheit unsers Erkenntnisvermögens)
einer absichtlich wirkenden Ursache ursprünglich untergeordnet
werden muss: so langt eben so wenig der blosse teleologische
Grund eines solchen Wesens zu, es zugleich als ein Product der
Natur zu betrachten und zu beurtheilen, wenn nicht der
Mechanism der letzteren dem ersteren beigesellt wird, gleich-
sam als das Werkzeug einer absichtlich wirkenden Ursache,
deren Zwecke die Natur in ihren mechanischen Gesetzen
gleichwohl untergeordnet ist.
Die Möglichkeit einer solchen Vereinigung zweier ganz
verschiedener Arten von Causalität, der Natur in ihrer all-
gemeinen Gesetzmässigkeit, mit einer Idee, welche jene auf
eine besondere Form einschränkt, wozu sie für sich gar keinen
Grund enthält, begreift unsere Vernunft nicht; sie liegt im
übersinnlichen Substrat der Natur, wovon wir nichts bejahend
bestimmen können, als dass es das Wesen an sich sey, \'on
welchem wir blos die Erscheinung kennen. Aber das Princip :
Alles, was wir als zu dieser Natur (Phaenomenon) gehörig und
als Product derselben annehmen, auch nach mechanischen
Gesetzen mit ihr verknüpft denken zu müssen, bleibt nichts
desto weniger in seiner Kraft; weil, ohne diese Art von Cau-
salität, organisirte Wesen, als Zwecke der Natur, doch keine
Naturproducte seyn würden "
Wir stehen hier an dem springenden Punkte im ganzen
Kantischen Gedankenkreise. Es ist ein durchgängiger, unver-
söhnlicher Dualismus, der das Reich der Natur, des Phaeno-
menon, von dem Noumenon, dem der Vernunft, trennt; der-
selbe Gegensatz von Körperlichem und Geistigem, von Sinnlichkeit
und Verstand, welcher Kant die Annahme einer transcendentalen
Freiheit ermöglicht, während im Reiche der Natur, der Sinn-
lichkeit, der absolute Determinismus herrscht. Genau derselbe
Dualismus zerreisst auch Spinozas Gedankenbau unter der
künstlichen Decke der substantiellen Einheit in zwei
unvereinbare Gegensätze. Nur mit dem Unterschiede,
dass Spinoza sie auf theoretischem Wege, durch eine speku-
138
lative Mystik zu vermitteln sucht. Somit hat Kant wohl ein
Recht, über die vergeblichen Bemühungen der Dogmatiker die
Lauge seines Spottes auszugiessen. Doch merkt er dabei nicht,
wie sehr er hiermit sein eigenes Werk zersetzt.
Durch den Hinweis auf jenes absolute Uebersinnliche,
welches den Weltbau harmonisch abschliessen soll, ist Kant
in die Fussstapfen der Eleaten und Piatons getreten. Damit
hat er seinen Nachfolgern den Weg gewiesen und z. T. selbst
die Wiedergeburt, des Spinozismus in Deutschland veranlasst.
Hierzu kommt, dass es dem folgenden Geschlechte Bedürfnis
war, sich nicht mit Begriffen wie „Freiheit", als blossen Postu-
laten, abspeisen zu lassen, zumal Kant selbst in der Behandlung
dieser praktischen Vernunft sich unbestimmt und schwankend
gezeigt hatte.
Der andere wichtige Begriff, der bei Kant nur ein ver-
kümmertes Dasein fristet, ist die Religion. Mag er nun hierbei
mit der Tagesmeinung einen Kompromiss geschlossen haben
oder nicht, jedenfalls steht er hier noch ganz in dem deistischen
Anschauungskreise, wogegen Goethes Poesie und Schellings
Naturphilosophie die kräftigste Gegenwirkung ausübten, und
worin ihm Spinoza mit seiner Auffassung der Religion weit
voraus war. Dagegen erinnert Kants Scheidung des wissen-
schaftlichen auf das Ideelle gerichteten Denkens von der in
praktischen, sinnlichen Interessen steckenden Religiosität stark
an den theologisch-politischen Traktat, dem ja auch aus glei-
chem Grunde der gleiche Vorwurf wie der Kritik der prak-
tischen Vernunft gemacht worden ist. Auch fasst Kant die
Gestalt Christi ebenso symbolisch, wie vor ihm Spinoza. Das
Hinausgehen über Kant war somit z. T. gewissermassen ein
Fortschreiten vom Tract. theol.-politicus zur „Ethik", welches
sich aber nicht selten zu jener leeren Schwärmerei verirrte,
die schon Kant mit den Worten geisselt (Prakt. Vern. Bd. \HI
S. 304, vgl. Urthlskr. Bd. IV S. 180): „Leere Wünsche und
Sehnsuchten nach unersteiglicher Vollkommenheit bringen nur
Romanhelden hervor, die, indem sie sich auf ihr Gefühl für
das überschwenglich Grosse viel zu gute thun, sich dafür von
der Beobachtung der gemeinen und gangbaren Schuldigkeit,
die alsdann ihnen nur unbedeutend klein scheint, freisprechen."
Der kategorische Imperativ sollte dieser Zügellosigkeit steuern.
Doch riss er, selbst einem Schiller und Fichte zu jäh, den
Menschen von dem Boden des Gefühlslebens, der Sinnlichkeit.
Hier war nun ein neues Leck, durch welches die Fluten einer
anderen Zeit hereinbrausten. Mit den Mitteln, die bei Spinoza
Gegensatz von Imaginatio und Intellectus hatten aufheben sollen.
139
glaubte man den Widerstreit zwischen Pflichtgebot und Sinn-
lichkeit lösen zu können. Auch in einzelnen Punkten seiner
theoretischen Philosophie steht Kant Spinoza nicht allzu fern,
so gross auch im wesentlichen ihre Verschiedenheit sein mag.
Jedenfalls ist erst seit Kant, der der Metaphysik ihre Nebel-
baukunst ein für alle mal verleidet und sie auf den festen Boden
der Erkenntnislehre gestellt hat, ein gründlicheres Eingehen
auf Spinoza zu datiren. Die Metaphysik, die er erwartet hatte,
glaubten seine Schüler zu treiben, indem sie sich das Material
dazu hauptsächlich von Spinoza holten.
§ 68. Kessler.
Einen solchen Denker, der aus der Schule Kants zu Spinoza
kommt, haben wir bereits in Herder kennen gelernt. Einen
unmittelbaren Nachfolger findet dieser in dem Kapuziner Kessler.
Seine „Rückblicke" (Breslau 1824) geben uns ein getreues
Bild der Wandlung, welche um die Wende des vorigen Jahr-
hunderts, entsprechend der Verjüngung des deutschen Protestan-
tismus, auch des Katholizismus, besonders in Oesterreich unter
Josef II., durchgemacht hat. In bunter Aufeinanderfolge wechselt
Kessler Vaterland, Glauben, philosophisches Bekenntnis; erst
in Spinoza findet er endgiltige Befriedigung und sicheren
Halt. Schon in der Klosterzelle (S. 58) hatte er Edelmann. (S. 188)
Hobbes, Helvetius und andere Kreigeister gelesen. Mendelssohns
Pentateuchübersetzung wollte er sogar (S. 204), ein deutliches
Zeichen seines damaligen Standpunktes, dem hebräischen Texte
bfeigedruckt wissen; doch sträubte sich Joseph IL dagegen:
„Mendelssohn war ein Naturalist, und ich will nicht, dass meine
Juden Naturalisten werden."
Im Jahre 1787 lernte er Spinoza näher kennen. (S. 219)
„Als Lehrer der Dogmatik und Polemik musste ich mich . . .
mit den sog. Deisten . . recht gründlich einlassen. Es war
mir leicht geworden mit der Gesamtheit dieser Geister fertig zu
werden. Doch einer, gerade der, dem ich am gewaltigsten
zusetzen wollte, Ben. Spinoza, bemächtigte sich meines ganzen
Wesens. "
Durch die scholastischen Studien „war ich . , zu dem
Verständnisse des tiefsinnigsten Philosophen gründlich vor-
bereitet. Ohne diese Vorbereitung würde ich gewiss ebenso
jämmerlich, wie hundert andere, an der berühmten Klippe der
Spinozistischen Substanz gescheitert seyn. Mein dogmatisch-
polemisches Collegium wurde nun sehr sieht und trocken;
denn ich hatte an mir selbst zu arbeiten. Zum ersten Male
140
hatte ich hinter der Verwirrung der Skepsis einige Funken
des Lichts erblickt; aber es war Licht des Verstandes, nicht
Erleuchtung aus der Vernunft über die Verständigkeit aus-
gegossen; darum führte mich jenes wieder nur auf meine
alten Wege, auf welchen nie etwas Ganzes und Gediegenes in
mir werden konnte, weil überhaupt durch Bücher nichts im
Menschen wird. . . (S. 220) Spinozas opp. posth. lagen als eine
algebraische Grösse vor mir. . . Doch seine streng-wissenschaft-
liche Methode wirkte mit unwiderstehlichem Reize auf mich;
ich entsagte der unhaltbaren Skepsis; mein Verstand nahm
seinen Pantheismus, so wie sein Buchstabe ihn ausspricht, be-
gierig in sich auf, und jede Wiederholung seiner dogmatischen
Formeln . . legte einen neuen Quaderstein zu dem Gebäude,
in dem ich bald, jedem Sturme trotzend, unerschütterlich zu
thronen hoffte. Nachdem ich endlich die Ethik mehrmals
durchgelesen hatte, schien ich mir ganz einheimisch in dieser
scheinbar festen, auf diamantenen Felsen erbauten Burg; denn
ich wusste buchstäblich alles, was Spinoza geschrieben, aber
ebenso wenig, als seine Gegner, auch nur das Geringste von
dem, was er in dem Ein und All erschauet und gedacht . . hatte.
Dennoch hatte seine Ethik einige Regungen des Lebens in mir
geweckt. Dieses bildete sich nun selbstthäjtig in mir fort, bis
es zur Kraft gedieh, welche mich zwang, einzusehen, dass mein
X'eretand wieder nur ein unhaltbares System mit einem folge-
richtigem vertauscht habe." 1791 wurde Fessler (S. 254) in
Schlesien Protestant. Etwa um dieselbe Zeit widmete er sich
auch dem Studium Kants.
^ Schon in Kuttlau hatte ich es angefangen, nachdem ich
in der kalten Ruhe meines Pantheism, den ich mir aus dem
missverstandenen Spinoza angeklügelt hatte, durch Poiret cogit.
rat., Cudworth System, intell. Mendelssohn Morgenstunden und
Jaoobis Abhandlung über die Lehre Spinozas, den sie alle
nicht weniger als ich, missverstanden hatten, war gestöret
worden.** 17S)9 (S. 328) studirte er endlich nach einer inhalts-
reichen Unterredung mit Herder nochmals die Ethik, aber dies-
m:ü nicht bloss nach dem Buchstaben; sondern er „folgte
selbstihätig der in ihr allumfassend lebenden und leuchtenden
Grundidee. Da ward mir klar, dass Spinoza von der reinen
\'emunftanschauung des absoluten Se\Tis, oder eines ewigen
unbedingt nothwendigen Wesens, ausgehend, durch sein ganzes
Lehrgebäude sich als den tiefsinnigsten X'erkündiger eines ein-
zigen, wahren, von der Enicheinungswelt wesentlich verschie-
denen Gottes bewähret: das sichtbare Universum, oder den
sjesiimmten Inbei^jriff alles Endlichen, durchaus nur als eine
141
X'emeinunsr des einzisen. selbständisen ursd ewieen Se\iis be-
trachtet: hiermit aller \'er£:'""ittemr5 der erscheinenden Narur
geradezu \\idersprc»chen habe: fo-glich der Pantheismus ihm
nur von der Bc-sheit oder von dem Unverstände angedichtet
worden sev- . . . <S. 33<J' So erfuhr ich wohl allmälie- was es
heisse, mit dem Geiste eines tiefgedachten, streng fo-gerichtfgen
Systems bekannt zu werden."
§ 6v. Maimon.
Wie in Fessler aus dem böhmischen Katholiken, so war
in Salomon Maimon aus dem polnischen Juden ein Kandaner
und Spinozist geworden. Neben der jüdischen Literarjx haue
Maimon schon frühzeitis: auch den Carte:?ianismus aus Srcms
-Phx'sik'' kennen gelernt: ähnlich wie Malebranche hane er ihn
gelegentlich durch Tlercuäierei bethätigt = -Lebensgeschichte"
ITvJ S. 146». Auch mit der Kabbala wurde er venraut
•S. 141 »: sie ist ihm .nichts anders als er.veiterter Sr:nczisn:us,
worin nicht nur die Entstehung der Welt aus der Einschrlln-
kun^ des göttlichen Wesens überhaurt erklärt, s^-ndem auch
die Entstehung einer jeden Art vor. Wesen und ihr \'erhä!:ri5S
zu allen übrigen aus einer besr^ndem Eigenschaft Gi-rres her-
geleitet wird." In Berlin -S. 16 j» las er ^den Spinoza: das
*jefe Denken dieses Phil:»s-rphen und seine Liebe zct Wahrheit
ge!:el mir ungemein, und da ich schon in Polen durch \"er-
anlassuns: des Ka^bali^tischen ajf das Svstenn de^^lben ^e-
rathen war, so izenz ich darüber aufs neue nachzudenken an,
und wurde von*des^en Wahrheit s:» überzeugt, ca^:^ al^e Be-
»'^ • - Vi II «-, y-|-Ä« \f^i*^ "»^'iiC "i*^*^^ •»-»-'«-«V« ."^CV".-«^ o^'7"'*'>'»~"^ "'^■^ ••■^-•. -.V.- -.-
\varen. Ich beantwortete alle dagegen vcn der. Wzlr.anem
gemachte Einwendunzen. n:acr:te sei r st Einwendunzen ^ezen
ihr System. . . Ichknntemir auch das Beharren ^5endelss*chns
Mr.d der Wolftaner überhaupt auf ihr Systent nicht anders als
flr politische Knine \:r.d Heuchelei erklären, wodurch sie sich
befu^sentlich der Denkungsart des gemeinen ^!annes zu nähern
'"^tiir*!? ^ ^ S-l. i rf«*»" *•'»!• -•^«-''-^•^ "^r* 'i^Vr*^' O' '•'"'^ i;'"C x-^^—
.:ung zum Spin-rzi^mus v.elches ihn: wahrhaftig kein Selrst-
der.ker verargen kann Mencels>:hn \vit auch seinen Freund
eine sich darauf beziehende K-.rrespcnder^ ■ ffentlich bek^innt.
cie ear nicht dazu be^t:n^.mt war im Drucke zu erscheinen.
und dem Pubükunt zur Schau ge-tellt zu werden. Wozu srllte
v:ie>a?? Ist der Spinozismus wahr: s-j ist er es auch
•~Ä
140
hatte ich hinter der Verwirrung der Skepsis einige Funken
des Lichts erblickt; aber es war Licht des Verstandes, nicht
Erleuchtung aus der Vernunft über die Verständigkeit aus-
gegossen; darum führte mich jenes wieder nur auf meine
alten Wege, auf welchen nie etwas Ganzes und Gediegenes in
mir werden konnte, weil überhaupt durch Bücher nichts im
Menschen wird. . . (S. 220) Spinozas opp. posth. lagen als eine
algebraische Grösse vor mir. . . Doch seine streng-wissenschaft-
liche Methode wirkte mit unwiderstehlichem Reize auf mich;
ich entsagte der unhaltbaren Skepsis; mein Verstand nahm
seinen Pantheismus, so wie sein Buchstabe ihn ausspricht, be-
gierig in sich auf, und jede Wiederholung seiner dogmatischen
Formeln . . legte einen neuen Quaderstein zu dem Gebäude,
in dem ich bald, jedem Sturme trotzend, unerschütterlich zu
thronen hoffte. Nachdem ich endlich die Ethik mehrmals
durchgelesen hatte, schien ich mir ganz einheimisch in dieser
scheinbar festen, auf diamantenen Felsen erbauten Burg; denn
ich wusste buchstäblich alles, was Spinoza geschrieben, aber
ebenso wenig, als seine Gegner, auch nur das Geringste von
dem, was er in dem Ein und All erschauet und gedacht . . hatte.
Dennoch hatte seine Ethik einige Regungen des Lebens in mir
geweckt. Dieses bildete sich nun selbstthäjtig in mir fort, bis
es zur Kraft gedieh, welche mich zwang, einzusehen, dass mein
Verstand wieder nur ein unhaltbares System mit einem folge-
richtigem vertauscht habe." 1791 wurde Fessler (S. 254) in
Schlesien Protestant. Etwa um dieselbe Zeit widmete er sich
auch dem Studium Kants.
„Schon in Kuttlau hatte ich es angefangen, nachdem ich
in der kalten Ruhe meines Pantheism, den ich mir aus dem
missverstandenen Spinoza angeklügelt hatte, durch Poiret cogit.
rat., Cudworth System, intell. Mendelssohn Morgenstunden und
Jacobis Abhandlung über die Lehre Spinozas, den sie alle
nicht weniger als ich, missverstanden hatten, war gestöret
worden." 1799 (S. 328) studirte er endlich nach einer inhalts-
reichen Unterredung mit Herder nochmals die Ethik, aber dies-
mal nicht bloss nach dem Buchstaben; sondern er „folgte
selbstthätig der in ihr allumfassend lebenden und leuchtenden
Grundidee. Da ward mir klar, dass Spinoza von der reinen
Vernunftanschauung des absoluten Seyns, oder eines ewigen
unbedingt nothwendigen Wesens, ausgehend, durch sein ganzes
Lehrgebäude sich als den tiefsinnigsten Verkündiger eines ein-
zigen, wahren, von der Erscheinungswelt wesentlich verschie-
denen Gottes bewähret; das sichtbare Universum, oder den
gesammten Inbegriff alles Endlichen, durchaus nur als eine
141
\'emeinung des einzigen, selbständigen und ewigen Seyns be-
trachtet; hiermit aller Vergötterung der erscheinenden Natur
geradezu widersprochen habe; folglich der Pantheismus ihm
nur von der Bosheit oder von dem Unverstände angedichtet
worden sey. . . . (S. 330) So erfuhr ich wohl allmälig, was es
heisse, mit dem Geiste eines tiefgedachten, streng folgerichtigen
Systems bekannt zu werden."
§ 69. Maimon.
Wie in Kessler aus dem böhmischen Katholiken, so war
in Salomon Maimon aus dem polnischen Juden ein Kantianer
und Spinozist geworden. Neben der jüdischen Literatur hatte
Maimon schon frühzeitig auch den Cartesianismus aus Sturms
, Physik" kennen gelernt; ähnlich wie Malebranche hatte er ihn
gelegentlich durch Tierquälerei bethätigt („Lebensgeschichte**
1792 S. 146). Auch mit der Kabbala wurde er vertraut
(S. 141); sie ist ihm „nichts anders als erweiterter Spinozismus,
worin nicht nur die Entstehung der Welt aus der Einschrän-
kung des göttlichen Wesens überhaupt erklärt, sondern auch
die Entstehung einer jeden Art von Wesen und ihr Verhältniss
zu allen übrigen aus einer besondern Eigenschaft Gottes her-
geleitet wird." In Berlin (S. 165) las er „den Spinoza; das
tiefe Denken dieses Philosophen und seine Liebe zur Wahrheit
gefiel mir ungemein, und da ich schon in Polen durch Ver-
anlassung des Kabbalistischen auf das System desselben ge-
rathen war, so fieng ich darüber aufs neue nachzudenken an,
und wurde von dessen Wahrheit so überzeugt, dass alle Be-
mühungen Mendelssohns, mich davon abzubringen fruchtlos
waren. Ich beantwortete alle dagegen von den Woltianern
gemachte Einwendungen, machte selbst Einwendungen gegen
ihr Sj''stem, . . Ich konnte mir auch das Beharren Mendelssohns
und der Wolfianer überhaupt auf ihr System nicht anders als
für politische Knifife und Heuchelei erklären, wodurch sie sich
beflissentlich der Denkungsart des gemeinen Mannes zu nähern
suchten, und ich äusserte dieses öfifentlich und ohne alle Zurück-
haltung . . (S. 184.) Der tiefdenkende Jakobi suchte aus Nei-
gung zum Spinozismus (welches ihm wahrhaftig kein Selbst-
denker verargen kann) Mendelssohn (wie auch seinen Freund
Lessing) malgre lui, zum Spinozisten zu machen, und machte
eine sich darauf beziehende Korrespondenz öffentlich bekannt,
die gar nicht dazu bestimmt war im Drucke zu erscheinen,
und dem Publikum zur Schau gestellt zu werden. Wozu sollte
dieses? Ist der Spinozismus wahr; so ist er es auch ohne
\
140
hatte ich hinter der Verwirrung der Skepsis einige Funken
des Lichts erblickt; aber es wai* Licht des Verstandes, nicht
Erleuchtung aus der Vernunft über die Verständigkeit aus-
gegossen; darum führte mich jenes wieder nur auf meine
alten Wege, auf welchen nie etwas Ganzes und Gediegenes in
mir werden konnte, weil überhaupt durch Bücher nichts im
Menschen wird. . . (S. 220) Spinozas opp. posth- lagen als eine
algebraische Grösse vor mir. . . Doch seine streng-wissenschaft-
liche Methode wirkte mit unwiderstehlichem Reize auf mich;
ich entsagte der unhaltbaren Skepsis; mein Verstand nahm
seinen Pantheismus, so wie sein Buchstabe ihn ausspricht, be-
gierig in sich auf, und jede Wiederholung seiner dogmatischen
Formeln . . legte einen neuen Quaderstein zu dem Gebäude,
in dem ich bald, jedem Sturme trotzend, unerschütterlich zu
thronen hoffte. Nachdem ich endlich die Ethik mehrmals
durchgelesen hatte, schien ich mir ganz einheimisch in dieser
scheinbar festen, auf diamantenen Felsen erbauten Burg; denn
ich wusste buchstäblich alles, was Spinoza geschrieben, aber
ebenso wenig, als seine Gegner, auch nur das Geringste von
dem, was er in dem Ein und All erschauet und gedacht . . hatte.
Dennoch hatte seine Ethik einige Regungen des Lebens in mir
geweckt. Dieses bildete sich nun selbstthätig in mir fort, bis
es zur Kraft gedieh, welche mich zwang, einzusehen, dass mein
Verstand wieder nur ein unhaltbares System mit einem folge-
richtigem vertauscht habe." 1791 wurde Fessler (S. 254) in
Schlesien Protestant. Etwa um dieselbe Zeit widmete er sich
auch dem Studium Kants.
„Schon in Kuttlau hatte ich es angefangen, nachdem ich
in der kalten Ruhe meines Pantheism, den ich mir aus dem
missverstandenen Spinoza angeklügelt hatte, durch Poiret cogit.
rat, Cudworth System, intell. Mendelssohn Morgenstunden und
Jacobis Abhandlung über die Lehre Spinozas, den sie alle
nicht weniger als ich, missverstanden hatten, war gestöret
worden." 1799 (S. 328) studirte er endlich nach einer inhalts-
reichen Unterredung mit Herder nochmals die Ethik, aber dies-
mal nicht bloss nach dem Buchstaben; sondern er „folgte
selbstthätig der in ihr allumfassend lebenden und leuchtenden
Grundidee. Da ward mir klar, dass Spinoza von der reinen
Vernunftanschauung des absoluten Seyns, oder eines ewigen
unbedingt nothwendigen Wesens, ausgehend, durch sein ganzes
Lehrgebäude sich als den tiefsinnigsten Verkündiger eines ein-
zigen, wahren, von der Erscheinungswelt wesentlich verschie-
denen Gottes bewähret; das sichtbare Universum, oder den
gesammten Inbegriff alles Endlichen, durchaus nur als eine
141
verrteinung des einzigen, selbständigen und ewigen Se\Tis be-
njhtet: hiermit alier \'ergöttening der erscheinenden Natur
zendezu widersprochen habe: folglich der Pantheismus ihm
-.ur von der R^sheit oder von dem Unverstände ans^edichtet
> rden sev- . . . iS. 330* So erfuhr ich woh! allmälis, was es
^ci^se. mit dem Geiste eines tiefgedachten, streng folgerichtigen
>.>:erns bekannt zu werden."
§ 6^'. Maimon.
V
wie in Fessler aus dem böhmischen Katholiken, so war
n S^jTLon Maimon aus dem polnischen Juden ^in Kannaner
-T.i Srinozist geworden. Neben der jüdischen Literatur haae
Mirr.on schon frühzeitig auch den Cartesianismus aus Sturms
.7!i^-sik* kennen gelernt; ähnlich wie Malebranche hatte er ihn
~r.ri:er.:üch durch Tierquälerei bethäti^ i^Lebens^eschichte"
1~ J S. 146». Auch mit der Kabbala wurde er vertraut
"^. 1-t-l : sie ist ihm ^nichts anders als erweiterter Srir.czisnius,
~:m nicht nur die Entstehung der Welt aus der Einschrün-
c-TZ des göttlichen Wesens überhaupt erklärt, s*>ndem auch
rr En^tehung einer jeden Art von Wesen und ihr \'erhältrüss
IT- illen übrigen aus einer besondem Eigenschaft Gottes her-
iTr.er.et wird.* In Berlin *S. 165) las er ^d<en Srinoza: das
ic:e Denken dieses Phil'C^sorhen und seine Liebe zur Wvihrheit
ztr.eL mir ungemein, und da ich schon in Polen durch \'er-
IT j_5funz des Kabbalistischen auf das Svstem desselben ^e-
^-ii^en v^ar, so trec:^ ich darüber aufs neue nachzudenken an.
.ri -Ä-urde von dessen Wahrheit so überzeug, dass alle Be-
"-.-h-Lngen Mendelssohns, n^.ich davon abzubringen fmchrlos
" iren. Ich beantwortete alle dagegen \on den Wolnjinem
Zr-r-ichte Einwendungen, machte selbst E:nwenduni:en ce^en
_v Svstem. . . ich konnte mir auch das Beharren Mendeiss^rhns
-ri ier WoLnaner überhaurt auf ihr Svstem nicht anders als
""- r»:l::ische Kniffe und Heuchelei erklären, wodurch sie sich
r^'i-sentlich der iJenkunzsart des gemeinen Mannes zu ni-lhenr:
-.-ir.tit:. iir.d ich äusserte dieses öifentüch und ohne alle Zurück-
-i^zir.z . . tS. 1S4.> Der tiefdenkende Jakob: suchte aus Xei-
«"-Tz zum SpinozisTius • welches ihm wahrhartig kein Selbst-
iz"'-^ verargen kann» Mendelssohn wie auch seinen Freund
L.iirsr:^' malgre iui. zum Spinozisren zu machen, und machte
'.rt sizh darauf beziehende KorresponderLZ • tfentlich bekannt,
lA zir nicht dazu bestimmt war im Drucke zu erscheinen,
-'i iem Publikum zur Schau gestellt zu werden. Wozu s*:r.:e
:jt*-cs? Ist der Spinozismus wahr: so ist er es auch ohne
140
hatte ich hinter der Verwirrung der Skepsis einige Funken
des Lichts erblickt; aber es war Licht des Verstandes, nicht
Erleuchtung aus der Vernunft über die Verständigkeit aus-
gegossen; darum führte mich jenes wieder nur auf meine
alten Wege, auf welchen nie etwas Ganzes und Gediegenes in
mir werden konnte, weil überhaupt durch Bücher nichts im
Menschen wird. . . (S. 220) Spinozas opp. posth. lagen als eine
algebraische Grösse vor mir. . . Doch seine streng-wissenschaft-
liche Methode wirkte mit unwiderstehlichem Reize auf mich;
ich entsagte der unhaltbaren Skepsis; mein Verstand nahm
seinen Pantheismus, so wie sein Buchstabe ihn ausspricht, be-
gierig in sich auf, und jede Wiederholung seiner dogmatischen
Formeln . . legte einen neuen Quaderstein zu dem Gebäude,
in dem ich bald, jedem Sturme trotzend, unerschütterlich zu
thronen hoffte. Nachdem ich endlich die Ethik mehrmals
durchgelesen hatte, schien ich mir ganz einheimisch in dieser
scheinbar festen, auf diamantenen Felsen erbauten Burg; denn
ich wusste buchstäblich alles, was Spinoza geschrieben, aber
ebenso wenig, als seine Gegner, auch nur das Geringste von
dem, was er in dem Ein und All erschauet und gedacht . . hatte.
Dennoch hatte seine Ethik einige Regungen des Lebens in mir
geweckt. Dieses bildete sich nun selbstthäjtig in mir fort, bis
es zur Kraft gedieh, welche mich zwang, einzusehen, dass mein
Verstand wieder nur ein unhaltbares System mit einem folge-
richtigem vertauscht habe." 1791 wurde Fessler (S. 254) in
Schlesien Protestant. Etwa um dieselbe Zeit widmete er sich
auch dem Studium Kants.
„Schon in Kuttlau hatte ich es angefangen, nachdem ich
in der kalten Ruhe meines Pantheism, den ich mir aus dem
missverstandenen Spinoza angeklügelt hatte, durch Poiret cogit.
rat, Cudworth System, intell. Mendelssohn Morgenstunden und
Jacobis Abhandlung über die Lehre Spinozas, den sie alle
nicht weniger als ich, missverstanden hatten, war gestöret
worden." 1799 (S. 328) studirte er endlich nach einer inhalts-
reichen Unterredung mit Herder nochmals die Ethik, aber dies-
mal nicht bloss nach dem Buchstaben; sondern er „folgte
selbstthätig der in ihr allumfassend lebenden und leuchtenden
Grundidee. Da ward mir klar, dass Spinoza von der reinen
Vernunftanschauung des absoluten Seyns, oder eines ewigen
unbedingt nothwendigen Wesens, ausgehend, durch sein ganzes
Lehrgebäude sich als den tiefsinnigsten Verkündiger eines ein-
zigen, wahren, von der Erscheinungswelt wesentlich verschie-
denen Gottes bewähret; das sichtbare Universum, oder den
gesammten Inbegriff alles Endlichen, durchaus nur als eine
141
Verneinung des einzigen, selbständigen und ewigen Seyns be-
trachtet; hiermit aller Vergötterung der erscheinenden Natur
geradezu widersprochen habe; folglich der Pantheismus ihm
nur von der Bosheit oder von dem Unverstände angedichtet
worden sey. . . . (S. 330) So erfuhr ich wohl allmälig, was es
heisse, mit dem Geiste eines tiefgedachten, streng folgerichtigen
Systems bekannt zu werden."
§ 69. Maimon.
Wie in Kessler aus dem böhmischen Katholiken, so war
in Salomon Maimon aus dem polnischen Juden ein Kantianer
und Spinozist geworden. Neben der jüdischen Literatur hatte
Maimon schon frühzeitig auch den Cartesianismus aus Sturms
, Physik" kennen gelernt; ähnlich wie Malebranche hatte er ihn
gelegentlich durch Tierquälerei bethätigt („Lebensgeschichte"
1792 S. 146). Auch mit der Kabbala wurde er vertraut
(S. 141); sie ist ihm „nichts anders als erweiterter Spinozismus,
worin nicht nur die Entstehung der Welt aus der Einschrän-
kung des göttlichen Wesens überhaupt erklärt, sondern auch
die Entstehung einer jeden Art von Wesen und ihr Verhältniss
zu allen übrigen aus einer besondem Eigenschaft Gottes her-
geleitet wird." In Berlin (S. 165) las er „den Spinoza; das
tiefe Denken dieses Philosophen und seine Liebe zur Wahrheit
gefiel mir ungemein, und da ich schon in Polen durch Ver-
anlassung des Kabbalistischen auf das System desselben ge-
rathen war, so fieng ich darüber aufs neue nachzudenken an,
und wurde von 'dessen Wahrheit so überzeugt, dass alle Be-
mühungen Mendelssohns, mich davon abzubringen fruchtlos
waren. Ich beantwortete alle dagegen von den Wolfianem
gemachte Einwendungen, machte selbst Einwendungen gegen
ihr System. . . Ich konnte mir auch das Beharren Mendelssohns
und der Wolfianer überhaupt auf ihr System nicht anders als
für politische Kniffe und Heuchelei erklären, wodurch sie sich
beflissentlich der Denkungsart des gemeinen Mannes zu nähern
suchten, und ich äusserte dieses öffentlich und ohne alle Zurück-
haltung . . (S. 184.) Der tiefdenkende Jakobi suchte aus Nei-
gung zum Spinozismus (welches ihm wahrhaftig kein Selbst-
denker verargen kann) Mendelssohn (wie auch seinen Freund
Lessing) malgre lui, zum Spinozisten zu machen, und machte
eine sich darauf beziehende Korrespondenz öffentlich bekannt,
die gar nicht dazu bestimmt war im Drucke zu erscheinen,
und dem Publikum zur Schau gestellt zu werden. Wozu sollte
dieses? Ist der Spinozismus wahr; so ist er es auch ohne
\
140
hatte ich hinter der Verwirrung der Skepsis einige Funken
des Lichts erblickt; aber es war Licht des Verstandes, nicht
Erleuchtung aus der Vernunft über die Verständigkeit aus-
gegossen; darum führte mich jenes wieder nur auf meine
alten Wege, auf welchen nie etwas Ganzes und Gediegenes in
mir werden konnte, weil überhaupt durch Bücher nichts im
Menschen wird. . . (S. 220) Spinozas opp. posth. lagen als eine
algebraische Grösse vor mir. . . Doch seine streng-wissenschaft-
liche Methode wirkte mit unwiderstehlichem Reize auf mich;
ich entsagte der unhaltbaren Skepsis; mein Verstand nahm
seinen Pantheismus, so wie sein Buchstabe ihn ausspricht, be-
gierig in sich auf, und jede Wiederholung seiner dogmatischen
Formeln . . legte einen neuen Quaderstein zu dem Gebäude,
in dem ich bald, jedem Sturme trotzend, unerschütterlich zu
thronen hoffte. Nachdem ich endlich die Ethik mehrmals
durchgelesen hatte, schien ich mir ganz einheimisch in dieser
scheinbar festen, auf diamantenen Felsen erbauten Burg; denn
ich wusste buchstäblich alles, was Spinoza geschrieben, aber
ebenso wenig, als seine Gegner, auch nur das Geringste von
dem, was er in dem Ein und All erschauet und gedacht . . hatte.
Dennoch hatte seine Ethik einige Regungen des Lebens in mir
geweckt. Dieses bildete sich nun selbstthäjtig in mir fort, bis
es zur Kraft gedieh, welche mich zwang, einzusehen, dass mein
Verstand wieder nur ein unhaltbares System mit einem folge-
richtigem vertauscht habe.'' 1791 wurde Fessler (S. 254) in
Schlesien Protestant. Etwa um dieselbe Zeit widmete er sich
auch dem Studium Kants.
„Schon in Kuttlau hatte ich es angefangen, nachdem ich
in der kalten Ruhe meines Pantheism, den ich mir aus dem
missverstandenen Spinoza angeklügelt hatte, durch Poiret cogit.
rat., Cudworth System, intell. Mendelssohn Morgenstunden und
Jacobis Abhandlung über die Lehre Spinozas, den sie alle
nicht weniger als ich, missverstanden hatten, war gestöret
worden." 1799 (S. 328) studirte er endlich nach einer inhalts-
reichen Unterredung mit Herder nochmals die Ethik, aber dies-
mal nicht bloss nach dem Buchstaben; sondern er „folgte
selbstthätig der in ihr allumfassend lebenden und leuchtenden
Grundidee. Da ward mir klar, dass Spinoza von der reinen
Vernunftanschauung des absoluten Seyns, oder eines ewigen
unbedingt nothwendigen Wesens, ausgehend, durch sein ganzes
Lehrgebäude sich als den tiefsinnigsten Verkündiger eines ein-
zigen, wahren, von der Erscheinungswelt wesentlich verschie-
denen Gottes bewähret; das sichtbare Universum, oder den
gesammten Inbegriff alles Endlichen, durchaus nur als eine
141
\'emeinung des einzigen, selbständigen und ewigen Seyns be-
trachtet; hiermit aller Vergötterung der erscheinenden Natur
geradezu widersprochen habe; folglich der Pantheismus ihm
nur von der Bosheit oder von dem Unverstände angedichtet
worden sey. . . . (S. 330) So erfuhr ich wohl allmälig, was es
heisse, mit dem Geiste eines tiefgedachten, streng folgerichtigen
Systems bekannt zu werden."
§ 69. Maimon.
Wie in Kessler aus dem böhmischen Katholiken, so war
in Salomon Maimon aus dem polnischen Juden ein Kantianer
und Spinozist geworden. Neben der jüdischen Literatur hatte
Maimon schon frühzeitig auch den Cartesianismus aus Sturms
, Physik" kennen gelernt; ähnlich wie Malebranche hatte er ihn
gelegentlich durch Tierquälerei bethätigt („Lebensgeschichte"
1792 S. 146). Auch mit der Kabbala wurde er vertraut
(S. 141); sie ist ihm „nichts anders als erweiterter Spinozismus,
worin nicht nur die Entstehung der Welt aus der Einschrän-
kung des göttlichen Wesens überhaupt erklärt, sondern auch
die Entstehung einer jeden Art von Wesen und ihr Verhältniss
zu allen übrigen aus einer besondern Eigenschaft Gottes her-
geleitet wird." In Berlin (S. 165) las er „den Spinoza; das
tiefe Denken dieses Philosophen und seine Liebe zur Wahrheit
gefiel mir ungemein, und da ich schon in Polen durch Ver-
anlassung des Kabbalistischen auf das System desselben ge-
rathen war, so fieng ich darüber aufs neue nachzudenken an,
und wurde von dessen Wahrheit so überzeugt, dass alle Be-
mühungen Mendelssohns, mich davon abzubringen fruchtlos
waren. Ich beantwortete alle dagegen von den Wolfianern
gemachte Einwendungen, machte selbst Einwendungen gegen
ihr System. . . Ich konnte mir auch das Beharren Mendelssohns
und der Wolfianer überhaupt auf ihr System nicht anders als
für politische Kniffe und Heuchelei erklären, wodurch sie sich
beflissentlich der Denkungsart des gemeinen Mannes zu nähern
suchten, und ich äusserte dieses öffentlich und ohne alle Zurück-
haltung . . (S. 184.) Der tiefdenkende Jakobi suchte aus Nei-
gung zum Spinozismus (welches ihm wahrhaftig kein Selbst-
denker verargen kann) Mendelssohn (wie auch seinen Freund
Lessing) malgre lui, zum Spinozisten zu machen, und machte
eine sich darauf beziehende Korrespondenz öffentlich bekannt,
die gar nicht dazu bestimmt war im Drucke zu erscheinen,
und dem Publikum zur Schau gestellt zu werden. Wozu sollte
dieses? Ist der Spinozismus wahr; so ist er es auch ohne
\
140
hatte ich hinter der Verwirrung der Skepsis einige Funken
des Lichts erblickt; aber es war Licht des Verstandes, nicht
Erleuchtung aus der Vernunft über die Verständigkeit aus-
gegossen; darum führte mich jenes wieder nur auf meine
alten Wege, auf welchen nie etwas Ganzes und Gediegenes in
mir werden konnte, weil überhaupt durch Bücher nichts im
Menschen wird. . . (S. 220) Spinozas opp. posth. lagen als eine
algebraische Grösse vor mir. . . Doch seine streng-wissenschaft-
liche Methode wirkte mit unwiderstehlichem Reize auf mich;
ich entsagte der unhaltbaren Skepsis; mein Verstand nahm
seinen Pantheismus, so wie sein Buchstabe ihn ausspricht, be-
gierig in sich auf, und jede Wiederholung seiner dogmatischen
Formeln . . legte einen neuen Quaderstein zu dem Gebäude,
in dem ich bald, jedem Sturme trotzend, unerschütterlich zu
thronen hoffte. Nachdem ich endlich die Ethik mehrmals
durchgelesen hatte, schien ich mir ganz einheimisch in dieser
scheinbar festen, auf diamantenen Felsen erbauten Burg; denn
ich wusste buchstäblich alles, was Spinoza geschrieben, aber
ebenso wenig, als seine Gegner, auch nur das Geringste von
dem, was er in dem Ein und All erschauet und gedacht . . hatte.
Dennoch hatte seine Ethik einige Regungen des Lebens in mir
geweckt. Dieses bildete sich nun selbstthäjig in mir fort, bis
es zur Kraft gedieh, welche mich zwang, einzusehen, dass mein
Verstand wieder nur ein unhaltbares System mit einem folge-
richtigem vertauscht habe." 1791 wurde Fessler (S. 254) in
Schlesien Protestant. Etwa um dieselbe Zeit widmete er sich
auch dem Studium Kants.
„Schon in Kuttlau hatte ich es angefangen, nachdem ich
in der kalten Ruhe meines Pantheism, den ich mir aus dem
missverstandenen Spinoza angeklügelt hatte, durch Poiret cogit.
rat., Gudworth System, intell. Mendelssohn Morgenstunden und
Jacobis Abhandlung über die Lehre Spinozes, den sie alle
nicht weniger als ich, missverstanden hatten, war gestöret
worden." 1799 (S. 328) studirte er endlich nach einer inhalts-
reichen Unterredung mit Herder nochmals die Ethik, aber dies-
mal nicht bloss nach dem Buchstaben; sondern er „folgte
selbstthätig der in ihr allumfassend lebenden und leuchtenden
Grundidee. Da ward mir klar, dass Spinoza von der reinen
\^ernunftanschauung des absoluten Seyns, oder eines ewigen
unbedingt nothwendigen Wesens, ausgehend, durch sein ganzes
Lehrgebäude sich als den tiefsinnigsten Verkündiger eines ein-
zigen, wahren, von der Erscheinungswelt wesentlich verschie-
denen Gottes bewähret; das sichtbare Universum, oder den
gesammten Inbegriff alles Endlichen, durchaus nur als eine
141
Verneinung des einzigen, selbständigen und ewigen Seyns be-
trachtet; hiermit aller Vergötterung der erscheinenden Natur
geradezu widersprochen habe; folglich der Pantheismus ihm
nur von der Bosheit oder von dem Unverstände angedichtet
worden sey. . . . (S. 330) So erfuhr ich wohl allmälig, was es
heisse, mit dem Geiste eines tiefgedachten, streng folgerichtigen
Systems bekannt zu werden."
§ 69. Maimon.
Wie in Kessler aus dem böhmischen Katholiken, so war
in Salomon Maimon aus dem polnischen Juden ein Kantianer
und Spinozist geworden. Neben der jüdischen Literatur hatte
Maimon schon frühzeitig auch den Cartesianismus aus Sturms
„Physik" kennen gelernt; ähnlich wie Malebranche hatte er ihn
gelegentlich durch Tierquälerei bethätigt („Lebensgeschichte"
1792 S. 146). Auch mit der Kabbala wurde er vertraut
(S. 141); sie ist ihm „nichts anders als erweiterter Spinozismus,
worin nicht nur die Entstehung der Welt aus der Einschrän-
kung des göttlichen Wesens überhaupt erklärt, sondern auch
die Entstehung einer jeden Art von Wesen und ihr Verhältniss
zu allen übrigen aus einer besondern Eigenschaft Gottes her-
geleitet wird." In Berlin (S. 165) las er „den Spinoza; das
tiefe Denken dieses Philosophen und seine Liebe zur Wahrheit
gefiel mir ungemein, und da ich schon in Polen durch Ver-
anlassung des Kabbalistischen auf das System desselben ge-
rathen war, so fieng ich darüber aufs neue nachzudenken an,
und wurde von 'dessen Wahrheit so überzeugt, dass alle Be-
mühungen Mendelssohns, mich davon abzubringen fruchtlos
waren. Ich beantwortete alle dagegen von den Woliianern
gemachte Einwendungen, machte selbst Einwendungen gegen
ihr System. . . Ich konnte mir auch das Beharren Mendelssohns
und der Wolfianer überhaupt auf ihr System nicht anders als
für politische Kniffe und Heuchelei erklären, wodurch sie sich
beflissentlich der Denkungsart des gemeinen Mannes zu nähern
suchten, und ich äusserte dieses öffentlich und ohne alle Zurück-
haltung . . (S. 184.) Der tiefdenkende Jakobi suchte aus Nei-
gung zum Spinozismus (welches ihm wahrhaftig kein Selbst-
denker verargen kann) Mendelssohn (wie auch seinen Freund
Lessing) malgre lui, zum Spinozisten zu machen, und machte
eine sich darauf beziehende Korrespondenz öffentlich bekannt,
die gar nicht dazu bestimmt war im Drucke zu erscheinen,
und dem Publikum zur Schau gestellt zu werden. Wozu sollte
dieses.? Ist der Spinozismus wahr; so ist er es auch ohne
\
142
Mendelssohns Beistimmung. Bei ewigen Wahrheiten kommt es
auf Mehrheit der Stimmen nicht an. Besonders da, wie ich
dafür halte, diese Wahrheit von der Art ist, dass sie allen
Ausdruck hinter sich lässt." Auch Maimons Biograph S. J.
Wolff („Maimoniana" Berlin 1813) erzählt von ihm (S. 57):
^Er wurde nun immer mehr als ein denkender Kopf bekannt;
studierte den Spinoza, schadete sich abeV dadurch in mancher
Hinsicht, weil Mendelssohn damit nicht recht zufrieden war,
doch Hess er sich davon nicht abhalten. Von der andern Seite
schadete er sich aber auch dadurch, dass er mit Menschen
darüber sprach, die ihn nicht verstanden. Endlich Hess ihn
Mendelssohn zu sich rufen und eröffnete ihm den Unwillen
seiner Freunde . . weil er schädliche Meinungen und Systeme
auszubreiten suche." Trotz alledem blieb Maimon Spinoza treu.
Auf dem Gymnasium (S. 224) fasst er gegen Fenelons Sur
Texistence de Dieu grossen Widerwillen, „weil . . dieser Autor
bei seinem Anschein wieder den Spinozismus zu deklamiren,
im Grunde für ' denselben argumentirt." Maimon ist auch der
erste gewesen, der („Progressen der Philosophie'* S. 93) in
Boulainvilliers einen Spinozisten erkannt hat.
Erst lange nach Spinoza lernt er Kant kennen („Lebens-
gesch." S. 253). „Da ich mich aber auf eben diese Art
schon vorher Spinozas, D. Humes und Leibnizens Systeme
zu eigen gemacht hatte, so war es natürlich, dass ich auf
ein Coalitionss\'stem bedacht sevn musste; dieses fand ich
wirklich, und setzte es auch in Form von Anmerkungen und
Erläuterungen über die Kritik der reinen Vernunft nach und
nach auf.** „Hier'* (S. 254: In der Transcendentalphilosophie)
„wird jedes der vorerwähnten Systeme so entwickelt, dass daraus
der Vereinigungspunkt aller sich leicht ergiebt . . Hier wird das
wichtige Problem, mit dessen Auflösung sich die Kritik be
schäftigt: quid juris? in einem viel weitem Sinne, als Herr
Kant es nimmt, ausgeführt, und dadurch für den Humeschen
Skeptizismus in seiner völligen Stärke Platz gelasren. \'on
der andern Seite aber führt die vollständige Auflösung dieses
Problems nothwendig auf das spinozistische oder leibnitzische
Dogmatism*'. In Wahrheit sind aber die Stellen, an welchen
Maimon aus seinem Skeptizismus in den vorkantischen Dog-
matismus zurückfallt, entweder von ihm selbst gegen die Anklage
des Spinozismus geschützt worden oder eben so gut wie in
Spinoza auch bei Leibniz wiederzufinden. Von grossem Ein-
flüsse auf die Folgezeit, besonders auf Hegel und seine Schule,
ist jedoch Maimons Auffassung des Spinozismus als eines
Akosmismus. (Lebensgesch. 154) „In diesem System ist die
143
Einheit reel; das Mannigfaltige aber bloss idealisch. In den
atheistischen System hingegen ist es gerade umgekehrt . . Es
ist unbegreiflich, wie man das spinozistische System zum
atheistischen machen können? da sie doch einander gerade ent-
gegengesetzt sind. In diesem wird das Dasein Gottes, in
jenem aber das Daseyn der Welt geleugnet. Es müsste
also eher des akosmische S3'Stem heissen."
§ 70. Die Kantianer.
Gegen den Vorwurf des Atheismus verteidigen Spinoza
nicht minder warm andere Schüler Kants, wie Lossius und
Krug in seinem „Allgem. Hdwrtbch. der philos. Wissenschaften"
746. 751. 753. „Man soll . . nicht darum, weil jemand hier-
über andrer Meinung ist, als wir selbst, ihn einen Atheisten
nennen." Nur wenige Kantianer folgten hierin dem Ketzer-
riecher Jacobi.
§ 71. Bouterwek.
So hatte Friedrich Bouterwek anfangs auf Kantischem
Boden gestanden. Doch einerseits stiess ihn Kants moralischer
Formalismus ab, andererseits fand er im „Ding an sich"
Spinozas Absolutes wieder, dessen Begriff also durch die
Transcendentalphilosophie selbst realisirt werde. Doch bald
genügte ihm auch dieser Standpunkt nicht mehr; Jacobi, dbm
er sich schon hier deutlich nähert, wirft er sich schliesslich
ganz in die Arme; seine „Idee einer Apodiktik" (1799) be-
zeichnet er in seinem „Lehrbuch der philosophischen Wissen-
schaften 1813" selbst als verfehlt. Kant hatte wie Spinoza
die Individualität und Verschiedenheit, das Werden und Thun
nicht zu seinem Rechte kommen lassen. („Apodiktik 1799"
S. 29) ^,Endigt nun gar die rein-transcendentale Speculation
mit dem Spinozismus, so mag dieser immerhin nur negativ
seyn; sobald er das Ich verschlingt, geht auch alle moralische
Selbstbestimmung verloren. Der negative Spinozismus ver-
schlingt aber nicht nur das Ich oder vernünftige Subject: er
lässt nicht einmal das thierische Subject stehen; denn er ver-
nichtet das Subject überhaupt." Im Glauben fand Bouterwek
endlich Zuflucht aus den Wirren der Philosophie.
§ 72. Heydenreich.
Zu Jacobi hält auch der Kantianer Heydenreich. Ihm
will er das wahre Verständnis Spinozas zu danken haben, der
144
auch nach seiner Meinung der einzige konsequente Meta-
physiker vor Kant ist. Mit Rehberg sieht er in Spinozas Lehre
den vollkommensten Theismus, kritisirt er sie vom Kantischen
Standpunkte aus. Am meisten hat Spinoza in der Erklärung
des individuellen Bewusstseins gefehlt. Er will die hier sich
zeigende Lücke im Geiste Kants ausfüllen. Der göttlichen
Substanz ist durchaus nicht, wie Mendelssohn will, ein „Für-
sichsein" der Dinge entgegengesetzt, nirgends zeigt die Wek
etwas Abgesondertes. So ist auch das individuelle Bewusstsein
nichts weiter als eine kindliche Selbsttäuschung. Unser Ich
ist nur das logische Subjekt, nur der Ort für die leidentlichen
und thätigen Zustände, nur ein Einzelvorgang im Totalleben
eines allgemeinen unendlichen Bewusstseins. („Natur und Gott . .**
1789 S. 152:) Ich „kann eigentlich nur sagen, diess oder
jenes geht in mir vor . . das Ich ist bloss das logische (von
aller objektiven Bedeutung leere) Subjekt aller Vorstellungen,
Gefühle und Bestrebungen. Bewusstsein ist die nothwendige
Grundlage jeder Vorstellung, jedes Gefühls, jedes Bestrebens . .
(S. 161) Spinoza hat Recht zu sagen, das Wesen, welches wir
Mensch nennen, sey seiner wahren Natur nach, nichts anderes,
als eine Reihe von Vorstellungen."
§ 73. Ewald.
Ganz ähnlich, nur in schärferem Tone urteilt Schack Her-
mann Ewald, der Uebersetzer der „zwei Abhandlungen über
die Kultur des menschlichen Verstandes und über die Aristo-
kratie und Demokratie" (Lpzg. 1785) und der „philosophischen
Schriften" Spinozas (Bd. I: Tr. th.-pol. Gera 1787, Bd. II: Ethik
1790). Ewald ist herzoglich sachsen-gothaischer Hofsekretär,
also einer jener spinozistischen Hofbeamten des vorigen Jahr-
hunderts wie Lau, der Rat des Herzogs von Kurland und Ring,
Hofsekretär des Kurfürsten von Baden. In hohem Alter, so
erzählt Paulus in seiner Spinozaausgabe (praef. p. XXXI\1,
schrieb Ring unter ein Porträt Spinozas, welches in seinem
Besitze und auch in der Uebersetzung Colers (1733) abgedruckt
worden war, neben den daselbst angebrachten Steckbrief:
„Gente ac professione Judaeus, postea coetui Christianorum se
adjungens, primi s^^stematis inter Atheos subtiliores architectus.
Tandem ut Atheorum nostrae aetatis princeps Hagae Comitum
infelicem vitam clausit, characterem reprobationis in vultu gerens"
die Bemerkung:
„Sis, fueris mox Exjudaeus et Ex-iterumque
Christicola — ah Verum quaerere totus eras."
145
In demselben Sinne erklärt Ewald, der übrigens in seiner
Spinozaverehrung an seinem Fürsten einen Rückhalt gehabt zu.
haben scheint, dass Spinoza (Bd. I Von*, p. V) „die lauterste
Christusreligion lehre, die reinste, herzlichste, wärmste Gottes-
furcht und Frömmigkeit athme, und von der dankbarsten Ehr-
furcht und Liebe zu Gott und Christus . . durchdrungen gewesen
sey. Man hat Grund zu hofifen, dass die heutige aufgeklärte
Welt, durch vernünftige Prüfung und Gebrauch des Nützlichen,
das Buch und seinen Verfasser wegen der Verschmähungen,
an der vorigen rächen werde." Ja, der theol.-politische Traktat
sollte sogar eine Stütze für die Theologie sein. „Erschrick
nicht," so heisst es Vorrede p. HI, ,,1. Leser, über den Namen
Spinoza. Er war ein lieber, guter, edler und frommer — aber
auch ein aufgeklärter Mann. Und wenn meine Ahndungen
mich nicht täuschen, wird bald eine Zeit kommen — der Genius
der Menschheit macht schon seine Vorbereitungen dazu, und
die menschliche Natur scheint einem Kopfe gleich, in welchem
die Elemente zu einer grossen Revolution gähren, die todte
Masse sich niedersenken, und das lautere, geistige Wesen in
Ruhe hervortreten wird — eine Zeit, sage ich, wird kommen,
wo Spinoza, der vom unreinen Geist intoleranter eigennütziger
Pfaffen gelästerte und verläumdete Spinoza, bey dessen Namen
die ganze betrogene Christenheit über ein ganzes Jahrhundert
lang auszuspeyen pflegte, eine weit stärkere Stütze des An-
sehns der hg. Schrift und des wahren christlichen Glaubens
seyn wird, als manche orthodoxe Theologen, von welchen es
einige zwar recht herzlich gut gemeint haben mögen, die aber
allesamt verdrehte oder blinde Augen des Verstandes hatten. . .
Spinoza war schon zu seiner Zeit da, wo unsere aufgeklärten
Theologen jetzt erst hinkommen. Sie scheuen sich nicht mehr,
manches öffentlich zu sagen, ohne Gefahr zu laufen, verlästert
zu werden, was man zu jenen Zeiten kaum in der Stille für
sich denken durfte . . Ich will keinen nennen, aber wer von
ihnen dieses Buch liest, der merke darauf. Vielleicht haben
sogar manche das Buch schon genutzt, und seine Gedanken
in Umlauf gebracht, und es glückte ihnen Eingang zu finden,
weil man die Quelle nicht ahndete, woraus sie flössen." In
der That hat merkwürdiger Weise der theol.-politische Traktat
das Buch, welches Spinoza hauptsächlich den Bann zugezogen,
am meisten Stimmung dafür gemacht, ihn zu brechen.
Wie Rehberg, Heydenreich,Conz, Ascher („Leviathan" 1792
S. 184) u. a. wünscht ferner auch Ewald (Ethik, Vorr.), „dass
die Kritische Philosophie, die sich zu keiner philosophischen
Sekte schlägt, ihr Heil" . . am System Spinozas „versuche.
10
146
Denn was transcendentale Metaphysik je möglich zu machen
im Stande war, hat Er geleistet. Seine Lehre von Gott ist die
bündigste und die einzige, in welche sich zuletzt alle Spekulation
über Gegenstände einer übersinnlichen Welt auflöst ; die einzige,
welche unwiderlegbar ist, wenn man die Sätze der bisherigen
Metaphysik, die den Grund der Erkennbarkeit der Dinge über-
haupt blos im Verstände und in der Vernunft sieht, bey der
Widerlegung zum Grunde legt . ." Es hat „kein spiritualistisch
dogmatischer Philosoph nach ihm ein System von Gott auf-
gestellt . ., das nicht in das seinige aufgelöst werden könnte,
so muss er auch als der Coryphäus dieser Philosophie be-
trachtet und nach ihm die Epoche benannt werden, die in der
philosophischen Geschichte vor der Epoche Kants . . vorher-
ging." Er selbst versucht es, Spinoza durch Kant zu wider-
legen (p. XXXIX), was vorher gar nicht möglich war; wie
auch „Wolff den Begriff des Spinoza von der Substanz nicht
zu verdrängen im Stande war, und . . „überdies der seinige Fol-
gerungen erlaubte, die den Pantheismus herbeyführten, den er
doch bestreitet."
Ewald hat aber nicht allein die Verdienste Spinozas um
die Bibelkritik hervorgehoben, die im einzelnen später von
Paulus, Diestel, Siegfried u. a. gewürdigt werden sollten, er hat
nicht nur selbst den Versuch gemacht, die Ethik vom kritischen
Standpunkte aus zu beurteilen, er hat auch zuerst auf den
politischen Tractat hingewiesen, der erst durch Sigwart, Hom,
Bluntschli, Opitz u. a. die ihm in der staatswissenschaftlichen
Literatur gebührende Stellung erhielt. „Es war einmal," so
beginnt die Vorrede zur Uebersetzung des politischen Tractates,
„eine Zeit, wo Aftertheologie ihren Schatten auf die Wissen-
schaften warf, und sie in ihrer eigenen natürlichen Klarheit zu
erscheinen verhinderte . . (pag. IV) Macchiavell und Hobbes"
wurden „mehr mit Waffen der Theologie als Philosophie be-
kämpft . . Keinem aber ist es ärger ergangen als Spinoza.
Jene leben als philosophische und politische Schriftsteller
noch immer in dem Gedächtnis und in den Schrifter.
ihrer Nachkommen, obgleich immer noch mit dem Rufe theo-
logischer und politischer Ketzerey. Spinoza hingegen ist als
Schriftsteller, der Gegenstände des Natur- und allgemeiner
Staatsrechts abgehandelt hat, ganz vergessen, sein Name unc
der Tract. politicus . . wird von keinem der Schriftsteller, die
in diesen Fächern gearbeitet haben, so viel ich deren habe
nachschlagen können, genannt . . Es ist die Folge des Ein-
drucks, den die Stimme der Theologen auf die zu seiner Zeil
ebende gelehrte Welt machte . . (p. VI) Dies laute öffentliche
147
Urtheil pflanzte sich durch Schriften, die seine Grundsätze
mit den gehässigsten Beynamen beylegten, und von Mund zu
Mund auf Söhne, Enkel und» Urenkel bis auf unsere Zeit fort . .
Man las*' ausser dem Tract.-theol.-pol. und der Ethik Spinozas
Schriften „nicht, weil man das Gift schon von weitem darinn
zu wittern glaubte, das in jenen verbreitet seyn sollte. Sie
folgten dem Schicksal ihrer altem Brüder; so wie diese all-
mählig ungelesen blieben, — denn man las sie anfangs blos
um sie zu widerlegen — wurden auch jene vergessen,
(p. VII) . . Der Uebersetzer dieses Traktats hegt zu der Billigkeit
und Toleranz des gegenwärtigen Zeitalters ein viel zu gerechtes
Vertrauen, als dass er glauben könnte, das kundige Publikum
werde ein Unternehmen, diese Schrift zu übersetzen, miss-
billigen. Sie steht nicht allein in gar keiner Verbindung mit
Religionssachen, sondern verdient auch wegen der gründlichen
Behandlung ihres Gegenstandes der Vergessenheit entrissen, in
der Reihe der Bücher über das Natur- und allgemeine Staats-
recht, so gut als andere ihresgleichen, aufgestellt, und künftig
von Lehrern und Schriftstellern, die diese Materien bearbeiten,
gelesen, geprüft und genannt zu werden. Wenn gegenwärtig
oder künftig einmal der Fall einträte, dass sich ein noch ganz
freyes und sich selbst überlassenes Volk eine Regierungsform
nach Grundsätzen wählen und einrichten wollte: . ." so würde
„das gegenwärtige Büchelchen, dessen Gebäude die ersten und
einfachsten Elemente zum Grunde hat, auf eine nähere Er-
wägung seines Inhalts von Staatsmännern vielleicht keinen, un-
bescheidenen Anspruch machen dürfen."
Dies waren die Glockentöne, welche das achtzehnte Jahr-
hundert ausläuteten.
10*
Abschnitt IV.
Des neunzehnten Jahrhunderts erste Hälfte.
§ 74. Einleitung.
Wir hatten im Spinozismus eines jtner treibenden Elemente
gefunden, welche dem, in seinen innersten Tiefen gährenden,
deutschen Geistesleben auf allen Gebieten mit einem neuen
Inhalte auch neue Formen geben sollten. Die Zeugen des
siebenjährigen Krieges, die Zeitgenossen der grossen franzö-
sischen Revolution hatten sich in jugendfrischer Begeisterung
an einzelnen Mittelpunkten zusammengefunden, sich gegen-
seitig zu festigen im Glauben an eine nahe Wandlung der
Dinge. Der revolutionäre Geist suchte ein Feld, siöh auszu-
toben. Den Boden praktischer Bethätigung wie England und
Frankreich lieferte das damalige Deutschland nicht. Das tief
innerliche Gemütsleben des Deutschen fand andere Wege. Aus
der schalen Alltäglichkeit der Gegenwart wandte man sich an
die Vergangenheit. In Geistern von unendlicher Perspektive
und zügelloser Ungebundenheit der Phantasie, wie Böhme und
Bruno, sah diese Zeit ihre Ideale. Sie wurden die Orakel
schöngeistiger, gefühlsüberschwenglicher Seelen. In dieser Ge-
sellschaft finden wir auch unseren Spinoza wieder. Sein
Studium wurde ein Gegenstand des Dilettantismus, doch jenes
Dilettantismus, der stets eine grosse geistige Umwälzung an-
kündigt. In seinem Schosse barg er eine kräftige Gegen-
wirkung gegen eine platte Aufklärerei, welche mit Scheu-
klappen nach rechts wie links die seichte Dutzendverständigkeit
und Dutzendmoral predigte, welche weder der Konsequenz des
Verstandes noch der Forderung des Herzens genügte. Docli
trug die neue Zeit mit dem Irrlichteriren der Vernunft zugleichi
eine bedrohliche Lockerung der Moral in die geistig bedeu-
149
tendsten Kreise. Das Denken brauchte Zügel und eine feste
lenkende Hand. Die Besonnenen begrüssten den Messias in
Kant. In der That bannte die durchdringende Sonne seines
Geistes den schwülen Nebel der romantischen Walpurgisnacht.
Doch die ersten Strahlen des jungen Tages zeigten nur ein
Werk der Zerstörung.
Kant hatte eine neue Zeit heraufbeschworen, er hatte
einem Zeitalter den philosophischen Stempel aufgedrückt. Der
philosophische Dilettantismus trat vor der denkgeschulten
Spekulation zurück. Allein Kant war auf halbem Wege
stehen geblieben. Er steckt mit seiner Ethik noch ganz in
dem Sumpfe spiessbürgerlicher Aufklärung. Die Interessen
des Geistes trennt er von denen des Herzens, Sittlichkeit von
bürgerlicher Moral; das Verstandesmässige überwiegt. Ein nach-
haltiger Rückschlag konnte nicht ausbleiben. Hatte Kant mit den
bündigsten Beweisen den Menschengeist eindringlich genug zur
Bescheidenheit ermahnt, so hatte er ihm doch andererseits in
den sittlichen Postulaten jenseits der Barrieren selbst die ver-
lockendsten Luftbilder vorgezaubert. Die Metaphysik, welche
er siegreich aus dem Felde geschlagen zu haben wähnte, sollte
nun bald ihn selbst überwuchern und von ihm aus die Leitern
nach jenen Idealen schlagen, welche er in Sternennähe gezeigt
hatte. Auf die französische Revolution und den Genialitäts-
schwindel, der alle Sittlichkeit aufzulösen drohte, folgten die
Freiheitskriege mit ihrem Ernst und einer Begeisterung, welche
die edelsten Instinkte im deutschen Volke weckte. Zugleich
aber gerieten an diesem Feuer der Vaterlands- und Freiheits-
liebe auch die alten starren Soldatenbegriffe, wie der Pflicht-
begriff eines Friedrich des Grossen, Kants kategorischer Impe-
rativ wieder in Fluss. Gott , Freiheit und Unsterblichkeit
hatte Kant aus dem Bannkreis des Erkenn- und Beweisbaren
gewiesen. Diesen Riss zwischen Natur und Geist, Gott und
Welt zu heilen, daran versuchten sich nun die grössten Geister:
Schelling naturphilosophisch und ästhetisch, Hegel logisch und
theologisch, Baader theosophisch und mystisch, Krause ratio-
nalistisch und ontologisch.
Neben dieser neuen Metaphysik brauchte man auch einen
neuen Glauben. Da wurde Schleiermacher der Apostel jener
spinozistischen Religion, welche schon Lichtenberg prophezeit
hatte. Also auch hier ist Spinoza wieder die Losung. Er war
nicht nur der stolze, weltflüchtige Geist, auf dessen Flügeln
man sich in erdentlegene Fernen erhob, Spinoza gab auch
die besten Steine her zu dem festen Neubau, von dessen Zinne,
auf sicherem Standort, sich eine klare Aussicht in jene über-
IBO
irdische Höhe eröffnen sollte. Die Goldadern, an deren Blinken
bis dahin ein schwacher Geist kindlich sich geweidet, sollten
nun in Barren geschmolzen und zu barer Münze geprägt
werden. Eine geschlossene Linie geistesstarker Denker hatte
zwar die Plänklerkette der Dilettanten abgelöst. Allein das
Denken hatte sich, des realen Inhaltes bar, bald zu einer Begriffs-
dichtung verstiegen, wie sie durch den Namen: Hegel am
besten charakterisirt wird. Da mahnte wieder ein Weckruf aus
dem Westen, die Märzrevolution, Deutschland an die Forde-
rungen der Wirklichkeit. Hier war das geistige Leben fast ganz
erstarrt unter dem Druck einer politischen Reaktion und des
Alps der Hegelei, die einander in die Hände arbeiteten. Da
erstand dieser in ihren eigenen Söhnen ein mächtiger Gegner,
ein neues Geschlecht. Heine und das junge Deutschland,Strauss,
Baur, Feuerbach und Stirner; Rüge und Lassalle sind die führenden
Geister dieser Zeit,LiberalismusundMaterialismus ihre Schlagworte.
Daneben ein nie geahnter Aufschwung der materiellen Kultur.
Der Dampfwagen, die Moralstatistik, die elektrische Telegraphie,
Geologie und Physiologie sind die neuen Errungenschaften.
Das deutsche Bergwerkswesen tritt in erfolgreichen Wettbewerb
mit dem englischen, die Landwirtschaft verwertet die Fortsehnte
der Chemie. Das Jahr 1848 und die ersten deutschen Ein-
heitsbestrebungen bilden den würdigen Abschluss dieser Epoche,
Gar mancher spinozistische Keim hatte auch an diesem Zer-
setzungsprozess mitgewirkt.
Natürlich betrachtet eine solche Zeit auch Spinoza mit
anderen Augen. Man sorgte auf das peinlichste für zuverlässige
Ausgaben seiner Schriften, man begann ihn aus ihm selbst
zu kritisiren, man würdigte ihn immer mehr in seiner Bedeutung
für die Philosophie und Theologie.
§ 75. Paulus.
Diese neue Phase in der Geschichte des Spinozismus ging
hauptsächlich von Kant aus. Was seine Schule durch Ueber-
setzungen und Ehrenrettungen Spinozas angebahnt hatte, eine
unparteische Auffassung seiner Lehren, konnte nicht besser
gefördert werden als durch eine neue kritische Ausgabe seiner
Werke. Niemand war berufener, sich dieser Aufgabe zu unter-
ziehen, als der Jenenser Theologe Paulus. Die erste Auflage
Spinozas war sehr selten geworden, und nach Bayle und
Voltaire, die man gern über seine Lehren zu Rate zog, konnte
man sich kein richtiges Bild von ihm machen. Dies gab denn
Herausgeber Anlass zu seiner Arbeit. (Praef. zu Bd. II p. XXIH
„Satis enim pauci cum essent, qui latina ejus opera, rara
IBl
quippe et prohibita, legere vellent possentque, plerique ex iis,
qui literas delibare malunt quam e fontibus imbibere, e gallicis
istis nugis auctorum, profundum Benedict! sensum ne augurantium
quidem, sibi de Spinozismo ideam, ut ajunt, formaverunt, in
qua ne umbram quidem hujus doctrinae agnoscas." Sein
edles Nationalbewusstsein freut sich auch der Thatsache, dass
Deutschland zuerst dem grossen Philosophen den längst ver-
dienten Lorbeer gereicht (p. XIII „Videmus, superstitiosum
et ridiculum horrorem atheismi, quem vocabant, spinozistici
inter nostrates citius, quam alibi, a peritioribus excussum fuisse.
Noluerunt Germani diutius talia spectra reformidare").
Als diejenigen, welche ihn bei seinem Unternehmen literarisch
unterstützt haben, nennt Paulus gleichfalls zwei Geistliche,
Stegman an der reformirten Kirche zu Stendal und Pappelbaum an
der Nicolaikirche zu Berlin, wo um dieselbe Zeit noch zwei
andere spinozafreundliche Prediger wirkten : Spillecke, der Lob-
redner des grossen Atheisten (s. „Ben. Spin, oder über Atheism.,
Fatalism. und Mysticismus." Eine Vorlesung in der Gesell-
schaft der Freunde der Humanität. Neue Berl. Mtsschft. 1808
Juli Bd. 20), und — Daniel Friedrich Schleiermacher. Als Besitzer
von Spinozaportraits werden ausser David Friedländer, den Paulus
„virum vi eadem, quam Spinozae origenes ornant, gente
pereximium" nennt, und der sich von Oeser eine Kopie des
holländischen Originales hatte anfertigen lassen, und dem
badensischen Hofsekretär Ring nur Fürstlichkeiten aufgezählt,
der Kurfürst Fr. von Dalberg, der Herzog von Braunschweig
und der Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha. Als wollte Paulus
jenem hochherzigen Karl Ludwig von der Pfalz den Ehrenplatz
in diesem erlauchten Kreise sichern, schliesst er (p. XXXIX):
„Quem vivum Germaniae vindicare voluerat Elector Palatinus
et Musageta, Carolus Ludovicus, eum nunc in scriptis, quibus
vivit perennabitque, nostrates, quicunque eruditorum nomine
digni sunt, cuncti absque superstitione ut excipiant non opta-
mus modo, sed ex ea quoque, qua priorem prosecuti sunt,
ingenii liberalitate id futurum esse speramus atque confidimus.*'
§ 76. Francke.
Ganz ebenso urteilt ein anderer rationalistischer Theologe
aus der Schule Kants. Die kgl. dänische Gesellschaft der
Wissenschaften zu Kopenhagen hatte im Jahre 1805 einen
Preis für die beste Arbeit „über die neueren Schicksale des
Spinozismus" ausgeschrieben. Diese lieferte G. S. Francke,
Hauptpastor zu Sonderburg auf Alsen. Zunächst verwahrt er
Spinoza gegen den Makel des Atheismus. (S. V) „Ein Pan-
152
theismus, der über das Wesen der Gottheit ein Dunkel ruhen
lässt, ist kein Atheismus, wie ihn ein Hobbes lehrte." Der
Verfasser des theol.-pol. Traktates spricht „von dem Erlöser
mit grösserer Verehrung . , als manche unsrer jetzigen be-
rühmtesten Theologen." Deshalb hat man ihn mit Unrecht
„beynahe in der Philosophie als einzig konsequenten Theisten
vergöttert, und in der Theologie, es fehlt nicht viel, zum Haupt
der neuen Bibelkritik, und mithin — credite posteri! — zum
Kirchenreformator gemacht." (S. 18) „Das wahre System
des Spinoza ist . . die Annahme , . eines Grund wesens der
Welt, worin aber zugleich das Denken und Ausgedehntsein,
das sich uns als Modus, als Weise der Wirksamkeit der Welt-
substanz zeigt, auf eine, wenn gleich nothwendige, so doch
nicht blinde, sondern vielmehr in der Natur . . des beim
Grundwesen der Welt zum Grunde Liegenden sehr gesetz-
mässige Art gegründet ist . . (S. 19) „Spinoza kennt wohl das
Grundwesen der Welt als nothwendig, wiefern aber davon die
Welt als Phaenomen nach Gesetz und Ordnung ihren Grund
habe, das drückt er wohl bildlich aus, wenn er den Ideen im
Menschen parallele Ideen in der Gottheit gibt, aber nie eigent-
lich." (S. 23) ^Spinozas Religion ist Moral, seine Moral eine
geregelte Klugheit, mit Resignation fürs Weltbeste . ." Doch
zieht Francke (S. 25) Spinoza als „bescheidenen zetetischen
Pantheisten** dem „intolerant-dogmatischen Theisten" Descartes
vor. Zu bedauern ist es jedenfalls, dass Spinoza Newton
nicht mehr gekannt hat. (S. 49) ^Dieser Motor, dies grosse
Weltprinzip" (Newtons) „muss etwas mehr sein als Spinozas
metaphysisch abgerundete Weltsubstanz."
§ 77. Tennemann.
Auf dem Boden des Kantischen Kritizismus steht auch
Tennemann mit seiner trefflichen Darstellung des Spinozismus
und seiner Geschichte. (Gesch. der Philos. Lpzg. 1817 Bd. X
S. 374 ff.) (S. 382) ^Die Schriften des Spinoza beurkunden
einen originalen Geist, der keinen Gegenstand fasst ohne ihn
zu ergründen, und allem, was er denkt, eigenthümliche Seiten
abgewinnt, und diese mit muthigem und festem Schritte ver-
folgt." (S. 462» „Das System des Spinoza begreift in sich
die Einheit des Idealismus und Realismus. Denn er legte dem-
selben die Idee des absoluten Wesens zum Grunde, welches
alles Seyn und alles Denken in sich vereinigt. (S. 463)
Dass dieses nicht Atheismus ist, nach der eigenen Ansicht des
Denkers, ist an sich klar. Er hatte zwar einen abweichenden
Betriff von Gott und dem \^erhältnis der Welt zu Gott, dass
153
sie nicht nur durch Gott, sondern auch in Gott ist (Inhärenz),
aber darum ist dieses noch nicht Atheismus." Jedoch „stehen
die Resultate mit dem Interesse der Vernunft, welche nicht blos
theoretisch, sondern auch praktisch ist, in Widerspruch, so dass
diejenigen, welche das System objective ohne Rücksicht auf
des Urhebers Ansicht betrachten, es auch wieder für atheistisch
nehmen können."
Auch ist Spinozas System nur äusserlich einheitlich .
„Ist alles in der Substanz, so ist kein Werden. Ist es ausser
ihr, so ist die Frage, wie es entsteht. Allerdings . . werden
Zeit und endliche Grösse für Scheinbegriffe erklärt, aber woher
diese.?" Femer (S. 394) verwechselt Spinoza die logische mit
der realen Wahrheit, wenn auch Tennemann selbst erklärt,
man müsse alles unter der Idee der unendlichen Substanz, sub
specie aeterni, betrachten. (S. 481) „Indessen hat Spinoza,
so wenig er auch die Vernunft befriedigt, ja sogar ihre Gesetz-
gebung für das Freiheitsvermögen zerstöret, doch der Vernunft
einen wesentlichen Dienst geleistet, theils durch die von ihm
schärfer gefasste Idee einer Metaphysik, welche als Wissen-
schaft gelten könnte, theils durch die Bestimmung, dass sie
nur aus reinen Begriffen zu Stande kommen könne, und die
sinnlichen d. i. die empirischen Vorstellungen dabei, als blosse
subjektive Gültigkeit gebend, ausgeschlossen werden müssen,
theils durch die Entgegensetzung des theoretischen und prak-
tischen Interesses der Vernunft. Denn es lag darin die Forderung
einer tiefen eindringenden Untersuchung der reinen Erkenntnis
nach Möglichkeit, Umfang und Gebrauch, und einer nicht will-
kürlichen Ausgleichung der \'ernunft in ihrem theoretischen
und praktischen Gebrauch.** (vS. 381) ,,Ueberhaupt wird
nicht leicht ein Mann gefunden werden, der so sehr das Bild
eines Weisen in seinem ganzen Leben verwirklicht hat."
§ 78. Fichte.
Doch die Kantianer begnügten sich nicht nur mit solchen
„Rettungen" Spinozas. Die grosse Wiedergeburt des Spinozismus
vollzog sich durch und in Kants Schule. Schon drohte dieser
das Schicksal der Leibnizischen Philosophie; bald hatte sie
ihre „Wölffe" gefunden, welche die Lehren des Meisters, mit
eigenen Zusätzen entstellt, trocken vortrugen. Oder es hatten
die Theologen aus Kants Lehren Stützen für einen flachen
Rationalismus zurechtgeschnitzt. Neues Leben impfte dem Kan-
tianismus erst Fichte ein.
Die Quelle dieser Neuverjüngung lag zu offen zu tage,
als dass man erst hätte lange danach zu fahnden brauchen.
164
In dem berüchtigten Fichteschen Atheismusstreite, in dem die
Nachfolger eines Joh. Joach. Lange sich unvergänglichen Lorbeer
gepflückt haben, ging natürlich auch Spinoza nicht ganz un-
behelligt aus. Jacobi nennt, diesmal nicht ohne jeden Grund,
in seinem Briefwechsel mit Fichte, dessen Idealismus einen
umgekehrten Spinozismus. Auf den nämlichen Wegen wandelt
Jäsche (Gesch. des Pantheismus III). Er sieht (S. 64) in der
grossen Verschiedenheit der Wissenschaftslehre von 1794 5 und
1800 keine plötzliche Wandlung in Fichtes Philosophie, sondern
nur die Fortentwickelung früherer Keime. Auch ihm ist Fichte
ebenso wie Spinoza Fatalist. Das absolute Ich, welches, wie
schon Jacobi hervorgehoben, von Fichte selbst „Gott" genannt
wird, rücke beide Philosophen einander besonders nahe, wenn
auch der grundsätzliche Unterschied zwischen dem Kritiker
und dem Dogmatiker nicht zu übersehen sei.
In diesem Urteil stützte sich Jäsche z. T. auf Herbart,
der auch hier die Spinozischen Spuren scharfen Auges verfolgt,
und nicht allein in seiner „Allgemeinen Metaphysik", sondern
auch in einem besonderen Aufsatz die Lehre Fichtes als die
idealistische Uebersetzung von Spinozas Pantheismus geisselte.
In ähnlichem Sinne urteilen gelegentlich Strauss über Fichtes
„Liebe zu Gott", Michelet über „das absolute Ich". Ein-
gehender handelt hiervon Schaarschmidt in seinem „Descartes
und Spinoza", Wenn Fichte ursprünglich sein System in dia-
metralem Gegensatze zu Spinoza entwirft und doch mit dem
Ueberschreiten des „Ich", wie er selbst ahnungsvoll voraus-
gesehen, immer mehr auf diesen zusteuert, so folgt er in dieser Be-
tonung des Absoluten, als des allein Wesenhaften, entweder
dem Zuge seines eigenen Inneren oder der weitereilenden
deutschen Philosophie. Beiden gemeinsam ist (S. 381»
„das unbedingte Eingehen auf das Absolute mittelst einer con-
sequenten Erhebung des Denkens als den eigentlichen Ziel-
punkt des sittlichen Strebens*'. Auch die Kategorie des Lebens,
die „Liebe" Fichtes, gemahnt uns an Spinozas „amor Dei".
So erscheint Fichte als Weiterbildner des Spinozismus, nur ist
er encyklopädischer und im Besitz einer besseren Methode.
Bald fand dieses Urteil sein Echo jenseits des Rheines, bis
wenige Jahre darauf Julian Schmidt mit Entschiedenheit und
nicht ohne Geschick den entgegengesetzten Standpunkt ver-
teidigte. Fichtes Lehre ist ihm eine glänzende Wiedergeburt
des Kantianismus. Spinoza hat zwar einen mächtigen Eindruck
inFichte hinterlassen, doch das, wonach seine religiöse, thatkräftig-
ernste Natur strebte, die Freiheit des Willens, die sittliche Selbst-
bestimmung, Hess sich mit dem Spinozismus nicht vereinbaren.
165
„Und hier ging ihm ein Licht in der Kantischen Philo-
sophie auf. Kant löste die Gewalt der Natur, die in Spinoza
den Menschen willenlos in ihr Treibrad hineinzog, in blosse
Erregungen des Denkens auf und liess in der Trümmermasse
der zerschlagenen, gegenständlichen Welt nur einen festen Punkt
bestehen, von dem aus der Geist sich wieder in der Welt der
Gedanken und der Realität orientiren konnte, das Gewissen.
Diese Entdeckung musste Fichte mit einem innern Jubel er-
füllen." Diese Gegensätzlichkeit erkennt billiger Weise auch
Schaarschmidt in seinem „Entwicklungsgang der neueren Spe-
culation*' (1857) S. 104 an. Er führt sogar den Gegensatz
zwischen Fichte und Spinoza im einzelnen durch. Trotzdem
kann er aber beider Denker Verwandtschaft nicht übersehen,
indem, was Fichte als letztes Ziel anstrebt, Spinoza, sowie
später Schelling und Hegel, bereits von vornherin als gegeben
und adäquat erkennbar, annimmt.
Damit waren Fichtes Beziehungen zu Spinoza so aus-
drücklich betont worden, dass man nunmehr sein Gesamtbild
nicht gut zeichnen konnte, ohne den spinozistischen Zug darin
besonders zu markiren. In seiner „Philosophie Fichtes" (1862)
widmet denn auch Löwe der Untersuchung unseres Gegen-
standes einen besonderen Anhang. Er geht von Fichtes eigenem
Urteil über sein Verhältnis zu Spinoza aus. Doch findet er
zwischen beiden sowohl grössere Verwandtschaft als auch
stärkeren Gegensatz. Er schliesst mit dem, allem, was bisher
darüber verlautet, geradezu widersprechenden Urteil, dass nicht
der Gott Spinozas, sondern der Fichtes ohne Selbstbewusstsein
sei, was er durch eine längere Auseinandersetzung über den
Spinozischen Gottesbegriff an demselben Orte zu begründen
versucht.
Doch war damit der Streit noch nicht beigelegt. Bald
finden wir, wie bei P. Schmidt, den Gegensatz zwischen Fichte
und Spinoza hervorgehoben, bald wie bei Zeller die Frage nur
gestreift oder unbestimmt beantwortet, wie bei Pollock. Jodl
betont, Herbart gegenüber, die grundsätzliche Verschiedenheit
unserer Philosophen. Zugleich aber stellt sich, (Bd. II S. 68)
„über die seltsamen Künsteleien der Kant'schen Freiheitslehre
hinweg," . . Fichtes „Auffassung als Wiederaufnahme eines
der Grundgedanken des Leibniz und Spinoza dar . . (S. 83)
Seligkeit in Fichtes Sinne . . jene absolute Selbstgenügsamkeit
der Vernunft . , richtet sich nicht nur gegen den gewöhnlichen
theologischen Eudämonismus, sondern auch gegen Kant,
während er sich der Auffassung Spinozas auf das Entschiedenste
nähert" (vgl. S. 85). Auch Pfleiderer sieht in diesen Punkten,
156
bei alier wesentlichen Verschiedenheit beider Denker, eine An-
näherung an Spinozas Standpunkt. Diesem Urteil schliesst
sich in der Hauptsache Wundt an, wie ja auch schon zu Be-
ginn des Jahrhunderts Gottl. Chr. Fr. Fischhaber („Ueber das
Princip und die Hauptprobleme des Fichte'schen Systems"
Karlsr. 1801) an eine Verbindung Fichtes mit Spinoza gedacht
hatte; während Stöckl auffallender Weise in Fichte zwar den
„blanken Atheismus", aber sonst nur Kantisches Gepräge findet.
Und doch lässt schon ein flüchtiger Blick in Fichtes
Schriften den tiefen Eindruck vermuten, den Spinoza auf sein
empfangliches Gemüt hervorgerufen. Er erwähnt ihn nächst
Kant und der Naturphilosophie am häufigsten und setzt sich
mit ihm fast überall auseinander.
Pieser Eindruck rührt aus Fichtes Jugendjahren her.
Spinoza hatte in ihm einen geistesverwandten Leser gefunden.
Er war erst dadurch, dass seine Bekannten in ihm einen
Hang zum spinozistischen Determinismus entdeckt hatten, auf
den Verfasser der „Ethik" aufmerksam geworden.
Den klarsten Aufschluss über seine damalige Denkrichtung
geben, neben einem etwa gleichzeitigen Briefe, seine „Aphorismen"
vom Jahre 1790. Hier finden wir den einen Brennpunkt der
Parabel, welche in Fichtes geistiger Entwicklung von Spinoza
zu Kant und vom erstarkten „Ich"-Bewusstsein wieder zur
spinozistischen Hingabe an das Unendliche führt. In den
„Aphorismen" bewegt sich Fichte nicht nur als Determinist,
sondern auch sonst in Spinozas Bahnen. Trotz dem Bewusst-
sein der notwendigen Wirksamkeit unserer inneren Naturkräfte
postulirt er doch, durch die Scheidung zwischen Sinnlichkeit
und Vernunft, eine Tugend. Das höchste Ziel des tugend-
haften Strebens, das wahrhafte Leben, die Glückseligkeit ist
die Vereinigung mit dem Ewigen auf dem Wege des Denkens.
In diesem „amor Dei" vernichtet sich der Egoismus, in der
höchsten Freiheit opfert man die eigene.
Diese beglückende Erkenntnis ist aber nicht erst das
Spätere. Vielmehr . ist nach Fichte, der sich hier eng an
Malebranche und Spinoza anschliesst, der Begriff Gottes in allem
Erkennen schon vorausgesetzt; er ist das Denken, wir sind
nichts ausser ihm; die Substanz allein hat notwendiges Sein
und Dasein. Durch ihren Begriff wird erst die Welt, die mit
Notwendigkeit aus ihr hei*vorgegangen, begriffen. Doch besteht
nicht etwa Gott neben oder über der Wet als besondere Sub-
stanz; ein solcher Begriff ist ganz unmöglich. Gott ist, so
heisst es ferner folgerichtig, weder persönlich noch bewusst.
Diese Verwandtschaft in der Metaphysik und Ethik lässt sich
157
im einzelnen noch weiter verfolgen. Nur ist es für den
späteren Kantianer, den Wissenschaftslehrer und Politiker sehr
bemerkenswert, dass er Gottes Wesen als Schönheit, Wissen-
schaft und Staat definirt.
Die mystische Resignation Spinozas musste jedoch für
eine so recht zum Wirken und thatkräftigen Eingreifen angelegte
Natur, wie Fichte, etwas unerträglich Beklemmendes haben. In
den begeistertsten Ausdrücken begrüsst er daher, ähnlich wie
sein Gesinnungsgenosse Joh. Bapt. Schad u. a., Kant als
den Erlöser aus seinen moralischen Zweifeln. Jetzt nimmt er
klar und bestimmt seinen Standpunkt Spinoza gegenüber. Der
erste Entwurf seines metaphysischen Systems bringt denn auch
bereits eine Auseinandersetzung mit seinem alten Gläubiger.
Nun sieht er von der Zinne des Kritizismus auf Spinoza, als
den konsequentesten Dogmatiker, aber auch nicht mehr, herab.
Mit den Spuren der Spinozischen Fesseln an den Händen,
warnt er vor dem Schritte aus dem Bereiche des Ich, über
Kant hinaus, der unausweichlich zum Spinozismus führe. Nicht
lange darauf lobt Fichte in einem Briefe an Reinhold (Leben II
S. 236) an Schellings Schrift „Vom Ich** die Hinweisungen
auf Spinoza, aus dessen Systeme das seinige am besten ge-
läutert sei, und betont seine teilweise Uebereinstimmung mit
Spinozas Ansichten.
Von höchstem Werte für die Beurteilung seiner inneren
Wandlung ist seine „Bestimmung des Menschen." Fichte hatte
sich durch seine religionsphilosophischen Arbeiten wegen des
darin bemerkbaren Mangels an „Theismus" zunächst den
bescheidenen Tadel seiner Freunde z. B. Jacobis zugezogen
und schliesslich den berühmten Atheismusstreit heraufbeschworen,
der die Skandalchronik der deutschen Gelehrtengeschichte um
ein schmutziges Blatt bereichert hat. Seit diesem Streite nimmt
er in seinen Schriften seinen Standpunkt immer bestimmter im
Absoluten. Der Einfluss Schellings, der späterhin noch deut-
licher hervortritt, sowie der Jacobis haben dabei jedenfalls be-
stimmend mitgewirkt.
Der erste Teil der „Bestimmung des Menschen** schildert
in der Form eines Selbstgespräches die Zweifel, welche die
Bekanntschaft mit Spinoza in einem natürlichen und kräftigen
Gemüte hervorruft. Der zweite Teil bringt die Lösung dieser
Zweifel durch Kants Vernunftkritik. „Wenn man,** so bemerkt
Julian Schmidt mit Recht, „diese beiden Abschnitte mit einander
vergleicht, so wird man . . befremdet, dass Fichte einen Gegen-
satz zu finden glaubt, wo eigentlich vollständige Uebereinstim-
mung herrscht. Denn die Denkbestimmungen des zweiten Teils
158
sind im Wesentlichen nichts anderes, als die Naturbestimmungen
des ersten . . das System des transcendentalen Idealismus ist
im Verhältnis zu jenem Natursystem nur die Umkehrung des
Standpunktes."
Abgesehen von der starken Betonung der Freiheit, welche
er in einem gleichzeitigen Briefe an Reinhold die Voraussetzung
des Bewusstseins nennt, lassen sich im einzelnen wieder jene
mystisch-religiösen Anklänge an Spinoza vernehmen.
Eine ganz entsprechende Verschiebung des Schwerpunktes
finden wir auch schon im folgenden Jahre in der zweite Auflage
der Wissenschaftslehre. Den Standpunkt des reinen Ichs löst
hier der des absoluten Wissens ab. Dabei versäumt Fichte
nicht, was ja sehr nahe lag, die Analogieen zwischen der
Lehre Kants und der Spinozas, sowie andererseits ihre Gegen-
sätze hervorzuheben. Spinozas grosses Verdienst ist das Streben
nach absoluter Einheit, wie er sie in der Substanz postulirt.
Darin bekenne er selbst sich zu ihm. Desgleichen finde die
Verhältnissbestimmung zwischen dem Absoluten, als der Sub-
stanz, und dem endlichen Wissen, als Accidens, in Spinoza
sein Analogon; denn die Substanz lasse sich auch durch ein
reines Denken beschreiben. Nun fehlt aber die Brücke zwischen
der Einheit dieser Substanz und der Mannigfaltigkeit der Welt
die Spinoza schuldig geblieben. Während sich dieser somit
auf seinem Standpunkt ganz konsequent und unwiderlegbar
zeige, müsse der Kritiker doch fragen, was ihn denn berechtige,
über das im empirischen gegebene reine Bewusstsein hinaus-
zugehen. Wo Spinoza einzig und allein durch ein praktisches
Bedürfnis getrieben wurde, da glaubt er dennoch aus theo-
retischen Vernunftgründen zu schliessen. Wie später seinem
Schüler Schelling, so wirft Fichte hier seinem Antipoden Spinoza
vor, das er dasjenige als reale Substanz genommen, was er
selbst nur als absolut unendlich vergrössertes Bild seines Ichs
in eine, menschlichem Streben unerreichbare, Ferne proicirt.
Er schreibt an Schwab (Leben II S. 371): „Erst auf diese
Weise kann das sv xal Tictv feststehen, aber nicht so, wie bei
Spinoza, dass er das iv verliert, wenn er zum tuccv kommt, und
das icäv, wenn er das sv hat." Schelling, der sich in diesen
Ausfallen gegen Spinoza selbst getroffen fühlte, bleibt Fichte
den Bescheid nicht schuldig. Er will erst (Leben II S. 36^^
die neue Darstellung der Wissenschaftslehre abwarten. „Wenn
Sie darin den Spinoza zu Ihrem imaginären Gegner machen,
so scheint mir das wiederum nicht der gerade Weg zu sein;
auch kann er sie dahin führen, mehr zu widerlegen, als in
Spinoza enthalten ist."
169
In der letzten Bearbeitung seiner Hauptschrift schwächt
Fichte die Polemik gegen Spinoza dahin ab, dass dieser zwar
in der berühmtesten der Seinslehren den Begriff des Seins richtig
aufgefasst, nur sich nicht auf das Bild des Seins, auf sein
Denken desselben besonnen habe. Er, als Kantianer, habe
diese Lücke bemerkt und ausgefüllt.
Nach alledem begegnen wir bei Fichte einer ähnlichen
Erscheinung wie bei Leibniz. Beide setzen sich mit Spinoza an
allen wichtigen Stellen auseinander. Sie fühlen selbst die naheVer-,
wandtschaft, glauben aber trotzdem in diametralem Gegensatze
zu Spinoza zu stehen, welcher ohne sie Recht hätte und, ohne
den von ihnen eröffneten Ausweg, jeden Verstand in den un-
vermeidlichen Abgrund seiner Substanzlehre führen müsste.
Seinen Nachfolgern hat Fichte dadurch kräftig vorgearbeitet,
dass er, wenn auch unabsichtlich, zu dem Naturalismus Spinozas
die Parallelen auf dem Gebiete des Geistes gezeichnet hat.
Indem er von einem Extrem in das andere verfiel, hat er als
erster Kant mit Spinoza zu verbinden versucht und ist so
bereits in das Geleise Schellings nnd seiner Jünger geraten.
Ueberhaupt knüpft an Fichtes „Ich "lehre, welche auf der
Bahn eines phantastischen Solipsismus und des Stirnerschen
Egoismus lag, jene eigentümliche Bewegung an, die wir in der
deutschen Nationalliteratur unter dem Namen der Romantik
kennen. In der alten thüringischen Musenstadt, welche für die
Geschichte des deutschen Spinozismus von jeher von Bedeutung
gewesen, trafen jene Tieck, Schlegel, Novalis, Schelling zu-
sammen, welche die Zügellosigkeit in Denken und Fühlen auf
den Thron gehoben, alle sittlichen Begi'iffe verwirrt, die Poesie
mit der Philosophie, zu beider Schaden, verquickt und dieses
krause Gemisch mit mystisch-pantheistischem Flitter aufgeputzt
haben, den ihnen Orient wie Occident, Mittelalter wie Neuzeit
leihen mussten.
§ 79. Fr. Schlegel.
Niemand vereinigt alle diese Schattenseiten der romantischen
Schule so vollkommen in seiner Person, wie Friedrich Schlegel.
vSo schillernd und schwankend auch sonst seine literarische
Erscheinung ist, sein philosophischer Entwicklungsgang lässt
sich ziemlich deutlich in seinen Schriften verfolgen. Der eine
Ausgang seines Denkens ist Fichte, der andere: Spinoza.
Wir finden in diesem Doktrinär der Romantik einen Geistes-
verwandten Schleiermachers, noch mehr Schellings. Eine Frucht
des selbstbewussten Fichteschen Idealismus mit seiner voll-
endeten Dialektik ist jene Schulformel der „Ironie", als der un-
IfiO
endlichen Freiheit des genialen Subjektes, in welcher Schlegel
dem Kunstideal der Romantiker Ausdruck gab. Doch bald
gravitirt er auf dem schmalen Pfade, welchen Fichte seinen
Jüngern vorgezeichnet hatte, ganz wie dieser sein Meister
wiederum nach der mystisch-religiösen Seite. Mit der spino-
zistischen Selbstentäusserung an das All ändert sich zugleich
auch jene Kardinalformel, so dass wir am Ende der Ent-
wickelung Schlegels bei ihm den gerade entgegengesetzten
Wortlaut vorfinden: „Ironie ist klares Bewusstsein in der
ewigen Agilität des unendlichen vollen Chaos."
Schon frühzeitig neigt Schlegel nach diesem Standpunkte
hin. Mit seinen Brüdern in Fichte, mit Schelling und Novalis,
hatte er. sich in das Studium Spinozas vertieft. Doch wie er
und ohne Zweifel auch seine Freunde den Spinozismus auf-
fassten, nämlich als die Lehre von dem genial-lüderlichen Aus-
leben des Naturtriebes, als das Evangelium der Sittenlosigkeit,
das zeigt am klarsten die „Lucinde", jenes in seiner Art „ein-
zige Buch", wie es Schleiermacher in seiner Approbation rühmt.
„Die Zeit ist da, das innere Wesen der Gottheit kann offen-
bart und dargestellt werden, alle Mysterien dürfen sich ent-
hüllen und die Furcht soll aufhören. Weihe dich selbst ein
und verkündige es, dass die Natur allein ehrwürdig ist!" Schon
hier geht mit freilebiger Naturwüchsigkeit mystische Natur-
vergötterung Hand in Hand. Auch seine „Frau" weiht Schlegel
in die Mysterien Spinozas ein. Er verspricht ihr eine Dar-
stellung der Lehren dieses Denkers, der nach seiner Meinung
„wenig Rücksichten auf die Meinungen anderer nimmt und auf
specielle Wissenschaften," worin er sich ihm besonders wahl-
verwandt gefühlt haben mag. Bezeichnender Weise empfiehlt
er als beste Einführung in das Verständnis Spinozas die „Reden**
seines Freundes , von denen er „fast mit Zuversicht behaupten
möchte, dass sie den irreligiösesten Dichtem und Künstlern
noch eher zusagen werden, als den religiösesten Philosophen"*
(„Athenäum" 1799 Bd. 2 Stück 1 S. 294). In der berühmten
„Rede über die Mythologie" („Athenäum 1800 Bd. 3 St. 1 S,
99 ff.) trägt auch Schlegel sein Scherflein bei zur Rettung
Spinozas. „Spinoza, scheint mirs, hat ein gleiches Schicksal
wie der gute alte Saturn der Fabel. Die neuen Götter haben
den Herrlichen vom hohen Thron der Wissenschaft herab-
gestürzt. In das heilige Dunkel der Phantasie ist er zurück-
gewichen, da lebt und haust er nun mit den anderen Titanen
in ehrwürdiger Verbannung. Haltet ihn hier! Im Gesang der
Musen verschmelze seine Erinnerung an die alte Herrschaft
in leise Sehnsucht. Er entkleide sich vom kriegerischen
161
Schmuck des Systems, und theile dann die Wohnung im
Tempel der neuen Poesie mit Homer und Dante und geselle
sich zu den Laren und Hausfreunden jedes gottbegeisterten
Dichters. In der That, ich begreife kaum, wie man ein
Dichter sein kann, ohne den Spinoza zu verehren, zu
lieben und ganz der seinige zu werden. In Erfindung
des Einzelnen ist Eure eigene Phantasie reich genug; sie
anzuregen, zur Thätigkeit zu reizen und ihr Nahrung zu
geben, nichts geschickter als die Dichtungen andrer Künstler.
Im Spinoza aber findet Ihr den Anfang und das Ende aller
Phantasie, den allgemeinen Grund und Boden, auf dem Euer
Einzelnes ruht und eben diese Absonderung des Ursprünglichen,
Ewigen der Phantasie von allem Einzelnen und Besondern
muss Euch sehr willkommen seyn. Ergreift die Gelegenheit
und schaut hin! Es wird Euch ein tiefer Blick in die innerste
Werkstätte der Poesie gegönnt. Von der Art wie die
Phantasie des Soinoza, so ist auch sein Gefühl. Nicht
Reizbarkeit für dieses und jenes, nicht Leidenschaft, die schwillt
und wieder sinket; aber ein klarer Duft schwebt unsichtbar
sichtbar über dem Ganzen, überall findet die ewige Sehnsucht
einen Anklang, aus den Tiefen des einfachen Werks, welches
in stiller Grösse den Geist der ursprünglichen Liebe athmet. Und
ist nicht dieser milde Widerschein der Gottheit im Menschen
die eigentliche Seele, der zündende Funken aller Poesie? . . .
Und was ist jede schöne Mythologie anders als ein hieroglyphischer
Ausdruck der umgebenden Natur in dieser \''erklärung von
Phantasie und Liebe? . . (S. 104) Wenn ich einen so grossen
Accent auf den Spinoza lege, so geschieht es wahrlich nicht
aus einer subjektiven Vorliebe . . . oder um ihn als Meister
einer neuen Alleinherrschaft zu erheben; sondern weil ich an
diesem Beyspiel am auffallendsten und einleuchtendsten meine
Gedanken vom Werth und der Würde der Mystik und ihrem
Verhältniss zur Poesie zeigen konnte. Ich wählte ihn wegen
seiner Objektivität in dieser Rücksicht als Repräsentanten aller
übrigen . . Spinoza" ist „der allgemeine Grund und Halt für
jede individuelle Art von MysticLsmus." Mit einem genialen
Blick, wie wir ihn sonst nur noch bei Goethe bewundern
können, den die Romantik in der That auch neben Fichte als
ihren Vater ansieht, dringt Schlegel hinter die „barbarische Form",
in das mystische Innerste Spinozas ein, entdeckt er hier das reiche
Gemüt, welches sich der Künstler zu eigen machen müsse.
Ja, selbst die Form der Ethik, als das entsprechendste Gewand
des extremen Realismus, findet Schlegel noch besonders lobens-
wert. „Antonio: (S. 106) Die Idealisten versicherten mich
1!
162
aller Orten, Spinoza sey wohl gut, nur sei er durch und durch
unverständlich . . Gesetzt, Plato wäre auch, was er nicht ist,
eben so objectiv in dieser Hinsicht als Spinoza: so war es
doch besser, dass unser Freund den letzten wählte, um uns
den Urquell der Poesie in den Mysterien des Realismus zu
zeigen, gerade weil bey ihm an keine Poesie der Form zu denken
ist. " Von einem richtigen Triebe geleitet, stellt er neben Spinoza
Plato und Jacob Böhme. Dieses Dreigestim galt der Romantik
als der Inbegriff aller nur möglichen Wissenschaft. „Was
Plato," schreibt Dorothea Schlegel am 13. Juli 1805, „und
Spinoza und Jacob Böhme und die Apostel gelehrt haben, das
können sie jetzt umbacken und kneten und in andere Formen
giessen, aber etwas Neues lehren sie nimmermehr.** Im Zu-
sammenhang mit seinen Vorlesungen beabsichtigte Schlegel auch
eine Ausgabe der Ethik, ebenso wie sein Geistesvetter F. W.
V. Schmidt (s. Allg. deutsche Biogr.), von dem wir eine Ueber-
setzung dieses Erbauungsbuches der Romantiker besitzen (1812).
Doch ändert sich, entsprechend seiner äusseren Wandlung, in
jenen „Vorlesungen" (1812) auch Schlegels Urteil über seinen
alten Liebling. Der Vater der „Lucinde" tadelt, nun im Schosse
der katholischen Kirche, (vgl. auch „Ueber die Sprache und
Weisheit der Inder** S. 97 f. 114. 127) seinen einstigen Heiligen
als Urheber der irreligiösen und unsittlichen Richtung in der
neueren deutschen Philosophie. (S. W. Wien 1822. Bd. II S. 234)
„Spinozas grosser Irrtum, die Welt und Gott nicht zu unter-
scheiden, allen einzelnen Wesen aber die innere Selbständigkeit
und Bestandheit abzusprechen und in ihnen allen nichts zu
sehen, als die verschiedenen Kraftäusserungen des Einen, ewigen,
alles umfassenden Wesens, hebt eigentlich die Religion auf,
weil er Gott die Persönlichkeit und dem Menschen die Freiheit
abspricht, überhaupt aber das Unsittliche, Unwahre und Un-
göttliche für einen blossen Schein erklärend, den wesentlichen
Unterschied zwischen dem Guten und Bösen aufhebt. Dieser
Irrthum" . . ist . . „der älteste, der auf die ursprüngliche Wahr-
heit gefolgt ist, nur dass Spinoza den Pantheismus in eine
mehr wissenschaftliche Form gebracht hat . .** Doch lässt
Schlegel dem Juden Spinoza, wenn auch mit allerlei schlauen
Verwahrungen, eine bessere Behandlung widerfahren als dem
kirchlichen Descartes und dem nicht minder kirchlichen Leibniz,
wenn er auch diesen sonst als Erlöser von dem unchristlichen
Spinoza anerkennt. (S. 233) „Spinozas Sittenlehre ist zwar, so
wie er selbst kein Christ war, nicht die christliche, wohl aber
ist sie so edel und rein, wie etwa die der Stoiker im Alterthum,
ja sie hat vielleicht Vorzüge vor dieser. Was ihn stark macht
163
im Vergleich mit Gegnern, die seine Tiefe nicht verstehen, oder
nicht fühlen, und mit solchen, die ohne es selbst recht zu
wissen, halb auf ähnlichen Irrwegen wandeln, ist nicht bloss
die wissenschaftliche Klarheit und Entschiedenheit seiner Denk-
art, sondern auch, dass alles in dieser so aus einem Gusse war,
weil er fühlte, wie er dachte, und ganz von seinem Gefühle
beseelt war. Man kann es nicht Naturbegeisterung nennen,
wie der Dichter, der Künstler oder der Naturforscher sie fühlt:
noch weniger eigentliche Liebe oder Andacht, denn wo fände
diese eine Gegend ohne Glauben und wirklichen Gott? Aber
ein alldurchdringendes Gefühl des Unendlichen ist es, was ihn
immer bey all seinem Denken begleitet, und ihn ganz über die
Sinnenwelt erhebt . /* Als hätte es nie eine Romantik ge-
geben und ein Friedrich Schlegel ihr Wort geführt, heisst es
weiter: „Eine . . tief in den Mittelpunkt des Lebens eingreifende
geistige Krankheit ist der feinere Pantheismus, der unter den
mannichfachsten Formen, in Deutschland herrschend geworden
ist, und bald in der zauberischen Naturfülle einer beseelten
Phantasie, bald kritisch abwägend und dem Scheine nach ab-
sondernd und wenigstens das Einzelne historisch erkennend,
obwohl nie das Ganze verstehend, hie und da auch noch in
dem alten schon abgenutzten Truggewande dialektischer Spitz-
findigkeit und ideeller Leerheit auftritt . . . Diesem Uebel kann
nur eine wahrhaft christliche Philosophie entgegentreten."
§ 80. Rahel.
Wie Schlegels Frau von ihrem Manne für den Spinoza-
kult gewonnen war, so zeigt auch die Freundin des jungen
Schleiermacher, die Königin des Berliner Romantikerzirkels,
Rahel, lebhafte Neigung für den grossen Volksgenossen. Dies
lag einer eifrigen Verehrerin Goethes und Fichtes, die einen
Fr. Schlegel, Novalis, Schleiermacher, Schelling, Steffens teils
persönlich, teils aus ihren Schriften kannte, nicht gar zu fern.
Varnhagen, welcher (Denkwürdigkeiten Bd. 2. 1837) selbst bei
seinem Freunde David Mendel Spinoza studirt hatte, erzählt
von seiner Frau — er nennt sie die dritte Lichtgeburt neben
Christus und Spinoza — (Bd. 8 S. 732): Sie „konnte muthig
und heiter den Ansichten Spinozas und des Pantheismus folgen,
sie erbebte vor keinem Gedanken, der sich als richtige Folge-
rung darstellen durfte; nichts, was aus ehrlichem Suchen her-
vorging, wollte sie verwerfen." Rahel selbst bekennt (Rahel,
ein Buch des Andenkens. Bd. II S. 38 f.): „Spinoza gefallt
mir sehr, er denkt sehr ehrlich und kommt bis zum tiefsten
11*
164
Absoluten und drückt es aus; und hat den schönen Karakter
des Denkers: unpersönlich, mild, still; in der Tiefe beschäftigt
und davon geschickt." Doch kann sie für ihre Person sich
nicht von dem Glauben ihrer Kindheit trennen. (Denkw. a. a. 0.)
,,Ich hasse jedes Bild, jedes willkürlich und kleinlich bestimmte,
das wir uns von dem in kein Bild zu Fassenden machen wollen,
selbst die allgemeine Vorstellung einer Persönlichkeit des Ur-
seins ist mir beschränkt und willkürlich — aber ich kann nicht
anders, ich bin doch immer wieder darauf zurückgewiesen, und
ich kann es mir nicht nehmen lassen, das Weltall und die
ganze geistige Schöpfung erscheinen mir doch nur als Glieder,
zu denen es ein Haupt geben muss! . . (S. 733) Mein Geist
kann immer höher steigen, mächtiger, schauender werden; und
ist Gott mit Allem Eins, so ist's wie mit uns selbst; auch zu
uns gehört unser ganzer Leib und die Intelligenzen aller unserer
Organe, und es ist doch eine vornehmste da: der Kopf weiss
vom Fuss; der nicht vom Kopf!"
§ 81. Solger.
Aehnlich stellt sich der Aesthetiker und Religionsphilosoph
der Romantik, Solger, der Schüler Fichtes und Schellings, zu
Spinoza. Er schreibt am 23. Jan. 1818 an Abeken („Nachgel.
Schriften" 1826 Bd. I S. 605): „Eben so spricht sich gut
von Spinozas Pantheismus, welcher zwar behauptete, dass Gott in
Allem sey, ihn aber doch immer nur im Begriffe der Existenz
eines jeden Dinges denken konnte, dadurch zum Fatalisten
ward, nicht dahin kam, seine Wirklichkeit im persönlichen
Selbstbewusstsein anzuschauen." Doch gibt er dem Spinozis-
mus den Vorzug vor jedem anderen philosophischen Systeme.
In einem Briefe an Fr. v. Raumer 1807 (S. 131) gelobt Solger:
„Ich will unserem gemeinschaftlichen Lehrer Spinoza von
keiner Seite Schande machen. Er wohnt bey mir und be-
schäftigt beynahe meinen ganzen Vormittag, und mein Bruder
hat seinem dreijährigen Albrecht schon beygebracht: Spinoza
sey ein kluger Kerl gewesen und Onkle Karl sage, er hätte
alles besser gewusst als die andern. Ich bin noch mit der
Ethik beschäftigt und schreibe jetzt darüber . . die durch-
sichtige Klarheit und Ruhe seiner Darstellung reizt täglich höher
meine Bewunderung. Wie sehr sticht gegen das Brausen und
Wogen mancher neuesten Philosophen diese reine Stille ab,
welche Winckelmann bei Kunstwerken mit der Ruhe des Meeres
vergleicht . . Seine mathematische Darstellung ist mit einer
staunenswürdigen Beurteilung gewählt und durchgeführt, und
165
gewiss die beste für diese Art des dialektischen oder vielmehr
logischen Philosophirens." Ein Spinozisches Selbstbevvusstsein
spricht aus den Worten (An den Bruder 29. Aug. 1807): ,,Bald
hoffe ich mit Spinoza sagen zu können: Non dico me opti-
mam invenisse philosophiam . . Denn dies ist alles, was der
Mensch erreichen kann." lieber den Tractatus de emendatione
intellectus schreibt er an Krause den 19. Nov. 1809 (S. 175):
„Weil ich doch vor allen Dingen die Erkenntnissart dieser
Alenschen verbessern muss, las ich neulich wieder den Spinoza
de emend. int., und als ich die theuem Worte des reinen,
einfältigen Weisen las: Postquam intellexi, omnia, quae . . da
suchte ich mir nach einer Erkenntniss, wodurch ich perpetua
et aeterna fruerer laetitia; da füllte es mir wieder das ganze
Herz an. — Ich will meinen Weg gehen, wie dieser Gerechte;
richte ich etwas für die andern aus, so ist es gut, wo nicht,
so mag man mich übrigens still begraben, bin ich doch in mir
selbst glücklich gewesen."
§ 82. Novalis.
Ihren klassischen Ausdruck fand diese romantische Re-
signation in Novalis, dem „romantischen Propheten", dem eigent-
lichen Dichter der Schule. Er wurzelt in Fichte, geht aber,
wie Fr. Schlegel, bald über diesen Standpunkt hinaus; auch
dem Fries'schen Gedankenkreise steht er nicht fern. Ganz Fichtisch
spricht er von dem grossen Ich, von welchem wir einzelnen
„gewöhnlichen Ich und Du" nur Variationen, nur der Abglanz
sind. „Wir sind gar nicht Ich, wir können und sollen aber
Ich werden, wir sind Keime zum Ich -Werden. Wir sollen
Alles in ein Du, in ein zweites Ich verwandeln, nur dadurch
erheben wir uns selbst zum grossen Ich, das Eins und Alles
zugleich ist." „Gott ist gerade so persönlich und individuell,
wie wir, denn unser sogenanntes Ich ist nicht unser wahres
Ich, sondern nur sein Abglanz." Durch die Verneinung unseres
Ich gelangen wir zum Absoluten, und diese Aufhebung des
individuellen Ich ist die Hauptaufgabe unseres Lebens. Doch
geht Novalis bald weiter. Das Anfangen des Philosophirens mit
dem Menschen lässt er zwar als kritisch gelten, hält es aber für
noch kritischer, bei dem Genius, dem idealen Menschen, und
für die Höhe der Kritik, bei Gott zu beginnen. Damit hat er
in der That den Standpunkt Fichtes mit dem Spinozas ver-
tauscht, für welchen er stets des Lobes voll ist.
Er hatte diesen, was ja aus seinen innigen Beziehungen
zu Schelling und Schlegel sich leicht erklärt, schon frühzeitig
166
neben der Bibel, neben Zinzendorf, Lavater und Fichte gelesen.
In fast allen seinen schriftlichen Aeusserungen findet sich Spi-
nozas Name. So erwähnt er ihn (s. „Schriften" hrsg. von
Tieck und Bülow. Bert. 1846. TL 3 S. 139) in einem Briefe
an Reinhold vom Jahre 1791 unter den zu wenig gewürdigten
Grössen der Geschichte. Besonders in seinem Streben, die
Philosophie mit der Religion zu versöhnen, kam ihm Spinoza
auf halbem Wege entgegen. („Moralische Ansichten" a. a. O.
Tl. 2 S. 289) „Spinoza und andere haben mit sonderbarem
Instinkt alles in der Theologie gesucht, die Theologie zum Sitz
der Intelligenz gemacht. Spinozas Idee von einem kategorischen,
imperativen, schönen und vollkommenen Wissen, einem an sich
befriedigenden Wissen, einem alles übrige Wissen annihilirenden
und den Wissenstrieb angenehm aufhebenden Wissen, kurz,
einem wollüstigen Wissen (welche Idee allem Mysticismus zu
Grunde liegt) ist äusserst interessant." Auch nach Novalis
muss (S. 293) „das System der Moral System der Natur
werden." Spinoza, den er wie die meisten Romantiker verkennt,
ist (S. 305) „ein Gott-trunkener Mensch. Der Spinozismus ist
eine Uebersättigung mit Gottheit; Unglauben ein Mangel an
göttlichem Organ und an Gottheit.** Diese krankhaft roman-
tische Auffassung Spinozas bei Novalis wirkt noch lange in
der deutschen Dichtung, selbst bei den erklärten Gegnern der
Romantik, nach.
§ 83. Heine.
So hat wohl selten jemand berufener und schöner Spinozas
Lob gesungen, als sein Glaubensbruder Heinrich Heine. Prüfen
wir aber sein Urteil auf seinen wissenschaftlichen Wert hin, so
finden wir es zum Teil unselbständig, zum Teil entschieden falsch.
So irrt Heine, wenn er, auf dem Wege von Hegel zu Feuer-
bachs Anthropotheismus, sich allem Anschein nach mit
Spinoza in Uebereinstimmung glaubt bei der Annahme, dass
die Gottheit erst im Menschengeiste zum Bewusstsein komme:
wenn er sich auf ihn, wie auf das Hellenentum, berufen möchte
für die Emanzipation des Fleisches. („Deutschland" I Buch 2.
Hoffm. u. Campe 1884. S. 54) „Es ist eine irrige Meinung,
dass diese Religion, der Pantheismus, die Menschen zum In-
differentismus führe. Im Gegentheil, das Bewusstsein seiner
Göttlichkeit wird den Menschen auch zur Kundgebung derselben
begeistern, und jetzt erst werden die wahren Grossthaten des
wahren Heroenthums diese Erde verherrlichen . . Wir befördern
das Wohlsein der Materie, das materielle Glück der Völker,
167
nicht weil wir gleich den Materialisten den Geist missachten,
sondern weil wir wissen, dass die Göttlichkeit des Menschen
sich auch in seiner leiblichen Erscheinung kundgiebt, und das
Elend den Leib, das Bild Gottes, zerstört und aviliert, und der
Geist dadurch ebenfalls zu Grunde geht ... Ihr "Republikaner
„verlangt einfache Trachten, enthaltsame Sitten und ungewürzte
Genüsse: wir hingegen verlangen Nektar und Ambrosia, Purpur-
mäntel, kostbare Wohlgerüche, Wollust und Pracht, lachenden
Nymphentanz, Musik und Komödien . .
Deutschland ist der gedeihlichste Boden des Pantheismus;
dieser ist die Religion unserer grössten Denker, unserer besten
Künstler . . der Pantheismus ist das öffentliche Geheimnis in
Deutschland . . der Pantheismus ist die verborgene Religion
Deutschlands." Sehr wahr! Nur hat dieser pantheistische
Naturglauben von Haus aus nichts mit Spinoza zu thun. Der
nordische Fichtenbaum, der von der indischen Palme träumt,
die Lotosblume, die sich nach dem Monde sehnt, dies sind
dichterische Gegenstände, welche deutlich genug ihre Heimat
in der ,,mondbeglänzten Zaubernacht" der Romantik verraten.
Vom Ufer des Ganges, aus dem Urwald Germaniens stammt
dieser Pantheismus; und sein Prophet Heine ist darin urdeutsch,
so wenig man ihn auch gegenwärtig im eigenen Vaterlande
dafür gelten lassen will.
Doch zeigt sich in allem, was er von Spinoza sagt, seine
glänzende Gabe, immer den treffendsten und schönsten Aus-
druck zu finden, mag er von Spinozas unglücklichem Schicksal
oder von Goethes, von Schellings Spinozismus reden (a. a. O.
S. 48). „Bei der Lektüre des Spinoza ergreift uns ein Gefühl wie
beim Anblick der grossen Natur und ihrer lebendigsten Ruhe.
Ein Wald von himmelhohen Gedanken, deren blühende Gipfel
in wogender Bewegung sind, während die unerschütterlichen
Baumstämme in der ewigen Erde wurzeln . . Man wird an-
geweht wie von den Lüften der Zukunft. Der Geist der
hebräischen Propheten ruhte vielleicht noch auf ihrem späten
Enkel." Sein Wandel war „rein und makellos wie das Leben
seines göttlichen Vetters, Jesu Christi . . Keiner hat sich jemals
erhabener über die Gottheit ausgesprochen wie Spinoza. Statt
zu sagen, er leugne Gott, könnte man sagen, er leugne den
Menschen . . . Der Gedanke ist am Ende nur die unsichtbare
Ausdehnung und die Ausdehnung ist nur der sichtbare Ge-
danke . . 56. . Merkwürdig ist es, wie die verschiedensten
Parteien gegen Spinoza gekämpft. Sie bilden eine Armee, deren
bunte Zusammensetzung den spasshaftesten Anblick gewährt.
i
168
Neben einem Schwärm schwarzer und weisser Kapuzen, mit
Kreuzen und dampfenden Weihrauchfässern, marschirt die Pha-
lanx der Encyklopädisten, die ebenfalls gegen diesen penseur
temeraire eifern. ■ Neben dem Rabbiner der Amsterdamer Syna-
goge, der mit dem Bockshorn des Glaubens zum Angriff bläst,
wandelt Arouet de Voltaire, der mit der Pickelflöte der Persi-
phlage zum Besten des Deismus musicirt. Dazwischen greint
das alte Weib Jakobi, die Marketenderin dieser Glaubensarmee.
. . S. 93. Die Lehre des Spinoza hat sich aus der mathematischen
Hülle entpuppt und umflattert uns als Goethe'sches Lied. Daher
die Wuth unserer Orthodoxen und Pietisten gegen dasGoethesche
Lied." („Die romant. Schule" Buch 2 S. 181) „Wenn man
den Spinoza einst aus seiner starren altcartesianischen mathe-
matischen Form erlöst und ihn dem grossen Publikum zugäng-
licher macht, dann wird sich vielleicht zeigen, dass er mehr als
jeder andere über Ideendiebstahl klagen dürfte."
§ 84. Auerbach.
Diese Zeit war mit Berthold Auerbach gekommen, nach-
dem der zweihundertste Geburtstag Spinozas von niemandem
ausser einem Juden, dem damals zwanzigjährigen Ludwig
Philippson, wenn auch an bescheidener Stätte, in einem be-
geisterungsglühenden Hymnus auf den grossen Volksgenossen
gefeiert worden war („Baruch Spinoza". Eine Skizze. In „Sula-
mith", hrsg. von Dr. David Fränkel, Dessau. 7. Jhrgg. 11. Heft
S. 327 ff. Berlin 1832: vgl. Philippson, Jhrbch. für die Gesch.
der Juden. Bd. 2 S. 168 ff'.).
Mitten unter den Professorennamen, die das Mitglieder-
verzeichnis des deutschen Komites für das Spinozadenkmal im
Haag aufführt, fällt uns der schlichte Name B. Auerbachs auf.
In der That durfte er sich nicht die Ehre entgehen lassen,
seinem Liebling ein Denkmal auf heimatlichem Boden errichten
zu helfen, mit dessen Preis er selbst sich ein solches aus un-
vergänglicher Liebe und Bewunderung in den Herzen seiner
deutschen Landsleute längst gesetzt hatte.
Kaum hat noch jemand ausser Auerbach auf so mannig-
fache, eigentümliche Art und mit so grossem Erfolge über die
Grenzen Deutschlands hinaus, ja selbst in Spinozas eigenem
engeren \'aterlande, für den grossen Denker geworben.
Selbst ein Meister des deutschen Wortes, stets dem Geiste
Spinozas nahe, hat er ihm zum ersten Male ein wahrhaft
deutsches Kleid gegeben, nachdem er wenige Jahre vorher in
seinem bekannten biographischen Romane ,, Spinoza'' es ver-
16Ü
standen hatte, für dessen Werke Stimmung zu machen. Die
Tüchtigkeit beider Leistungen bezeugen ihre wiederholten
Auflagen. Der Roman erlebte zudem die Uebersetzung ins
Französische, ins Spanische und Holländische.
Spinoza zu einem Romanhelden zu machen, war ein
interessanter Wurf. Wer hätte hinter dem spröden, mathe-
matischen Ganzen der „Ethik^' mit ihrem mittelalterlichen Latein,
das einen so scholastisch anmutete, wer hätte in diesen starren
Formen pulsirendes Leben erwarten sollen? Und was man
von Spinozas stoisch entsagendem Lebenswandel wusste, war
so spärlich und dazu so nüchtern, dass mancher Romanschreiber
an einem solchen Unternehmen hätte verzagen können.
Doch fehlte es nicht an jeder Aussicht auf Erfolg. Die
Romantiker hatten Auerbach vorgearbeitet. Ja, Goethe selbst
hatte bereits in seinen „Wahlverwandtschaften** das Beispiel
gegeben, wie man bei unserem Philosophen jene damals be-
liebte geheimnissvoll physiologische Begründung seelischer Vor-
gänge finden konnte. Damit war das romanhafte Halbdunkel
getroffen. Hierzu kamen noch verschiedene Anhaltspunkte für
eine romantische Einkleidung in seinem Leben selbst: so sein
Siechtum, sein Zerfall mit der Judengemeinde, seine Grossmut,
vor allem seine — problematische — Jugendliebe.
Auerbach hatte nun noch den besonderen Vorteil, sich als
Jude vermöge seiner eigenen Erfahrungen leichter in die längst
verflossene Zeit eines Spinoza hineinversetzen und durch
passende, fein erfundene Züge das Lebensbild dieses Riesen-
geistes ergänzen zu können, welches er, teilweise sogar mit
Verwertung eigener Forschungen, bald darauf, gelegentlich seiner
Uebersetzung, wahrheitsgetreu gezeichnet hat. Was ihn zu dieser
Uebersetzung veranlasst, was ihn überhaupt mit Verehrung für
Spinoza und seine Schöpfungen erfüllt hat, giebt er hier in der
Vorrede des weiteren an. (Uebersetzung 1841, Bd. I S. Ulf.)
„Deutschland, die Hochschule der Philosophie, hat deren Ur-
sprung in Spinoza anerkannt, es muss daher von hoher Be-
deutung sein, ihn stets allgemeiner in seiner Reiheit und Ursprüng-
lichkeit zu erkennen . . (S. IV) Ich habe diese Uebersetzung
mit der strengen Pietät ausgearbeitet, die das Original einflösst . .
(S. XIII) Darum ist das Leben Spinozas von so hoher und
ewiger Bedeutung, weil sein Leben eins mit seinen Werken,
weil er selbst der freie Mensch war, den er als Urbild ge-
funden und als Ideal für ewige Zeiten dargestellt . . (S. LXXK)
Je entschiedener und bewusster man sich aus dem subjektiven
und Einzelleben heraus in das Ewige und Unendliche versetzt,
um so mehr ist Unendlichkeit und Endlichkeit wieder eins ge-
170
worden, um so mehr lebt man in der Ewigkeit, in der Un-
sterblichkeit, in Gott. Hier ist auch der Punkt, wo die Speku-
lation und die Mystik im weitesten Sinne zusammentreffen und
wieder auseinander gehen, in der Mystik verliert sich das End-
liche, Subjektive im Unendlichen, in der Spekulation aber steht
das Endliche als Erkennendes im Unendlichen fest; es ist ein
durch die mannichfachsten Verhältnisse hindurch gehender,
vielverbreiteter Irrthum, dass das Eigenthümliche, Besondere,
Auszeichnende an einem Dinge das höhere sey, während doch
gerade das Allgemeine an ihm das höhere ist, das, in seiner
Vollkraft herausgebildet, das Ewige und Unendliche darstellt . .
(S. LXXXII) Spinoza stand auf der obersten Stufe ethischen
Lebens als Charaktergenie . . (S. CHI) Spinoza konnte und
wollte keine Schule oder Sekte in herkömmlichem Sinne bilden,
nur die vereinzelten Wahrheiten werden zu Dogmen und Normen
der Sekten, die Wahrheit an sich nie, sie beruht nicht in
einem Dogma, sie beruht in der Erkenntniss, in dem Geiste,
der frei geworden durch die Erkenntniss seiner ewigen und
nothwendigen Gesetze; sie ist die Erhebung aus dem Endlichen
in das Unendliche, die nicht als Dogma gelehrt und empfangen,
sondern nur als Erkenntnis und That errungen werden kann . .
(S. CXIII) Wer nicht als freier Mensch, aus dem Kritizismus
und Skeptizismus des Verstandes herausgetreten, die absolute
Menschenidee in sich trägt, wird von dem Gottesbewusstsein
in der Ethik nicht durchdrungen werden, und das lebendige
Verständniss seiner eigensten und innersten Natur, wie der Welt
um ihn her, nicht darin finden . . (S CXIV) Die Ethik ist
das Sittenbuch des modernen Menschen, wie er frei, selbständig
und bewusst, in der Vernunfterkenntnis gehalten ist; sie ist die
innere Dogmatik der neuen Weltgeschichte . . (S. CXV) Von
hoher Bedeutung wäre eine Geschichte des Spinozismus, na-
mentlich in Deutschland, dessen tiefe Religiosität und sittlicher
Ernst durch die Frivolität eines ganzen nachfolgenden Jahr-
hunderts wenig berührt werden konnte, bis es sich aus dem
Kritizismus heraus der heiligen Erkenntniss zuwendete, die mit
Spinoza begonnen." Entrüsteter hätte sich Spinoza selbst nicht
über das pantheistische Treiben der Romantiker auslassen können
als sein Jünger Auerbach . . (S. CXVII fg.) Mit frecher
Stirne drängte man sich herzu, um sich die Prärogative eines
bevorzugten Geistes anzueignen. Das Wesen der pantheistischen
Erkenntniss liegt aber nicht in einem besonderen Vorzuge ein-
zelner Menschen, sondern in den allgemeinen Gesetzen der
Menschennatur . . . Die Grundlage des praktischen Pantheis-
mus ist die Befestigung und Ausbildung des intellektuellen
171
Charakters, die Erhebung und Läuterung der endlichen Per-
sönlichkeit als solcher zur unendlichen, die Regulirung des Ein-
zelnen, Endlichen nach und nach zu dem Allgemeinen, Ewigen
und Vernünftigen, die Grundbedingung des moralisch intellektu-
alen Charakters ist Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Befreiung von
aller selbsttrügerischen Sophistik, die das Unheilige, wie das
blos Subjektive, Endliche, gerne für das Heilige, Objektive und
Unendliche ausgibt . . (CXXIV) Den Bekennern oder Er-
kennern des Pantheismus ist Moral und Vernunft eins."
Noch weit eindringlicher als in solchen herrlichen Be-
kenntnissen predigt Auerbach den Spinozismus in seinen Ro-
manen, welche den wahren Geist des Meisters atmen und
durch ihre Beliebtheit viel zur Verbreitung seiner Lehre bei-
getragen haben. An sich musste es höchlichst befremden, den
Spinozisten mit einem Male das schlichte, eintönige Bauern-
leben Studiren zu sehen. Die zutreffendste Erklärung hierfür
gibt uns Gottschall in seiner „Deutschen Nationalliteratur des
19. Jahrhunderts" (1875) Bd. 4 S. 385: „Auerbach ist und
bleibt auch als Volksschriftsteller Spinozist. Der Spinozismus
wird sich wenig erspriesslich zeigen für die Auffassung des
geschichtlichen Geistes; aber wo es gilt, bestehende Zustände
in ihrem verständigen Zusammenhange zu schildern, die \'er-
hältnisse durch eine eherne Kette von Ursachen und Wirkungen
an einander zu schmieden, die Menschennatur mit den an-
geborenen Triebfedern ihrer Handlungsv/eise, gleichsam mit
ihren inneren Rädern und Gewichten wie eine Schwarzwälder Uhr
auseinander zu legen und nachzuweisen, warum sie so gehen
und schlagen muss und nicht anders schlagen kann, zugleich
aber eine pantheistische Poesie der Natur und ihres gesetz-
mässigen Waltens um das Leben und Treiben der Menschen
hinzuhauchen: da ist jene Lehre der Substanz, die ihr eigener
Grund ist, an ihrem Platze, da kann sie die dichterische Be-
seelung fördern und ihr den Reiz jener grossen, einleuchtenden
Wahrheit geben, der ihren eigenen unerbittlichen Consequenzen
beiwohnt . . Mit Andacht versenkt sich ein Spinozist in diese
stillwaltende Nothwendigkeit des Volkslebens, in diese kern-
haften, klaren, abgeschlossenen Gestalten, die auf dem ewigen
Grunde der Substanz sich an so sichtbaren Fäden des
zwingenden Gesetzes bewegen! . . (S. 386). Es sind alles
starre Charaktere, hingezeichnet auf die ewige Nacht der
spinozistischen Substanz, unfähig der rettenden Selbstbe-
stimmnng, der moralischen Freiheit.** Diesen Tadel wieder-
holt Gottschall in den verschiedensten Wendungen (vgl. Bd. II
S. 287). Er vermisst an Auerbach vornehmlich den Idealis-
172
mus, (IV S. 395) „jene Wärme der Humanität, die unseren
classischen Geistern eigen ist." Doch hat jede sachkundige
Kritik Auerbach die Meisterschaft in der psychologischen Schil-
derung zugesprochen. Er zeigt sich als scharfer Beobachter,
als vortrefflicher Lebensphilosoph.
Zahlreich sind die Sprüche, in denen er seine pantheistische
Weisheit niedergelegt hat, in seine Romane eingestreut, bald
als lose Blätter, bald in grösserem Zusammenhange, wie in dem
Tagebuche der Gräfin Irma in „Auf der Höhe", und selbst
den Rahmen des Romans durchbrechend, wie in „Waldfried",
bis sie schliesslich die alternde Hand des Meisters zu eigenem
lockeren Bande zusammengelesen (in den „ iOOO Gedanken des
CoUaborators"). Des dichterischen Schmelzes bar, zeigt sich
hier wieder die Wahrheit nackt und klar wie in derEthik, nur ge-
sättigter an Wissen und Kenntnis des einzelnen, um zwei
Jahrhunderte menschlichen Fortschrittes älter und reifer. Noch
sind die Züge in der Hauptsache unverändert, Monismus, De-
terminismus, Resignation wie bei Spinoza. Doch hat auch die
neue Zeit, ein Goethe und Kant, ihre Spuren sichtbar hinterlassen.
§ 85. Lenau.
In nahen persönlichen Beziehungen zu Auerbach stand be-
kanntlich der unglückliche Schicksalsgenosse eines Hölderlin
und Nietzsche Nicolaus Lenau. Dieser schreibt (Schurz, Lenaus
Leben II S. 150) über einen Besuch Auerbachs im April 1844:
„Ich empfing ihn wohl hauptsächlich, weil sein Buch Ihnen,
liebe Sophie, gefallen hat, — auf das Beste. Er ist ein an-
genehmer Mann. Durch ein langes und sorgfältiges Studium
Spinoza's, dessen Werke er verdeutscht, dessen Biographie er
geschrieben hat, ist Auerbach mild und sehr human geworden...**
Auerbach selbst erzählt hiervon (im „Deutsch. Museum 1851.
H. I bei Schurz II S. 145): „Ich weiss noch genau, dass
unser Gespräch bald auf Spinoza kam . . . Ich erwähnte von
Spinoza, dem* Manne, der so -früh den Todeskeim in sich spürte,
und dennoch keinem subjektiven Belieben nachgab, den an
der Gränze menschlicher Erkenntniss ausgesprochenen grossen
Satz der Resignation: Homo liber de nuUa re minus cogitat,
quam de morte .... — Da sagte Lenau nachdenklich: „„Hm,
hm! sagt das Spinoza?"" Und Lenau, der dem Gedanken des
Todes so oft ins Antlitz geschaut, sollte zweimal sterben ! Lenau
gestand, wie so Viele, dass er Spinoza nicht aus ihm selber
kenne. Sein Hang zu einer gewissen Mystik in speculativen
Dingen gab sich offen kund, indem er hierin, wie es schien,
mehr seiner besonderen Individualität, als einem Principe folgte."
173
Demnach scheint es Lenau, als Student in Heidelberg, in dem
Studium Spinozas nicht sehr weit gebracht zu haben. In einem
Briefe an Mayer vom 1. Dez. 1831 (Schurz II S. 134) heisst
es nämlich: „Das einzige Palliativmittel für mich ist Vertiefung
in ein geistreiches Werk. Und so hab' ich mich jetzt in die
Schriften Spinozas vertieft. Aber ich mag nun wandern im
Gebiet der Poesie oder der Philosophie, so stöbert und schnup-
pert mein Scharfsinn vor mir herum, ein unglückseliger Spür-
hund, und jagt mir richtig immer das melancholische Sumpf-
geflügel der Welt aus seinem Verstecke. . ." Dass Spinoza dem
Dichter auch nicht völlig genügte, zeigt sein „Faust.** In dem
,, Waldgespräch** macht Mephistopheles Spinoza, den Apostel
des Naturglaubens, zum Gegenpol Christi. Die jüdische Messias-
hoffnung hat den Menschen für alle Zeit vom Busen seiner
Mutter Natur losgerissen.
„Schreck blieb im Antlitz den Natun^erräthern,
Und unaustilgbar blieb er auch den spätem;
Mit scharfem Griffel grub in jener Stund,
Durchschneidend alle Zukunft, die Natur
Den Nachgeschlechtern ein des Fluches Spur:
„Die Juden brachen mir den heiligen Bund!" —
Zu sühnen jenen alten Fluch, ersteht
Dereinst ein grosser Jude; doch zu spät!
Ein weiser Schreiber nie vergessener Schriften,.
Wird an den Todespfahl er Jesum schlagen
Mit seines Geistes diamantnen Stiften,
Den Namen von der Dornenkrone tragen. (Corona spinosa.)
Doch sind erstorben euch urkräftige Triebe,
Verwelkt die wunderbaren Herzensbüthen,
Die starken Lieder, zaubervollen Mythen,
Die götterzeugende, gewaltige Liebe.
Verrathen ward Natur, und ihr Vertrauen
Habt ihr verscherzt und eingebüsst für immer;
Ihr mögt ihr forschend in das Antlitz schauen,
Ihr scheues Herz erschliesst sich euch doch nimmer;
Denn wer nicht sie zum Höchsten sich erkoren,
Wer jenseits Götter sucht, hat sie verloren."
Faust schliesst sich weder Christus noch der Natur an :
„Behaupten will ich fest mein staiTes Ich,
Mir selbst genug und unerschütterlich."
(„Faust's Tod"):
„Ich habe Gottes mich entschlagen
Und der Natur, in stolzem Hassen,
Mich in mir selbst wollt' ich zusammenfassen."
174
Doch nähert er sich schliesslich via Stimer-Feuerbach-
Hegel einem spinozistischen Pantheismus.
^Ich bin mit Gott festinniglich
Verbunden und seit immerdar.
Mit ihm derselbe ganz und gar.
Und Faust ist nicht mein wahres Ich.
Der Faust, der sich mit Forschen trieb,
Und der dem Teufel sich verschrieb,
Und sein und alles Menschenleben
Des Guten und des Bösen Uebung,
Der Teufel selbst, dem Jener sich ergeben,
Ist nur des Gottbewiisstseins Trübung,
Ein Traum von Gott, ein wirrer Traum,
Des tiefen Meers vergänglich bunter Schaum."
Sich selbst entleibend, will Faust sich, »Welt und Gott
in Eins zusammenschweissen." Doch ist er gerade damit dem
Teufel unentrinnbar in die Arme gesprungen. Der bodenlose
Zweifel lässt den Menschengeist nicht aus den Klauen (Vgl.
die Phantasie : „Die Zweifler" ; Vermischte Gedichte: „Vanitas";
Fragmente: „Theismus und Offenbarung"; Verm. Gedichte.
Neue Folge: „Zweifel und Ruhe" bei Schurz I S. 96 — 98,
174 u. a.).
§ 86. Rückert.
Ein anderer Zweig der pantheistischen Richtung in unserer
Dichtung ist als „Orientalische Lyrik" bezeichnet worden. Die
Studien der Literaturen des Orients mit seinem „gestaltlosen
Leben und Weben in der einen Substanz, dem Hinträumen in
den Wundem des Alls", besonders durch die romantische Be-
wegung gefördert, regten zu Produktionen in demselben Geiste
an. Nur läuterte sich die orientalische Glut durch die Ver-
bindung, welche sie mit dem nahe verwandten Spinozismus
einging. Einen solchen Versuch, den morgenländischen Geist
mit dem abendländischen nicht wie Spinoza in der Philosophie,
sondern in einer echten, wahren Dichtung zu völliger Harmonie
zu verschmelzen, verdanken wir unserem Friedrich Rückert.
Begeistert verkündet er die Einheit der Substanz („Edelstein und
Perle" 1817):
^Ich sah empor und sah in allen Räumen Eines,
Hinab in's ^leer und sah in allen Wellenschäumen Eines.
Ich sah in's Herz, es war ein Meer, ein Raum der Welten,
Voll tausend Träum'; ich sah in allen Träumen Eines.
Du bist das Erste, Letzte, AeussVe, Inn're, Ganze;
Es strahlt dein Licht in allen Farbensäumen Eines."
175
Die reifste Frucht dieses Pantheismus ist Rückerts „Weisheit
des Brahmanen." Der Dichter schreibt davon am 18. Mai 1835
an Melchior Meyr (s. Beyer, Nachgel. Gedichte Fr. R.s. 1877.
S. 210): „Es muss Alles hinein, was ich eben lese: Vor acht
Wochen Spinoza, vor 14 Tagen Astronomie, jetzt Grimms
überschwenglich gehaltene Deutsche Mythologie, alles unter der
nachlässig vorgehaltenen Brahmanenmaske." So hören wir
denn in der That Spinozas Geist in den Dichterworten:
(Tl. I S. 39) „Gott ist die Geistersonn' und die Natur sein Glanz.
(S. 42) Zieh deine Selbheit aus, und an die Göttlichkeit!
Die Selbheit ist so eng, die Göttlichkeit so weit.
Sei selbst! Er selber will, dass selbst du sollest sein,
Dass du erkennest selbst, er sei dein Selbst allein.
(Tl. II S. 17) Nicht fertig ist die Welt, sie ist im ew'gen Werden,
Und ihre Freiheit kann die deine nicht gefährden.
Mit todtem Räderwerk greift sie in dich nicht ein ;
Du bist ein Lebenstrieb in ihr, gross oder klein.
Sie strebt nach ihrem Ziel mit aller Geister Ringen,
Und nur, wenn auch dein Geist ihr hilft, wird
sie's erringen.
(S. 23) Gott ist von keinem Raum, von keiner Zeit umzirkt,
Denn Gott ist da und dann, wo er und wann
er wirkt.
Und Gott wirkt überall, und Gott wirkt immerfort;
Imm^er ist seine Zeit, und überall sein Ort.
Er ist der Mittelpunkt, der Umkreis ist er auch,
Weitend' und Anfang ist sein Wechseleinaushauch.
(S. 47). Der Geist des Menschen fühlt sich völlig zweierlei;
Abhängig ganz und gar, und unabhängig frei.
Abhängig, sofern er Gott im Auge hält,
Und unabhängig, wo er vor sich hat die Welt.
Tl. III S. 119) Ich bin von Gott gewusst, und bin dadurch allein!
Mein Selbstbewusstsein ist, von Gott gewusst zu sein.
Im Gottbewusstsein geht nicht mein Bewusst-
sein aus;
Eingeht es wie ein Kind in seines Vaters Haus."
u. s. f.
Wertvollen Aufschluss über Rückerts Weltanschauung
geben uns auch seine Bemerkungen zu der Rohmerschen Schrift
„Kritik des GottesbegrifTes in den gegenwärtigen Ansichten"
(R. s Nachgel. Sehr. S. 389 fg.). Zu den Worten (im Text
S. 25): „Zweckberechnung kann nur von einem bewusst be-
176
rechnenden Geist, nicht von einer Weltseele ausgehen, welche
erst in den Pflanzen und Thieren selbst zu Bewusstsein kommt/
bemerkt Rückert: „Das ist wieder nur der dumme Hegelianis-
mus. Zum Einzelbewusstsein kommt das Ganzbewusstsein im
Einzelnen." Ferner steht im Text S. 49: „Der Pantheismus.,
hebt mit der Freiheit jede Verantwortlichkeit auf". Hierzu
lautet Rückerts Anmerkung (S. 393) „Ist nicht wahr für den
rechten Pantheisten." S. 68 sagt Rohmer: „Der Pantheismus
hebt die Willensfreiheit theoretisch auf". Dagegen wendet sich
(S. 396) Rückert. „Das ist nur so behauptet. Ich kann nicht
die Welt bewegen, sondern bin in ihr und mit ihr bewegt,
aber ich kann in ihr mich selbst bewegen.
§ 87. Schefer.
Enger schliesst sich an die Romantik, besonders eines
Novalis, wie andererseits an den Materialismus Feuerbachs
Leopold Schefer an. Wie Rückerts Dichtung, so erinnert auch
Schefers „Laienbrevier" an das Vorbild des „West - östlich.
Diwan." Die Lyrik des Ostens geht hier mit der Philosophie
des Westens eine so innige Verbindung ein, dass sich oft der
Ursprung des einzelnen gar nicht mehr bestimmt erkennen
lässt. Doch schimmert überall der Untergrund der Spinozischen
Substanz durch, worauf sich konsequent eine Moral der Resig-
nation und der Optimismus der „Ethik" aufbaut. (Vgl. Laien-
brevier, 5. Aufl. 1846, Januar I) „Nur, wer die ganze Stimme
der Natur Heraushört, dem wird sie zur Harmonie.
(III) Bist du
Das All auch nicht, du kannst das All geniessen,
Im Kelch der Brust es sammeln, wie dein Auge
Sich alle Sterne sammelt.
(VI) Verzehret dich ein Gram, so hebe seine
Ursache erst, dann wird dein Gram verschwinden.
(XIII) Bedenke, dass du doch nicht anders kannst,
Als wie der Brauch der Erde will, und Klagen
Und Angst, die quälen nur dich selbst. So lebe
Denn ihm ergeben, lebe gut und froh,
Dass dir das Schicksal keine Strafe werde,
Und freundlich still betrachtet dir nur komme.
Wie leis dich Abendhimmel überzieht . .
Dem Guten widerfährt nichts Böses . .
Das Schicksal meint es gut mit Menschen.
177
(XVIII) Gesetze gelten nur dem Schlechten.
Die freie Kraft des Guten kennet nur
Des Götterwillens Macht in seinem Herzen,
Und was er heischt, das übt er einer Welt
Zum Trotz fast stets unhemmbar aus; wenn er
Der Welt verfällt, gehöret er dem Himmel!" u. ä. m.
Einen Nachklang solcher Poesie von Gott, Notwendigkeit
und „amor Dei" hören wir auch noch in dem Sonett „Bene-
dictus" im Deutschen Museum 1863, Tl. I S. 941.
§ 88. Immermann.
Selbst Karl Immermann, dessen gesunder Natur sonst
alles romantische Wesen so durchaus fremd war, zeigt sich
gerade in seiner ureigensten Schöpfung, im „Merlin" (1831),
von der Zeitströmung mit fortgerissen. Tiecks „Hexen-Sabbath"
hatte ihm die erste Anregung hierzu gegeben. In einem Briefe
vom 27. Januar 1832 (s. Briefe an L. Tieck, hrsg. von K. v.
Holtei 1864, Bd. 2 S. 59f.) bekennt er: „Mir war Satan, Lu-
zifer, Beelzebub, oder wie man sonst das Wesen nennen will,
welches uns auf jedem Schritt und Tritt fühlbar wird, nie
das Ungeheuer mit Klauen und Schweif . . Es ging mir
vielmehr mit Nothwendigkeit aus Gottes Wesen hervor . .
Der Teufel war nur der in der Mannigfaltigkeit geofifenbarte
Gott, der durch diesen Akt sich selbst in seiner Einheit ver-
loren hatte. Weil aber dieser Zustand eodem momento, wo
er geboren war, sich in Gott wieder aufheben musste, so war
mit der Manifestation als Satan zugleich die als Logos ver-
bunden oder vielmehr beide fielen zusammen . . Gott pulsirte
für mich in jedem Augenblicke nach beiden Richtungen durch
das Weltall. Hierdurch war mir Sünde und Tod, der Satz des
Widerspruchs und das Werk der Erlösung erst verständlich . .
Ich wurde mit den Geheimlehren der Kirche bekannt, Spinoza
kam hinzu, und so rann aus fremdem und eigenem der De-
miurgos zusammen, der im Merlin auftritt " Das pantheistische
Motiv des Merlin ist denn auch: Gott überall, selbst da, wo
Irdisches und Ewiges in Gegensatz treten. (Merlin 1831. I
S. 325)
„Sieh' mächt'ger Gott in der Natur
Sieh droben die Natur in Gott!"
Diesem Spinozisch-Goetheschen Bekenntnis bleibt Immer-
mann auch späterhin treu (vgl. K. L, sein Leben. . , hrsg. v.
G. V. Putlitz. 1870. Bd. 2 S. 268 f. aus d. J. 1839). „Ich
12
178
bin durch und durch naturfromm. Gott ist mir überall und in
Allem. Meine Weltbetrachtung fallt ganz mit der Betrachtung
ewiger in den Dingen fortwirkender, nicht todter, sondern in
Liebe lebendiger Gesetze zusammen. Wo ich gehe und stehe,
was ich thue und treibe, ich fühle mich an der Brust des
ewigen Vaters, . . der mir zwar nicht alle meine Wünsche
gegeben, mich aber bis zu dem Punkte geführt hat, wo ich
sein Regiment auch in dem widrigsten als heilig und gerecht
erkennen musste. . . Ich bin aber kein kirchlicher Geist. " (Christi)
„einziges Gebot ist die Liebe, d. h. nicht die quälende, thränen-
reiche Liebe, sondern der heilige Drang, sich mit Entäusserung
alles Starren und Ablehnenden in die tiefsten und feinsten Be-
ziehungen unserer Nächsten hineinzufühlen und denken zu
können und aus dieser Hingebung an seine Natur und an sein
Geschick ihm Trost, Hülfe oder Zurechtweisung zu finden.''
(S. 289) „Dass das alte Testament inspirirt worden sei, stellen
sich wohl nur noch Heuchler an zu glauben." Doch (S. 270»
„an ein ewiges Leben glaube ich. Ich halte dafür, dass das
Feinste, Individuellste, . . das Ich mit einem Worte** nicht
zerstört werden kann. „Zu dem Ich gehört nun auch die Liebe,
welche es zu andern Wesen trägt."
§ 89. Schleiermacher.
Daneben hatte sich aber die romantische Bewegung auch
der Theologie bemächtigt. Ihr Reformator, Schleiermacher, zeigt
sich im Anfange völlig im Banne der romantischen Mystik.
Er hatte das Standard-book der Schule, die „Lucinde", dem
Publikum angepriesen und dabei die Sinnlichkeit in über-
schwenglichen Worten verherrlicht (Vertraute Briefe : „Eins mii
dem tiefsten und heiligsten Gefühl, mit der Verschmelzung und
Vereinigung der Hälfte der Menschheit zu einem mystischen
Ganzen"). Klugerweise hatte der junge Prediger bei dieser
Veröffentlichung seinen Namen verschwiegen. Die Vorsieh:
war um so angebrachter, als er bereits ein Jahr zuvor in seiner.
„Reden" mit jugendlichem Eifer öffentlich als Verteidiger unc
Verehrer des verschrieensten Antitheologen aufgetreten war, der
durch ihn das Ferment der neuen Theologie und durch ihr.
selbst kanonisirt werden sollte. Natürlich musste er mit seinen:
Spinozakult seine orthodoxen Freunde stutzig machen. So ^il^-
sein Gönner, der Hofprediger Sack, der schon früher gegen
Edelmann bezw. Spinoza öffentliche Stellung genomnrai hatte,
in Schleiermachers Schrift nur eine rednerische Darstellung de-
Spinozismus (vgl. Dilthey, Sch's Sehr. III 275—287). So seh-
179
nun auch Schleiermacher in den neuen Auflagen der „Reden"
die Pointen abzuschwächen und überhaupt seinen Spinozismus
möglichst zu verhüllen suchte, es Hessen sich die einmal auf
ihn gehetzten Theologen dadurch nicht beirren. Was von
jeher von Spinoza gegolten, übertrug man ohne weiteres auf
seinen neuesten Jünger. So sah die „Hallische Allg, Ltrztg."
(Mai 1823, No. 115—117 S. 49—72) in Schleiermachers
Glaubenslehre nur einen missglückten Versuch, das Evangelium
nach pantheistisch-spinozistischer Anschauung zu verstehen.
Zwar nahm sich seiner Schwarz (in den Heidelbgr. Jhrbchr.
d. Ltr. 1823, No. 15, 21) dagegen an, doch kann man den
hierauf wieder entgegnenden „Wiener Jhrbchr. d. Ltr." (1823,
S. 84 — 126) nicht Unrecht geben, wenn sie die spätere Schleier-
machersche Unterscheidung der Unendlichkeit Gottes von der
des Universums eine nur scheinbare nennen. Ebenso ab-
sprechend urteilt in demselben Jahre auch H. Steffens („Von
der falschen Theologie . ." 1823) und ein Jahr darauf dessen
Kollege Braniss („Ueber Schl.s Glaubenslehre" 1824). Bald
wurde Schleiermachers Spinozismus zu einem Hauptstreitobjekt
in der theologischen Literatur. In seinem „Melanchthon**
(Abschnitt 4) gibt Delbrück eine Zusammenstellung der wichtig-
sten Lehrsätze Spinozas mit erläuternden und kritischen Bemer-
kungen, die er schon vor Jahren niedergeschrieben haben will.
Er gesteht auch (S. V), einst „selbst der Alleinslehre angehört'*
zu haben. Doch nun erscheint sie ihm als vom christlichen
Standpunkt aus entschieden verwerflich. Immerhin hat der
Spinozismus für ihn den Wert, dass er zeigt, wie der Pan-
theismus, abgesehen von seinen unsittlichen Folgen, selbst in
seiner höchsten Vollendung stets inkonsequent bleiben muss.
Den hier Spinoza angepassten Massstab legt Delbrück nun auch
an Schleiermacher an. Natürlich wird die gesamte Schuld
des Meisters auf das Konto des Jüngers übertragen.
Gegen diese und ähnliche Anfechtungen (vgl. Hase, Lehrb.
der evang. Dogmatik 1826, S, 68) erhoben sich nun, mochten
sie auch in manchen Punkten mit ihm nicht einverstanden sein,
einmütig Schleiermachers Freunde, indem sie teils Augustins
Einfluss auf die ,, Glaubenslehre*' betonten, teils (wie Twesten)
auf andere, wie Jacobi, hinwiesen, welche trotz dem gleichen
Religionsbegriff, wie Schleiermacher ihn gefasst hatte, doch
ausgesprochene Gegner des Pantheismus waren.
Wie zu erwarten, blieb Delbrück die Antwort nicht schuldig.
Weit stärker im Ausdruck als in der Sache schreibt er („Er-
örterungen einiger Hauptstücke . .** 1827, S. Vllf.) Schleier-
macher, dessen Glaubenslehre „ihrem innersten Wesen nach
12*
180
spinozistisch'^ sei (S. IX), die Hauptschuld an dem immer weiter
um sich greifenden Pantheismusschwindel zu.
Nun hatte Delbrück, das musste jeder Unparteiische ein-
räumen, nicht so ganz Unrecht. Man beschränkte sich daher
auf gegnerischer Seite darauf, Schleiermacher wenigstens vom
Makel des Spinozismus so gut als möglich zu säubern und
den Pantheismus, der nun einmal nicht zu verkennen war,
wie dies schon so oft versucht worden, aus biblisch-christ-
lichem Monotheismus herzuleiten. Auch betonte man die wesent-
lich induktive Methode Schleiermachers, in welche sich der
deduktive Gott- und Weltbegriff nur „eingemischt" habe.
Ehrlicher war Schleiermacher selbst, der nun 1829 in
seinem ersten Sendschreiben an Lücke (Stud. u. Krit. Bd. 2
S. 256 ff.) zugab, dass ihn die heterogene Verbindung Leibniz-
Wolffischer Sätze mit den theokratischen Ideen des A. Testamentes
durchaus unbefriedigt gelassen. Die philosophische Ueberzeugung
müsse mit dertheologischenzusammenstimmen, nicht zusammen-
fallen.
Doch auch als Philosoph sah er sich bald gefährlichen
Gegnern, wie Hegel und besonders Herbart, gegenüber. Dieser
erbitterte Feind aller Spinozisten geht auch in der Verurteilung
Schleiermachers zu weit, indem er in seinen Lehren nichts als
einen verfehlten Versuch, Piaton mit Spinoza zu vereinigen,
sehen will. Dagegen lässt sich der Baaderianer Schlüter auch
hier von dem Herbart entgegengesetzten Bestreben leiten, die
die grossen Schüler Spinozas ihrem Meister möglichst fem zu
rücken.
Inzwischen dauerte der Streit unter den Theologen un-
geschwächt fort. C. Fr. Baur gab den Gegnern zu, dass
Schleiermacher, ebenso wie Spinoza, Gott und Welt nicht streng
geschieden sowie Immanenz und Determinismus lehre. Doch hält
er ihnen die Verschiedenheit der Methoden beider Denker ent-
gegen (Gesch. d. christl. Gnosis 1835, S. 632). Einen ver-
hängnisvollen Zwiespalt fand bald darauf auch Rosenkranz (Kr.
der Schl.schen Glbsl. 1836, S. 9) in Schleiermachers Denken,
während ihm in Hartenstein (De ethices a Schi. . . .) wieder
ein Verteidiger, besonders gegen Herbarts Angriffe, erstand.
Ein neues Moment trat hinzu in der Veröffentlichung der
vielumstrittenen „Glaubenslehre" (1838).
Der Herausgeber, Jonas, betonte ausdrücklich die getreue
Wiedergabe der als spinozistisch angefochtenen Stellen, um
derartige Vorwürfe sich in sich selbst auflösen zu lassen. Doch
wurde noch in demselben Jahre wieder Schleiermacher von
Strauss als Spinozist hingestellt. Domer suchte dieses Urteil
181
in etwas zu mildern. Allein, ebenso wenig wie Strauss, sah
sich durch das Erscheinen der „Glaubenslehre" Weisse wider-
legt, der sogar in Hegel weit weniger Spinozismus als in Schleier-
macher findet. Aehnlich äussern sich in den folgenden Jahren
der Hegelianer Michelet, Rothe und Stahl in seiner „Rechts-
philosophie" (1847). Am gründlichsten urteilt in demselben
Jahre Weissenbom in seinen „Vorlesungen über Schleiermachers
Dialektik und Dogmatik" über unseren Gegenstand. Gerade in
der Verhältnisbestimmung zwischen Gott und Welt, worin
Schleiermacher mit Spinoza übereinstimmen sollte, sieht er eine
wesentliche Verschiedenheit beider. (S. LXIX) „Auf Spinozi-
stischem Standpunkte giebt es im Grunde gar keine Welt und
ganz mit Recht ist die Philosophie Spinozas Akosmismus ge-
nannt. . . Aber „dem Standpunkte Schleiermachers gemäss existirt
ein von dem Sein der Gottheit verschiedenes Sein, also eine
Welt. Schi, ist in dieser Abweichung von Spinoza keineswegs
Unphilosoph," . . da er „in Wahrheit nur, theils die Consequenz
der Spinozistischen Gottesidee gezogen, theils das Resultat,
was sich mit Nothwendigkeit aus der Fortentwickelung der
Philosophie nach Spinoza ergiebt, geltend gemacht hat. Ist
nämlich die Gottheit die reine Indifferenz, so muss es auch
eine Differenz geben . . Die Welt ist das in sich mannigfaltige
und unterschiedene Sein."
In dem Masse, als die deutsche Philosophie in Frankreich
bekannt wurde, kam auch dort unsere Frage in Fluss. Cousin
kann es als Katholik und Franzose nicht begreifen, wie Schleier-
macher zugleich Spinozist und Theologe sein könne. Wilm
findet in ihm (s. Diction. philos. T. V p. 534 f.) eine deutliche
Hinneigung zu Leibniz, als dem Verteidiger des Individualismus
gegen Spinoza. Ebenso sieht Julian Schmidt (Gesch. d. deutsch*
Ltr. i. 19. Jhrdt^. Bd. I S. 417) -in Schleiermacher den ent-
schiedenen Individualisten und zugleich, zum ersten Male, (S.
458) den Sohn der Romantik. Wilm und Schmidt schliesst sich
auch vSigwart an, während sich Ritter z. T. dagegen erklärt.
Selbst das folgende Jahrzehnt sieht die Parteien noch in un-
geschwächtem Kampfeseifer. Stimmen wie die Schlottmanns,
Diltheys lassen sich über unsere Frage vernehmen. Besonders
heftig sind die Ausfälle des Theologen Oettingen gegen den
Erzspinozisten Schleiermacher. Als sei die ganze voraufgehende
Diskussion nicht dagewesen, stellt dieser ihn wieder ohne
weiteres ganz und gar auf spinozistischen Boden. Aus der
darauf folgenden Literatur ist besonders Nippold zu nennen, der
Schleiermacher einen Panentheismns — zum Unterschiede vom
Pantheismus — zuschreibt; Mücke, der in ihm gleichfalls den
romantischen Zug erkennt, und vor allem die wertvolle und
fast erschöpfende Darstellung von Schmidt {„Spinoza und
Schleiermacher" 1868). Hier wird Schleiermacher mit seinem
Individualismus und seinem persönlichen Gotte dem Spinozis-
mus gegenübergestellt. Was übrig bleibt, ist der Determinismus,
den ja auch Leibniz vertreten hat, und die Immanenz, die
schon das verinneriichte christliche Gelühl erheische. Damit
soll Schleiermacher nicht gänzlich von Spinoza losgerissen,
sondern nur gegen das unkritische Verfahren Front gemacht
werden, welches über den Geist eines Denkers urteilt, ohne
seinen Entwickelungsgang und seine eigenen Geständnisse nach
Gebühr zu berücksichtigen. Dagegen spricht Zeller ■ (Gesch. d.
deutsch. Philos, S. 762), mit besonderer Bezugnahme auf die
frühere Hinneigung Schleiermachers zu Spinoza, ihn in der
Hauptsache diesem zu, ohne jedoch ihre Verschiedenheiten zu
übersehen. Am massgebendsten aber ist Hayms treffendes
Urteil in seiner „Romant. Schule" (S. 244, 410 ff., 424), neben
welchem noch Rleiderer zu erwähnen bleibt, der im Anschluss
an Strauss Schleiermacher in allen Hauptpunkten, sogar im
Ausdruck in Abhängigkeit von Spinoza findet; nur dass sich
dieser Spinozismus von dem der Herder, Goethe, Schelling da-
durch unterscheidet, dass hier für Leibniz Kant eintritt, und
dass nicht, wie bei Schelling, das spekulative, sondern das mo-
ralische Interesse das Bindeglied mit Spinoza bildet.
Schon diese langwierige Diskussion über Schleiermachers
Spinozismus, welche seit seinem ersten Auftreten besonders
die Theologen fast ununterbrochen in Atem gehalten, deutet
auf die Wichtigkeit hin, welche man der Entscheidung dieser
Frage beimass. Schleiermacher ist der Grenzpfahl zwischen
der „Neologie" und Orthodoxie, Die theologische Losung „Für
oder wider Schleiermacher?" hatte auch bald in dem ,Für
oder wider Spinoza?" der Philosophen ihr Echo gefunden.
Schleiermacher war erst von Kant zu Spinoza gekommen.
Diesen scheint er zuerst, wie auch sein Vater, in Jacobis Ge-
wandung kennen gelernt zu haben. In einer Zeit, wo das
g;inxe gebildete Deutschland zu dem neu entdeckten Philosophen
Stellung nahm, konnte ein so reger Geist wie Schleiermacher
nicht gleichgiltig bleiben. Wir besitzen in der That bereits aus
dem Jahre 17'M eine kurze Darstellung des Spinozismus von
sdner Hand. Er steht hier freilich auf 'Kantischer Grundlage,
ber Spinoza entschieden den Vorzug vor Leibniz. .^n
arakier des gi-os^en Denkers nimmt er den innigsten
Bei Gelegenheit des Fichteschen Atheismusstreites lobt
P^Rftchäeistun k; auf die angebotene Professur. Aus
I
183
derselben Zeit -sind uns auch handschriftliche Aufzeichnungen
Schleiermachers über denselben Gegenstand erhalten. Sie „heben
hervor, dass die Metaphysik Spinozas gerade so gut die Grenze
unserer Erkenntnis überschreitet, als die transcendentale Welt-
ordnung Kants, und finden auch schon eine Lücke der Spino-
zischen Metaphysik darin, dass dieselbe für das Principium
individui keine Stelle hat" (s. AUg. d. Biog. Bd. 31 S. 434).
Wie nahe verwandt sich aber Schleiermacher dem Geiste
Spinozas fühlte, beweisen am klarsten seine „Reden". So warm
auch der so lange Verkannte schon früher gelobt worden war,
mit solcher Begeisterung hatte man noch nicht in Deutschland
von ihm gesprochen. Ueberdies führte dieses Mal ein Geist-
licher seine Sache, und dazu in einem Buche, welches auf viele
jugendliche Gemüter eir\e zündende Wirkung ausübte und bald
ein Zankapfel der Gelehrtenwelt werden sollte. Hier zeigt sich
noch ganz die Ueberschwenglichkeit des Romantikers, noch
keine Spur eines wissenschaftlichen Studiums Spinozas. Den
ersten Hinweis hierauf enthält ein Brief, den Schleiermacher
im folgenden Jahre an Schlegel richtet, worin er diesem die
Lektüre der Schriften Spinozas empfiehlt, von denen er ihm
gleichzeitig ein Exemplar schickt.
Wie Fichte, so sahen selbst Schleiermachers nähere Freunde
in den Reden nur „verworrenen Spinozismus". Es lag ihm
mithin nahe genug, seinen Standpunkt Spinoza gegenüber so
bestimmt wie möglich abzugrenzen. Natürlich erforderte dies
ein sorgfältiges Studium Spinozas, wozu die neu erschienene
Paulus'sche Ausgabe seiner Werke die beste Handhabe bot.
Von seiner genauen Kenntnis Spinozas legen denn auch bald
darauf seine „Grundlinien einer Kritik der bisherigen Sittenlehre"
beredtes Zeugnis ab. Hatte er in seiner „Kurzen Darstellung"
Kant mit Spinoza verglichen, so ist es hier Plato, den er
neuerdings verehren gelernt hatte, und der nun, um in das
harmonische Gefüge seiner Bildung hineinzupassen, sich erst
mit Spinoza auseinandersetzen musste.
Natürlich blieb auch die heftige Polemik, welche Schleier-
macher hauptsächlich durch seinen Spinozismus auf verschiedenen
Seiten gegen sich wachgerufen hatte, nicht ohne Einfluss aufsein
äusseres Verhalten zu seinem Meister. Die späteren Auflagen seiner
„Reden" geben deutlich Kunde davon. Noch zurückhaltender zeigt
er sich zehn Jahre später in seiner „Geschichte der Philosophie".
Hier tadelt er (S. 280) an Spinoza die Ineinssetzung von Verstand
und Willen; dass er einzig und allein vom persönlichen Ich
ausging und alles gemeinsam Ethische nur „untergeordnet
construirte." Den Grund der Schleiermacherschen Kritik sieht
I
184
Schmidt (Schi. u. Sp. S. 60) mit Recht in seiner atomistischen
Auffassung der Spinozischen Kosmologie. Zwischen diesem
und dem anderen Extrem, dem pantheistischen Monismus mit
fast akosmistischer Färbung, schwankt Schleiermacher ebenso
hin und her, wie schon Spinoza selbst.
Allein bei aller Polemik gegen Spinoza und trotz den Zu-
geständnissen an die Orthodoxie gehören doch die Grundlagen
der Schleiermacherschen Weltanschauung Spinoza an: so sein
Gottesbegriff, — wenn ihm auch mehr Leben innewohnt als
der Substanz der „Ethik", — als die Wurzel der Dinge, so
seine deterministische Ethik mit der Leugnung der individuellen
Unsterblichkeit als notwendiger Folge. Schleiermachers Werk
ist also, ähnlich der Leistung Schellings, eine Ausfüllung des
Rahmens, welchen Spinoza jeder künftigen systematischen Meta-
physik vorgezeichnet, nur dass dieser das Material der Natur-
forschung entnimmt, während Schleiermacher die alten theolo-
gischen Begriffe in diese neue Form hineinarbeitet und ihnen
damit neues Leben einflösst. Beide Stämme wurzeln gemein-
sam in dem Dunkel der Romantik; doch die Früchte, die sie
gezeitigt haben, sind die Elemente unserer modernen Bildung
geworden.
§ 90. Schleiermachers Schule.
Seit Schleiermacher wird auch unter dem Einflüsse seiner
Schule der Ton in den theologischen Urteilen über Spinoza
ein wesentlich anderer. So nahm der schweizer Pfarrer I. C.
Romang in seinem „System der natürlichen Sittenlehre" (1841,
S. 1 6(\ 1 70 f.) Spinoza wie überhaupt den Pantheismus gegen
den Vorwurf des Materialismus in Schutz; allein den anderen,
den das Atheismus, lässt er gelten und wendet sich selbst gegen
diu antireligiösen Konsequenzen jener Lehre. Doch zeigt er
sich selbst drei Jahre später („Eine physiologische Ansicht von
dcMi sittlichen Dingen" in Ztsch. für Philos. Bd. 12 S. 1 ff.),
unter Berufung auf sein „System der natürlichen Religions-
l.chrc**, in vielen Punkten auf Seiten Spinozas, besonders in
diM' Auffassung des Seelenlebens und den Grundfragen
dor ICthik.
Dlo Substanz Spinozas, als das schlechthin durch sich
»leihst MostlnuiUo, die causa sui, nimmt auch Rieh. Rothe zur
(»nindlaHO solnor Spekulation, Sie ist wie bei Schelling und
WtM'.Mo dor inditVoronte Grund, aus welchem die beiden Ent-
NVli'UohinfVAVoi^^cn der Pci'sönliohkeit und Natur zeitlos her\or-
L
186
Strenger gehen zwei Philosophen der Schieiermacherschen
Schule mit Spinoza ins Gericht. Helfiferich (,, Spinoza und Leib-
niz" 1846, S. 41. 49) sieht im Spinozismus eine Verschlingung
von Realismus und Idealismus, ohne dass der Knoten gelöst
würde. Daher die mannigfache Deutung und Bezeichnung dieses
Systems. Spinozas Substanz ist tot und keiner Entwickelung
fähig. Insofern ist Leibniz sein vollkommenster Gegensatz, der
durch die Verschiedenheit des Bekenntnisses tiefer begründet
ist. Jedenfalls ist der Spinozismus keine christliche Lehre, wie
manche wollen.
Ganz ähnlich urteilt Ritter an zahlreichen Stellen seiner
Schriften.
Bei aller Anerkennung der Unvereinbarkeit des vSpino-
zismus mit der christlichen Lehre, betont doch Fleck („System
der christlichen Dogmatik. 1846, S. 59 ff. 64. 66. 70. 73) in
seinem, an theologische Leser gerichteten Versuche, den Gegen-
satz zwischen der Theologie und der Zeitphilosophie zu ver-
söhnen, den grossen Einfluss Spinozas auf die neuere Dogmatik.
Er stellt ihn über vSchelling und nimmt ihn gegen diesen in
Schutz, indem er Spinozas »Substanz Selbstbewusstsein vindizirt.
Dem starren Theismus gegenüber gibt Fleck dem Pantheismus
Recht; doch formulirt er genau die Lehrmeinungen, in welchen
sich dieser vom Christentume entfernt.
Dagegen hören wir in Wilh. Herrmann (Gesch. der pro-
test. Dogmatik. 1842) wieder den „Redner über die Religion.*'
Spinoza hat nicht allein auf die Theologie den wohlthätigsten
Einfluss ausgeübt; er lehrt im wesentlichen auch nichts anderes
als das Christentum. Ja, der sächsische Pfarrer Voigtländer
hatte bereits ein Jahr zuvor in Spinoza einen dogmatischen
Theisten sehen wollen, der Gott als das absolut Unendliche
scharf v^on dem Sein der Welt geschieden.
Bald gingen auch die Theologen, wie Diestel und Sieg-
fried, daran, die Verdienste Spinozas um die biblische Wissen-
schaft im einzelnen zu würdigen.
§ 91. Schelling.
Ganz ähnlich wie die Theologie durch Schleiermacher,
erfuhr die Schulphilosophie durch das.Auftreten Schellings eine
durchgreifende Wandlung. Schon die ersten Beurteilungen
seiner Identitätsphilosophie weisen auf ihre nahe Venvandtschaft
mit dem Spinozismus hin. Am bestimmtesten betont diesen
Zug die Kritik Herbarts. Dieser hatte sich selbst gegen ähnliche
18f>
Vorwürfe zu verteidigen und folgte dabei der Fechterregel: die beste
Deckung ist der Hieb. Ohne tieferes Verständnis für Spinoza
oder für die Bedeutung Scheilings eifert Herbart, wie gegen
Fichte, Schleiermacher und die Romantiker überhaupt, ganz
besonders gegen die Identitätsphilosophie. In einer Skizze
über „Spinoza und Schelling" (1796. S. W. Ausg. Hartenstein.
1852. Bd. 12 S. 7) nennt Herbart Scheilings Lehre „das
offenbare Gegenstück des Spinozismus, welchen, so verschieden
auch sonst ihre Systeme sind, Fichte, Schelling, Maimon und
Jacobi für die consequenteste und vollendetste Darstellung des
Dogmatismus gelten lassen". Er erklärt sich die Genesis der
Schellingschen Philosophie damit (S. 8), dass Schelling „Spinoza
sehr sorgfältig studirt, das Irrige desselben eingesehen hatte. . .
Was war natürlicher, als dass er von einem Extrem philo-
sophischer Einseitigkeit zum andern überging, zudem, da auch
Kant und noch mehr Fichte einen solchen Uebergang einiger-
massen zu begünstigen schienen. Daher ist fast jede seiner
Behauptungen ein Gegensatz gegen ein bestimmtes Theorem
des Spinozismus."
Gegen Schelling richtet sich zum Teil auch der, schon
in schärferem Tone gehaltene Bericht „über meinen Streit mit
der Modephilosophie dieser Zeit (1814 a. a. O. S. 205 f.), der
sich über die Verwirrung empört, welche Leute, „die eigentlich
zu Literatoren getaugt hätten, und sich in Plato, Spinoza, Fichte
vertiefen", in der Philosophie anrichten. Diesen Vorwurf hatte
er Schelling, den er noch immer als Schüler Fichtes betrachtet,
und der es „in der Polemik viel weiter als in der Philosophie
gebracht hat," bereits ein Jahr vorher gemacht („Ueber die
Unangreifbai'keit der Sch.schen Lehre 1813. S, W. Kehrbach,
Bd. 3 S. 252), indem (S. 256) „die Systeme von Plato, Spinoza
und F'ichte im Geiste gänzlich verschieden sind und nur durch
die gewaltsamen Entstellungen, durch das Aufhaschen zu-
fälliger Aehnlichkeiten einander näher gerückt werden können."
Das heisst nach seiner Meinung (S. 258), „die allerschneidensten
Gegensätze für einerley . . zu erklären, und hiemit den gröbsten,
härtesten, unverzeihlichsten aller Widersprüche zum Ausgangs-
punkte der Weisheit . . machen; welches denn eben nicht
besser ausgeführt werden kann, als von Spinoza oder von
Schelling geschehen ist.** Nicht umsonst fällt Scheilings Auf-
treten in die Zeit der Stürmer und Dränger, „wo nnan sich
an die Schrecken der französischen Revolution gewöhnt hatte."
(S. 251) „Mit einem derben, aber nicht unwahren Ausdrucke
könnte man sie die Periode der unruhigen Köpfe nennen,**
In Herbarts „Allgem. Metaphysik" (1828. Tl. 1 S, K>n-
187
erscheint Schelling bereits als direkter Fortbildner Spinozas,
der die Kluft zwischen dem Unendlichen und der Endlichkeit,
die sein Meister unüberbrückt gelassen, auszufüllen sucht. (S. 155)
„Man werfe nur die gemeinsten Erfahrungen ohne weiteres
Nachdenken mit so viel wahrer oder falscher Speculation zu-
sammen, als man nun gerade angestellt hat; so lassen sich
Systeme im Geiste des Spinoza höchst bequem nach den
Kenntnissen jedes Zeitalters anfertigen; wie man dies heut zu
Tage aus vielen Proben weiss. Eine solche Metaphysik als histo-
rische Thatsache dauert noch jetzt unter uns fort; sonst hätten
wir nicht Ursache, uns auf den Spinozismus so weitläufig ein-
zulassen." Noch 1831 (Kurze Encyklopädie der Philosophie S. 277)
tritt Herbart für die älteren Systeme ein, welche „der ideali-
stische Irrthum der letzten Decennien" schwächer erscheinen
lasse, als sie in Wahrheit sind. Zum letzten Male greift er,
als man auf die Aehnlichkeit seiner Freiheitslehre mit der
Spinozischen hingewiesen hatte, zum Schwerte gegen den
Spinozismus, „der jetzt auf allen Kathedern, und aus allen ge-
lehrten Zeitungen redet" („Zur Lehre von der Freiheit des
menschl. Willens" S. W. Hartenst. Bd. IX S. 61).
Früh hatte auch schon Fichte in ihrem Briefwechsel über
die Wissenschaftslehre (F.s Leben . . hrsg. v. J. H. Fichte
Bd. 2 S. 357) den ihm vorgeworfenen Spinozismus auf die
vSchultern seines Schülers Schelling gewälzt. Dass „das Ab-
solute unter der Form der quantitativen Differenz existire",
,,ist freilich, was Sie behaupten. Ebenso thut Spinoza und
überhaupt aller Dogmatism und dieses ist das ^pwxov '^^sOSoc;
desselben. Das Absolute wäre nicht das Absolute, wenn es
unter irgend einer Form existirte."
Ein anderer Freund Schellings, Franz Baader, der einst mit
ihm zusammen den Spinoza studirt hatte (s. Jodl, Gesch. d. Ethik II
S. 140), war schon 1806 (S. W. 1851 hrg. v. Fr. Hoffmann
Bd. 2, Einl. p. XXIII) mit Schelling unzufrieden, weil dieser
noch immer nicht von dem „dürren Magister" loskommen könne,
indess Böhme schon lange vor Spinoza so ganz andere Tiefen
der Erkenntnis erschlossen habe. Er glaubt, dass sich Schellings
Genie viel reicher entwickelt hätte, wenn er sogleich, statt von
Spinoza, von Böhme ausgegangen wäre (s. B.s Philos. Schriften
und Aufsätze, Münster 1831 — 32, II S. 388). Sein Zureden
half schliesslich doch.
Von gegnerischer Seite erschien 1811 Jacobis „Von den
göttlichen Dingen" (S. 127 und Beilage A. S. 193, 196, 198),
der in Kant den Begründer eines zweiten Spinozismus und in
„Spinoza geradezu den Erfinder der absoluten Identität" sah, was
188
in Jacobis Munde einer Beschuldigung des Atheismus gleich kam.
Das „Denkmal", welches Schelling in seiner treffsicheren
Gegenschrift Jacobis Treiben setzte, hat mit dieser Ketzerrie-
cherei in der deutschen Literatur gründlich aufgeräumt.
In bunter Reihenfolge lösen sich in den nächsten Jahren
Herbartianer, wie Jäsche und Drobisch, mit Baaderianern, wie
Schlüter und Hoffmann, in der \'erurteilung Schellings ab.
Hier und da tönt auch noch eine andere Stimme, wie
Hinrichs, dazwischen.
Zur Freude dieser seiner Erbfeinde erstand nun aber
Schelling aus seiner eigenen Saat in Hegel und seinem Anhang
der gefahrlichste Gegner. „Der Eindruck", so berichtet Chal\'-
baeus („Historische Entwickelung'^ . . 1837, S. 290), „welchen
Schellings Philosophie auf das Zeitalter machte, war bei dem
grössten Teile der mitphilosophirenden jüngeren Genossen der
einer glänzenden, ja blendenden Erscheinung, bei anderen, vor-
nehmlich den älteren, der einer ausschweifenden Phantas-
magorie". Unter Schellings Schülern war es Hegel allein, der
die Lehren des Meisters in ein festes System brachte und
deshalb von Schelling selbst sein ,AVolfP* genannt wurde,
während „die zahlreichen übrigen \'erehrer Schellings, welche,
in dem neuen Lichte schwelgend . ., nur zum Genüsse eilten. ."
und „darüber in der Hast die Leuchte selbst beinahe wieder
umgestossen hätten." Die Besonneneren schlössen sich Hegel
an. Daher der grosse Einfluss seines Urteils im allgemeinen
sowohl, als auch über Schellings Spinozismus (Gesch. der
Philosophie III S. 650, 662, 665 u. a.), das wir denn auch,
mit geringen Verschiedenheiten, bei Heine, Michelet, Erdmann
wiederfinden. Objektiver und vorsichtiger urteilt Fleck, während
Orelli von dem Urteil der Hegeischen Schule nicht weit ab-
weicht, aber zugleich dieser sowie auch Schelling die hoch-
mütige Behandlung Spinozas vorwirft, den sie beide miss-
verstanden haben.
Dicht hintereinander folgen sodann ein Hegelianer und
zum ersten Male ein Schüler Schellings, als Verteidiger de>
Meisters. Bei Oischinger (^Speculative Ent Wickelung der
Haupts\'steme ..IS. 201) ,,stimmt" noch „die absolute Iden-
titätsphilosophie dem Wesen nach mit der Spinozischen Lehre
überein**. Dagegen betont Bauerheim („Schellings Monotheis-
mus** in Theol. Stud. u. Krit. 1854, S. 603 ff.) Schellings
Monotheismus. Spinoza ist nur mit der Logik an die Substanz
herangekommen. (S. 623» ^jErst bei Schelling wurde das \'er-
hältnis ein absolut immanentes, denn er hob alle Subjectivität
des Denkens auf" (vsrl. S. ^^26\
189
Eine ähnliche Rolle weisen auch Schaarschmidt und Ritter
dem Identitätslehrer zu. Besondere Beachtung verdient Ritters
Hinweis auf die Beziehungen Schellings zu Herder (Christi.
Phil. II S. 623), die erst etwa ein Jahrzehnt später Hettner
(Ltrgesch. III 2 S. 83) in ihrer vollen Bedeutung gewürdigt
hat. Er findet die Keime der Naturphilosophie in Herders
„Gott", „und zwar gerade in denjenigen Stellen am meisten, in
welchen Herder, ohne dass er es wusste, selbstschöpferisch
von dem urkundlichen Wortsinne Spinozas abging." Im
übrigen hält Hettner (S. 441) „Fichte und die unermessliche
Fülle der neu zuströmenden naturwissenschaftlichen Ent-
deckungen" für „hinreichend zur Erklärung der Schellingschen
Naturphilosophie". Auch gewann er der Schellingquellen-
forschung eine neue Seite ab, indem er die Naturphilosophie
im Rahmen der Romantik betrachtete. Schon Julian Schmidt
hatte Schelling zu der schönen Literatur, besonders zu Goethe,
in Beziehung gesetzt; Schwarz hatte in seinem „Lessing" (S. V)
in der modernen Spekulation „nicht sowohl einen Gegensatz
gegen die Romantik, denn als eine Fortsetzung und Abzweigung
derselben" gesehen und diese gesamte Bewegung auf Herder
zurückgeführt (S. 64); nach Ritter (Chr. Phil. S. 740) ist in
dem Uebergange von Fichte zu Schleling die Blüte der älteren
romantischen Schule zu finden, „deren Einfluss auf die deutsche
Literatur den weitesten Umfang bezeichnen kann, in welchem
die Gedanken der absoluten Philosophie sich geltend zu machen
wussten." Hettner (S. 236) und etwa um dieselbe Zeit Haym
gehen nun in ihren Darstellungen einen Schritt weiter, indem
sie Schelling ganz und gar in den romantischen Kreis hinein-
ziehen. Wenn auch Schellings Auffassung der Natur nicht
gerade von Novalis herzuleiten ist, so sind doch die Folgen
der gegenseitigen Anregung im engen Verkehr mit diesem und
anderen Romantikern an dem „Romantiker der Philosophie"
deutlich wahrnehmbar. „Schellings Schrift von der Weltseele
(1798) ist mit Novalis' Entwurf des „Lehrlings zu Sais" ganz
gleichzeitig; gleiche Ursachen erzeugen gleiche Wirkungen".
Schelling geht auch in seiner weiteren Entwickelung Schulter
an Schulter mit den Romantikern „von Spinoza und Fichte zu
Jacob Böhme, mit ihnen wird er aus einem Philosophen ein
Mystiker.*' In demselben Sinne behandelt auch Haym („D.
romant. Schule" S. 564 ff.) unsere Frage.
Damit waren die Hauptmomente zusammengetragen, durch
welche der Schellingsche Spinozismus seine Erklärung findet,
und zugleich die Grundlagen für deren Beurteilung gegeben.
190
Die späteren Darstellungen schliessen sich, wie die bei Pfleiderer
und Jodl, mit geringen Unterschieden diesen Vorarbeiten* an.
Während noch Dühring („Krit. Gesch. d. Philos. 1869,
S. 433) in Schelling „die Vermischung der verhältnismässig
klaren Vorstellungsart Spinozas mit den Consequenzen des
träumerischen Idealismus und den pantheistischen Ausgeburten
der Theosophie" verurteilt und D. Fr. Strauss („D. alte und
neue Glaube, S. 121), als Hegelianer,. auch nur „in der Identität
des Realen und Idealen die Spinozische Substanz mit ihren
beiden Attributen" wiederfindet, hatte schon Baumann („Die
Lehren von Zeit und Raum . ." 1868/9, S. 236) wenigstens
darauf hingewiesen, dass doch Schelling ,, nicht mehr mit mathe-
matischen, sondern mit physikalischen und chemischen und
organischen Analogien" operire.
Dass dies nur ein einzelnes Merkmal eines viel tieferen
Unterschiedes zwischen dem Schellingschen Spinozismus und
dem geschichtlichen Spinoza ist, leuchtet bei objektiver Forschung
leicht ein. Dies hat denn auch Falckenberg (Gesch. d. neueren
Philos. S. 357) mit Recht hervorgehoben, der in Schellings
Lehre einen ähnlichen Leibnizianischen Spinozismus sieht, wie
in Lessing und Herder, und ebenso richtig in dem Vorwiegen
des Idealen über das Reale eine Nachwirkung der Fichteschen
Schule erblickt. Nur gilt das Urteil nicht für alle Perioden der
Fichteschen Philosophie in gleichem Masse.
Schon in früher Jugend hatte Schelling mit seinen Freunden
Hölderlin und Hegel für Spinoza geschwärmt. In einer seiner
ersten Schriften „Ueber die Möglichkeit einer Philosophie über-
haupt" (1794) nimmt er auf ihn bezug, doch tritt hier Spinoza
hinter Leibniz zurück. (S. W. 1856. S. 102) „Auch" Descartes'
„Schüler Spinoza fühlte dies Bedürfniss, der Form des mensch-
lichen Wissens überhaupt eine Grundlage zu geben; er trug
die Urform des Wissens aus seinem Ich heraus über einen von
diesem ganz verschiedenen und unabhängigen Inbegriff aller
Möglichkeit — Leibniz war es, der die Form des unbedingten
Gesetztseyns aufs Bestimmteste als Urform alles Wissens auf-
stellte."
Auch weiterhin ist noch von dem „grossen" Leibniz, doch
nicht mehr von Spinoza die Rede. Ein Exemplar dieser Schrift
verehrt Schelling seinem Freunde Pfister mit einer Widmung
aus Spinoza. Nach Empfang der ,, Grundlagen der Wissen-
schaftslehre" schreibt er an Hegel: „Ich arbeite nun an einer
„Ethik ä la Spinoza . ." Schon die geschlossene Form des
Spinozischen Systems gewinnt ihn, besonders durch den Gegen-
satz zu Leibniz und den kantisirenden Theologen, für den
191
Spinozismus. In einem Briefe an Hegel vom 4. Febr. 1795
erklärt er, dass und in welchem Sinne er Spinozist geworden
(Aus Schellings Leben 1 S. 76. 77).
In demselben Gedankenkreise bewegt sich Schellings Schrift
„Vom Ich*' (1795). Schelling selbst urteilt später, in dem Vor-
wort zur Sammlung seiner philosophischen Schriften vom Jahre
1809, darüber: „Sie zeigt den Idealismus in seiner frischesten
Erscheinung und vielleicht in einem Sinn, den er späterhin
verlor. Wenigstens ist das Ich noch überall als absolutes oder
als Identität des Subjektiven und Objektiven, nicht als sub-
jektives genommen." In derThat ist von einem Einflüsse der
Wissenschaftslehre Fichtes, von der Schelling bei der Ab-
fassung seiner Schrift nur die ersten Bogen in Händen hatte
(Aus Schs. Leben I S. 59), darin nichts zu merken. (S. W.
I S. 184) „Es hat," so heisst es hier, „das consequenteste
System des Dogmatismus, das Spinozistische, sich gegen nichts
stärker erklärt, als dagegen, dass man die einige, absolute Sub-
stanz für ein Ens rationis, für einen abstrakten Begriff halte"...
„Was geht über die stille Wonne dieser Worte," bemerkt
Schelling zu Ethic. 1. II p. XLIII schol., „das "Ev xal zav un-
seres besseren Lebens?" (S. 19v3) „Im Ich hat die Philosophie
ihr "Ev xal zav gefunden, nach dem sie bisher als dem höchsten
Preise des Siegs gerungen hat." (S. 194) „Spinoza war es, der
vorher schon jenen Urbegriff der Substantialität in seiner ganzen
Reinheit gedacht hatte. . . Man bewies ihm nicht, dass diese
unbedingte, unwandelbare Urform alles Seyns nur in einem
Ich gedenkbar sey. Man hielt ihm den abstrahirten Be-
griff von Substantialität der Erscheinungen entgegen . .
Man suchte also, das Unbedingte durchs Bedingte zu
widerlegen. Der Erfolg ist bekannt. (S. 195 § 14) „Die ab-
solute Macht der einzigen Substanz ist ihm (Sp.) das Letzte,
ja vielmehr das Einige. . Ihr Wesen selbst ist nur diese
Macht. . Diese erhabenste Idee im System Spinozas fand man
nicht nur theoretisch falsch, sondern auch durch praktische
Gründe widerlegbar. Diese Idee, sagte man, hebe alle Begriffe
von freier, obwohl durch Gesetze bestimmter Weisheit auf, v/eil
man sich nämlich einerseits nicht zu der reinen Vorstellung
einer absoluten Macht, die nicht nach Gesetzen ausser sich,
sondern nur durch die Gesetze ihres Seyns, durch ihr Seyn
selbst, als solches handelt, erhoben hatte, und andererseits,
weil man nicht bedachte, dass jener Begriff von Weisheit, da
er nur unter der Voraussetzung einer Einschränkung denkbar
ist, selbst ein Unding seyn müsste, wenn nicht als das letzte
Ziel ihres Strebens absolute Macht, die aus innerer Noth-
192
wendigkeit ihres Wesens schlechthin handelt, die nicht mehr
Wille, nicht mehr Tugend, nicht mehr Weisheit, nicht mehr
Glückseligkeit, sondern Macht schlechthin ist, vorausgesetzt
wird." Mit Spinoza bekämpft Schelling (S. 203 § 15) den
falschen Begriff der „Dauer". Ferner heisst es S. 210: „Ist
Gott" nach Spinoza „als Objekt, aber unter der Form der Un-
endlichkeit bestimmbar, so müssen alle Objekte in ihm ent-
halten seyn, und der Spinozismus ist nur dadurch widerlegbar,
dass Gott als mit dem absoluten Ich (das alles Objekt aus-
schliesst) identisch vorgestellt wird. . (S. 242) Auch Spinoza
wollte" wie Kant, „dass im absoluten Princip Mechanism und
Plnalität der Ursachen als in derselben Einheit befasst gedacht
werden. Aber, da er das Absolute als absolutes Object be-
stimmte, konnte er freilich nicht begreiflich machen, wie teleo-
logische Einheit im unendlichen Verstände nur durch ontologische
im unendlichen Denken der absoluten Substanz bestimmt sey,
und Kant hat ganz Recht, wenn er sagt, der Spinozism leiste
nicht, was er wolle." Schon hier giebt also Schelling dem
Spinozismus den Vorzug vor jedem anderen dogmatischen
Systeme und sieht allein im Kritizismus eine Möglichkeit, ihn
zu widerlegen oder vielmehr zu berichtigen. Damit stimmt
seine Antwort auf Obereits Brief überein, worin Leibniz Spinoza
gegenüber herausgestrichen worden war (12. März 1796. „Aus
Seh. s Leben" I S. 88): ,,Ich glaube, dass mit Leibniz eigentlich
das Mittelalter der Philosophie begonnen hat . ., da man nämlich
auch in der Philosophie anfing, das Absolute zu einem blossen
Wesen der Abstraktion zu machen, und Gott nicht als das
Wesen aller Wesen, sondern . . als Wesen ausser allen Wesen
zu betrachten. Die älteste und heiligste Idee der Philosophie
war ohne Zweifel das allem Existirenden zu Grunde liegende
unwandelbareSein.Erst als Spinozas verm ein terAtheism Theologie
und Philosophie aufschreckte, nahm man in der Philosophie seine
Zuflucht zu einem Gotte ausser allem Existirenden. ,"
Hieran schliesst sich passend eine Bemerkung in den etwa
gleichzeitigen „Philos. Briefen über Dogmatismus und Kriticis-
mus" (1795) an, in der es (S. 309) heisst: „Was mochte
auch mancher Philosoph, der, um den Gräueln des Spinozismus
zu entgehen, mit seinem empirisch-existirenden Gott zufrieden
war, gedacht haben, dass Spinoza als erstes Princip aller
Philosophie einen Satz aufstellte, den er selbst nur als Resultat
der mühsamsten Beweise am Ende seines Systems aufstellen
konnte! Aber er wollte auch die Wirklichkeit eines Gottes
beweisen (was nur synthetisch geschehen kann), da Spinoza
ein absolutes Seyn nicht bewies, sondern schlechthin behauptete.**
193
Hier erfahren wir auch, was Schelling unter einer Ethik
ä la Spinoza verstand. (5. Brief, S. 305) „Vielleicht erinnern
Sie sich unserer Frage: warum Spinoza seine Philosophie
in einem System der Ethik vorgetragen habe? Umsonst hat
er es gewiss nicht gethan. Von ihm kann man eigentlich
sagen: „er lebte in seinem System . . ." Aber gewiss dacht'
er sich auch mehr darunter, als nur ein theoretisches Luft-
gebäude, in dem ein Geist wie der seinige wohl schwerlich
die Ruhe und den „Himmel im Verstände" gefunden hätte, in
dem er so sichtbar lebte und webte . . . (S. 309) Wie unrecht
würde man Spinoza thun, wenn man glaubte, ihm sey es in
der Philosophie einzig und allein um die analytischen Sätze
zu thun gewesen, die er als Fundament seines Systems auf-
stellt. Man fühlt es recht gut, wie wenig er selbst damit
gethan zu haben glaubte; ihn drückte ein anderes Räthsel, das
Räthsel der Welt, die Frage: wie das Absolute aus sich selbst
herausgehen und eine Welt sich entgegensetzen könne?" Das
Ergebnis lehrt aber, (S. 310^) dass „er eben jene Frage zwar
aufwerfen, aber nicht lösen konnte." Der Geist des Spinozis-
mus ist vielmehr, wie Jacobi richtig erkannt, die Immanenz.
(7, Brief, S. 313) „Ich glaube nicht, dass der Geist des
Spinozismus besser gefesselt werden konnte. Aber ich glaube,
dass eben jener Uebergang vom Unendlichen zum Endlichen
das Problem aller Philosophie, nicht nur eines einzelnen Systems
ist, ja sogar, dass Spinozas Lösung die einzig mögliche Lösung
ist, aber dass die Deutung, die sie durch sein System erhalten
musste, nur diesem angehören kann, und dass ein anderes
System auch eine andere Deutung für sie aufbewahrt." Hier
also gilt es einzuspringen, und für den Amor Dei einen rich-
tigeren Wert einzusetzen. (S. 316) „Lassen Sie uns hier stille
stehen, Freund, und die Ruhe bewundern, mit der Spinoza
der Vollendung seines Systems entgegenging. Mag er doch
jene Ruhe nur in der Liebe des Unendlichen gefunden haben.
Wer wollte es seinem hellen Geiste verargen, dass er den Ge-
danken, v^or dem sein System stille stand, sich durch ein
solches Bild erträglich machte . . (S. 317, 8. Brief) Ueber sein
ganzes Leben und alle seine Schriften verbreitet sich jenes
sanfte Licht der Heiterkeit . . Eine natürliche — unvermeid-
liche Täuschung hatte ihm, und allen den edleren Geistern,
die daran glaubten, jenes Prinzip (Amor Dei) erträglich gemacht.
(S. 319) Diese Anschauung seiner Selbst hatte Spinoza ob-
jektivirt . . Er glaubte sich selbst mit dem absoluten Objekt
identisch und in seiner Unendlichkeit verloren . . (S. 321)
Kann wohl etwas Höheres gedacht werden als der Satz, mit
13
194
dem se ..e ganze Ethik beschliessen konnte: Seligkeit ist nicht
Lohn er Tugend, sondern die Tugend selbst! In jenem in-
telle ualen Zustande, den er aus einer Selbstanschauung heraus
dar 'eilte, sollte jeder Widerstreit in uns verschwinden, jeder
Kirpf, selbst der edelste, der der Moralität, aufhören, und
jener Widerspruch gelöst werden, den die Sinnlichkeit und
Vernunft zwischen Moralität und Glückseligkeit unvermeidlich
stiften!" Hier lag also der Weg, den Spinoza seinen Jüngern
über Kant hinaus zu jener intellektuellen Anschauung wies,
die Hegel u. a. gelegener Anlas zum Spott werden sollte. Die
ersten Anfange der Identitätslehre zeigten die „Ideen zu einer
Philosophie der Natur" 1797. (S.W. Bd. 2, S. 11) „Der erste,
der Geist und Materie mit vollem Bewusstsein als Eines, Ge-
danke und Ausdehnung nur als Modificationen desselben
Prinzips ansah, war Spinoza, Sein Sj'^stem war der erste kühne
Entwurf einer schöpferischen Einbildungskraft, der in der Idee
des Unendlichen, rein als solchen, unmittelbar das Endliche
begriff, und dieses nur an jenem erkannte . . (S. 71 ff.)
Das Auffassen seiner Philosophie als einer blossen Objectixitäts-
lehre liess das wahre Absolute in ihr nicht erkennen. Die Be-
stimmtheit, mit welcher er die Subject-Objectivität als den nut-
wendigen Charakter der Absolutheit erkannt hat, zeigt die hohe
Bestimmung, die in seiner Philosophie lag, und deren voll-
ständige Entwicklung einer spätem Zeit aufbehalten war. In
ihm selbst fehlt noch aller wissenschaftlich erkennbare Ueber-
gang von der ersten Definition der Substanz zu dem grossen
Lehrsatz seiner Lehre: quod quidquid ab infinito intellectu
percipi potest . . Die wissenschaftliche Erkenntnis dieser
Identität, deren Mangel in Spinoza seine Lehre den Miss-
verständnissen der bisherigen Zeit unterwarf, musste auch der
Anfang der Wiedererweckung der Philosophie selbst sein,"
welchen er jedenfalls von seinem Auftreten an datirt wissen
will. Zugleich nimmt hier Schelling von selbst den Vorwurf
der einseitigen Objectivität zurück, den er in seinem „Ich"
dem Substanzbegriffe Spinozas gemacht hatte. Nach wie vor
aber setzt er sich als Kritiker dem Dogmatiker Spinoza ent-
gegen. Der schon in den „philosophischen Briefen" geplante
Versuch, Spinoza in der Lehre vom Verhältnisse Gottes zur
Welt ergänzen, sowie die damals noch immer aktuelle Frage
nach der Autorschaft der praestabilirten Harmonie (vgl. „Philo^.
Journal von den Jahren 1797 und 1798" S. 456) gibt ihm
auch Anlass, seine Stellung zu Leibniz zu modifiziren (a. a. O. -.
„Der Versuch, aus der Natur unseres, und insofern des enJ.-
lichen Geistes überhaupt, die Nothwendigkeit einer Successiop.
195
seiner Vorstellungen abzuleiten und, damit diese SuccevSsion
wahrhaft objectiv sey, die Dinge selbst zugleich mit dieser
Aufeinanderfolge in ihm werden und entstehen zu lassen" —
„unter allen bisherigen Systemen . . kenne ich nur die beiden
— das Spinozische und Leibnizische — welche diesen Versuch
nicht nur unternahmen, sondern deren ganze Philosophie nichts
anderes als dieser Versuch ist . . . Dass wir Vorstellungen
von Dingen ausser uns haben, dass unsere Vorstellungen selbst
über diese hinausreichen, konnte" Spinoza „sich nur aus
unserer idealen Natur erklären, dass aber diesen Vorstellungen
wirkliche Dinge entsprechen, musste er sich aus den Affek-
tionen und Bestimmungen des Idealen in uns erklären. Des
Realen also konnten wir uns nicht bewusst werden als im
Gegensatz gegen das Ideale. Mithin konnte zwischen den
wirklichen Dingen und unsern Vorstellungen von ihnen keine
Trennung stattfinden. Begriffe und Dinge, Gedanke und Aus-
dehnung waren ihm daher eins und dasselbe, beides nur Mo-
difikationen einer und derselben idealen Natur. Anstatt aber
in die Tiefen des Selbstbewusstseins hinabzusteigen . ., übeiHog
er sich selbst, anstatt aus urisrer Natur zu erklären, wie End-
liches und Unendliches, ursprünglich in uns vereinigt, wechsel-
seitig aus einander hervorgehen, verlor er sich sogleich in der
Idee eines Unendlichen ausser uns . . So war ihm ein Anfang
des Werdens so unbegreiflich, als ein Anfang des Seyns . . .
Denn überhaupt ist sein System, so wie es aus seiner Hand
kam, das unverständlichste, das je existirt hat. Man muss
dieses System in sich selbst, aufgenommen, sich selbst an die
Stelle seiner unendlichen Substanz gesetzt haben, um zu wissen,
dass Unendliches und Endliches nicht ausser uns, sondern in
uns — nicht entstehen, sondern — ursprünglich zugleich und
ungetrennt da sind, und dass eben auf dieser ursprünglichen
X'ereinigung die Natur unseres Geistes und unser ganzes geistiges
Daseyn beruht. Denn wir kennen unmittelbar nur unser eigen
Wesen, und nur wir selbst sind uns verständlich. Wie in
einem Absoluten ausser mir Affectionen und Bestimmungen
sind und seyn können, verstehe ich nicht. Dass aber in mir
auch nichts Unendliches seyn könnte, ohne dass zugleich ein
Endliches sey, verstehe ich. Denn in mir ist jene nothwendige
Vereinigung des Idealen und Realen, als absolut Thätigen und
absolut Leidenden (die Spinoza in eine unendliche Substanz
ausser mir versetzte) ursprünglich, ohne mein Zuthun, da, und
eben darin besteht meine Natur. Diesen Weg ging Leibniz,
und hier ist der Punkt, wo er von Spinoza sich scheidet,
und mit ihm zusammenhängt . . Leibniz ging also weder
13*
196
vom Unendlichen zum Endlichen, noch von diesem zu jenem
über, sondern beides war ihm auf einmal — gleichsam di^rch
eine und dieselbe Entwicklung unserer Natur — durch eine
und dieselbe Handlungsweise des Geistes wirklich gemacht."
Leibniz also nimmt Schelling, indem er ihn dem Kantischen
Standpunkt zu nähern versucht, zum Muster für seine Iden-
titätslehre. Doch hört er damit nicht auf, im Geiste Spinozas
zu denken.
In der Schrift „Von der Weltseele** 1798 (S. W. Abt. I,
Bd. 2, S. 378) heisst es ganz wie bei Goethe: „Je mehr wir
die einzelnen Dinge erkennen, desto mehr erkennen wir Gott,
sagt Spinoza, und mit stets erhöhter Ueberzeugung müssen
wir auch jetzt noch denen, welche die Wissenschaft des
Ewigen suchen, zurufen: „„Kommet her zur Physik und er-
kennet das Ewige!"" Auch ihm ist (S. 359) „Die Materie . .
ein Attribut, das die unendliche und ewige Wesenheit in sich aus-
drückt." Als Vorstufe des Kritizismus fasst Schelling den
Spinozismus in seinem „System des transc. Idealismus" (180C)
S. W. Bd. I, S. 357). „Der consequente Dogmatismus existirt
nur im Spinozismus; der Spinozismus kann aber als reelles
System wiederum nur als Naturwissenschaft fortdauern, deren
letztes Resultat wieder Prinzip der Transcendental-Philosophie
wird". Seine „AUgem. Deduktion des dynamischen Processes
(S. W. Bd. 4) zeigt mit ihren Anmerkungen und Corollarien
ganz die Form der „Ethik". In der „Darstellung meines
Systems", die seinem bekannten „Bruno" unmittelbar voraus-
geht, spricht er gelegentlich (S. 112) von „ehrwürdigen Ge-
stalten", wie Spinoza und Plato. Ebenso beifällig behandelt
er ersteren in der „Ferneren Darstellung aus dem System der
Philosophie" (1802, S. W. Abt. I, Bd. 4). Fast scheint es.
als wollte er sich ihm völlig assimiliren. (§ 3 S. 373 f., vgl.
S. 354, 382, 384, 529) „Spinoza . . setzt als die unmittelbaren
Attribute des göttlichen Wesens, oder der absoluten Substanz.
Denken und Ausdehnung, und in sofern diese beiden dasselbe
bedeuten, was sie als Ideelles und Reelles, oder unter ähnlicher.
Beziehungen, als die beiden Formen des absoluten Erkennens
bestimmen, so scheint dem Spinozismus die Idee des absoluter
Erkennens, als der identischen, nothwendigen und ersten Forx
zu fehlen : und da auf der Erkenntniss dieser Form zugleich die
jenes Indifferenzverhältnisses des Wesens und der Form be-
ruht, welche wir als den höchsten Punkt der Philosophie be-
zeichnen, so scheint uns hierin ein Grund zu liegen, im Spino-
zismus die absolute, an sich weder identische noch realistische.
Philosophie zu misskennen, und ihn als Realismus zu betrachten"
197
Doch wenn Spinoza trotzdem von der völligen Identität beider
Attribute in Gott spricht, „so kann man schon hierdurch
belehrt werden, dass es nur entweder an der ausdrücklichen
Reflexion, oder vielleicht selbst bloss an der ausdrücklichen
Behauptung fehlt, wenn man in der Darstellung des Spi-
noza nicht unmittelber die Einheit von Denken und Aus-
dehnung als die identische, aber deswegen nichts von beiden
enthaltende Form des absoluten Wesens, diese absolute Form
aber als solche wiederum in der totalen Indifferenz mit dem
Wesen erkannt hat." Bei Spinoza findet Schelling auch die
„Idee, und in Bezug auf das Absolute die Idee aller Ideen,
die absolute Form, das absolute Erkennen, ausdrücklich als
dasjenige ausgesprochen, aus welchem erst Denken und Aus-
dehnung, Ideelles also und Reelles, an den endlichen Dingen,
oder im endlichen Erkennen sich abscheiden, und das, in seiner
Einfachheit und lautem Identität gedacht, das Wesen und die
Substanz des Absoluten selbst ist." Nur fehlt noch (S. 377)
„die Einsicht der absoluten Einheit des Erkennens und Seyns
in der höchsten Erkenntnissart, . . hier geht die eigentliche
Grenzscheide zwischen dem wahren, dem absoluten Idealismus
und dem Realismus des Spinoza."
Als Hauptvertreter des Realismus (1804 „Propädeutik"
S. W. Bd. VI S. 93, vgl. S. 24. 25 und Bd. V S. 58. 85.
103. 126 7. 273 aus d. J. 1802-3), der (VI S. 101) alles bloss
„negativ und hypothetisch" bewiesen, als Schöpfer (S. 99)
eines „untergeordneten" Systems (vgl. S. 103. 549) tritt Spinoza
in den folgenden Jahren in demselben Verhältnisse in Schellings
Schriften immer mehr zurück, als dieser im Idealismus festen
Fuss fasst. Schon glaubt er (1806 „Darlegung des wahren
Verhältnisses.." Bd. VHS. 12) mit Spinoza sagen zu dürfen:
„Non dico, me optimam invenisse philosophiam, sedveram me
intelligere scio." So heisst es denn auch selbstbewusst in den
„Philos. Untersuchungen über das Wesen der menschlichen
Freiheit" (VII S. 349), nachdem er (S. 340 f.) den Spinozismus
gegen solch platte Auffassungen, wie sie noch Jacobi manchmal
zeigt, in Schutz genommen: „Und hier denn ein für allemal
unsere Meinung über den Spinozismus ! Dieses System ist nicht
Fatalismus, . . der Fehler seines Systems liegt keineswegs
darin, dass es die Dinge in Gott setzt, sondern darin, dass es
Dinge sind," (vgl. dagegen Schelling selbst: „Propädeutik" Bd.
VI 99: dass Spinoza „den einzelnen wirklichen Dingen keine
Realität zuschreibt") — ^in dem abstracten Begriff der Welt-
wesen, ja der unendlichen Substanz selber, die ihm eben auch
ein Ding ist. Daher sind seine Argumente gegen die Freiheit
198
ganz deterministisch, auf keine Weise pantheistisch. Er be-
handelt auch den Willen als eine Sache, und beweist dann
sehr natürlich, dass er in jedem Falle des Wirkens durch eine
andere Sache bestimmt sein müsste, die wieder durch eine
andere Sache bestimmt ist, u. s. f. ins Unendliche. Daher die
Leblosigkeit des Systems, die Gemüthlosigkeit der Form, die
Dürftigkeit der Begriffe und Ausdrücke, das unerbittlich Herbe
der Bestimmungen, das sich mit der abstracten Bestimmungs-
weise vortrefflich verträgt; daher auch ganz folgerichtig seine
mechanische Naturbetrachtung . . Man könnte den Spinozismus
in seiner Starrheit wie die Bildsäule des Pygmalion ansehen.
die durch warmen Liebeshauch beseelt werden musste; aber
dieser Vergleich ist unvollkommen, da es vielmehr einem nur
in den äussersten Umrissen entworfenen Werke gleicht, in dem
man, wenn es beseelt wäre, erst noch die fehlenden und un-
ausgeführten Züge bemerken würde. Eher wäre es den ältesten
Bildern der Gottheit zu vergleichen, die je weniger in-
dividuell lebendige Züge aus ihnen sprechen, desto geheimnis-
voller erscheinen. Mit einem Worte: es ist ein einseitig —
realistisches System, welcher Ausdruck zwar weniger ver-
dammend klingt, als Pantheismus, dennoch aber weit richtiger
das Eigenthümliche desselben bezeichnet." \'on sich selbst
sagt Schelling: „Wechseldurchdringung des Realismus und
Idealismus war die ausgesprochene Absicht seiner Bestrebungen.
Der Spinozische Grundbegriff durch das Princip des Idealismus
vergeistigt, erhielt in der höheren Betrachtungsweise der Natur
und der erkannten Einheit des Dvnamischen mit dem Gemüth-
liehen und Geistigen eine lebendige Basis, woraus Naturphilo-
sophie erwuchs, die als blosse Ph\'sik zwar für sich bestehen
konnte, in Bezug auf das Ganze der Philosophie aber jederzeit
nur als der eine, nämlich der reelle Theil derselben betrachte:
wurde, der erst durch die Ergänzung mit dem ideellen, ir
welchem Freiheit herrscht, der Erhebung in das eigentliche
Vernunftsystem fähig werde." Sein System ist (S. 502, v^l
429. 430) , nicht Spinozismus, sondern Pantheismus, als er.
S\'stem, in welchem in Bezug auf das Absolute schlechthin
aUe Gegensätze verschwinden.** Wie ein Nachruf, einem da-
hingeschiedenen Freunde gewidmet, dem gegenüber man sich
nicht ganz schuldlos weiss, klingen Schellings Worte in „Die
Weltalter" (1814. S. W. Bd. 8, S. 339 fg.): „Spinoza verdien:
eine ernste Betrachtung; fem sey es von uns, ihn in dem zi.
verleugnen, worin er unser Lehrer und X'orgänger geweser.
In ihm vielleicht vor allen Neueren" war „ein dunkles Gefühl .
jenes mächtigen Gleichgewichts der Urkräfte, die er als au>-
199
gedehnte (also doch wohl ursprünglich zusammenziehende?)
und denkende (doch wohl des Gegensatzes wegen ausdehnende,
ausbreitende?) Urkraft einander entgegenstellt . . . Also ist die
Zweiheit über der Einheit verloren gegangen . . Haben die, welche
die von uns behauptete Einheit geradezu mit der Spinozistischen
vergleichen zu können meinten, nie auch nur den Begriff von
Potenzen bemerkt, der schon für sich den Begriff von Fort-
schreitung, Bewegung in sich schliesst?" Man kann nicht
umhin, „in Spinoza den einzigen Stammhalter wahrer Wissen-
schaft zu erkennen. Daher es kein Wunder war, wenn jede
neue kräftige Regung zuerst auf ihn zurück und wieder von
ihm ausgehen musste/* Es zeigt sich hier also, bei aller durch
theosophische Einflüsse getrübten Auffassung des Spinozismus,
doch noch Achtung und Verehrung gegen seinen Urheber.
Dies gilt auch noch für Schellings „Zur Geschichte der neueren
Philosophie". (S. W. X S. 35 f.) „Der Spinozismus ist wirklich
die das Denken in Ruhestand, in völlige Quiescenz versetzende
Lehre . . Unstreitig ist es diese Stille und Ruhe des Spino-
zischen Systems, welche besonders die Vorstellung der Tiefe
hervorbringt . . Stets wird auch das Spinozische System in
gewissem Sinne Muster bleiben. Ein System der Freiheit —
aber in ebenso grossen Zügen, in gleicher Einfachheit, als voll-
kommenes Gegenbild des Spinozischen, — dies wäre eigent-
lich das Höchste. Darum ist der Spinozismus . . nie bisher wirklich
überwunden worden, es kann wohl keiner hoffen, zum Wahren
und Vollendeten in der Philosophie fortzugehen, der nicht ein-
mal wenigstens in seinem Leben sich in den Abgrund des
Spinozismus versenkt hat. Keiner, der sich seine selbst-
gegründete Ueberzeugung verschaffen will, sollte das Hauptwerk
des Spinoza, seine Ethik . . ungelesen lassen , . Zu den un-
vergänglichen Schriftstellern gehört besonders auch Spinoza.
Er ist gross durch die erhabene Einfalt seiner Gedanken
und seiner Schreibart, gross durch seine Entfernung von aller
Scholastik wie auf der andern Seite von allem falschen Schmuck
oder Prunk der Rede . .** Doch erhebt Schelling auch wieder
den alten Tadel gegen Spinozas Substanzbegriff (S. 40, vgl.
S. W. X S. 211f. aus d. J. 1834). Bemerkenswert ist hier
ganz besonders sein endgültiges Urteil über Leibniz. (S. 54)
,,Wenn wir . . den Leibnizianismus zunächst nur als einen
verkümmerten Spinozismus ansehen können, so müssen
wir wenigstens Eine verdienstliche Seite desselben rühmen,
diese nämlich, dass er sich nicht begnügte, von den Dingen
immer nur in abstracto, ohne alle Rücksicht ihrer Unterschiede
und Abstufungen zu reden." Sein Verhältnis zu Spinoza ist
200
,,nicht sowohl das eines Gegners, als das eines klüglich zurecht-
legenden und zu vermitteln suchenden Auslegers**.
Nach diesen seinen eigenen Aeusserungen lässt sich übdv
die Entstehung der Philosophie Schellings im allgemeicen
folgendes sagen. Kant hatte ihm weder eine Metaphysik roch
eine passende Moral gegeben. Mehr Befriedigung gewährte ihm
Fichtes Idealismus. Doch das absolute Ich, welches Subjekt
und Objekt in sich einheitlich umschliesst, war hier nur be-
griflnich gefasst; es ruhte auf rein erkenntnistheoretischem Grunde.
Schob man nun diesem Gegensatze des subjektiven und objektiven
Faktors, der sich im Absoluten zur völligen Einheit auflösen soll,
den vorkantich-dogmatischen zwischen Denken und Ausdehnung
unter, d. h. ging man über das Ich hinaus, so stand man mitten
im Spinozismus. So lag es auch nahe, das absolute Ich nach dem
Muster der Spinozischen Substanz zu konstruiren.
Doch zeigt diese, auf die Erklärung der gegenständlichen Welt
angewandt, einen empfindlichen Mangel. Der Uebergang zwischen
dem Absoluten und der Endlichkeit fehlt bei Spinoza. Hier schien
nun wiederum Fichte das geeignete Brückenmaterial zu liefern.
Immerhin stand doch Spinoza als Realist dem nachkantischen
Idealismus gegenüber. Eine Einheit sollte aber gefunden werden.
So bediente sich denn Schelling auch zur Ineinssetzung von
Denken und Sein, des Idealen und Realen, wieder des Vorbildes
der Spinozischen Substanz. Doch verlässt er bei alledem nie
ganz den kritischen Standpunkt. Nur hier und da mochten
seine naturwissenschaftlichen Studien, die Vertiefung in die
Realität der Dinge, dem objektiven Faktor das Uebergewicht
geben. Nach Ueberwindung dieser Einseitigkeit aber musste die
verlassene Position, vermeintlich zugleich der Standpunkt des
„Realitätslehrers** Spinoza, Gegenstand der Missbilligung werden.
Daher die Schwankungen im Urteile über die Spinozische Substanz.
Unter dem Einflüsse solcher Wandlungen uird auch Spinozas
Moral bald vortrefiflich gegen jeden Einwand gedeckt, bald
wieder vom Fichteschen Freiheitsbegriffe aus dagegen an-
gekämpft. Das eine Mal kann Schelling Spinozas Methode
nicht hoch genug preisen, ahmt er sie selbst in seinen Schriften
nach, kurz darauf erscheint dem Romantiker solche strenge Ge-
dankenzucht als trocken und tot. Immer weiter drängen ihn
seine künstlerischen und mystischen Neigungen aus dem ruhigen
Gleichgewicht Spinozas hinaus in das Fahrwasser des Spiritu-
alisten, der dem Geist, der Form das Vorrecht gibt, und
schliesslich noch über Spinoza hinaus, der schon „auf den
tiefsten Grund gekommen" S. W. Abt. 2 Bd. III S. 157, 15^'»
bis zur theosophischen Erkenntnis der Trinität gelangt.
201
Als Aesthetiker sieht Schelling im Spinozismus nur die
Lehre vom unbelebten Stoffe, als Idealist den einseitigen Realis-
mus. Kein Wunder! Spinoza geht als exakter Forscher vom
Substrat des Denkens aus, dem er dem realen Verhältnisse
entsprechend einen weiteren Spielraum in seiner Lehre anweist
als dem geistigen Moment. Schelling dagegen geht bei seinem Denken
vom idealistischen, als gerade entgegengesetzten, Standpunkte
aus. Wenn er aber ferner die „rein mechanische Naturauffassung**
Spinozas tadelt, so lässt sich dem gegenüber in dieser schon,
mit Sigwart, „innerlich die Ahnung einer dynamischen Lebens-
ansicht" herausfühlen, wie sie uns Modernen ganz geläufig ist
und einem Schelling, der all die vielen naturwissenschaftlichen
Kenntnisse der Neuzeit ohne eigenes Verdienst vor Spinoza
voraus hatte, noch keine Berechtigung zu dessen Aburteilung
gab. Immerhin aber bleibt ihm das Verdienst, unser Auge für
viele Schwächen in Spinoza geschärft zu haben. Seine Kritik
an dessen Lehren, die sich fast ununterbrochen durch seine
Schriften hindurchzieht, gibt zugleich den besten Einteilungsgrund
bei der Feststellung seiner einzelnen Entwickelungsphasen.
Zum ersten Male tritt in Schelling dem Fichteaner der
Spinozist selbständig entgegen in seiner Jugendschrift „Vom
Ich". 'Das Motiv ist ein erkenntnistheoretisches; die Unter-
scheidung zwischen Spinoza und Fichte trifft er ganz im Sinne
dieses seines Meisters. Er findet den letzten Grund der Re-
alität alles Wissens, das Unbedingte, im absoluten Ich, als dem
Prinzip der Philosophie.
Auch Spinoza geht vom Unbedingten, der causa sui, aus.
Allein sein Grundfehler ist der, dass er, als Dogmatiker, das
Absolute ausserhalb des „Ich" findet. Trotzdem hat aber
Spinoza in seiner Substanz gerade das absolute Ich muster-
giltig gezeichnet. Schelling steht deshalb nicht an, sich das
absolute Ich bis ins einzelne mit Spinozas Farben auszumalen.
In der Ethik zeigen Fichte und Spinoza wesentliche Be-
ziehungen. Schelling übersieht auch diese Verwandtschaft
seiner Lieblinge keineswegs, bringt aber doch Spinozas Passivi-
tätslehre in Gegensatz zu Fichtes absoluter Aktivität, die in
dem Motto gipfelt: „Strebe nicht. Dich der Gottheit, sondern
die Gottheit Dir ins Unendliche anzunähern!** Er zeigt sich
hier noch voller Begeisterung für die grosse Revolutionsthat
Fichtes, der das gesamte Denken den ethischen Bedürfnissen
accomodirt. In demselben Masse, wie er diesen Boden ver-
lässt, tritt er Spinoza näher. Neben diesem steht er bereits in
seiner „Darstellung meines Systems" 1801. Der kritisch-sub-
jektive Standpunkt der Wissenschaftslehre ist hier ganz ver-
202
lassen. In genauem Anschluss an Spinozas Methode trägt
Schelling seine Lehre vor, teils der Kürze, teils der Evidenz
wegen, teils „weil ich denjenigen, welchem ich dem Inhalt und
der Sache nach durch dieses System am meisten mich an-
zunähern glaube, auch in Ansehung der Form zum Vor-
bild zu wählen den meisten Grund hatte." Er nennt sein
Unternehmen geradezu eine Erneuerung des Spinozismus. Ganz
dogmatisch setzt er, wie Spinoza die Substanz, die absolute
Vernunft als das Primum voran, aus welchem alles Uebrige
abzuleiten ist. Teils mit ausdrücklicher Berufung auf Spinoza,
teils mit Anpassung der eigenen Bestimmungen an dessen
Muster, trägt er die mystische Schau der Totalität alles Seins
in mathematischer Form vor. So gewann die Naturphilosophie,
und damit Spinoza, die früher nur als Teile in seinem Sj'steme
eine Stelle gefunden, entschieden die Oberhand. Das ganze Uni-
versumwurde im Sinne der Romantik, z.B. einesNovalis, vergeistigt.
Nicht mit Unrecht hat Haym auf dieser Station den Höhepunkt
der romantii-chen Spekulation erblickt (D. rom. Schule S. 637.
660). Er sagt von diesem stolzen Bau der Identitätslehre: „Ein
Denkmal steht es da für die innere Berechtigung, ein Zeugniss
ist es durch seine spätere Geschichte für die Schicksale der
Romantik geworden." Seinen Gegensatz zu Fichte bezeichnet
Schelling durch die Formeln: „Ich-Alles*' und „AUes-Ich." In
jenem Satze liegt das Prinzip des Fichteschen subjektiven
Idealismus, in diesem das seinige, das des objektiven Idealismus,
ausgesprochen.
Denselben Geist atmet Schellings „Bruno" (Ausg. von
1834, S. 48, 53, 57, 71 f., 139, 159 f., 178): „Die höchste
Macht oder der wahre Gott ist der, ausser welchem nicht die
Natur ist, so wie die wahre Natur die, ausser der nicht Gott
ist . . Gott ist wesentlich die Natur, und umgekehrt;" des-
gleichen seine , »Philosophie und Religion" (1804, S. 3, vgl. 12,
13, 44, 51) und die „Jahrbücher der Medicin** 1806 — 8, worin
sich die ersten theosophischen Spuren wahrnehmen lassen.
„Es ist nur Eins, Gott oder das All; unser Denken, unser Sein
ist nicht unser, sondern Gottes oder des Alls." Auch dem
Redner „Ueber das Verhältniss der bildenden Künste" 1807 ist
,,die Natur die heilige und ewig schaffende Urkraft der Welt,
die alle Dinge aus sich selbst erzeugt und werkthätig her-
vorbringt."
Doch musste es Schelling verdriessen, wenn man ihn, wie
dies Herbart und Jacobi ohne weiteres thaten, zum Plagiator
des Atheisten Spinoza stempelte. Dadurch wurde er sich
immer deutlicher, und vSchliesslich über Gebühr, seiner Selb-
203
ständigkeit diesem gegenüber bevvusst. Schon 1802 hatte er
(s. Fichtes Leben II, S. 369) an Fichte geschrieben, er gedenke
keineswegs zuzugeben „dass Spinoza unter seinem, noch dass
er unter Spinozas Namen missdeutet'' werde. Die beste Ge-
legenheit zu einer Erklärung gegen jenes inquisitorische Treiben
bot sich ihm in der Entgegnung auf Jacobis herausfordernde
Schrift „Von den göttlichen Dingen". In dem ,, Denkmal",
welches er (1812) der jesuitischen ,,Jgnoranzphilosophie", wie
Lichtenberg Jacobis Schwärmerei bezeichnet hatte, für alle
Zeiten gesetzt hat, heisst es (S. 9 f.): ,,Ich habe" bereits „erklärt,
dass Spinozismus in einem gewissen Verstände die eine vor-
angehende, reale Seite aller wahren Philosophie sei . . Meine
Lehre" ist „spinozistisch, sofern der Mensch ein physisches
Wesen, sobald es nicht bedeuten soll, er sei nur dieses". Seine
Lehre, betont Schelling von nun an, ist nicht der Spinozismus
selbst, sondern seine Ergänzung und Fortbildung. So heisst es
in der „Philosophie der Offenbarung" (S. W. Abt. II, Bd. 3,
S. 159): „Dieses einfach nothwendige Seyende, von dem Spinoza
allein weiss, ist nicht Gott, wohl aber ist es ein Prius der
Gottheit", und S. 162 f.: „Die Vernunft kann das Seyende, in
dem noch nichts von einem Begriff, von einem Was ist, nur
als ein absolutes Ausser-sich setzen . . die Vernunft ist daher
in diesem Setzen ausser sich gesetzt, absolut ekstatisch. Und
wer hätte nicht auch z. B. das Ekstatische des Spinozismus
und aller von dem nothwendig Existirenden ausgehenden Lehren
gefühlt! . . (Bd. 4 S. 342) Die Spinozistische Substanz ist
ewig, ohne alle Voraussetzung, grundlos ewig, und doch ist
sie nicht Gott."
In der That ist Schellings „philosophische" Lehre weit über
das System Spinozas hinausgegangen. In genialer Konzeption
hat sie nach den grossen Vorbildern eines Leibniz, Lessing,
Herder den Spinozismus für die Auffassung der Natur, Kunst
und Geschichte fruchtbar gemacht. Für die Mit- und Nach-
welt aber hat Schelling die nicht hoch genug zu schätzende
Bedeutung, nach allen Seiten hin die weitgehendsten Anregungen
gegeben zn haben. Ein Goethe steht mit ihm, (s. Annalen
1798, S. 68 fg; 1799, S. 72; 1801, S. 79 der Cottaschen Aus-
gabe 1840) ebenso wie die Romantik, in innigstem Verkehr;
Hegel mit seiner Schule ruht auf seinen Schultern; die moderne
Naturbetrachtung (vgl. Wundt, Ethik Vorw. S. V) bewegt sich
zum grossen Teil noch in seinen Bahnen.
Die Wirkung, welche Schellings glänzende Darstellung des
Spinozismus auf jugendliche empfängliche Gemüter ausübte,
wurde noch durch seine persönliche Erscheinung, durch seinen
204
zündenden Katheder Vortrag wesentlich verstärkt. Rosen-
kranz (Hegels Leben S. 160) und Platen wissen davon zu er-
zählen. Von Platens schwärmerischer Begeisterung für seinen
Lehrer zeugen seine Dithyramben auf Schelling. (Sonette Bd. 2,
S. 95: „An Schelling" in „Werke des Grafen Aug. v. PL" 1847):
„Du aber tauchst die heilige Bienenschwinge
Herab vom Saum des Weltenblumenrandes
In das geheimnisvolle Wie der Dine.
(S. 105) Wie sah man uns an deinem Munde hangen,
Und lauschen Jeglichen auf seinem Sitze,
Da deines Geistes ungeheure Blitze
Wie Schlag auf Schlag in unsre Seele drangen!
Wenn wir zerstückelt nur die Welt empfangen.
Siehst du sie ganz, wie von der Berge Spitze:
Was wir zerpflückt mit unserm armen Witze,
Das ist als Blume vor dir aufgegangen.
(S. 106, Nro. 26) Als ein Jahrhundert müde sank zu Grabe,
Und viel des Grossen uns zu Theil geworden,
Da tratst du auf, und gründetest den Orden
Der neuen Zeit, beinahe schon als Knabe!
Die Kunst v,ernahms, und griff zum Pilgerstabe,
Befreit durchzog zie alle Völkerhorden,
Der reiche Süden und der frische Norden
Verliehn ihr willig reiche, goldne Gabe."
So hatte also die Romantik nicht vergeblich an der Aufgabe
gearbeitet, die Schlegel ihr in seiner „Rede über die Mythologie"
gestellt hatte. Auch Platens „Der gläserne Pantoffel'* zeigt an
einzelnen Stellen den Einfluss der Philosophie Schellings, mit
dem der Dichter schon als junger Student in Erlangen in in-
nigstem Verkehr gestanden (a. a. O. Bd. I S. XI. XVIII, vgl.
Pl.s poet. und litt. Nachlass, hrsg. von Minckwitz 1852 Bd. I.
Brief vom 30. Dez. 1829).
§ 92. Steffens.
In keinem seiner Jünger aber hat Schelling ein so getreues
Abbild gefunden, wie in Steffens. Von seinem Lehrvortrage
gilt dasselbe wie von dem seines Meisters; der junge Börne
(Ges. Sehr. Tl. 17. Lpzg. 1847. S. 4 ff.) und Heinrich Laube
(Ges. Sehr. 1875, 1 S. 88 f.) haben sich auch einst davon
berauschen lassen. In Steffens Selbstbekenntnissen („Was ich
erlebte, Breslau 1841) erhalten wir, ähnlich wie bei Kessler,
Einblick in ein vom Zweifel zerrissenes Gemüt, welches in
Spinoza erst Heilung und Ruhe findet. Steffens hatte Kant
205
kennen gelernt. Doch füllte diese Schulphilosophie seinen Geist
nicht aus, der Zwiespalt im Denken zwischen Theorie und
Praxis machte ihn unglücklich. Da kam er, nach seiner Pro-
motion, zu Spinoza; er las ihn „himmelhoch jauchzend, zu
Tode betrübt.*' Der Sohn des ernsten Nordens, der schon früh-
zeitig in der Einsamkeit und Verlassenheit nach einem festen
Halt für sein ganzes ungeteiltes Denken gesucht, fand hier die
erlösende Botschaft. Jacobi, Fichte, Goethe und vor allem
Schelling nährten das Feuer seiner Begeisterung.
Aus Jacobi lernte er zuerst (1797) Spinoza kennen, (a. a.
O. III S. 260 ff.) „Diese Schrift hat nun Epoche in meinem
Leben gemacht. Es war die erste Speculation, die alle schlum-
mernden Gedanken in mir concentrirte und zum Ausbruche
brachte . . Es war mir eine neue Welt aufgeschlossen, und
dennoch glaubte ich, eine alte, mir längst bekannte, zu be-
greifen.** (S. 275) Shakespeare und Goethe hatten einen hef-
tigen Kampf in seinem Innern wachgerufen. „In einer solchen
Zeit nun drang sich mir Spinoza auf. Das Exemplar der
opp. posth., welches in so langer, einsamer Zeit mich mit
der grössten Anstrengung beschäftigte, war mir mehrere Jahre
hindurch teuer und bedeutend, ich konnte es fast nie ohne innere
Wehmut betrachten; denn es rief mir Stunden zurück, die ich
zu den wichtigsten meines Lebens rechnen muss . . . (276) Was
Spinoza in Bewegung setzte, . . . das konnte mir nicht fremd
sein. Als ich mich in Bergen einsam und verlassen fühlte,
von der Natur, die sich meinen Forschungen verschloss, von
den Freunden, die sich zuriickgezogen zu haben schienen, und
von mir selbst, . . da suchte auch ich einen Ruhepunkt, in
welchem das ganze Dasein seinen unveränderlichen Stand und
ewig durchsichtigen Mittelpunkt fände . . Was mir bis dahin
erschien, als wäre es . . ein blosses Spiel des Scharfsinnes,
trat jetzt als eine bedeutende Wissenschaft hervor . . Was
gab uns denn nur dieses in sich geschlossene selbständige Er-
kennen, so wie es, von den Quellen des Handelns und Daseins
abgetrennt, in hoher Vornehmheit dastand? — Der Forma-
lismus der Schule, was war er, dem warmen Leben gegenüber?
Das hatte mich, ich kann sagen, von meinen Knabenjahren
an gequält. Dieses Zerrissensein in den innersten Tiefen des
Daseins war mir das Entsetzlichste, was ich denken konnte,
und keiner in der Welt war weniger als ich fähig, rein absolute
Trennung einer theoretischen und praktischen Vernunft aus
Ueberzeugung anzunehmen.*' Was wir Natur nennen, ist ja
nur eine Erscheinung von etwas, was wir auch in unserem
Handeln offenbaren. „Jenes Zerreissen** hat „mich von der
206
Kantischen Philosophie entfremdet . . (S. 283) Ich begriff, dass
ein Geist, wie Lessing, nothvvendig Spinozist werden musste.
Alle früheren religiösen Erinnerungen waren verschwunden ; . .
(S. 284) Mit einer Begierde, die fast an Leidenschaft grenzte,
die durch die religiöse Furcht, die sich noch im Hintergrunde
meiner Seele erhielt, mich nur noch mehr reizte, ging ich an
die Arbeit; . . mehrere Wochen hindurch war ich den Freunden
unzugänglich . . ich wollte unter jeder Bedingung die Aufgabe
lösen, die sich Spinozagestellt hatte. . . . Die sollte meine eigene
werden, wie sie die seinige war . . Die acht speculative
Sprache war mir fremd . . (285) Ich denke mit einer Art von
Schauder an diese Zeit, an die wunderbare geistige Einsamkeit,
in welcher ich lebte, an die rastlose Anstrengung, die mich
ergriff, und bei Tage und in der Nacht kaum einen Augenblick
ruhen Hess . . Rang ich doch, wie Spinoza selbst, nach ab-
soluter Klarheit und Bestimmtheit . . Gesteht man mir irgend
ein eigentliches, speculatives Talent zu, so muss ich gestehen,
dass es Spinoza war, der es zuerst erweckte . . (S. 288) Die
Spinozistische Gesinnung" besagt, ^dass das geistige Erkennen
eben darin seinen Wert hat, dass es den Willen, je tiefer es
in das Substantielle der Dinge eindringt, desto umfassender,
nicht als einen particulären W^illen allein, sondern als das Ge-
meinschaftliche Alehrerer, in dem Begriffe der Einheit der Per-
ception aufnehmen wird; dass dieser sich immer erweiternde Wille,
insofern er wieder ein Partikuläres findet, nicht ruhen kann,
bis er von jedem Entgegengesetzten, also von jeder Affection
befreit ist; dann wird er in der göttlichen Selbstgenügsamkeit
ausruhen, aber auch als Wille verschwinden . . (S. 289) Wie
Gedanke und Existenz im göttlichen Wesen, so waren Lehre
und Gesinnung bei Spinoza so vollkommen eins, dass es ein
vergebliches Bemühen wäre, sie in der Trennung zu fassen . .
(2S)0) Als ich überzeugt war, Spinoza ganz verstanden zu
haben, bemerkte ich erst, wie viel ich verloren hatte. Die
lebendige Natur, das bunte Leben schien mir erblasst und ergraut:
hinter mir lagen alle Wünsche und Hoffnungen . . Doch lag
so wenig eine Verzweiflung in der momentanen Entsagung
alles dessen, was mich früher durchdrang und beschäftigte, dass
vielmehr das vorübergehende Absondern sich in eine innere
hoftnungsvolle Freude verkehrte, als hätte ich den tiefen classischen
Boden aller freien Thätigkeit gefunden . . .'(327) Wenn Spinoza
wie ein alttestamentlicher Prophet nur das Christenthum des Er-
kennens in dunkeln Weissagungen verkündete, so fühlte ich
jetzt,** bei der Bekanntschaft mit Fichte, ,,dass eine neue irdische
Heimat . . sich mir geheimnissvoll und stille zubereitete/* Nach
207'
der Lektüre der Schellingschen „Ideen zu einer Philosophie der
Natur*' schreibt Steffens (S. 338) „Es war der entschiedene
Wendepunkt in meinem Leben. Spinoza war ein Jude, und
er hatte auch für mich im geistigen Sinne eine alttestament-
liche Bedeutung. Er zeigte mir den in sich verborgenen Gott,
dessen ewig wunderbares Gesetz einen unmittelbaren Gehorsam
forderte. Ich erwartete, dass Gott sich gegen mich aufschliessen
sollte . . . Jetzt war es mir, als vernähme ich den ersten be-
deutenden Pulsschlag in der ruhenden Einheit". (S. 279j „Wie
ganz anders", als Kants Philosophie „trat mir die innere Be-
wegung einer Seele entgegen, die in ihrer Sehnsucht nach
geistiger Ruhe sich der eigenen Forschung ernsthaft zuwendet,
wie sie bei Spinoza erscheint . . Ich verglich" . . die ^Einleitung"
(zum tract. de emend. intell.) ,,zur Ethik mit der Einleitung zu
Kants Kritik der reinen Vernunft, und der Gegensatz zwischen
einem Schulthema, und einer aus allen Quellen des Daseins
hervorstrebenden Speculation ward mir klar. Ich habe ja wohl
auch von meiner frühesten Kindheit an gehört, dass das Er-
kennen mit dem Gewissen und die Demonstration mit der Er-
bauung nichts zu teilen habe, obgleich ich noch in meinen
alten Tagen diese triviale Ermahnung als eine Belehrung habe
hinnehmen müssen. Ich aber bewahrte das deutlichste
Bewusstsein davon , dass man alle Tiefe des Lebens in
sich bewahren müsse, selbst wenn man den Formalismus
desselben als festen Denkprozess aufs schärfste aufzu-
fassen und. darzustellen suchte, so dass nur das Leere sich
im Leeren spiegele. Hier nun trat mir ein Mann entgegen,
der — eben ein Mann im kühnsten Sinne des Wortes — sich,
\'on den Fesseln des Denkens ergriffen, um jeden Preis be-
freien wollte, und zwar nicht theilweise, sondern ganz und
durchaus. Zu^ar war er entschlossen, Alles hinter sich zu
lassen, was ihn an das sinnliche Leben fesselte, um im sichern,
unwandelbaren Centrum des Daseins Ruhe, Frieden und Freiheit
zu finden: aber dieser kühne Entschluss war ihm nicht ein
Schulthema, sondern eine innere Aufgabe des Lebens selber;
nicht bloss eine Lehre, sondern ein Kampf des Lebens; eine
reinigende Gesinnung, ja in seinem Sinne, inmitten der strengsten
Form, ein fortdauernder Reinigungsprozess. Jetzt erst ward
ich durch den Titel seiner Lehre überrascht, er nannte sie
nicht Metaphysik oder Logik, sondern Ethik; sie sollte nicht
bloss der Ausdruck einer Lehre, sondern der einer Gesinnung
sein, und war es. Man hat ihn, sagte ich mir, „Determinist"
genannt, und hier trat er mir entgegen als derjenige, der mit
der grössten geistigen Kühnheit den Mitttelpunkt der Freiheit
208
suchte. Er wolle, bejiaupteten andere, die geringfügigsten
Schattenbilder der Erscheinung als Theilnehmer eines göttlichen
Daseins aufstellen, und ich las mit Erstaunen, wie er, diese
verscheuchend, nur in der durchsichtigen Klarheit der Einheit
Gottes, sicheres Erkennen und zugleich Ruhe des Daseins zu
finden strebte; und diesser Mann stand durch die Schärfe seiner
Darstellung, durch die Strenge seiner Demonstration seit Jahr-
hunderten als ein zvyar verfolgter und verkannter, aber als ein
Unüberwundener da. Eben was den Jacobi zurückschreckte,
die entschiedene Kühnheit seines Unternehmens, zog mich un-
widerstehlich an. Es wurde mir klar, dass das Geschrei nach
Freiheit, welches um mich herum alle Zungen in Bewegung
setzte, sowie es inmitten der nie aufzulösenden Widersprüche
der erscheinenden Geschichte laut ward und eine Lösuns;
suchte, sinnlos, ja albern zu nennen wäre. Nur derjenige,
der sich selber auf eine ewige Weise Genüge leistet, ist frei.
Gelingt es dir, an seinem Leben Teil zu nehmen, dann erst
magst du auch selbst frei sein, wie er."
§ 93. Schellings Schule.
Wie Steffens streifen natürlich auch die anderen Anhänger
der Identitätslehre mehr oder minder zugleich an Spinoza. Die
einen, wie Rixner und Windischmann, bemühen sich gegen-
über den Vorwürfen von gegnerischer Seite Schellings Selb-
ständigkeit gegen Spinoza darzuthun. Die Psychologen, wie
Eschenmayer und Carus, führen das Spinozisch-Schellingsche
Prinzip in den Erscheinungen des Seelenlebens durch, wie
Oken, der Entdecker des Intermaxillarknochens, und Alex, von
Humboldt, der Verfasser des „Kosmos", im grossen Ganzer,
der Natur. Im Anschluss an Schelling („Kosmos" 1845, 1
S. 39) wie an Goethe (S. 48) heisst es bei Humboldt (S. IV >
„Was mir den Hauptantrieb gewährte, war das Bestreben, die
Erscheinungen der körperlichen Dinge in ihrem allgemeinen
Zusammenhange, die Natur als ein durch innere Kräfte be-
wegtes und belebtes Ganze aufzufassen. Ich war durch den
Umgang mit hochbegabten Männern früh zu der Einsicht ge-
langt, dass ohne den ernsten Hang nach der Kenntnis de^
Einzelnen alle grosse und allgemeine Weltanschauung nur ein
Luftgebilde sein könne. . . (S. 5) Die Natur ist für die den-
kende Betrachtung Einheit in der Allheit, Verbindung des
Mannigfaltigen in Form und Mischung, Inbegrifif der Naturdinge
und Naturkräfte, als ein lebendiges Ganze."
209
Wie sich in diesen IgsrntferT Worten eine entschiedene
Wendung von der Phantastik des romantischen Dilettantentums
zu dem wissenschaftlichen Geiste Spinozas, hin ausspricht, so
sind es auch besonders die Religionsphilosophen und Ethiker
der Schellingschen Schule, welche zu den reinen Quellen des
Spinozismus zurückkehren. Wir finden zwar auch in Schriften
aus diesem Kreise, wie Volkmuths „Der dreieinige Pantheismus"
(1837), worin (S. IX) sich „Stoa, Schelling und Spinoza als
das dreifach verabsolutirte Analogon der christlichen Trinität"
herausstellt, „Elemente besonnener und heller wissenschaftlicher
Denkart gemischt mit willkürlichen Extravaganzen kritik- und
massloser Theosophie" (vgl. Lpz. Repertor. 1837 IL S. 195),
aber andererseits, wie in Blasches „Philosoph. Unsterblichkeits-
lehre" und besonders in seinen „D. göttlichen Eigenschaften in
ihrer Einheit und als Principien der Weltregierung" 1831, den
Spinozismus klar und volKstümlich vorgetragen. Blasche, „der
Popularpantheist zum Gebrauche fiir jedermann", wie er scherz-
weise genannt worden, gibt in letzterer Schrift ,,eine Einleitung
in eine philosophische", oder — wie wir füglich sagen
dürfen — spinozistische ,,Dogmatik**. Denn, ohne Spinozas
Namen ausdrücklich zu erwähnen, lehrt er ganz in seinem
Geiste: „Gott ist der absolute Grund der Existenz wie
die Substanz der Welt. Die Weltregierung besteht in der Ent-
faltung der Naturgesetze. Jedes Einzelwesen ist nur ein Modus
des göttlichen Wesens. Dessen Allmacht ist das entwickelte
Allvermögen, die Allthätigkeit; sie ist zugleich die allschaffende,
allthätige Natur. Gott ist kein einzelpersönliches Wesen ausser,
über oder hinter der Welt. „Weil der Sonderwille der unter
Schranken gesetzte Allwille ist, so wird, was das Individuum
w^ill und thut, jederzeit in die Harmonie des Universums, in
die göttliche Weltordnung passen , mit welcher auch das
Böse im Einklänge steht." Allweisheit und Allmacht, Schaffen
und Erhalten, Schöpfer und Schöpfung sind identisch.
,,Da die Natur als Organismus der Gottheit zu betrachten
ist, so sind auch die göttlichen Strafen natürliche, . . die nicht
willkürlich verhängt werden, sondern naturgemäss erfolgen . .
So wie die Tugend ihren Lohn in sich selbst hat, und nicht
in äussern GlücksglUern, so das Laster seine Strafe.** (s. a. a.
O. Inhaltsübersicht: Capp. 2. 4. 5. 7. 8. 33.31.37 und S. Q.
11. 55 u. a.)
Ebenso nähert sich G. M. Klein, nach Schellings eigener
Bestimmung (Ges. Sehr. Bd. I. S. 477) der Ethiker der Schule,
in seinen „Beiträgen zum Studium der Philosophie** (1805) ent-
schieden dem • Naturalismus und Determinismus Spinozas. Reli-
14
210
gion und Sittlichkeit ist ihm unmittelbar dasselbe. Die absolute
Substanz wirkt immer notwendig absolut, und so ferne sie es
mit Bewusstsein, angemessen ihrer absoluten Erkenntnis thut,
heisst ihr Handeln 'Sittlichkeit. Willkür als subjektive Freiheit,
kann nie das Prinzip der Sittlichkeit sein. Wir müssen
freudig das Rechte thun, weil wir als vernünftige Wesen nicht
anders können. Das Göttliche, die . absolute Substanz ist es,
die in uns handelt. Nur in dieser Einheit von Freiheit und
Notwendigkeit, mit Hinwegsetzung über alle endlichen Zwecke,
liegt der Grund der Ruhe, Zufriedenheit und Seligkeit der sitt-
lichen Handlung.
§ 94. Die deutschen Katholiken.
Aehnlich wie Klein ging auch Fr. Rohmer von Schelling,
der ihn nicht befriedigte, zu SchlÄermacher über. Rohmer
(s. über ihn Allg. d. Biogi\ Bd. 29. S. 57 f.) ist der erste Ver-
treter einer Spinoza freundlichen Richtung des deutschen Ka-
tholizismus. Schon in seinem „Anfang und Ende der Specu-
lation" („Speculationis initium et finis'* 1835) glaubte er, im
Anschluss an Spinoza, in der Unterscheidung zwischen Unter-
lage und Eigenschaften ein letztes Prinzip gefunden zu haben.
In der „Kritik des Gottesbegriffes" . . (1857) heisst es (S. 1):
„Vergleichen wir den hohen Seelenadel und die tiefe Uneigen-
nützigkeit des Gottglaubens bei Spinoza mit den sinnlichen
Vorstellungen von persönlicher Fortdauer, welche sich manche
der berühmten Heiligen des Christenthumes gemacht haben, so
können wir Schleiermacher" mit seinem Lobe Spinozas nur
„recht geben." . .
(S. 21) „Keines der zahlreichen scholastischen Systeme,
welche seit der Emancipation der Philosophie durch Spinoza
Deutschland bewegt haben, hat den Spinozismus überwunden."
Vielmehr ist (S. 22 Anm.) „die seitherige Philosophie, weit ent-
fernt über Spinoza hinauszukommen, vielmehr hinter ihn zurück-
gegangen." Seiner Ueberzeugung nach (S. 17) ist „der eun)-
päische Pantheismus . . . einer hohen Religiosität fähig, wenn er»
gegen die Consequenz seiner eigenen Logik, entweder nach Art
des Buddhismus, das Wesen der Weltentwickelung in den end-
lichen Sieg des Geistes über die Materie setzt, oder aber durch
unwillkürliche Vertiefung des Gemüthes den nichtseienden Grund
der Welt zum lebendigen . . Gott umgestaltet." Die hier ge-
wünschte Verbindung des Pantheismus mit dem Theismus will
er noch in demselben Jahre selbst gefunden haben (s. „Gott
und seine Schöpfung" 1857 S. VI).
211
(S. 6) „Selbst Spinoza" — „der grösste speculative Denker
der nachchristlichen Zeiten" (S. 28) — scheiterte daran, dass
er dem Nichts ein gewisses Sein (esse) beilegte. Es darf nur
als die nichtseiende Unterlage des Seins, als die absolute In-
differenz bezeichnet werden." (§ 14. S. 15) Diese „Indifferenz
. . von Stoff und Kraft, Materie und Geist . . ist (§ 15) für sich
kein Sein, auch nicht Gott, sondern die ewige Unterlage auch
Gottes, wenn Gott wirklich ist." Aehnlich wie Spinoza eine
natura naturans und naturata, unterscheidet Rohmer (§ 29) eine
makrokosmische und eine mikrokosmische Natur. (S. 82) „Gott
ist nicht ausser der Natur, und die Natur ist nicht ausser Gott.
Gott besteht aus der Natur und dem Geist . . Er ist das absolut
noth wendige und höchst freie Wesen."
Wie Rohmer sucht auch sein Glaubensgenosse Wilhelm
Rosenkrantz die positive Philosophie Schellings mit dem Theis-
mus auszusöhnen (s. „Wissenschaft des Wissens"). Die induktiv
gefundene Einheit des Seins behandelt er ganz ähnlich wie
Spinoza seine Substanz. Zudem hält Rosenkrantz (a. a. O. II
S. 318, vgl. 302) ausdrücklich die Lehre Spinozas, dass es nur
eine einzige Substanz gebe, und alles Uebrige nur ihr Accidens
sei, für unanfechtbar. Die Vorwürfe, welche so oft dem Vater
des modernen Pantheismus gemacht werden, treffen nur die
Folgerungen aus dem an sich richtigen Substanzbegriffe, indem
die Welt zu viel von ihrer Selbständigkeit einbüsse. Doch gilt
dieser Tadel des Akosmismus nicht minder für Rosenkrantz
selbst, der das Dasein der Welt für einen blossen Schein
erklärt.
Auch sein Landsmann und Bruder in Schelling, Johannes
Huber, scheut sich nicht (s. „Skotus Erigena" 1861 Vorr. S. Xf.),
den Anklagen des Pantheismus oder Semipantheismus gegenüber,
sich offen „zu jener Richtung in der Philosophie** zu bekennen,
„die die Welt für ein Moment des göttlichen Lebens erklärt"
und ohne Furcht vor dem päpstlichen Bannstrahl geradezu für
den Erzketzer Spinoza einzutreten (Kleine Sehr. 1871 S. 113f.).
Ebenso bemüht sich Löwe, Günthers Schüler, in seiner „Philo-
sophie Fichtes" (Anhang), Spinoza zum Theisten zu machen,
und dem entschieden unkirchlichen Vertreter jenes idealisirten
Katholizismus, Gfrörer, verdanken wir eine, wenn auch sehr
fehlerhafte, so doch von tiefer Pietät („religione quadam") gegen
den „grössten aller Philosophen" eingegebene, Neuauflage der
Werke Spinozas (1830 praef. p. V: „Sp., qui ab omnibus, quorum
integrum de rebus philosophicis Judicium est, princeps aestimatur,
. . hujus philosophi scripta maxime a nostratibus desiderari
videntur . . (p. VI) Sexaginta demum annis abhinc, primae, quae
14*
212
palinodiam injustissimi erroris saperent, voces sparsae, mox
auctae creverunt, ita ut hac tandem aetate nobilissimus exsul
in patriam, bona debitosque honores restitui potuerit").
Natürlich fehlt es auch nicht an Katholiken, welche sich
gegen diesen Spinozismus im eigenen Lager erhoben und eben
dieser Erscheinung wegen in der Verketzerung solcher Lehren
noch ein Uebriges thaten. So sieht Oischinger, einer der zähesten
Gegner Günthers (s. „Speculative Entwickelung der Hauptsysteme
der neueren Philosophie" 1853/4 L S. 204. 198, vgl. 134ff.
152. 176. 193. 196. 199\ z. T. mit Berufung auf Hegel (S. L36)
im Spinozismus nur ein „disharmonisches und negatives System
des Nihilismus/' und Stöckl, der Vorkämpfer einer päpstlich
verordneten Neuscholastik gegen die „deutsche Wissenschaft/'
findet in Spinoza einen unvernünftigen Atheisten und Materia-
listen, mit dem ,,sich des Weiteren zu beschäftigen, nicht der
Mühe lohnt" (Gesch. der neueren Philosophie 1883 Bd. I S. 47S.
vgl. 147f. 152. 161. 177. 184. 195. 494, Bd. II S. 70. 213.
222. 310. 474. ö38).
§ 95. Baader.
Einen solchen ausgesprochen „christlich - katholischen**
Denker finden wir bereits in Schellings Freundeskreise, in Franz
Baader. Sein; Verhältnis zum Spinozismus, wie seine ganze
Erscheinung, erinnert in mancher Hinsicht an den „Magus des
Nordens.'* Soweit aus seinen tiefsinnigen, aber oft unklaren
und meist nur aphoristischen Schriften klar zu erkennen, er-
scheint Baader als entschiedener Gegner des theologischen
Supranaturalismus. Er ist darüber erstaunt, wie das christliche
Dogma eine solche Entwickelung hat nehmen können, zumiil
die paulinische Lehre unzweifelhaft die Immanenz Gottes predigt.
Spinoza ist in diesem Punkte leider christlicher, als die Kirche
selbst gewesen. In seinem ev xai T:av hat er eine ohne Frage
höchst werthvoUe, wenn auch eben nicht originelle Wahrheit
ausgesprochen. Damit hört jedoch sein Verdienst auf. Sein
Gott steht als absolutes Sein, ohne Leben und Wollen un-
vermittelt der Welt der Erscheinungen gegenüber, d. h. mi:
anderen Worten, wie wir sagen würden, er ist allzu über-
menschlich, zu göttlich. Darin hatte Baader Recht. Nun
aber gerät er in eine falsche Fährte. Spinoza soll alle Einzel-
dinge mit ihrer Endlichkeit und Vergänglichkeit in den Gotte>-
begriff aufgenommen haben, wodurch dessen behauptete Ein-
heit sich als Centauren natur in einer unvereinbaren Zweihei:
darstellt, indem das "Ev, der Schöpfer das Centrum, da*^
213
Ilav, die Gesamtheit der Geschöpfe die Peripherie dieses
Begriffes bilden. Es ist dies der Irrtum, in den wir die Spinoza-
kritik so oft schon verfallen sahen. In Baader finden wir zu-
gleich auch einen neuen Versuch, die Brücke zwischen Gott
und Welt durch den Begriff des Werdens zu schlagen. Hier
steht Baader auf dem Standpunkte Jacob Böhmes, als dessen
Steinabdruck ihm Spinoza erscheint. In unzweideutigem Dua-
lismus fasst er Gott als überweltlich; die Welt entwickelt sich
aus etwas anderem als Gott. Willensfreiheit und Unsterblich-
keit glaubt er Sogeborgen zu haben; Spinozas: „Omnis deter-
minatio est negatio" setzt er entgegen „Omnis determinatio est
positio". Von diesem Gesichtspunkte aus beurteilt Baader
Fichte, tadelt er Schleiermacher, während er Hegel schon darum
hochhält, weil er die Bestimmung Gottes als absoluter Substanz
für unzulänglich hält. Schelling aber bemüht er sich schon früh-
zeitig auf Böhmes Seite zu ziehen, was ihm denn schliesslich
auch, obgleich, wie er selbst klagt, nur halb — zum Schaden
der Philosophie — gelingt.
§ 96. Die Baaderianer.
Dieses AOtoq e<pa des Meisters ist natürlich für die Baa-
derianer Fr. Hoffmann und C. B. Schlüter massgebend. Dieser
zollt anfangs der Lehre Spinozas einige Anerkennung. („Die
Lehre des Spinoza" . . 1836. S. III) „Der Verfasser . . be-
kennt gern und dankbar, dass auch er den Schriften des merk-
würdigen Mannes manche tiefe und mächtige Anregung, ja
manche unverlöschliche Ansicht und tiefere Einsicht verdankt,"
indem bei ihm „die bedeutendsten Probleme des philosophiren-
den Menschengeistes in dessen Systeme auf eine durchgängig
nicht unwürdige noch geistlose und unedle Weise, ja zum Theil
tief erörtert sind, . . (S. IV) obschon es ihm beim Studium
desselben oft so unheimlich ward, dass ihn unwillkürlich der
Gedanke anwandelte, ein guter und ein böser Genius müssten
einen unbegreiflichen Bund beschworen haben, gemeinsam
diesen Philosophen zu begeistern, . . der neben Macchiavell
und Hobbes noch immer sich ausnimmt wie ein Got^ neben
einem Faun und Satyr." Doch bei reiferer Ueberlegung ent-
deckt er, dass „Spinozas Moral, ein Werk des blossen Ver-
standes und der Klugheit, keine andere Seele hat als eine phy-
sikalisch grossartige Naturbegeisterung, . . von keinem Genius,
von keinem Gewissen, noch irgend einem Ideale weiss; wie
denn auch das Prinzip des Egoismus überall trotz jener Be-
geisterung unbewunden und klar hervortritt." „Wahrlich, (S. 6)
214
hätte Spinoza für .... seinen unpersönlichen, körperlich
ausgedehnten Gott auch unsere Anbetung in Anspruch
genommen, man würde sich kaum enthalten können, zu
behaupten, dieser Gott sei der grösste Götze, der jemals
von einem Menschengeiste entworfen und gezimmert worden."
(S. 48; Erst im fünften Buche der Ethik ist es, „wo Gott,
die schlummernde oder träumende Monas, durch die Macht des
menschlichen Verstandes im Menschen, als gleichsam Gottes
Auge, noch einiges Dämmerlicht des Bewusstseins zu erhalten
scheint**. (S. 59; , So ist denn der Gott des Spinoza armseliger
und bedauemswerther, als selbst ein Blinder: denn dieser fasst
doch vermittelst der Augen anderer durch Worte auf . . Jener
Gott aber erkennt nur im Menschen . . sich und alle Dinge . ., st)
lange des Menschen irdischer Körper besteht.** So (S. 44) „ver-
nichtet . . der profane, barbarisch rohe \'erstand, was er von Reli-
gion, Frömmigkeit und Tugend etwa noch übrig gelassen, durch
falsches und schlechtes Definiren.** (S. 46) „Spinoza kennt
und zeichnet — in dem Rohen, Unverdauten, was er vorbringt,
— von den höheren Tugenden fast nur . . Zerrbilder: ein edler
Geist liebt edlere Gestalten.** (S. 70) „Spinoza ist endlich auch
keineswegs ein origineller Denker im vollsten Sinne des Woits. **
Der „Ursprünglichkeit, wahren Humanität und humanen Origi-
nalität durch Glaube, Liebe und Theilnehmung an dem, der
unser aller Ursprung, Urbild und Urziel und der einzig als
ächter Humanus aller ächten Humanität \orsteht . . entbehrte
der Scharfdenker Spinoza, und darum ist seine Originalität eine
barbarische, die uns ewig fremd bleiben muss.**
„Dem Verfasser selbst liegt** (S. 95) im Folgenden „daran,
zu zeigen, dass er, obwohl im feindlichen Lager den Lt>b-
rednern, \'erfechtem und \'ergötterem des Spinoza gegenüber
sich desungeachtet noch in reichlich guter Gesellschaft befinde,
die vielleicht gar noch den einen oder andern der entgegen
gesetzten Partei verlocken könnte, L'eberläufer zu werden." S«:
hat in Schlüter auch das neunzehnte Jahrhundert seinen Dippel
gefunden.
§ 97. Krause.
Wie Baader und sein Münsterer Echo, tritt auch Krause
mit Spinoza gegen den landläufigen Supranaturalismus aui'.
Einer der bedeutendsten Schüler Schellings, sucht er, wie
Hegel, diesen mit Fichte zu verbinden. Was ihn von jenen:
scheidet, bringt ihn Spinoza näher, so dass er schliesslich
zwischen dessen akosmistischem Pantheismus und Fichte-
215
subjektivem Idealismus seinen Standort nimmt. Im Gegen-
satz zum Paritheismus, den er als das echte Kind Spinozas
ansah, betont Krause, hierin dem Theismus näher tretend,
ein unendliches Selbstinnesein Gottes ausser • und vor der
Welt. Doch brauchen wir deshalb nicht, wie Jodl, Krause
Spinoza entgegen zu stellen. Denn dieser drückt die Ueber-
menschlichkeitGottesin seiner Weise besser, alsSchelling und seine
Schule, dadurch aus, dass er ihm ausser dem Denken und der
Ausdehnung noch unendlich viele Attribute beilegt. Auch hat
man eine gewisäe Ueberweltlichkeit in einem Selbstbewusstsein
Gottes, wie Löwe u. a., nicht ohne Glück bei Spinoza finden
wollen. Insofern dürfte der Name „Panentheismus**, den Krause
seiner Lehre gab, auch auf den Spinozismus besser passen als
der übliche Titel Pantheismus.
Ausserdem ist Krause gerade darin, worin er, — nicht zu
seinem Nachteil, wie Pfleiderer will, — von Hegel abweicht
und Schellings Identitätslehre treu bleibt, in seiner Gleichstellung
der Natur und des Geistes, ein treuer Schüler Spinozas. Auch
die stufenweise Abfolge der endlichen Wesen aus Gott, sowie
umgekehrt die allmähliche Erhebung des Geistes zu der intuitiven
Anschauung erinnert an dessen Vorbild. Angenehm hat beson-
ders \^on jeher Krauses, trotz seiner kläglichen Lebensverhältnisse,
lebensfreudige Weltanschauung berührt, worin er sich von
neuem als Geistesverwandter Spinozas erweist. Doch fliesst,
wie bei den meisten Spinozisten im weiteren Sinne, ein Haupt-
begriff seines Systems, der des Werdens, aus der Nebenquelle
des Leibnizianismus. Beachtung verdient Krause an dieser
Stelle noch darum, weil in seiner Lehre eine deutsche Fort-
bildung des Spinozismus sich auch in romanische Länder ver-
breitet hat.
Stets spricht er von Spinoza mit der grössten Hochachtung
(s. Vorlesungen über die Grundwahrheiten der Wissenschaft.
Göttingen 1829. S. 337). „Spinoza ist unter den Philosophen
des modernen Zeitalters der erste, welcher Gott als die Eine
Grunderkenntniss, das Eine Princip, und zugleich als den ein-
zigen Inhalt der Einen Wissenschaft anerkannt, und die Wissen-
schaft rein in der Grunderkenntniss Gottes, rein in dem Princip
und durch dasselbe zu gestalten unternommen hat, obgleich
seine Ethik nicht als sein System selbst, sondern nur als eine
gleichsam perspectivische Darstellung desselben vom Standpunkte
der Ethik aus, und für die Ethik, zu beurtheilen ist. Spinoza
denkt Gott als das Princip, rein und ganz, da er lehrt, dass
ausser Gott nichts, dass Gott Alles in sich ist, was ist; auch er-
kennt er die Einheit, Selbheit, Ganzheit Gottes an : aber anstatt
216
die göttlichen Grundwesenheiten in synthetischer Methode or-
ganisch zu betrachten, geht er sogleich zu dem unbestimmten
Gedanken fort, dass die Substanz in unendlich vielen Attributen
bestehe, und dass die uns bekannten Attribute Gottes Denken
und Ausdehnung seyen; eine Annahme, die er weder analy-
tisch, noch synthetisch begründet hat. Dadurch verfällt Spinoza
in eine unbegründete Zweiheitlehre (Dualismus), wobei noch
dazu wissenschaftlich unbestimmt bleibt, ob die genannten
beiden Attribute die erst\vesentlichen, höchsten, und ob sie die
höchsten vollständig seyen. Damit ist der Grundmangel \'er-
bunden, dass Wesen, oder Gott, nicht erkannt wird, als Ur-
einheit der Wesenheit über der inneren Gegenheit des Denkens
und der Ausdehnung, dass also in diesem Systeme der Ge-
danke Gottes als Urwesens fehlt." Der Gegensatz zwischen
Denken und Ausdehnung ist bei Spinoza „als an Gott d. i.
Gottes ganze Wesenheit ausmachend, nicht als in Gott und
unter Gott erkannt." Femer ist „Gott Raum und Leibliches
im Räume in, unter und durch sich, nicht aber an sich, Gott
ist nicht selbst im Räume ausgedehnt. Daher fehlt auch diesem
Systeme die Erkenntnis Gottes als der unbedingt schauenden,
heilig in unbedingter Freiheit das eigenlebliche Gute wollenden
\'orsehung. Dass Spinoza den Gedanken Gottes, und die
Ui'sachlichkeit und das unendliche Wirken Gottes, von aller
menschlichen Endlichkeit und Gebrechlichkeit rein und frei zu
halten strebt, ist im echt wissenschaftlichen Geiste; dass er
aber Gottes unendliches Selbsterkennen, Selbstempfinden, Selbst-
wollen und Selbstdarleben nicht wissenschaftlich erkennen
konnte, ob er gleich Gottes Erkennen und Wollen in einem
unentwickelten, unbestimmten Gedanken anerkennt, folgte aus
den soeben erklärten Grundmängeln seines Sj'stemes. Eben
desshalb musste er auch die endlichen Dinge als Schein-
substanzen betrachten. Der Grund des Unendlich-Endlichen,
und der Entfaltung des Lebens in der Zeit, ist nicht nach-
gewiesen/* auch ist ihm (S. 3oS) „die Gegenheit und die V'er-
einheit der Freiheit des individuellen WoUens und der zeitlichen
Xothwendigkeit in der Entfaltung des Lebens verborgen ge-
blieben. (S. 33^^» Wäre er rein in den Grundgedanken: Gott,
— im Principe, geblieben, und hätte er folgerecht in wissen-
schaftlicher Methi^xle die Grunderkenntnis in dem Gliedbau der
Grundwissenschalt ausgebildet, so würde er auch die Grund-
wesenheit der Freiheit, und des freien Willens, Gottes und de>
Menschen wissenschaftlich gefunden haben." Jedenfalls (Anm. 2 •.
„wenn man unter Pantheismus sprachgemäss die Lehre ver-
steht, dass die Welt, als der Inbegriff aller endlichen Dinge,
217
selbst Gott und alles und jedes Endliche ein Bestandteil Gottes
sey, so ist kein Denker weniger Pantheist, als Spinoza, da er
allen endlichen Dingen die wesentliche Bestandheit (Substantia-
lität) gänzlich abspricht." (S. 339) „Bei allen diesen Grund-
mängeln seines Systemes kann aber Spinoza weder als Ungott-
lehrer, Atheist, noch als Alles-Gottlehrer, als Pantheist, bezeichnet
werden, weil Gott ihm Princip und der einzige Inhalt der
Wissenschaft, und durchaus von allem Endlichen keines und
nichts Gott ist; weil, besondere Grundwesenheiten Gottes noch
nicht erkennen, und weil, Gott als das Eine, selbe, ganze,
unbedingte, unendliche Wesen anerkennen, die Erkenntnis
Gottes als unbedingte ganze Erkenntnis ist, zu der nichts
Eheres und Höheres, oder Nebengeordnetes hinzukommen kann,
und welche, wenn sie nach ihrem Gehalt und in ihr Inneres
wissenschaftlich entfaltet wird, auch einzig und allein zu der
wissenschaftlichen Erkenntnis aller Grundwesenheiten Gottes,
auch der Ursächlichkeit, der Freiheit, und des WoUens und
Lebens Gottes führen kann."
§ 98. Spinoza als Politiker.
An Krause knüpft sich auch eine erneute Würdigung der
Verdienste Spinozas als politischen Schriftstellers an. Bekannt-
lich hatte bereits Ewald mit Bestimmtheit hierauf hingewiesen.
So entwirft nach Krause (a. a. O. S. 336) „Spinoza von der
Monarchie ein hohes Musterbild, wovon in unseren Tagen vieles
in den constitutionellen Monarchien verwirklicht wird." Mit
seiner entschiedenen und wohlbegründeten Forderung der Glau-
bensfreiheit, sowie durch die Mustergiltigkeit seines Charakters
hat Spinoza, „das lebendige Beispiel der Judenemancipation"
(Laube, Ges. Sehr. Bd. I. S. 393, vgl. Castelar, Rede über Re-
ligionsfreiheit, 12. April 1869 in „Antisemitenhammer" S. 468),
mittelbar auch manches zur Besserung der politischen Lage
seiner Glaubensgenossen beigetragen. Als Republikaner fand
er unter Gleichgesinnten schwärmerische Verehrung. „Mit
überzeugender Kraft" (vgl. Auerbach, Uebersetzung 1841. Vorr.
S. LXVII) „dringt er auf allgemeine Volksbewaffnung und
zeigt das Verderbliche der geworbenen und besoldeten stehen-
den Heere . . In Crom well sieht er nur einen „Monarchen mit
anderem Namen".
Von dem bekannten Politiker Johann Jacoby (vgl. AUg. d.
Biogr.), dessen „Homo über" er (Bd. I) eine Zusammenstoppelung
Spinozischer Aussprüche nennt, schreibt Auerbach (Briefe an s.
Fr. J. Auerb. II S. 304. 9. März 1877): „Der Tod Johann
218
Jacobj's hat mich natürlich auch nah berührt. Wir sind zu-
erst durch Spinoza einander näher getreten, soviel ich mich
erinnere, schon im Jahr 45 . . Er trug sich, soviel ich weiss,
zeitlebens damit, ein Werk über * die „Ethik" Spinozas zu
schreiben und diese in eine flüssigere Form zu bringen. In
der Zeit seines Gefängnisses hat er ja dann später einzelne
Aphorismen edirt, und das Kapitel in Stahrs Lessing: ^ Lessing
als Philosoph" ist von Jacoby verfasst. . . Jacob}' war eine
durchaus mathematische Natur, von einer Ruhe und Bestimmt-
heit, die an Spinoza erinnerte."
Die erwähnten Schriften zeigen in der That einen hohen
Grad von Verehrung für Spinoza. „Der freie Mensch" (Rück-
und Vorschau eines Staatsgefangenen. Berlin 1866. Gesamm.
Schriften und Reden. Tl. 2. Hamburg 1877. S. 279 ff.) stellt
sich im ersten Teile als: „Der homo liber des Paraklet Spinoza*'
dar. Es werden Kernsätze aus des Philosophen Werken lateinisch
und deutsch angeführt und von Parallelstellen, besonders aus
Plato, Lessing, Goethe, Schiller und Ludwig Feuerbach be-
gleitet. Gegen letzteren nimmt Jacoby mit Recht Spinoza in
Schutz: (S. 286, 287) „Der Tadel, den Feuerbach hier" („Ueber
das Wesen der Religion*') „ausspricht, beruht auf einer irrthüm-
lichen Auffassung der Spinoza'schen Lehre. Spinoza's Gott . .
ist nicht blos die Natur im engeren Sinne, sondern die Welt-
ordnung (xo3»io^, mundus) — das Naturganze, welches zugleich
das bewusste menschliche Wesen ... in sich schliesst und
daher mit Recht als das „vollkommenste" Wesen bestimmt
wird. „Wir in Gott und Gott in uns!*' Dies Johanneische
Wort ist der Schlüssel zur Einheitslehre Spinoza's: Einheit
des Allgemeinen und Einzelnen ist das Wirkliche. Die Er-
kenntniss dieser Einheit ist Wahrheit. Die Aeusserung dieser
Einheit im Handeln ist Tugend. (^Handle stets so, dass dein
Handeln allgemeine Regel für Alle sein kann!) Das Offenbar-
werden dieser Einheit in der sinnlichen Erscheinung ist
Schönheit. ..." Im zweiten Teile der Schrift (S. 2'^>N f.
„Die Erfüllung unserer Zeit") wird aus den angeführten
Sätzen die Lehre gezogen: „Die Weltgeschichte ist die
stetig fortschreitende Entwickelung der menschlichen Erkennt-
niss und die Erkenntniss ist der Weg zur Menschenliebe
und zum Menschenglück . . . L^nfreiheit, Knechtssinn und böser
Wille sind nicht anders zu heilen, als ^- durch Beseitigun^:
des Gottesaberglaubens und der L'nwissenheit; . . . Die Er-
kenntniss der Wahrheit macht den Menschen frei, gut, glück-
lich! . . Wie Samenkorn und Frucht — dem Wesen nach —
Eins sind, so auch Erkennen und Lieben . . Wie Erkenntnis.-*
219
nnd Wille Eins, so sind auch Verstand und Wille, Denken
und Thun, Einsicht und Charakter — ein und dasselbe ...
Der freie, klarbewusste Mensch . . . vollzieht . . . aus selbst-
eigenem Entschluss — mit voller sittlicher Freiheit — das Gesetz
der Nothwendigkeit, das er zugleich als Gesetz seiner eigenen
Natur erkannt hat. . . Die Erkenntniss der Einheit unserer selbst
mit dem Weltganzen schliesst die Erkenntniss der Einheit des
Menschengeschlechts, — und ebenso die Liebe zum Weltganzen
die Menschenliebe in sich . . In. . [dem] Kampfe zwischen Freiheit
und Unfreiheit, zwischen Recht und Unrecht schwankt scheinbar
auf und ab die Wagschale des Erfolges; allein dem schärferen
Blicke entgeht es nicht, dass der Kampf ein — stetig fort-
schreitender Sieg des Guten ist . . Der Mensch ist dem Menschen
Helfer, Befreier, Erlöser, — der Mensch ist dem Menschen ein
— Gott! — "
In der anderen Schrift „Lessing als Philosoph" (Ges. vSchr.
Tl. II S. 145 ff.) spricht Jacoby Spinoza den ausschlaggeben-
den Einfluss auf Lessings Weltanschauung zu.
Spinozas Standpunkt vertritt er auch mit aller Entschieden-
heit in „Materialismus und Idealismus" (in der „Waage"
18. Aug. 1876. Ges. Sehr. II. S. 101 ff.). Hier heisst es (S. 103):
„Nur die Einheit von Körper und Geist ist . . wirklich vor-
handen; die Trennung beider, der körperlose Geist und der
geistlose Körper ist nichts weiter als Schein und Täuschung.
Diese letzte Ansicht ist weder Dualismus noch Idealismus
noch Materialismus. Sie ist die allein naturwahre und hat seit
Spinoza in der Philosophie immer mehr Geltung gewonnen.
Es handelt sich bei ihr darum, den Grund der subjectiven Auf-
fassung darzulegen, — zu erklären, wesshalb der Mensch Körper
und Geist irrthümlich für zwei verschiedene Dinge hält . . .
Nur durch die naturwissenschaftliche, rein inductive Methode
ist die Aufgabe zu lösen und die Richtigkeit der Ansicht dar-
zuthun." (S. 129) „[Der ächte Denker] weist diese ganze
täuschende Begriffsdialectik und die darauf fussenden specula-
tiven Systeme der Religion und Philosophie definitiv von sich
ab, um mit frischen gesunden Sinnen sich der kosmologischen
Forschung hinzugeben und zu einer immer reichern und voll-
ständigem Selbst- und Welterkenntniss, und darauf begriindeten
Selbstherrschaft und Welthen-schaft zu gelangen. — "
In kräftigen Zügen entwirft ferner J. E. Hörn („Sp. s.
Staatslehre zum ersten Male dargestellt" 1851), nachdem
wiederum Sigwart („Vergl. der Rechts- und Staatstheorien
des B. Spin, und des Thom. Hobbes" 1842) energisch
an den Tractatus politicus erinnert und Hinrichs (Gesch.
220
der Rechts- und Staatsprincipien 1848 Bd. I S. 186ff. 197. 212.
213. 214. 216) ihm nicht die rechte Anerkennung gezollt hatte,
ein idealisirtes Bild des Politikers Spinoza. (S. 11) „Das Ge-
schlecht der Oldenburghs ist noch nicht ausgestorben. Auch
neuere Philosophen schlagen oft diesen Weg ein. Sie schöpfen
lange aus dem reichen Geistesquell des klaren Denkers'* und
, baden sich im Aether seiner Gedankenfülle."
Ein endgiltiges Urteil finden wir aber erst bei J. C
Bluntschli („Gesch. des allg. Staatsrechts" 1867 S. 102). „Spinoza
war kein practischer Staatsmann, er philosophirte über den
Staat, wie über die Natur und über Gott vornehmlich um der
Wahrheit willen, die zu erkennen ihm als das würdigste Ziel
erschien. Ein tiefreligiöses Individuum, aber von seltener und
eigener Art, gab er ein wahres merkwürdiges Beispiel eines
Menschen, der sich an keine bestimmte Kirchengemeinschaft
anschloss und lediglich als Philosoph und Bürger in einsamer
Freiheit lebte . . Während der theistische Hobbes in dem natür-
lichen Menschen zumeist selbstsüchtige Bösewichte sieht, welche
des ordnenden Zwangs bedürfen, löst sich dem pantheistischen
Spinoza der Gegensatz von gut und böse und der Krieg aller
gegen aUe in der Einheit der göttlichen Natur und damit zu
innerem Frieden auf. Das natürliche Recht ist ihm daher das-
selbe, was die natürliche Kraft, und jedes Ding hat so viel
Recht als Naturkräfte in ihm sind . . (S. 104) Spinoza hat in
der That die Grundwurzel alles Rechts aufgedeckt, indem er
dasselbe in der natürlichen Anlage fand und die innere Noth-
wendigkeit der vorhandenen Kraft als berechtigt anerkannte.
Aber er hat die sittliche Naturanlage des Menschen und die
natürliche Unterordnung der einzelnen Menschen unter die
sittlich ordnende Macht der menschlichen Gemeinschaft oder
wie man will der menschlichen Vernunft nicht" genügend . .
„bemerkt . . und daher erst eine künstliche Erzeugung des wirk-
lichen Rechts aus äussern Moti\en zu Hülfe gerufen . . Im
Grunde ist der ganze Rechtsbegriff Spinozas nur ein mechanischer
und weder ein organischer noch ein sittlicher Begriff.** (S.10^>)
Im ersten Kapitel des theol.-pol. Traktates „hat Spinoza auch
seine Ansicht über den Staatszweck in jener prachtvollen Stelle
ausgesprochen, welche verdiente, mit goldenen Buchstaben über
aen Th*^»ren der Residenzen und der Rathhäuser eingegraben
zu werden : ^ Aus den Grundlagen des Staates folgt, dass der
!c!zie Endzweck desselben nicht sei, zu herrschen.** . . (S. 107»
lindem Spinoza Religion und Philosophie scharf unterscheidet ..,
er.rv\ ickeli er auch über das X'erhiütnis des Staates zur Kirche
und zur Religion Ansichten . ., die erst viel später verwirklicht
221
worden sind." Doch bleibt die Betrachtung der Schicksale des
Spinozismus in dieser späteren Zeit und der Beziehungen des
Staatsmannes, der ihr den Stempel seines Geistes aufgeprägt
hat, zu Spinoza dem folgenden Abschnitt überlassen.
§ 99. Hegel.
An der Grenzscheide dieser neuen und der alten Zeit steht
der letzte Ausläufer der Schellingschen Schule, Hegel und sein
Anhang. Sein System ist (s. Gottschall Ltrgesch.* II S. 144)
„die Grundlage der modernen Bildung, die Vollendung der seit
Spinoza herrschenden Denkbewegung." Zufällig war es auch
hauptsächlich der Politiker Spinoza, an welchen sich der junge
Hegel anschloss. Schon im Tübinger Stift hatte er mit Hölderlin,
der ihm im Februar 1791 das "Ev xa« ::äv als Wahlspruch in
sein Album schrieb, mit Fink, Renz u. a. Jacobis „Briefe" ge-
esen und besprochen. Wie diese fand er in Spinoza, was er
bei Kant vermisst hatte: die „engere Verbindung von Wissen
und Handeln, von Theorie und Praxis".
Während seines Aufenthaltes in der Schweiz studirte
Hegel neben den Klassikern, neben Mosheim, Grotius, Kant
lund Fichte besonders Spinozas theologisch-politischen Traktat.
Daher schwankt seine politische Anschauung, mit ihrer Hintan-
setzung des Individuellen hinter das Allgemeine, zwischen der
antiken und der spinozistischen Auffassung des Staatslebens.
Bezeichnend für den späteren Hauptgegner der Romantik ist
schon damals Hegels Polemik gegen die Formlosigkeit Jakob
Böhmes, während er Spinoza beifällig zitirt. Auch ist er an
der Paulusschen Herausgabe der Werke dieses Philosophen mit
thätig, indem er hierzu die französischen Uebersetzungen durch-
sieht. Zugleich nimmt er zu den Hauptvertretern und Gegnern
des Spinozismus, zu Herder, Schleiermacher, Jacobi Stellung.
Mit Scheiling verband ihn bekanntlich eine innige Jugend-
freundschaft, und mit Goethe (s. Annalen 1806 Bd. 27 S. 226)
„ward nach alter akademischer Weise manches philosophische
Capitel durchgesprochen." Besonders nach Schillers Ableben,
da Goethe (a. a. O. 1817 S. 331) sich „von aller Philosophie
im Stillen entfernt" hatte, war es für ihn von hohem Werte,
„zu sehen und zu bedenken, wie ein Philosoph von dem, was
ich meinerseits nach meiner Weise vorgelegt, nach seiner Art
Kenntniss nehmen und damit gebaren mögen."
Natürlich waren dem Schüler Fichtes und Schellrngs die
Spinozismusriecher, wie Herbart und Schlüter, bald auf den
Fersen. Auffallender Weise aber nimmt dieser hier Spinoza
222
gegen Hegel in Schutz. „Wenn, wie es scheint, die meisten
Schüler und Anhänger der Hegeischen Philosophie glauben,
schon durch den Hegeischen Wiedereingang und durch die
Lehre, dass Gott nicht nur Object, sondern auch Subject und
immanentes Subject-Object sei, den Spinozismus desinficirt und
überwunden zu haben, in welchem, wie sie sagen, nur ein
ewiger Ausgang ohne Rückkehr sei,** so ist nach Schlüters
Meinung „letzteres nur halb wahr und ersteres ein grosser
Irrtum.**
Für seinen Meister trittt nun einer der grössten Schüler
Hegels ein. Tadelt denn nicht Hegel selbst, meint D. Fr. Strauss
(Glaubenslehre I S. 512), „an Spinoza, dass in seiner Substanz
das Selbstbewusstsein nur untergegangen, nicht erhalten sei,
dass ihr das vPrincip der Persönlichkeit fehle, dass sein Gott
nicht als Geist bestimmt sei? (vgl. Hegel: Phänom. S. 14.
Gesch. d. Philos. III S. 377. Logik I, 2 S. 194.) Wodurch
unterschiede sich denn auch der wahre (Hegeische) Pantheis-
mus von dem falschen (Spinozas), wenn nicht dadurch, dass
das Absolute des Letzteren ein bewusstloses Allgemeines ist,
das die Persönlichkeiten, die es aus sich hervorgetrieben, wie
Kronos seineKinder, immer wieder verschlingt, ohne dadurch selbst
persönlich zu werden, das erstere hingegen einzelne Persönlich-
keiten nur insofern schafft und erhält, als es selbst die absolute
Persönlichkeit ist?*' (S. 514) „Der Unterschied — sagt Hegel
selbst in dieser Hinsicht — ob dasAbsolute nur als Substanz, oder
als Geist bestimmt ist, beruht allein darauf, ob das Denken»
welches seine Endlichkeiten und Vermittlungen vernichtet, seine
Negationen negirt, und hiedurch das Eine Absolute erfasst hat,
das Bewusstsein dessen besitzt, was es im Erkennen der ab-
soluten Substanz bereits gethan hat, oder ob es dieses Bewusst-
sein nicht hat, d. h. Spinoza begreift an der Substanz nur, wie
sie gesetzte Bestimmungen aufhebt, nicht, wie sie dieselben
setzt, er begreift sie mithin nicht als Selbstbestimmung; er er-
kennt nur die Rückströmung aller Dinge in sie, nicht ebenso
das Wiederausströmen von ihr, gleichsam nur ihr Venensystem,
nicht auch ihr Arteriensystem, mithin fasst er sie nicht als in
sich kreisendes Leben . . nicht als Person oder Geist . . Ist
dies der Sinn des Hegeischen Satzes, dass die Substanz Sub-
ject sei, so haben ihn seine rechtgläubigen Schüler sehr schüler-
haft ausgelegt.**
Hierauf lässt sich Trendelenburgs Bemerkung beziehen
(„Die logische Frage in Hegels System** 1843 S. 44): „Es ist
oft gehört worden und Deutschland weiss die Formel bald aus-
wendig, dass im Gegensatze gegen den Spinozismus Hegels
223
Verdienst darin bestehe, Gott nicht als Substanz, sondern als
Subject bestimmt zu haben . . Es mochte nöthig sein, dies aber
und abermals zu erinnern, da sich aus Hegel ein moderner
Spinozismus herausgebildet hat." Andere Gegner Hegels wollten
überhaupt keinen Unterschied zwischen ihm und Spinoza gelten
lassen. Gegen solche Kritiker, welche über Hegels eigene
,, unumwundene Erklärung, dass der Spinozismus durch das
ihm entgegengesetzte Moment der Individuation, Persönlichkeit,
integrirt" werde, hinweggehen, wendet sich mit Recht ein
anderer Hegelianer, E. Erdmann. Doch gibt er billiger Weise
gern zu, „dass es nicht erst Hegels eigener Erklärung (Gesch.
d. Philos. III. S. 376) . . bedurfte, um es deutlich zu machen, dass
in Hegels System der Spinozismus ein wesentliches Moment sey.**
In Fleck (Dogmatik S. 167) vernehmen wir einen un-
parteiischen Vertreter der Mehrzahl der Zeitgenossen. Er ver-
nimmt in Hegels Lehren manchen Anklang an Spinoza, „aber
des letzteren Gedanken sind weit markiger, männlicher und
gediegener als diese neuesten dialektischen Spinngewebe, dieses
Grau in Grau gemalte, aller frischen Farbe der Wirklichkeit
Entbehrende."
Der Heftigkeit der gegnerischen Angriffe entsprechend,
werden nun auch Hegels Verteidiger eifriger. So verwahrt ihn
sein treuer Schildknappe Rosenkranz („Meine Reform der
Hegeischen Philosophie** 1852 S. 7) gegen den immer von
neuem wiederholten Vorwurf, „dass er vom Wesen der Persön-
lichkeit, das er für das freieste und mächtigste erklärte, nichts
verstanden" habe und „nun einmal ein Spinozist gewesen
sein" soll.
Doch kam mit der Zeit Hegel und seine Schule Immer
mehr in Misskredit, und in demselben Masse, als man die
Folgen seiner Lehre tadelte, focht man auch seine Originalität
an. So kann Schaarschmidt („D. Entwicklgsgg. d. n. Specul.
1857) in der Philosophie Hegels, den er (S. 215) nur „als Erben
und Vollender de'r rationalistischen Theorie" betrachtet, an
keinem Punkte einen wesentlichen Fortschritt über Spinoza
hinaus finden. (S. 206. 214. 223.) So trat, wie in der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts, in der Bewegung gegen die
Leibniz-Wolffsche Philosophie, Spinoza wieder, als der eigent-
liche Erfinder einer Lehre, die das ganze wissenschaftliche
Deutschland beherrschte, in den Vordergrund.
Den letzten Jahrzehnten blieb es vorbehalten, vom Partei-
geiste frei, wie andere oft verkannte Grössen der Vergangenheit,
so auch Hegel nach Gebühr zu würdigen. Zwar finden sich
noch immer Stim.men, welche, wie Volkelt und Stöckl, in Hegel
224
einseitig den Spinozismus und Atheismus betonen, erfreulicher
Weise aber wird man sich doch immer deutlicher der Eigen-
tümlichkeit dieses Geistes bewTisst. Jodl (Gesch. der Ethik II
S. HO) findet allerdings Hegels Grundgedanken, die konkrete,
absolute Idee, femer die Begründung der Glückseligkeit auf
Freiheit schon in Spinoza. Während aber noch Schelling „wie
durch Inspiration die Identität von Geist und absoluter Substanz
setzt," „will Hegel die Entwickelung des Gdstes in der Natur
zeigen, bis er im Menschen zum Selbstbevvusstsein kommt.''
Eingehender urteilt Pfleiderer (Rlgsphü. S. 404. 421. 431), der
zugleich den Irrtum bekämpft, dass nach Hegel „Gott erst im
endlichen Geist zum Geistsein komme, an sich geistlos, bloss
physisches Prinzip wäre. Was auf dem Standpunkt unseres
endlichen Denkens als das Letzte herauskommt, ist in Wahr-
heit vielmehr der absolute Geist das Erste und der Grund, der
alles Andere nur als Mittel seiner Erscheinung setzt." Eben
so falsch ist die Auffassung Hegels bei Strauss und Feuerbach.
,,dass der menschliche Geist mit Gott eins oder gar die einzige
Gottheit" sei. „Der Geist, insofern er noch erst der natürlich
bestimmte ist, ist eben damit noch zur Natur gehöriges, . . nur
zur Geistigkeit angelegtes Dasein, doch Möglichkeit der Er-
hebung zu Gott." Hegels Gottesidee ist die Verknüpfung der
Spinoza-Schellingschen Substanz mit der absoluten Subjektivität
Fichtes.
Noch deutlicher hebt diesen Fortschritt über Spinoza
hinaus Wundt in seiner Ethik (S. 324) hervor. „Jener Gegen-
satz des Sollens und Seins, in den Kant das Verhältnis des
Sittengesetzes zum Naturgesetz gebracht hatte, verschwindet.
„„Was vernünftig ist, das ist wirklich, und was wirklich ist,
das ist vernünftig"'' (Rechtsphilosophie W. Bd. 8. Vorrede S. 17i.
Damit ist der rein betrachtende Standpunkt der Ethik Spinoziis
wiederhergestellt. Doch in zwei Beziehungen entfernt sich
dieser neue Spinozismus wesentlich von dem ursprünglichen.
Erstens war die eigentliche Ethik Spinozas, der ganzer.
Richtung seiner Zeit gemäss, eine individuelle geblieben. Worin
besteht die Glückseligkeit des einzelnen Menschen? Darin liet::
für ihn die ethische Frage. Für Hegel dagegen sind diejenigen
Gestaltungen des sittlichen Lebens, die sich auf die einzelne
sittliche Persönlichkeit beziehen, das Recht, insofern es ein
Recht des einzelnen gegenüber dem andern oder der Ge-
samtheit ist, und die subjective Moralität, die niederen Formen,
während die eigentliche Sittlichkeit erst in den Ordnungen de<
menschlichen Gemeinlebens, in der Familie, der bürgeriichen
Gesellschaft, endlich in dem sittlichen Geist der Weltgeschichte
225
sich bethätigt (W. Bd. 7. Abt. 2. Rechtsphil. S. 312. En-
cykl. III S. 376). Als die Quelle der Sittlichkeit bezeichnet
Hegel nicht den subjectiven, sondern den objectiven Willen."
Zweitens finden wir nicht wie bei Hegel, das Prinzip der Ent-
wickelung. „Von dem Gedanken der Nothwendigkeit ist diese
Weltanschauung ebenso beherrscht, wie diejenige Spinozas,
aber der starre, unveränderliche Substanzbegriff des Letzteren
hat sich aufgelöst in die Entwickelung der absoluten Vernunft."
Hegels eigene Bestimmung seines Verhältnisses zum Spino-
zismus ist nun von Anfang an fester und klarer, als Schellings
Aeusserungen über seinen Standpunkt. In der „Wissenschaft
der Logik" 1812 (W. Bd. 3 S. 111 f.) heisst es von Spinozas
Substanz: „Die Bestimmtheit ist die Negr^tion als affirmative
gesetzt, ist der Satz des Spinoza: OjQlflis determinatio est ne-
gatiü. Dieser Satz ist von unendlicher Wichtigkeit; nur ist
die Negation als solche die formlose Abstraction . . Von diesem
Satze, dass die Bestimmtheit Negation ist, ist die Einheit der
Spinozistischen Substanz, oder dass nur Eine Substanz ist, die
nothwendige Consequenz. Die Substanz ist das in ihr selbst
ganz Bestimmungslose, und die Attribute sind, wie auch die
Modi, Unterscheidungen, die ein äusserer Verstand macht. —
Ebenso kann die Substantialität der Individuen nicht gegen
jenen Satz bestehen . . (170) So ist das eleatische Seyn oder
die Spinozische Substanz nur die abstracte Negation aller Be-
stimmtheit, ohne dass in ihr selbst die Idealität gesetzt wäre;
— bei Spinoza ist, .... die Unendlichkeit nur die absolute
Affirmation eines Dinges, somit nur die unbewegliche Einheit;
die Substanz kommt daher nicht einmal zur Bestimmung des
Fürsichseyns, viel weniger des Subjects und des Geistes. Der
Idealismus des edlen Malebranche ist in sich explicirter. (171)
Dies Moment des explicirten und concreten Idealismus, das im
Spinozismus mangelt, ist hier vorhanden, indem die absolute
Idealität als Wissen bestimmt ist." (S. 449) „Insofern die
absolute Indifferenz die Grundbestimmung der spinozistischen
Substanz zu seyn scheinen kann, so kann hierüber noch be-
merkt werden, dass sie diess allerdings in der Rücksicht ist, dass
in beiden alle Bestimmungen desSeyns, wie überhaupt jede weitere
concrete Unterscheidung von Denken und Ausdehnung u. s. f. als
verschwunden gesetzt werden. Es ist überhaupt gleichgültig,
wenn bei Abstraction stehen geblieben werden soll, wie das-
jenige, was in diesem Abgrund untergegangen ist, in seinem
Daseyn ausgesehen habe. Aber die Substanz als Indifferenz
ist theils mit dem Bedürfniss des Bestimmens und mit der
Rücksicht auf dasselbe verbunden; sie soll nicht die Substanz
15
/ *».
226
des Spinoza bleiben, deren einzige Bestimmung das Negative
ist, dass in ihr Alles absorbirt sey. Bei Spinoza kommt
der Unterschied, die Attribute, Denken und Ausdehnung, als-
dann auch die Modi, die Afifecten und alle übrigen Deter-
minationen, ganz empirisch herbei; es ist der Verstand, selbst
ein Modus, in welchen diess Unterscheiden fallt; die Attribute
stehen zur Substanz und zu einander in keiner weiteren Be-
stimmtheit, als dass sie die Substanz ganz ausdrücken, und
ihr Inhalt, die Ordnung der Dinge als ausgedehnter und als
Gedanken dieselbe ist. Durch die Bestimmung der Substanz
als Indifferenz kommt aber die Reflexion auf den Unterschied
hinzu, er wird nun gesetzt, als das, was er bei Spinoza an
sich ist, nämlich als äusserlicher, und damit näher als quanti-
tativer." (Bd. IV S. 187) „Dem Begriffe des Absoluten
und dem Verhältnisse der Reflexion zu demselben, wie
es sich hier dargestellt hat , entspricht der Begriff der
spinozistischen Substanz. Der Spinozismus ist darin eine
mangelhafte Philosophie, dass die Reflexion und deren mannig-
faltiges Bestimmen ein äusserliches Denken ist . . (S. 184) /Die
Bestimmung ist Negation, ist das absolute Princip der spino-
zistischen Philosophie; diese wahrhafte und einfache Einsicht
begründet die absolute Einheit der Substanz. Aber Spinoza
bleibt bei der Negation als Bestimmtheit oder Qualität stehen;
er geht nicht zur Erkenntniss derselben als absoluter, d. h. sich
negirender Negation fort; somit enthält seine Substanz nicht selbst
die absoluteForm und das Erkennen derselben ist kein immanentes
Erkennen. Zwar ist die Substanz absolute Einheit des Denkens
und Seyns oder der Ausdehnung; sie enthält also das Denken
selbst, aber nur in seiner Einheit mit der Ausdehnung; das
heisst nicht als sich von der Ausdehnung trennend, somit
überhaupt nicht als Bestimmen und Formiren, noch auch als
die zurückkehrende und aus sich selbst anfangende Bewegung.
Theils fehlt dadurch der Substanz das Princip der Persönlichkeit . .
teils ist das Erkennen die äusserliche Reflexion, welche daj?,
was als Endliches erscheint, die Bestimmtheit des Attributs und
und den Modus, wie auch überhaupt sich selbst, nicht aus der
Substanz begreift und ableitet, sondern als ein äusserlicher
Verstand thätig ist, die Bestimmungen als gegebene aufnimmt,
und sie auf das Absolute zurückführt, nicht aber von diesem
ihre Anfänge hernimmt. (188 f.) Mathematik und andere unter-
geordnete Wissenschaften müssen mit einem Vorausgesetzten
anfangen, das ihr Element und positive Grundlage ausmacht.
Aber das Absolute kann nicht ein Erstes, Unmittelbares sein,
sondern das Absolute ist wesentlich sein Resultat. (190) Die
227
spinozistische Auslegung des Absoluten ist daher insofern wohl
vollständig, als sie von dem Absoluten anfangt, hierauf das
Attribut folgen lässt und mit dem Modus endigt; aber diese
drei werden nur nach einander ohne innere Folge der Ent-
wickelung aufgezählt . . Es fehlt daher die Nothwendigkeit des
Fortgangs des Absoluten zur Unwesentlichkeit, sowie ihre Auf-
lösung an und für sich selbst in die Identität; oder es mangelt
sowohl das Werden der Identität als ihrer Bestimmungen."
(Bd. V S. 11) fDie einzige Widerlegung des Spinozismus
kann daher nur darin bestehen, dass sein Standpunkt zuerst
als wesentlich und nothwendig anerkannt werde, dass aber
zweitens dieser Standpunkt aus sich selbst auf den hohem ge-
hoben werde. Das Substantialitäts-Verhältniss, ganz nur an und
für sich selbst betrachtet, führt sich zu seinem Gegentheil, dem
Begriffe, über. Die im letzten Buche enthaltene Exposition der
Substanz, welche zum Begriffe überführt, ist daher die einzige
und wahrhafte Widerlegung des Spinozismus. Sie ist die Ent-
hüllung der Substanz, und diese ist die Genesis des Be-
griffs . ." Am bekanntesten sind Hegels Bemerkungen über
Spinoza in den Vorlesungen über die Geschichte der Phi-
losophie aus den Jahren 1805/6. Hier nennt er im dritten
Bande (W. Bd. XV. S. 374) Spinoza den Hauptpunkt der
modernen Philosophie, ♦„entweder Spinozismus oder keine
Philosophie." Sein System ist (S. '375) der in den Gedanken
erhobene absolute Pantheismus und Monotheismus. Sein Stand-
punkt ist der Anfang alles Philosophirens (S. 376). »„Die Seele
muss sich baden in diesem Aether der einen Substanz, in derAUes,
was man für wahr gehalten hat, untergegangen ist." „Nichtig ist
(S. 409) der Vorwurf, dass Spinozas Philosophie die Moral tödte."
Hegel verteidigt ihn ferner gegen den Vorwurf des Atheismus
(S. 372), er will ihn nach Maimons Vorgange Akosmist genannt
wissen. (S. 373. 408.) Doch damit ist Spinozas Lob erschöpft.
Seine Philosophie ist ein überwundener Standpunkt,
seine Methode „hölzern und bleiern" (Bd. XV.S.479), seine
Beweise nennt er „formelle Quälereien". „Die Attribute
gehen nicht aus der Substanz, die Modificationen nicht aus den
Attributen hervor." „Das Denken, alsdas Attribut Gottes, tritt als
ein Zweites, Aeusserliches, ihm nur hinzu neben der Ausdehnung,
so dass sie nur ihm unwesentliche Formen sind . . Aber wie es
eine äussere Reflexion ist^ welche diesen Unterschied macht, so
ist sie es auch, welche ihn in die absolute Identität zurückführt.
Die ganze Bewegung geht ausser dem Absoluten vor." „Spinoza
hat dem Negativen Unrecht gethan; es kam daher zu keiner
immanenten Bestimmung, alles Bestimmte geht zu Grunde."
16*
228
Den Modus, „wohin die Einzelnheit fallt, erkennt er nicht
für das Wesentliche, oder nicht als Moment des Wesens selbst
im Wesen; sondern im Wesen verschwindet er, oder, er ist
nicht zum Begriff erhoben" (vgl. W. Bd. XV S. 381). Schüess-
lich streitet der Spinozismus auch mit dem Christentum, „in-
dem er Gott nur als Substanz, und nicht als Geist, nicht als
concret gefasst hat." Es „wird auch die Selbständigkeit der
menschlichen Seele geläugnet, während in der christlichen Re-
ligion jedes Individuum als zur Seligkeit bestimmt erscheint.
Hier dagegen ist das geistig Individuelle nur ein Modus, ein
Accidens, nicht aber ein Substantielles."
Die Christlichkeit seiner Lehre betont Hegel im Gegensatze
zur Lehre Spinozas um so nachdrücklicher, je mehr er sich
der Orthodoxie nähert. „Es zeigt die Stelle (Encykl. S. 499.
Bd. 17) „„der absolute Geist ist die eine und allgemeine Sub-
stanz als geistige,"" dass nicht die spinozistische Substanz, als
welcher die Bestimmung von Persönlichkeit, von Geistigkeit
mangelt, das Centrum der Lehre ist; sie spricht aus, was alle
christliche Theologie ausspricht, dass Gott das absolut selbst-
ständige Wesen, die absolute Substanz ist, aber das absolut
selbstständige Wesen, das Geist ist, — der Geist, der absolut
selbstständig ist." „Die absolute Substanz ist die wahre, aber
sie ist noch nicht die ganz wahre; sie muss auch als in sich
thätig, lebendig gedacht werden, und eben dadurch sich als
Geist bestimmen. Die spinozische Substanz . . ist die Grundlage
des Geistes, aber nicht als der absolut unten fest bleibende
Grund, sondern als die abstracte Einheit, die der Geist in sich
selbst ist." Seine Philosophie ist nur starre Substanz, noch
nicht Geist ; Gott ist hier nicht Geist, weil er nicht der Dreieinige
ist. Die Substanz bleibt in der Starrheit, Versteinerung, ohne
Böhmesches Quellen."
Es „wird im spinozistischen System alles nur in diesen
Abgrund der Vernichtung hineingeworfen. Aber es kommt nicht
heraus . ." Das Besondere ist „nur Modification der absoluten
Substanz, nichts Wirkliches an ihm selbst. " Es ist das Gross-
artige der Denkungsart des Spinoza, auf alles Bestimmte, Be-
sondere verzichten zu können, und sich nur zu verhalten zu
dem Einen, nur dies achten zu können; es ist ein grossartiger
Gedanke, der aber nur die Grundlage aller wahrhaften Ansicht
sein muss. Denn es ist starre Bewegungslosigkeit, deren ein-
zige Thätigkeit ist, alles in den Abgrund der Substanz zu
werfen, in dem Alles nur dahin schwindet, alles Leben in sich
selbst verkommt; Spinoza ist selbst an der Schwindsucht ge-
storben." In diesem Sinne, „dass Gott nicht als Geist gefasst
229
wird," lässt er sogar Spinoza als Atheisten gelten (Bd. XV
S. 408)^^
Wir begegnen also hier fast derselben Kritik Spinozas,
wie bei Schelling, vor allem dem Vorwurf der Unpersönlichkeit
des Gottesbegrififes. Schon Fichte, der Jüngere („Wendepunkte"
III S. 389), bemerkt dagegen, dass bei Hegel selbst „die Person
nur in den unendlich verendlichenden Prozess der Substanz,
in die Reihe ihrer Selbstvermittelungen** falle, sie „ist erprozes-
sirtes Moment derselben; nicht ist sie Geist von Anfang und
in Ewigkeit, was allein Gott zu nennen." Gewinnt auf solche
Weise auch wirklich das Individuum, der Modus an Wesen,
so geschieht dies doch nur auf Kosten der Substanz. Wenn
ferner die Gottheit in der Entwicklung der Menschheit, die
selbst nur in ihrer Gesamtheit einen unendlichen Modus der
Substanz darstellt, zur Offenbarung kommen soll, und die
menschlichen Denkformen dem Naturprozess untergeschoben
werden, so lag, wenn er nicht von Hegel selbst gelehrt wird,
der Anthropologismus Feuerbachs nicht sehr fern. Wie er selbst
gesteht, findet sich auch bei ihm der Substanzbegriff Spinozas, als
die Einheit von Subjekt und Objekt, des Denkenden und Gedachten,
des Denkens und Daseins. Doch überwiegt weit stärker als bei
Schelling das geistige Moment; das ganze System lehrt ja die Rück-
kehr des Geistes zu sich selbst im menschlichen Bewusstsein.
Ohne gegen Schellings und Hegels Vorzüge ungerecht zu
sein, können wir nach alledem Orelli (Spinozas Leben und
Lehre ^ 1850 S. 357 ff.) darin beistimmen, dass Spinoza klarer
und deutlicher als diese seine Jünger spricht, dass er freier und
rücksichtsloser, ohne jede Liebedienerei, vorgeht, dass der Vor-
wurf der Geistlosigkeit seines Gottesbegriffes ungerecht und es
gerade sein unsterbliches Verdienst sei (S. 387), auf eine Welt-
konstruktion verzichtet zu haben, die doch nur unter den Be-
dingungen des jeweiligen Standes der exakten Wissenschaften
möglich, und also auch, wie die Geschichte lehrt, schon am
nächsten Tage durch eine neue Entdeckung umgestossen werden
kann. Andererseits können wir aber auch voll und ganz in
das Lob einstimmen, welches Orelli (383 f.) dem Dreigestirn:
Spinoza-Schelling-Hegel spendet: „Es steht nicht die Welt hier,
und Gott dort", . . ein grosses Lebendiges ist die Natur . . Die
Pflicht des Menschen ist es, darnach zu trachten, dass sein
Leben eine Manifestation, ein Spiegel des Ewigen, des Wesen-
haften sei. " Das ist das Gold, das sie gemeinsam zu Tage gefordert.
§ 100. Hegels Schule.
Wenn auch Hegels Schüler nicht alle gleich günstig über
Spinoza urteilten, so wurde doch lange Zeit hindurch der
230
Hegelianismus als die Hochburg des Spinozismus angesehen.
Der eifrige Verteidiger seines Meisters Hegel, Cari Rosenkranz,
hält auch in seiner Dissertation („De Spinozae philosophia".
Halle 1828) Spinoza den Schild. Er ist kein Atheist (p. 28),
wofür er nur von einseitig christlich-konfessionellem Stand-
punkte aus gehalten werden kann; kein Pantheist im gewöhn-
lichen Sinne (p. 29), kein Deist, wie Marheineke („Grundlehren
der Christi. Dogmatik" 1827 p. 260 § 422), kein Akosmist, wie
Hegel (PhU. Journal HS. 118 fg. Encykl.* p. 59. 528), und
kein Fatalist, wie Wolff (Natürl. Gottesgelahrth. übers, von
Hagen 1745. Tl. 4. Abt. 2, 2 § 671—716 bes. S. 709—716)
behauptet hatten.
Weit eingehender behandelt J. E. Erdmann den Urahn der
„Hegelingen". Er kommt zu verschiedenen Zeiten und bei ver-
schiedenen Gelegenheiten auf Spinoza zu sprechen, wobei seinem
eigenen Geständnisse gemäss seine Auffassung dieses seines Lieb-
lingsphilosophen immer reifer und tiefer wird. Von Vorarbeiten
berücksichtigt er besonders die Darstellungen des Spinozismus
bei Sigwart, Orelli, Feuerbach und Thomas, vor allem die
Jacobis, welche er noch für seine Zeit sehr, beachtenswert
findet. Im Anschluss an Jacobi und im Gegensatze zu Feuer-
bach fasst er auch Spinozas Substanz als das Substrat des
Wirklichen, nicht als das absolut Wirkliche. Wie Hegel, nur
ausführlicher, urteilt Erdmann über Spinozas Attribute, den
Modus, wie überhaupt über die Genesis des Systems. Er hat
auch das Verdienst, der, sonst absichtlich nicht beachteten,
Auffassung des Spinozismus bei Karl Thomas zuerst zu ihrem
Rechte verholfen zu haben. Mit diesem erkennt er in Spinozas
Lehre neben einem Idealismus einen Realismus, neben dem
Pantheismus einen Individualismus an. Auch Erdmann hatte
sich mit Ritter und Sigwart an der Preisaufgabe der Berliner
Akademie vom Jahre 1815 „Ueber den Einfluss Descartes' auf
Spinoza" (s. Bericht darüber in Schleiermachers S. W. III, 3.
S. 19) versucht, doch nennt er diese seine Abhandlung selbst
eine oberflächliche Jugendarbeit. Was er besonders an Spinoza
tadelt, ist die Härte des Substanzbegriffes.
Wie Erdmann und die Romantik sieht auch Alb. Schwegler
in Jacob Böhme die Ergänzung des Spinozismus. Doch bleibt
(Gesch. der Philos. i. Umriss 1848 S. 109) „das Wahre und
Grosse der spinozistischen Philosophie, dass sie alles Einzelne
und Partikuläre als ein Endliches in den Abgrund der göttlichen
Substanz versenkt." Er zeichnet Spinozas Lebensbild als ein
Ideal, welches, wie die grössten deutschen Geister ihm nachgestrebt
auch noch für unsere Zeit gilt. Im Pantheismus sieht er das
231
Eigentümliche Spinozas, das er sich im Kampfe gegen die
Inkonsequenzen seines Meisters Descartes erworben.
Dieselbe Wärme pulsirt auch in der ihrer Objektivität
wegen mit Recht gerühmten Darstellung Ed. Zellers (Gesch.
d. deutschen Philos. 1873). Er betont, ähnlich wie Michelet,
an Spinoza (S. 62 fg.) „die Unabhängigkeit seines Geistes, die
Gediegenheit seines wissenschaftlichen Charakters, die unbe-
stechliche Strenge seines Denkens, die selbstloseste Hingebung
an die Noth wendigkeit der Sache und ihre Erkenntnis."
Ein besonderes Verdienst hat sich um die Würdigung
Spinozas Kuno Fischer sowohl durch die klare Darstel-
lung seiner Lehre, die er im Gegensatze zu Sigwart und
Joel allein aus dem Cartesianismus erklärte, als besonders
durch die warme Schilderung seines Charakters erworben.
„Der Gegenstand dieses Vortrages", so heisst es noch
in seinem Vortrage: „Baruch Spinoza's Leben und Charakter**
(1865 S. 1) „gehört nicht in die Reihe derer, die nur genannt
zu werden brauchen, um unter den Interessen, die in der ge-
bildeten Welt einheimisch und geläufig sind, sogleich eine für
sie vorbereitete und empfängliche Stelle zu finden." (S. 5)
Spinozas Weltstellung" ist „in der That einzig" und „ent-
gegengesetzt den entscheidenden Denkern sowohl der frühern
als der folgenden Zeit" . . Er „ist in der That ein vollkommner
Zeuge der Wahrheit, wie sie seinem Geiste einleuchtete, wie
sie auf diesem Punkte in der Entwicklung der Philosophie ge-
dacht sein wollte." (S. 7) „In dem Leben und Charakter
Spinozas" ist „das beherrschende und erleuchtende Motiv einzig
die Liebe zur Wahrheit." Es ist (S. 10) „Spinoza ein sitt-
liches Vorbild geworden, das zwar sein eignes Zeitalter nicht
erkannte, weil es vor der Lehre eines Mannes wie vor einem
Medusenhaupte zurückwich ; aber die Nachwelt und namentlich
die deutsche wurde in einer Reihe ihrer edelsten Geister von
diesem Vorbilde durchdrungen und gerührt." (S. 12) „Die
Grundstimmung der Lehre Spinozas ist religiös. Denn sie theilt
mit der Religion diese beiden ächten Züge: Erlösung von der
Selbstsucht, Hingebung an das Ewige!" (S. 52) Er „verwirft
die Irrthümer, die gedankenlosen Leidenschaften und vor Allem
die Lüge der Menschen!"
Diesen religiösen Zug in Spinoza betont noch stärker Otto
Pfleiderer in seiner „Religionsphilosophie" (1883). Er stellt ihn
mit seiner tiefen Frömmigkeit sogar neben Luther. Gerade in
der Begründung der Freiheit auf der Zerstörung des Selbst
findet er einen besonderen Vorzug der Lehre Spinozas. Un-
bedenklich gibt er seiner Ethik vor der Kantischen den Vorzug.
232
Nur fehlt Spinoza der Begriff der Entwickelung und der \'er-
mittelung zwischen Gott und Welt, worin ihn auf der einen
Seite Leibniz, auf der anderen Kant ergänzen. Im Gegensatz
zu Fischer nimmt Pfleiderer für Spinozas Immanenz und De-
terminismus auf nicht Kartesianische Quellen bezug.
Ausser bei diesen Historikern der Hegeischen Schule findet
Spinoza auch bei Bauer, Görres, Göschel u. a. gelegentlich
Erwähnung. Auf dem Wege der Hegeischen Lehre nähern
sich ihm besonders Fr. W. Richter („lieber Pantheismus". Lpzg.
1841. S. 34 ff. 42. 66. 71), Daub in seinen Theologumena
(S. 66), Vatke mit seinem Begriffe des Absoluten, Jos. Hille-
brand, der die Natur nicht als blosses Entwickelungsmoment
im Prozesse der Selbstrealisirung des absoluten Geistes, sondern
als die eine Seite der absoluten Idee fasst, deren andere der
Geist ist, und vor allem D. Fr. Strauss und Ludwig Feuerbach.
Strauss hat Schleiermacher, mit dem er bewusster
Weise oft genug auf seinem Wege zusammentrifft, den Kant
der protestantischen Theologie genannt („Charakt. und Kritiken'*
1839. S. 205). Er hätte mit nicht weniger Recht sich selbst
diesen Titel beilegen dürfen. Die Kritik ist sein Lebenselement,
und das Werkzeug dieser Kritik Spinoza. Mit dieser Sonde
hat er in seiner „Glaubenslehre" „sämtliche formellen Grund-
begriffe der kirchlichen Glaubenslehre" kritisch zerlegt. (Glbsl.
I S. 353, II 383.) Zwar erspart Strauss seinem Meister Spinoza
nicht den Vorwurf, der ihm auch von Joel gemacht wird, dass
es ihm in seiner Auffassung der Person Christi, wie überhaupt
da, wo er sich der Theologie nähert, mehr um einen Kompromiss
mit der Kirchr als um die Wahrheit zu thun gewesen sei
(a. a. 0. I 674, II 200). Jedenfalls ist Spinoza „der erste,
welcher den Grundgedanken der speculativen Christologie rein
und mit deutlichem Bewusstsein aussprach". . . sowie zugleich
„der Miturheber der rationalistischen Ansicht von Christo" (II 19^>).
In der Hauptsache aber wiederholt sich in der Glaubenslehre
das Werk des theologisch-politischen Traktates. Im Anschluss
an Spinoza behandelt Strauss die Persönlichkeit Gottes (I 503 ff.).
Sie einweist sich als eine unhaltbare Annahme. (S. 506) „Alle
Pfade, die wir einschlagen wollen, führen uns immer wieder
vor die enge Pforte des Spinozismus zurück. Passiren wir
sie denn ; vielleicht, dass wir nachher wieder freieres Land ge-
winnen." (S. 507) „Gott ist bei Spinoza nicht als solcher oder
in sich selbst, sondern nur im Menschen, selbstbewusste Per-
sönlichkeit. Wäre es nun an dem . ., dass der Spinozismus
die einzige wahre Speculation . ., so könnte uns die Wahl in
grosse Verlegenheit setzen. Glücklicherweise jedoch hat sich
238
im weiteren Verlaufe des Philosophirens der Spinozismus zwar
als das Wahre ausgewiesen, das aber nicht die ganze Wahr-
heit, sondern nur erst deren Anfang und Grundlage ist. " Hegel,
ja schon vor Spinoza Jakob Böhme, (S. 508, vgl. I 64) bilden
das wesentliche Complement seiner Philosophie.
Spinoza war es ferner „zuerst (I 227), der dem Wunder-
begriflf einen Stoss versetzte, welcher zunächst in England unter
den Deisten nachdröhnie, während ihm in seiner Einwirkung
auf Deutschland und damit auf die Entwickelung der Theologie,
die Leibniz-Wolffsche Philosophie zuvorkam". . . (236) Spinoza
hat die Grundzüge der natürlichen Erklärung gegeben, wie
sie in neueren Zeiten durch rationalistische Exegeten ausgebildet
worden ist". Bei der Erklärung der Offenbarung am Sinai
„schlägt Spinoza den Ausweg der Vision ein, der gleichfalls seit-
dem von natürlichen Wundererklärern weiter ausgetreten worden".
(S. 250) An Spinoza knüpfen die Rationalisten an (s. z. B. Briefe
über den Rationalismus S. 293 ff. Paulus, Commentar und
exegetisches Handbuch, Einl., Eck, Versuch, die Wunder-
geschichten des N. T. aus natürl. Ursachen zu erklären 17%).
S. 290. „Im Geburtslande des Arminianismus warf Spinoza
das eine der sich widerstreitenden Kriterien, das von der Schrift
hergenommene, wenn auch nicht den Worten, doch der Sache
nach, völlig weg, und gab dafür dem andern die unbeschränkteste
Anwendung". (S. 293) „Diese freieren Ansichten drangen,
nachdem sie zuerst in England und Frankreich von den dor-
tigen Freidenkern weiter ausgeführt worden waren, in der
zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts auch in die herrschen-
den Kreise ein. In Deutschland machte Semler besonders auf
den Unterschied zwischen Lehrmeinungen und Glaubenspunkten
aufmerksam (vgl. Semler, Versuch einer freieren theol. Lehrart
S. 197 ff. Spalding, Von der Nutzbarkeit des Predigtamtes
S. Ulf.)." (S. 389) „Die Aermlichkeit" der „äusserlich teleo-
logischen Naturbetrachtung veranlasste den Spinoza, die causae
finales als humana figmenta et deliria zu verspotten. " Er hat
(S. 578) „die Lehre von göttlichen Zwecken der Verendlichung
Gottes beschuldigt." Natürlich wird damit auch der Begriff
einer Schöpfung in der Zeit sinnlos (655). Doch hat Spinoza
in gewissem Sinne die menschliche Willensfreiheit beibehalten.
(II 363) „Nicht sowohl im Verhältniss zur Substanz als solcher
oder zu Gott, als vielmehr in Bezug auf andere Modi ihrer
Attribute hat Spinoza dem menschlichen Willen die Freiheit
abgesprochen. In der ersteren Beziehung bietet vielmehr der
spinozistische Standpunkt das einzige Mittel dar, die Selbst-
thätigkeit der endlichen Wesen, und namentlich des Menschen
•
234
zu retten. Ist Gott der Welt immanent, so ist er auch der
schlechthin Selbstthätige nur in ihr, oder die Weltwesen sind
ihm beziehungsweise selbstthätig. Was dem abstracten Vor-
stellen als das Eine absolute Thun Gottes, das erscheint dem
empirischen als das getheilte und bedingte Thun der Geschöpfe ;
und das gläubige Bewusstsein als das synthetische Auch jener
beiden Vorstellungsweisen, stellt sie, die in der That nur zwei
subjective Anschauungsformen sind, als zwei verschiedene
Objecte nebeneinander, die es aufeinander bezieht . . Nicht in
der Wirklichkeit stehen Gott und Welt sich gegenüber, sondern
in der unwissenschaftlichen Vorstellung; und nicht nach ihrem
realen Verhältniss als zweier Gegenstände ist zu fragen,
sondern nach der dialektischen Vermittlung beider Vorstel-
lungen zu streben" (vgl. 364).
Schliesslich ist (I 193) „Spinoza, der Vater der Spekulation
unserer Zeit, auch der Vater der biblischen Kritik. Zwar fand
er gerathen, seine Zweifel auf die alttestamentlichen Bücher zu
beschränken . . : aber er machte die Nothwendigkeit . ., jedes Buch
desselben von Neuem kritisch zu untersuchen, so einleuchtend . .,
dass unmöglich ferner alle Augen gegen so klare Thatsachen blind
bleiben konnten. * Wirklich wurden seine Winke nicht blos von
englischen und französischen Freidenkern, einem Bolingbroke,
Voltaire u. a., und unter den Deutschen von Edelmann, auf-
gefasst, sondern auch R. Simon's Hypothese . . war ihm durch
Spinoza an die Hand gegeben und die ähnlichen Ansichten
von Clericus lassen die durch Spinoza erhaltene Anregung nicht
verkennen." Auch auf den anderen theologischen Gebieten
behauptet Spinozas einschneidende Kritik siegreich das Feld:
so dass wie einst „Spinoza um ein freies Plätzchen für die
Philosophie neben der Kirche und Theologie gekämpft hatte:
nun Schleiermacher Ursache fand, um ein solches für die Re-
ligon und Theologie neben der Philosophie zu unterhandeln*^
(1 S. 350 10«).
Seine eigene Weltanschauung hat Strauss — zu allgemeiner
Ueberraschung — in „Der alte und der neueGlaube" ausgesprochen.
Sein „Universum" erinnert hier stark an Schleiermachers
„Reden"; der Grundton ist ungefähr der der „Ethik", nur dass
Strauss nach Goethe und Darwin geschrieben hat. „Ob wir
Gott oder Universum sagen, schlechthin abhängig fühlen wir
uns von dem einen wie von dem andern. Auch dem letzteren
gegenüber fühlen wir uns als Theil des Theils, unsere Kraft als
ein Nichts im Verhältniss zu der Alhnacht der Natur, unser
Denken nur im Stande langsam und mühsam den geringsten
Theil dessen zu fassen, was wir die Welt in ihrem Vollbegriff.
236
oder als Universum, auch als die Urquelle alles Vernünftigen
und Guten betrachten müssen . ., nicht als das Werk einer
absolut vernünftigen und guten Persönlichkeit, wohl aber als
die letzte Werkstätte des Vernünftigen und Guten . ." Das Uni-
versum „ist uns . . . mit nichten bloss eine rohe Uebermacht, der
wir mit stummer Resignation uns beugen, sondern zugleich
Ordnung und Gesetz, Vernunft und Güte, der wir uns mit
liebendem Vertrauen ergeben. Und noch, mehr. Da wir die
Anlage zu dem Vernünftigen und Guten, das wir in der Welt
zu erkennen glauben, in uns selbst wahrnehmen, uns als
die Wesen finden, von denen es empftinden, erkannt, in
denen es persönlich werden soll, so fühlen wir uns dem-
jenigen, wovon wir uns abhängig finden, zugleich im
Innersten verwandt, wir finden uns in der Abhängigkeit
zugleich frei, in unserem Gefühl für das Universum mischt sich
der Stolz mit Demuth, Freudigkeit mit Erhebung . . Wir fordern
für unser Universum dieselbe Pietät, wie der Fromme alten
Stils für seinen Gott . . Unser Gefühl reagirt, wenn es verletzt,
geradezu religiös." „Die menschliche Natur ist auf die Herr-
schaft der Vernunft über die Triebe eingerichtet." „Vergiss
keinen Augenblick, dass du Mensch und kein blosses Naturwesen
bist!" „Unser Gott nimmt uns nicht von aussen in seinen
Arm, aber er eröffnet uns Quellen des Trostes in unserm
Innern. Er zeigt uns, dass zwar der Zufall ein unvernünftiger
Weltherrscher wäre, dass aber die Nothwendigkeit, d. h. die
Verkettung der Ursachen in der Welt, die Vernunft selber ist"
Doch hat bereits Pfleiderer diesen Begriff eines von Ver-
nunft geleiteten „Universums" mit dem sonst, besonders im
dritten Abschnitte, unverhüllt gelehrten Materialismus des Buches
im Widerstreit gefunden. Wie Feuerbach hatte Strauss Hegel
und Spinoza dahin erklärt, dass das Absolute erst im Menschen
seiner inne werde, dass also das menschliche Bewusstsein in
Wahrheit das göttliche sei. Von dieser Auffassung zum An-
thropotheismus und Materialismus ist freilich nur ein Schritt
(s. Bolin, L. Feuerbach. S. 266).
Dies zeigt am deutlichsten schon frühzeitig Ludwig Feuer-
bach. Das erste Mal nimmt dieser in seiner „Gesch. d. Philos.
von Bacon v. Verul. bis Spinoza" (1833. S. 340 — 438) be-
stimmte Stellung zu Spinoza. Wie sein Meister Hegel tadelt
er an der Substanz die Ungeistigkeit und den Mangel an einem
Differenzirungsprinzipe. Doch findet er in Spinoza das gerade
Gegenteil eines Atheisten. Allein es gründet sich bei Feuer-
bach diese Verteidigung auf eine falsche, krass-materialistische
Auffassung Spinozas. So heisst es in den „Grundsätzen der
236
Philosophie der Zukunft" (1843), über die er sich bereits in
den „Gedanken über Tod und Unsterblichkeit" (1830) und im
„Wesen des Christentums" (1841) näher erklärt hatte, (S. 24):
„Spinoza traf mit seinem paradoxen Satz: Gott ist ein Aus-
gedehntes d. i. materielles Wesen, den Nagel auf den Kopf.
Er fand den, für seine Zeit wenigstens, wahren philosophischen
Ausdruck für die materialistische Tendenz der neuem Zeit: er
legitimirte, sanctionirte sie. Gott selbst ist Materialist. Spinozas
Philosophie war Religion; Er selbst ein Charakter
Gott ist nichts anderes als das Ur- und Vorbild des
Menschen." (S. 21) „Haben wir kein nur ideales, vorge-
stelltes, sondern ein reales Wesen; so haben wir mit einem
Worte den Spinozismus oder Pantheismus." Dieser (S. 23) .,ist
nichts anderes als das zum göttlichen Wesen, zu einem religions-
philosophischen Princip erhobene Wesen der neuern Zeit.**
(S. 39) „Die HegeFsche Philosophie ist der umgekehrte, der
theologische Idealismus, wie die Spinozische Philosophie der
theologische Materialismus ist." Ebenso lauten auch die „\'or-
läufigen Thesen zur Reformation der Philosophie" (in „ Anecdota
zur neuesten deutschen Philosophie und Publicistik" hrsg. v.
Am. Rüge. Bd. 2. 1843. S. 63): „Der paradoxe Satz Hegels:
„„DasBewusstsein von Gott ist das Selbstbewusstsein Gottes'^**
beruht auf demselben Fundament, als der paradoxe Satz
Spinozas: „„Die Ausdehnung oder Materie ist ein Attribut der
Substanz,"" und hat keinen andem Sinn als: das Selbst-
bewusstsein ist ein Attribut der Substanz oder Gottes, Gott
ist Ich. Das Bewusstsein, welches der Theist im Unterschiede
vom wirklichen Bewusstsein Gott zuschreibt, ist nur eine X'or-
stellung ohne Realität. Der Satz Spinozas aber: die Materie
ist Attribut der Substanz, sagt nichts weiter aus, als die Materie
ist substanzielle göttliche Wesenheit; eben so der Satz Hegel's
nichts weiter als: das Bewusstsein ist göttliches Wesen.**
(S. 78) „Der Anthropotheismus ist die selbstbewusste Religion
— die Religion, die sich selbst versteht." (81) „Schaut die
Natur an, schaut den Menschen an ! Hier habt ihr die Mysterien
der Philosophie vor eueren Augen. (S. 85) „Die Philosophie
muss sich wieder mit der Naturwissenschaft, die Naturwissen-
schaft mit der Philosophie verbinden.** Damit war die Lösung
des Materialismus ausgesprochen, der seinen drastischen Aus-
druck in Feuerbachs geflügeltem Worte findet: „Der Mensch
ist, was er isst."
Zugleich traf Spinozas: Homo homini deus ein seltsames
Geschick. „Der Mensch ist dem Menschen das höchste Wesen.
sagt Feuerbach. Der Mensch ist nun erst gefunden, sagtHrum
237
Bauer. Sehen wir Uns denn dieses höchste Wesen und diesen
neuen Fund genauer an/' so beginnt Max Stirner (Kaspar
Schmidt), in manchen Stücken der Vorläufer Friedrich Nietzsches
(vgl. die Reclamsche Ausgabe des „Einzigen"), den ersten
Abschnitt seiner Apologie des Egoismus „Das Einzige und sein
Eigentum" (1844).
In demselben Jahre reinigte Feuerbach in seiner „Gesch.
der neueren Philosophie" den vermeintlichen ersten Apostel
dieser Lehre, Spinoza, die „ personifizirte Selbstständigkeit
und Denkfreiheit" von dem letzten Makel. Er ist kein
Determinist (S. 433), seine Substanz nicht geist- und be-
wusstlos (S. 433). (S. 429) „Verderbliche Grundsätze kann
die Philosophie der Spinoza also nur entweder für die ganz
gemeinen Haufen enthalten . . oder für die, die solche Sätze,
wie das Gute und Böse ist nichts in den Dingen an sich Wirk-
liches, d. i. nach Spinoza nichts Absolutes, von der Idee und
Anschauung der Substanz als Folgen für sich absondern, und
so, . . aus dem beschränkten Kämmerchen ihres Verstandes . .
die Unterschiede von Gut und Böse vernichten sehen."
§ 101. Hess.
Klang dies auch freundlicher als Hegels eigenes Urteil
über Spinoza, so hinderten doch die Schulfesseln, wie an der
richtigen Auffassung, so auch an der rückhaltlosen Anerkennung
seiner Leistungen. Dies musste nicht Hegelianische Freunde
des grossen Denkers zum Widerspruch reizen. So zeigen uns
denn Hess und Orelli das Extrem: die überschwengliche Ver-
herrlichung ihres Philosophenideals. Nach Hess, der sich selbst
einen Jünger Spinozas nennt (vgl. Heilige Geschichte der
Menschheit von einem Jünger Spinozas. Stuttgart 1837), ist
(,, Die europäische Triarchie" 1841 , S. 27) „Adam, der Naturmensch,
Prototypus des Alterthums, Christus, der Gottmensch, Prototypus
des Mittelalters, Spinoza, der Mensch schlechthin, Prototypus
der Neuzeit." (28) „Erst die vollendete Mystik ist Speculation.
Der erste wahrhaft speculative Geist, der vollendete Mystiker,
ist Spinoza." (S. 113) „Die sich immer mehr realisirende
Spinoza'sche Idee der absoluten Einheit alles Lebens ist die
dritte Macht, welche den Kampf des Staates und der Kirche,
der Endlichkeit und der Ewigkeit usw. ausgleicht und zu Ende
führt. Diese Idee der absoluten Einheit ist ein Produkt der
heiligen Geschichte; sie ist mitten aus dem zerfallenen hg.
römischen Reiche heraus, am Schlüsse des dreissigjährigen
Krieges, wie die Idee der christlichen Kirche aus dem zerfallenen
238
heiligen jüdischen Staate an dem Schlüsse desselben zum Vor-
schein gekommen." (S. 147) „Die Idee der absoluten Einheit
wurde am Anfange unserer Zeit von Spinoza gedacht, und er
hat sie so naiv ausgesprochen, ohne weiter auf die hoch-
wichtigen Folgen aufmerksam zu machen, welche aus ihr der
Zukunft des socialen Lebens erwachsen, dass man annehmen
muss, er habe jene Folgen, zu welchen er den Grund gelegt
hat, selbst noch nicht gekannt . . Soll die Kraft unserer Zeit nicht
vergeudet werden, so muss sie zu ihrem Anfange, zu ihrem Keime,
zu Spinoza zurückkehren. Hegel selbst wies Spinoza diese
Stelle an, der Anfang desjenigen Gottesbewusstseins zu sein,
welches er, Hegel, . . weiter gefordert hatte. Aber Hegel hat,
wie es scheint, die hohe Bedeutung der Stellung, die Spinoza
seiner eigenen Ansicht gemäss einnimmt, nicht zu würdigen
verstanden . . In sich selbst abgeschlossen und fertig, hatte
Spinoza kein einseitiges Streben . . Das Gegenwärtige in seiner
Totalität erfassend, stand er da am Schlüsse einer bewegten
Zeit, am Anfange einer neuen. Die Hegel'sche Philosophie war
der Culminationspunkt dieser Richtung. . . Weil Hegel es nur
mit dem Dasein zu thun hatte, konnte er Spinoza eben so
wenig verstehen, als ihndieGegenseite verstanden hat." (S. 149.)
Spinoza ist auch kein Akosmist. (150) „In seiner Metaphysik er-
kennt er nur die Substanz, in seiner Ethik aber nur das
Subject an."
§ 102. Orelli.
Noch energischer verteidigt der Züricher Conrad von
Orelli (^Spinozas Leben und Lehre** 1843. 2. Auflage 1850)
Spinoza gegen die Schellingsche und Hegeische Kritik. In der
\'orrede (2. Aufl. S. V) bekennt er „seine entschiedene Vorliebe
für Spinozas Lehre, welche ihm unerreicht dazustehen scheint,
obgleich von allen Seiten her behauptet wird, sie stehe den
neueren pantheistischen Systemen nach." Gerade die von
jenen getadelte „Allgemeinheit, bei welcher Spinoza stehen
bleibt, kommt seiner Lehre zu Statten" (S. VII). Dithyram-
bisch wie bei Schleiermacher, dessen Behandlung Spinozas
er auch den Schelling-Hegel entgegenhält (S. \'), heisst
es von Spinoza (S. IX): „Ehre den Manen des Spinoza,
ewige Ehrel — Inniger Dank dir, hoher Genius, der du dich
einzig an der Betrachtung des Ewigen, des im Wechsel Be-
harrenden weidetest, dich in dem Ursein sonntest, Gott aus
einem externen und ausgeschlossenen zu einem internen mach-
test". Seine Verehrung des grossen Philosophen hatte Orelli.
289
als einziges Schweizer Mitglied des Spinozadenkmal-Comites,
auch durch die That zu bekunden Gelegenheit.
§ 103. D. Zeitsch. f. Philosophie.
Zu gleicher Zeit hatten die materialistischen und atheistischen
Ausläufer der Hegeischen Schule unter den Philosophen und
Theologen, besonders des südlichen und westlichen Deutschlands,
eine Gegenwirkung hervorgerufen, welche in dem jüngeren
Fichte, Weisse, Ulrici u. a. ihre Vertreter und in der „Zeit-
schrift für Philosophie" ihr Organ fand. Es galt z. T. mit
Zurückgehen auf Hegel selbst, eine Verbindung des Pantheismus
mit dem christlichen Theismus, im Interesse des letzteren, her-
zustellen. Naturgemäss nahm man, wie zu Hegel, auch zu
Spinoza Stellung.
Wir begegnen hier teilweise derselben Dialektik der Ketzer-
riecherei, wie wir sie aus dem Atheistenjagdprogramm Jacobis
und seiner Konsorten kennen. Der Theismus, so raisonnirten
die Sengler, Schaden, Daumer, Hanne, trennt Gott und Welt;
der Pantheist vermengt sie. Dadurch wird, wie Spinozas Bei-
spiel lehrt, die Absolutheit des Gottesbegriffes aufgehoben ; ergo :
ist der Pantheismus Atheismus. Femer heisst es, ganz wie
bei dem Philosophen von Pempelfort, bei Sengler („Ueber das
Wesen und die Bedeutung der spec. Philos." 415): Jedes
System, welches alles nur aus reiner Vernunft entwickelt, ver-
fallt dem Fatalismus, und alle Philosophie (S. 416), die nur
rein vemunftmässig ist, ist oder wird Spinozismus. Das wahre
Sein muss, nicht als Substanz, sondern als Subjekt bestimmt
werden. Dies that Leibniz, an den deshalb diese Richtung ein-
gestandenermassen (vgl. Fischer, Hanne, Hermann) anknüpft.
Das gleiche Verdienst hat Fichte; auch Schelling wies von
vornherein nach dieser Seite über Spinoza hinaus. Nur von
Hegel lässt man es nicht gelten.
Diese Hochschätzung Schellings — allerdings nicht des
Identitätsphilosophen (vgl. Chalybaeus) — sowie eine hohe
Achtung vor der Frömmigkeit des Stifters der „heidnischen"
Spinozistensekte ist allen diesen Antihegelianern eigen. Schel-
ling, der in fast allen Philosophenschulen, von Hegel, Herbart,
Schopenhauer, in Acht und Bann erklärt wurde, fand hier,
besonders bei Fichte, die verdiente Würdigung, als Förderer
wahrer Wissenschaft und vor allem als Wegweiser vom Pan-
theismus zum Theismus. Man entlehnte ihm auch die Waffen
gegen seinen Meister Spinoza.
240
Alle diese Züge finden wir bei C. P. Fischer vereint. Er
verfolgt die Entwickelung des Pantheismus durch alle Durch-
gangsformen von den Eleaten an bis zu Hegel und über diesen
hinaus; so lässt er ihn stufenweise zum Theismus hinüber-
schreiten. Ulrici, der unermüdliche Gegner des Materialismus,
sieht in Spinoza selbst schon alle die Keime zu dem Spiritualis-
mus, den er und seine Gesinnungsgenossen vertreten; er fasst
seine Lehre als reinen Idealismus und ist des Lobes voll für
seine grossartige Konzeption des Substanzbegriffes, wenn auch
dessen Einheit durch die Vielheit der Attribute zerstört wird.
Noch versöhnlicher stellt sich J. H. Fichte zum Spinozis-
mus. Er bekämpft den Monismus nur seiner unsittlichen Kon-
sequenzen wegen, wegen des Pessimismus und der Resignation,
die er im Gefolge führt. Sonst steht er aber der Lehre Spinozas
nicht gar zu fern. Er giebt ihr entschieden den Vorzug vor
dem flachen Leibniz-Wolffschen Rationalismus. Sein Universum
zeigt sich deutlich als ein Glied jener zahlreichen, viel ver-
zweigten Nachkommenschaft der Spinozischen Substanz.
§ 104. Die Spinozaforschung.
Auf diese Weise konnte natürlich der Spinozismus höchstens
in seinen Konsequenzen abgeschwächt, aber durchaus nicht
gründlich beseitigt werden. Spinoza wurde im Gegenteil immer
mehr bekannt, immer eifriger gelesen. Die Saissetsche Ueber-
setzung seiner Werke war in der ersten Auflage von 3000 Exem-
plaren sogleich vergriffen. An den Universitäten begann Spinoza
der Gegenstand besonderer Vorlesungen zu werden (so in
Breslau S. S. 1842 durch Thilo). Bruder, wie Paulus Theologe,
gab (1843) im Auftrage der Tauchnitzschen Verlagsbuchhand-
lung in handlichem Format und mit grosser Sorgfalt von neuem
seine Werke heraus. Nun folgen einander in rascherer Auf-
einanderfolge Ausgaben und Uebersetzungen. Neu belebt wurde
das Spinozastudium durch die Auffindung der älteren Form der
„Ethik" und — nicht lange darauf — des Traktates von dem
Regenbogen und wichtiger Briefe. Die Erforschung der Quellen
des Spinozismus Hess sich ein so unparteiischer und gründ-
licher Gelehrter, wie H. Chr. W. Sigwart, selbst Determinist
und halber Pantheist, angelegen sein. Eine wesentliche För-
derung fanden die exakten Forschungen gerade durch die
Richtung in der Philosophie, welche sich der spinozistischer.
am entschiedensten entgegengestellt hatte, durch die Herbar-
tianer. Unter den neueren Kritikern Spinozas ist kaum einer
mit einer solchen Erbitterung gegen ihn vorgegangen wie Herbart
241
§. 105. Herbart.
In seinen zahlreichen Kritiken sowie besonders in seinen
systematischen Schriften hat er einem grossen Kreise von
Schülern und Anhängern für die Beurteilung des Idealismus
und Monismus, und damit natürlich auch Spinozas, den Weg
gewiesen und den Ton angegeben. Er ähnelt äusserlich in
seiner Polemik und in der Beschränkung auf einen gänzlich
isolirten Standpunkt Jacobi ; doch mit dem grossen Unterschiede,
dass Herbart nicht wie dieser überall Spinozismus wittert,
sondern im Gegenteil darzulegen sucht, wie viel der neuere
Spinozismus in Spinoza hineingedichtet, was in diesem gar
nicht zu suchen ist. Herbart lässt Spinoza überhaupt nur
einen Vorzug: das ist seine Aufrichtigkeit, seine Nacktheit.
Dringend glaubt er den Anfänger davor warnen zu müssen, sich
durch die bunten fremden Lappen nicht täuschen zu lassen,
die ihm neuerdings die Modephilosophie umgehängt hat.
Dagegen kann er nicht scharf genug die Dreistigkeit, den
Leichtsinn, die Oberflächlichkeit und Keckheit Spinozas geissein,
welche gar keinen Anspruch auf rücksichtsvolle Behandlung
erheben dürfe, da sie sich und den Leser über die ärgsten
logischen Fehler hinwegzutäuschen suche.
Was die Lehren Spinozas selbst angeht, so treffen sie hier
alle die uns bereits bekannten Vorwürfe. Spinoza ruht gemächlich
auf den Lorbeeren der alten Griechen aus und konnte nur ein
Zeitalter, welches mit deren Philosophie zu wenig vertraut war,
mit einer erlogenen Originalität täuschen.
Herbart sieht in ihm durchaus nicht den Stifter der neueren
Philosophie. Er sieht in ihm vielmehr neben dem Materialisten,
dem Pantheisten und Fatalisten noch den scholastischen Meta-
physiker und Mystiker. Der Grundfehler seiner Ontologie ist
die schlechthinnige Ineinssetzung des Esse mit dem Existere.
Statt einer, Spinoza so oft nachgerühmten, streng methodischen
Demonstration findet Herbart nur dialektische Gauklerkünste
vor. Als Retter aus der Not ist stets das Flickwort: Quatenus
bei der Hand. Spinozas Metaphysik krankt an dem, von vom
herein verfehlten Beginnen, Gott definiren zu wollen. Die
Substanzeinheit zerstört die Vielheit der Attribute. Diese stehen
auch gar nicht, wie sie eigentlich sollten, einander gleich.
Vielmehr überwiegt in der Methaphysik sowohl, wie in der
Psychologie, „die ganz am Leibe klebt", entschieden die Aus-
dehnung, die körperliche Substanz. Erstohlen ist auch der
Uebergang von der Substanz zur Welt der Dinge.
Demnach ist Spinozas „Ethik" ein durchaus inkonsequen-
te
242
tes Werk, das von einer solchen nur den Titel geliehen hat.
Es hätte für keinen Fall das menschliche Handeln im Zu-
sammenhange mit der Kosmologie behandelt werden dürfen.
Dadurch verliert es alle Bedeutung, wie überhaupt dem Spino-
zismus jede moralische Wärme abgeht.
Wie ist nun Herbarts Uebereifer gegen Spinoza zu er-
klären.? Nach seinen eigenen Angaben wohl am besten damit,
das Spinoza nicht wie sich's gehörte, längst zu den Akten der
Geschichte gelegt sei, sondern gar als Spinoza redivivus die
ganze zeitgenössische Philosophie beherrsche, in welcher Herbart
eine Schmach und den Verderb der Jugend sieht. Die Mode-
philosophie, mit der er beständig im Hader lebt, hat zu seinem
Bedauern Spinoza in die Gesellschaft eines Leibniz und Kant
eingeführt. Doch schon eine blosse Zusammenstellung Spinozas
mit diesen Grössen ist nach seiner Ueberzeugung ein untrüg-
liches Zeichen von oberflächlichem Denken. Sie haben mit
dem Erzketzer im Wesen nichts zu thun; wo sie sich ihm zu
nähern scheinen, sind sie aus der Rolle gefallen, sich selbst
untreu geworden.
Sein Hauptgegner ist begreiflicher Weise Schelling, durch
den der Geisterspuk des Spinozismus erst recht in Schwang
gekommen. Wie Jacobi sieht Herbart nicht allein in ihm eine
neue Auflage Spinozas, sondern schon in seinem Meister Fichte
einen umgekehrten Spinozismus. Doch hat, nach Herbart>
Ansicht, Jacobi gerade das Gegenteil seiner Absicht erreicht.
Anstatt dem spinozistischen Unwesen zu steuern, habe er
Spinoza einen Glorienschein ums Haupt gewoben, und zwar
nicht allein aus Mangel an geschultem Denken, sondern weit
mehr aus einer falschen Humanität, jedem in seiner Sphäre
recht zu geben, woraus man allerdings Herbart keinen Vorwur:"
machen kann.
Diesem pantheistischen Schwindel ist es auch zu danken,
dass ein Schleiermacher den dürren Magister Spinoza neben
einen Plato stellen konnte. Auch kann Herbart es Schleier-
macher, den er übrigens nicht so zerzaust wie Schelling und
Genossen, nicht verzeihen, dass er in seiner Kritik der Sitten-
lehre, die immer grösseren Einfluss gewann, Kant mit strengeren:
Masse als Spinoza gemessen.
Auf Schleiermacher geht auch mittelbar der andere Beweg-
grund der Herbartschen Polemik zurück. Spinozas Individua-
lismus zeigt sich am deutlichsten in seiner Affektenlehre mit
dem Grundtriebe der Selbsterhaltung; und hierin steht er der
Herbartschen Psychologie mit ihrem Prinzipe der Selbsterhaltun^
gegen äussere Störungen und Hemmungen nicht allzu fem
243
Nicht minder peinlich berührte Herbart die offenbare
Aehnlichkeit seines Freiheitsbegriffes mit dem der „Ethik".
Nun wurde gar von einem Schüler Schleiermachers, von Ro-
mang, öffentlich auf diese seine Verwandtschaft mit Spinoza
hingewiesen. Wie früher Kraus, Jäsche u. a., so führt Herbart
auch jetzt nicht gerade die streitbarsten Bundesgenossen ins
Feld, Leute, die sich an Lunge kräftiger denn an Gehirn zeigen.
Er scheint des Kampfes müde zu sein.
Doch ist dieser Kampf nicht ganz vergeblich gewesen.
Zwar war Herbarts Polemik gegen eine allerdings oft hohle
und dilettantenhafte Philosophie manchmal heftiger, als seine
eigenen Grundanschauungen es erfordert hätten. Er hat sich
dabei meist nur bei Nebensachen aufgehalten, die Bedeutung
Spinozas für die exakte Forschung verkannt und aus der Sub-
stanz ein leeres Gedankenwesen machen wollen. Jedenfalls
hat aber die Schärfe seiner Kritik neue Widersprüche in Spinoza
aufgedeckt, so besonders den Widerstreit zwischen dem Pan-
theismus und Individualismus und den Mangel an der be-
haupteten Einheit des Substanzbegriffes.
§ 106. Die Herbartianer.
In den Bahnen ihres Choregen, oft denen des Anti-
Hegelianismus gleich laufend, bewegen sich denn auch die
Spinozakritiker der Herbartschen Schule, wie Jäsche, Thomas,
Zimmermann u. a. So war Jäsche, vielfach durch Herbart an-
geregt und in den Hauptpunkten der Spinozakritik mit ihm über-
einstimmend, der erste, welcher den Pantheismus durch eine
Kritik seiner Geschichte zu vernichten suchte.
Die erste reife Frucht der Herbartschen Kritik aber hat
Karl Thomas gepflückt. Lange vor ihm hat man zwar schon
in Spinoza Elemente entdeckt, die der Alleinheit des Systems
widersprechen. Aber erst Thomas hat im Spinozismus neben
dem mystisch - monistischen einen atomistisch - automatischen
Pantheismus überzeugend nachgewiesen. Doch hat er selbst
dieses Verdienst, welches von der besonnenen Kritik, wie von
Erdmann und Danzel, auch voll gewürdigt worden, und
wodurch besonders die Beziehungen Leibnizens zu Spinoza in
ein neues Licht gerückt werden, durch die Verdächtigungen ver-
dunkelt, die er gegen Spinozas wissenschaftlichen Charakter aus-
spricht. Dies hat viele, wie Orelli, Volkelt u. a., von weiterem
Eingehen auf seine Schriften abgeschreckt und diese beinahe
der Vergessenheit überantwortet. Von Thomas, dem Spinoza
nicht als Atheist erscheint, abweichend, stimmt Drobisch, einer
16*
244
der massvollsten Herbartianer, in diesem Vorwurf Jacobi bei.
Doch wendet er sich mit Hegel gegen die falsche Auffassung
des Spinozismus als eines groben Pantheismus und nennt ihn,
wie Jäsche, Kosmotheismus. In dem Hinausgehen über Schel-
ling und Hegel, also in deren Epigonen Weisse, Fichte u. s. w.,
sieht Drobisch mit Recht eine Annäherung an den Theismus.
Den Spinozismus selbst bekämpft er, wie Thilo u. a., seiner
irreligiösen und unsittlichen Begleiterscheinungen wegen.
§ 107. Trendelenburg.
Günstigere Behandlung, als bei Herbart, widerfuhr Spinoza
seitens eines anderen, nicht minder gewichtigen Gegners der
Hegeischen Richtung. Trendelenburg unterzog das System des
seiner Konsequenz wegen so gefeierten Denkers einer ein-
gehenden Kritik und entdeckte darin Widersprüche und Ein-
seitigkeiten. (Logische Untersuchungen 1840 I S. 97) „Spinozas
grossartige, aber mathematisch-starre Ansicht der Einen Sub-
stanz und seine geometrischen Demonstrationen sind einer
lebendigeren Auffassung und einer entwickelnden Methode ge-
wichen. Aber sein in dem System auf die Einheit gerichteter
Blick bleibt ein grosses Vorbild, und manche Parthien seiner
Schriften, z. B. seine einfache Darstellung der Leidenschaften,
behalten für die Wissenschaft ihre Bedeutung."
Abschnitt V.
Des neunzehnten Jahrhunderts zweite Hälfte.
§ 108. Einleitung.
Die Geschichte der nächsten Jahrzehnte gab Trendelen-
burg recht. Spinoza hatte unvergängliche Vorzüge, welche
selbst unter den ungünstigsten Zeitverhältnissen ihre Geltung
bewahrten. Naturforschung und Politik, wozu bereits im
vorigen Zeitabschnitte sich energische Ansätze zeigen, werden
nun fast ausschliesslich die Pole, um welche sich das geistige
Leben Deutschlands dreht. Sie treten das Erbe der Philosophie
an, wie diese einst die Theologie abgelöst hatte. Der Szenen-
wechsel vollzieht sich nur diesmal rascher und auffallender,
als an irgend einem früheren Wendepunkte in der Geschichte.
Noch einmal hatte sich die gesunde Vernunft trotz Kant durch
metaphysische Gaukeleien bezaubern lassen.
Inzwischen war aber die exakte Naturforschung, das
Geschwisterkind dieser Luftbaukunst, durch die überraschendsten
Fortschritte so weit erstarkt, um den Kampf mit der Metaphysik
furchtlos aufnehmen zu können. Doch jeder Kampf erübrigte
sich. Kaum war der Schlachtruf: „Zu Kant zurück!" ertönt,
da wich der Zauber, — und ohnmächtig stürzte der ganze
Kartenbau in sich zusammen. Im Uebermut ob des so leicht
gewonnenen Sieges wollte nun der feindliche Tross jede Spur
der Vergangenheit, jedefi Zeugen der ursprünglichen Verwandt-
schaft mit der so schmählich gefallenen Spekulation beseitigen.
Doch die Besonnenen, die führenden Geister des neuen Ge-
schlechtes, bekannten sich dankbar als Erben des alten; manch'
kostbares Beutestück fand, gereinigt von den Spinnweben einer
phantastischen Romantik, in dem neuen Bau seinen Ehrenplatz.
Mancher Einfall der Naturphilosophie, eines Goethe und Oken,
246
erhielt in den Errungenschaften der Neuzeit seine Bestätigung.
Vor allem aber war es die Idee, welche in Schellings und
Hegels Denken und Dichten zum Ausdruck gekommen war,
der monistische Gedanke, der Geist Spinozas, welcher auf dem
Felde der naturwissenschaftlichen Forschung Siege feierte. Kein
philosophischesSystem verträgt sich so gut mit den grundlegenden
Theorien der modernen Naturauffassung, mit der Lehre von
der Erhaltung der Kraft und der Abstammung der Arten, wie
gerade der Spinozismus. Ewig ist die Substanz mit ihren At-
tributen; das Verschwinden des einen Modus kann daher nur
die Umwandlung in einen anderen bedeuten; nicht umsonst
hat der Spinozismus seinen Bekennem, wie Lau, Edelmann
und Lessing, die Lehre der Metempsychose nahe gelegt. An-
dererseits ist in einem System der absoluten Kausalität, und
als solches ist ja der Spinozismus schon frühzeitig erkannt
worden, kein Raum für eine teleologische Erklärung des Orga-
nismus, und darin berührt sich Spinoza in einem entscheiden-
den Punkte mit Darwin. Er hat auch mittelbar nicht wenji;
dazu beigetragen, in Deutschland die Bahn frei zu machen fiir
den Triumphzug der neuen Lehre, in welcher ihm selb>t
wiederum eine neue Stütze erstand. „Ich weiss wohl,'" sagt
deshalb Cuvier (bei Lange, Gesch. d. Mat. 1866 S. 412) nicht
ohne Grund, „dass für gewisse Geister hinter dieser Theorie
der Analogieen, wenigstens verworrener Weise, eine andere
sehr alte Theorie sich verbeißen mag, die, schon längst wider-
legt, von einigen Deutschen wieder hervorgesucht worden, um
das pantheistische System zu begünstigen , welches sie Natur-
philosophie nennen."
In der That lieferte die Entwickelungslehre zu einem solciien
Systeme nicht allein den Grundstein, sondern zugleich selbst
den Bauplan. „Wir sehen," sagt Darwin, „dasAntlitz der Natur
strahlend von Heiterkeit; wir sehen oft Ueberfluss von Nah-
rung; aber wir sehen nicht, oder wir vergessen es, dass die
Vögel, welche ringsum so sorglos singen, meist von Insekten
oder Samen leben und so beständig Leben zerstören ; oder wir
vergessen, wie stark diese Sänger, oder ihre Eier, oder ihre
Jungen von Raubvögeln und anderen Thieren vertilgt werden:
wir halten nicht im Sinne, dass das Futter, welches jetzt im
UebeilUiss vorhanden ist, zu andern Zeiten jedes wiederkehrenden
Jahres mangelt."
I )amit hatte der Pessimismus, den wir so oft im Gelbliie
des Spinozismus angetroffen, einen neuen Herold gefunden.
F.S bniuchte nun zum „Kampfe ums Dasein" nur noch die
Lehn: iJuddhas hinzuzutreten, die früher bereits, was ja auch.
247
ihrem Wesen nach, nahe lag, in spinozistischen Kreisen Deutsch-
lands Anklang gefunden hatte, um jener Weltanschauung die
Krone aufzusetzen, welche ein grosser Teil unserer Zeit-
genossen die seinige nennt, und welche in Schopenhauer und
seinen Nachfolgern ihre philosophischen Vertreter sieht. Eine
Philosophie ohne positive naturwissenschaftliche Kenntnisse ist
seitdem unmöglich geworden. In den modernen Vertretern
des Spinozismus begegnen uns sogar, nicht zufallig, zum
grossen Teile Naturforscher von Beruf.
Daneben waren auch, der monistischen Richtung in der
Philosophie vergleichbar, die deutschen Einheitsbestrebungen
endlich zu dem langersehnten Ziele gelangt. Der deutsche
Krähwinkler mit seinen kosmopolitischen Träumen war mit
einem Male deutscher Staatsbürger und Politiker geworden.
Diese neue „eiserne" Zeit hat einen Zug vom Spinozismus.
,,Das Verhältnis des einzelnen zum Staat, die Aufopferung der per-
sönlichen Eigenmächtigkeit und Originalität, indem das Ich
dem Staatswagen vorgespannt wird, steht . . in scharfem Kon-
traste zu der Vergötterung des geistreichen Individuums mit
all seinen Besonderheiten und zu der Gleichgültigkeit für alles
Historische und Politische, welche der Romantik eigen war."
Doch mag diese Zeit sich auch noch so prosaisch und jedem
tieferen Fühlen und Sinnen abhold geben, an so mancher
Stelle hat auch hier Spinoza, ausserhalb des Bereiches der
Klassen- und Rassenhetze, fern ab vom Geklirr des Militaris-
mus, seinen Altar gefunden, die Zuflucht jener, die an dem
Zwiespalt des Lebens erkrankt, im Aether der harmonischen und
allversöhnenden Lehre des grossen Dulders Gesundung suchen.
Nicht blosse Salonsentimentalität feiert Spinoza neben Faust und
Hamlet; nicht nur der ernste Wahrheitsforscher verehrt in ihm
ein Denkerideal. Es ist vielmehr von höchst 2r Bedeutung, dass
selbst der Mann, der mit eiserner Faust dieser ganzen Zeit
den Stempel seines Geistes aufgedrückt hat, wie Goethe der
seinigen, gleich diesem Spinoza Dank weiss, dass er ihm an
dem Scheidewege seines Lebens die rechte Bahn gewiesen
(s. Busch, Unser Reichskanzler. Lpzg. 1884 Bd. I S. 188).
§ 109. Schopenhauer.
Der Pessimismus bildet also den Grundton der Zeitstimmung,
und Schopenhauer ist sein eifrigster Apostel. So heftig nun
auch Schopenhauer gegen den Neospinozismus Schellings und
Hegels loszog, und so entschieden er auch alle Originalität für
seine Lehre in Anspruch nehmen wollte, kaum hatte sein
248
System allgemeinere Beachtung gefunden, als man auch schon
den spinozistischen Zug darin erkannte: „die parallele Zu-
sammengehörigkeit der vermeintlichen beiden Seiten der Welt."
Deutlich erwies sich seine Philosophie als ein Schössling am
Stamme des Spinozismus, als ein Produkt Schellingscher und
Fichtescher Ideen.
Schopenhauer selbst gesteht auch ohne weiteres Spinozas
Einfluss auf seinen Bildungsgang zu. „Es finden," schreibt er
1816 (Frauenstädt, A. Schop. Bert. 1863. S. 250), „Spuren
meiner Lehre sich fast in allen Philosophien aller Zeiten. Nicht
bloss in den Veda's, dem Piaton und Kant, der lebenden Materie
des Bruno, des Glisson und Spinoza." In seinem Hauptwerke
„Die Welt als Wille und Vorstellung" (W. Frauenst. S. 9. 31.
Buch I. § 3 fin. § 7) kommt Spinoza erst nach Kant, Plato
und Malebranche zu Worte. Doch bringt bezeichnender Weise
schon die erste ausführlichere Erwähnung dieses „jüdischen
Optimisten" eine Kritik seiner Lehren. (S. 91) „Spinoza, der
sich immer rühmt, more geometrico zu verfahren, hat dies
wirklich noch mehr gethan, als er selbst wusste. . . Das be-
absichtigte und bei ihm vorher gewisse Resultat erlangt er aber
freilich nur dadurch, dass er willkürlich selbst gemachte Begriffe
. . . zum Ausgangspunkt nimmt und im Beweisen alle jene
Willkürlichkeiten sich erlaubt, zu denen das Wesen der weiten
Begriffssphären bequeme Gelegenheit giebt. das Wahre und
Vortreffliche seiner Lehre ist daher bei ihm auch ganz un-
abhängig von den Beweisen, eben wie in der Geometrie." (S. 50 1
„Spinoza sagt (ep. 62), dass der durch einen Stoss in die
Luft fliegende Stein, wenn er Bewusstsein hätte, meinen
würde, aus seinem eigenen Willen zu fliegen. Ich setzte
nur noch hinzu, dass der Stein Recht hätte. Der Stoss ist für
ihn, was für mich das Motiv . . Spinoza hatte sein Augenmerk
auf die Nothwendigkeit, mit welcher der Stein fliegt, gerichtet
und will sie, mit Recht, übertragen auf die Nothwendigkeit des
einzelnen Willensaktes einer Person. Ich hingegen betrachte
das innere Wesen, welches aller realen Nothwendigkeit (d. i.
Wirkung aus Ursache), als ihre Voraussetzung, erst Bedeutung
und Gültigkeit ertheilt, beim Menschen Charakter, beim Stein
Qualität hcisst, in beiden aber das Selbe ist, da wo es unmittel-
bar erkannt wird, Wille genannt." Völlig aber stimmt er in
seinem Determinismus und seiner „Kontemplation, (§ 211) wo
mit einem Schlage das einzelne Ding zur Idee seiner Gattung
und das anschauende Individuum zum reinen Subjekt des Er-
kennens" wird, mit Spinoza überein. Ferner heisst es S. 33")
^Auf diesen Standpunkt (des Goetheschen Prometheus-
249
könnte auch die Philosophie des Bruno und die des Spinoza
denjenigen führen, dem ihre Fehler und UnvoUkommenheiten
die Ueberzeugung nicht störten und schwächten. Eine eigent-
liche Ethik hat die des Bruno nicht und die in der Philosophie
des Spinoza geht gar nicht aus dem Wesen seiner Lehre hervor,
sondern ist, obwohl an sich lobenswerth und schön, doch nur
mittelst schwacher und handgreiflicher Sophismen daran geheftet."
Des weiteren (S. 345) wendet sich Schopenhauer gegen
Spinoza wie gegen seinen Lehrer Descartes, weil sie den
Willen zum Denkakte machten. „Danach nun wäre jeder
Mensch das, was er ist, infolge seiner Erkenntniss geworden. . .
Ferner würde er danach zuvörderst ein Ding für gut erkennen
und in Folge hiervon es wollen; statt dass er zuvörderst es
will und in Folge hiervon es gut nennt. " Schopenhauer unter-
stützt hier also Spinoza, in der Meinung, ihn zu bekämpfen.
Wenn sodann Spinoza lehrt, (S. 352) „dass der Wille durch
die Motive, wie das Urtheil durch die Gründe nothwendig be-
stimmt werde", so ist dies nach Schopenhauer ein Urteil,
„welches seine Richtigkeit hat, jedoch als eine wahre
Konklusion aus falschen Prämissen auftritt." Doch lässt
er sich bei seiner Fundirung der ethischen Affekte auf
das Mitleid (S. 444) gern von Spinoza helfen. Auch da, wo
er von der Verneinung des Willens zum Leben handelt
(S. 455 f.), gedenkt er u. a. des Lebensbildes unseres
Philosophen, wie es Coler gezeichnet hat. Den Schlüssel hierzu
findet er in „jenem herrlichen Eingang zu seiner sehr ungenügenden
Abhandlung „De emend. intelL", welche Stelle ich zugleich
als das wirlöamste, mir bekannt gewordene Besänftigungs-
mittel des Sturms der Leidenschaften anempfehlen kann."
Wie nahe sich Schopenhauer auch sonst in seiner Denk-
richtung Spinoza verwandt fühlte, verrät seine Anmerkung zu
S. 500 (vgl. Parerga S. 148). „Bruno und Spinoza . . stehen
jeder für sich und allein, und gehören weder ihrem Jahrhundert
noch ihrem Welttheil an, welche dem einen mit dem Tode,
dem andern mit Verfolgung und Spott lohnten. Ihr kümmer-
liches Daseyn und Sterben in diesem Occident gleicht dem
einer tropischen Pflanze in Europa. Ihre wahre Geistesheimat
waren die Ufer des heiligen Ganga: dort hätten sie ein ruhiges
und geehrtes Leben geführt, unter ähnlich Gesinnten." In
Spinoza schätzt er auch (S. 504) die grosse innere Kraft, die
sich selbst im ungünstigsten Zeitpunkte äussert. Dagegen tadelt
er Leibniz (565), „der, statt von seinen gi'ossen philosophischen
Zeitgenossen, Spinoza und Locke, zu lernen, lieber seine eigenen
Erfindungen auftischte."
260
Im zweiten Bande verargt es Schopenhauer, gelegentlich
eines seiner beliebten Feldzüge gegen die deutsche Katheder-
philosophie, Spinoza, dass er die Welt „Gott" genannt. Was
das ''Ev xai Tcdv in Wahrheit sei, lehre erst seine eigene Philo-
sophie. Er verhalte sich zu Spinoza, wie das neue Testament
zum alten. Spinozas Optimismus läuft auf Spielereien mit
biblischen Begriffen hinaus. Ferner kann er nicht umhin bei
diesem Anlass seinem Judenhasse ein wenig Luft zu machen
(vgl. W. a. W. I 274. 577. Parerg. [1851] 224). Auch dürfe
man Spinoza nie ganz ausserhalb des Kartesianismus be-
trachten. (Vgl. Ueber die vierfache Wurzel §. 8.) Irrtümlicher
Weise schreibt Schopenhauer (W. Frauenst. 1873 I. \'orr.
S. XXXII) sich, wie vor allen anderen Vorgängern, so auch
vor Spinoza den Vorzug zu, mit der offenen Erklärung
des Monismus nicht gefackelt zu haben. Von der „Ethik" heisst
es ähnlich, wie oben (W. a. W. I 335), noch (W. Frauenst.
1874 „Ueber den Willen in der Natur" S. 141): „Spi-
noza klebt bisweilen vermittelst Sophismen eine Tugend-
lehre an seinen fatalistischen Pantheismus, noch öfter
aber lässt er die Moral gar arg im Stich." Doch hätte sich
hierin Spinoza mit Kant und Fichte trösten können. Nun aber
fährt er fort: ,,Nur die Metaphysik ist wirklich und unmittelbar
die Stütze der Ethik, welche schon selbst ursprünglich ethisch
ist, aus dem Stoffe der Ethik, dem Willen, konstruirt ist; wes-
halb ich, mit viel besserem Recht, meine Metaphysik hätte
„Ethik" betiteln können, als Spinoza, bei dem dies fast wie
Ironie aussieht und sich behaupten liesse, dass sie den Namen
wie lucus a non lucendo führt, da er nur durch Sophismen
die Moral einem System anheften konnte, aus welchem sie
konsequent nimmermehr hervorgehen würde: auch verleugnet
er sie meistens geradezu, mit empörender Dreistigkeit (z. B.
Ethik IV pr. 37 schol. 2). Ueberhaupt darf ich kühn behaupten,
dass nie ein philosophisches System so ganz aus einem Stück
geschnitten war, wie meines, ohne Fugen und Flickwerk.**
Doch schon wenige Zeilen darauf findet Spinoza vor ihm wieder
Gnade. Am Schlüsse (S. 146) hält er ihn, den schlichten Glas>-
schleifer, der neuen Philosophenzunft mit ihrer Hofrathstiteb
nicht als mahnendes Beispiel entgegen.
In „D. beiden Grundprobl. d. Ethik" (Frauenst. S. 12)
stellt Schopenhauer Spinoza neben alle die, welche daran ge-
scheitert sind, ,,die moralische Verantwortlichkeit des mensch-
lichen Willens ohne Asei'tät desselben zu denken." Dagegen
ist andererseits (S. 152) Spinoza der erste, der mit dem Duali>-
mus gebrochen hat, „dessen Philosophie hauptsächlich im Wider-
261
legen des zwiefachen Dualismus seines Lehrers besteht**. Er
erwähnt noch seinen Determinismus (S. 174), seine Verwerfung
des Mitleides (246) und seinen Pantheismus (269).
Als Pantheist erscheint auch Spinoza in den „Parerga und
Paralipomena" (1851 Bd. I S, 5). „Spinoza geht (S. 7) wieder
unmittelbar von Cartesius aus: daher behielt er Anfangs, als
Cartesianer auftretend, sogar den Dualismus seines Lehrers bei,
setzte demnach eine substantia cogitans eine subst. extensa,
jene als Subjekt, diese als Objekt der Erkenntniss. Später hin-
gegen, als er auf eigenen Füssen stand, fand er, dass beide
eine und dieselbe Substanz wären, von verschiedenen Seiten
angesehen, also Ein Mal als substantia extensa, das andere
als subst. cog. aufgefasst. Dies heisst nun eigentlich, dass
die Unterscheidung von Denkendem und Ausgedehntem, oder
Geist und Körper, eine ungegründete, also unstatthafte sei,
daher nun nicht weiter von ihr hätte geredet werden sollen.
Allein er behält sie insofern immer noch bei, als er unermüd-
lich wiederholt, dass Beide Eins seien . . . Daraus, dass der
Unterschied zwischen Geist und Körper oder zwischen dem
Vorstellenden und dem Ausgedehnten, ungegründet ist, folgt
keineswegs, dass der Unterschied zwischen unserer Vorstellung
und einem ausserhalb derselben vorhandenen Objektiven und
Realen, dieses von Cartesius aufgeworfene Ur-Problem, auch
ungegründet sei . . Dieses Problem hat Spinoza . . noch nicht
gelöst, sondern allenfalls den physischen Einfluss jetzt wieder
zulässig gemacht. Dieser aber taugt doch nicht, die Schwierig-
keit zu lösen; denn das Gesetz der Kausalität ist erwiesener-
massen subjektiven Ursprungs." Nun unterstellt Schopenhauer
Spinoza falschlich die Entlehnung der Vision en Dieu von
Malebranche und findet in ihm die praestabilirte Harmonie-
lehre. (S. 9) Ganz wie bei seinem Todfeind Hegel heisst es
bei Schopenhauer: „Wir haben hier also zuvörderst einen
gänzlichen Realismus." Die Dunkelheit Spinozas, ein Zeichen
unklaren Denkens, „entspringt daraus, dass er nicht unbefangen,
von der Natur der Dinge, wie sie vorliegt, ausging, sondern
vom Cartesianismus." Dadurch geriet Spinoza auch „in viele
schreiende Paradoxien, offenbare Falschheiten, ja Absurditäten
und Widersprüche", so dass sein „Leser zwischen Bewunderung
und Verdruss hin und hergeworfen wird.'* Den Hauptfehler
Spinozas findet er, wie nach ihm Ed. v. Hartmann, in Fol-
gendem. (S. 10) „Die Ausdehnung ist keineswegs der Gegen-
satz der Vorstellung, sondern liegt ganz innerhalb dieser. Als
ausgedehnt stellen wir die Dinge vor, und insofern sie ausge-
dehnt sind, sind sie unsere Vorstellung; ob aber, unabhängig
262
von unserm Vorstellen, irgend etwas vorhanden sei, ist die
Frage und das ursprüngliche Problem. Spinoza ist so bei der
vorgestellten Welt stehen geblieben." Hieraus erklärt sich
auch Spinozas Irrtum, dass er „das alleinige wahrhafte Reale,
den Willen, ins Ideale" verlegt, indem er ihn mit dem Urteil
identifizirt.
„Ueberhaupt hat Spinoza den grossen Fehler, dass er
absichtlich die Worte missbraucht zur Bezeichnung von Be-
griffen, welche in der ganzen Welt andere Namen fuhren,"
(vgl. Schopenhauers „Willen") „und .dagegen ihnen die Be-
deutung nimmt, die sie überall haben: so nennt er „Gott", was
überall „die Welt" heisst; „das Recht", was überall „die Ge-
walt" heisst;" (vgl. Bd. II S. 205) „und „den Willen", was
überall „das Urtheil" heisst.** Denselben Fehler findet er auch
bei Schelling (S. 24. 26. 27), nur nicht bei sich selbst, wo er
am nächsten lag. Besonders bekämpft er Spinoza als den
Vater des „Pantheismus, nach welchem das Wort Gott ein
Synonym von Welt ist," welcher unter den Gelehrten und
sogar den blos Gebildeten, durchaus vorherrschend und allge-
meine Mode'* geworden (Parerg. I 177 fg.), während er höch-
stens dem Theismus gegenüber als ein „Ignotum per ignotius"
Berechtigung hat (II 84 fif.). „Der Grundgedanke der Hegeischen
Philosophie ist die aufgefrischte Scholastisch-Realistische Lehre :
Universalia ante rem, und damit der Spinozismus neu heraus-
geputzt" („Pandekta" Frauenst., A. Schop. S. 399). Kuno
Fischer hat, nach Schopenhauer (Brief v. 28. Jan. 1854, a. a.
O. S. 602), Spinoza „hegelianisirt und mit dem krassesten Köhler-
glauben an Spinoza als eigene festeste Ueberzeugung vor-
getragen, die so empörende Moral des Spinoza noch outrirti
Das glaub ich, dass er hundert Zuhörer in Heidelberg hatte:
die Jungens laufen hin, um zu vernehmen, was ihrer Gier und
bösen Gelüsten zusagt, dass es weder Recht noch Unrecht,
noch Gutes und Böses gebe. Das Ministerium in Baden hat
sehr recht gethan, dem Menschen das Handwerk zu legen.
Er steht da als der letzte Hegelianer und Märtyrer seiner
Urtheilslosigkeit: Kein Katholik glaubt so fest und blind ans
Evangelium, wie er an die deliramenta Spinozae. Er hat ge-
meint, durch diesen Glauben alles eigene Denken zu ersetzen.**
Man sollte glauben, den frommen Mendelssohn in diesen Wor-
ten zu hören, wenn nicht der Ton gar zu deutlich an Schopen-
hauer erinnerte.
Doch muss man alle diese absprechenden Urteile über
Spinoza unter dem Gesichtspunkte betrachten, dass Schopen-
hauers Eitekleit auf das heftigste gegen jeden loszieht, durch
258
den er etwas von seiner Originalität einzubüssen fürchtet, und
dass er im blinden Eifer manchmal Gegensätze da herauskehrte,
wo in Wirklichkeit keine bestanden. Er hätte vielleicht von
vornherein eine andere Stellung zu Spinoza eingenommen,
wäre er nicht schon früh vor der Lektüre dieses Philosophen
gewarnt worden. So plant er, unbewusst ganz im Geiste der
„Ethik", schon 1813 ein Werk, welches zugleich Ethik und
Metaphysik sein soll. Daher die wesentliche Verwandtschaft
seiner „Welt als Wille und Vorstellung** mit dem Hauptwerke
Spinozas. Aber auch im einzelnen erkennen wir dessen Züge bei
dem Jünger Buddhas wieder. Sein „Wille zum Leben**, worin er
mit mindestens eben der Willkür, wie er sie überall an Spinoza
zu tadeln weiss, ein anthropologisches Prinzip zu einem kosmo-
logischen erhebt, erinnert zu gleicher Zeit an Spinozas Substanz mit
den Attributen des Denkens und der Ausdehnung, bei Schopen-
hauer Wille und Körperbewegung, und an den Trieb der
Selbsterhaltung in der Spinozischen Affektenlehre. Ebenso
finden wir, wenn mehr auf die Sache als auf Worte gesehen
wird, in Schopenhauers Verneinung des Willens zum Leben,
dem rettenden Ausweg aus dieser Welt des Jammers, nicht
schwer eine Aehnlichkeit mit Spinozas Resignation, dem amor
Dei heraus. Nimmt man hierzu noch seine eigenen Geständ-
nisse seiner Beziehungen zum Spinozismus, so können wir,
ohne ihm Unrecht zu thun, seine Philosophie als einen neuen
geistreichen Versuch in die Kette der Systeme eingliedern, die
an Spinoza anknüpft, und in ihr mit Zeller (Gesch. d. d. Philos.
889 f.) deutlich die Nachwehen der romantischen Schule heraus-
spüren, „der sich unser Philosoph, wie durch seinen ganzen,
zwischen subjektivem Idealismus und extremem Pantheismus
widerspruchsvoll schwebenden Standpunkt, so auch durch seinen
Genialitätsdünkel und seine dem Genie zugestandenen Freiheiten
nahe verwandt zeigt.'
((
§ 110. Ed. V. Hartmann.
Der Mangel an solchen Auswüchsen ist ein besonderer
Vorzug des bedeutendsten Jüngers Schopenhauers, des Philo-
sophen des „(Jnbewussten**. Hartmann arbeitet als bewusster
Fortbildner und Ueberwinder seiner unmittelbaren Vorgänger:
Schelling, Hegel und Schopenhauer. Seine Lehre finden wir
auf dem Wege, welcher von Spinoza zu Fichte, von Fichte
zu Schelling u. s. w. führt. („Phil. d. Unbew.**^ 1882 Bd. II
S. 198). Was die deutsche Philosophie philosophisch ausgeführt
und begründet, das hatten „die pantheistischen und mystischen
254
Philosophen des Mittelalters und der Reformationszeit vor-
bereitet." Die Blüte dieser Mystik ist der Spinozismus.
„Sollte ich", so heisst es Bd. IS. 320f., „den Mann nennen,
den ich für die Blume des philosophischen Mysticismus halte,
so sage ich Spinoza: als Ausgangspunkt die mystische Sub-
stanz, als Endpunkt die mystische Liebe Gottes, in der
Gott sich selber liebt, und alles Uebrige sonnenklar —
nach mathematischer Methode. Gewiss hat Spinoza nicht
geglaubt, Mystiker zu sein, sondern vielmehr vermeint, Alles
so sicher bewiesen zu haben, dass jeder es einsehen
müsse, und doch hat sein System, so sehr es imponirt,
gar nichts Ueberzeugendes und so wenige überzeugt, weil
man zunächst von der Substanz in Spinozas Sinne überzeugt
sein muss, was nur ein Mystiker kann oder ein Philosoph, der
zum Schlüsse seines Systemes dieselbe auf andere Weise er-
reicht hat, und dann den Spinozismus nicht mehr braucht.
Aehnlich ist es mit anderen Systemen, ausgenommen die we-
nigen, die von unten angefangen, wie Leibniz und die Eng-
länder, dann aber auch nicht weit kommen, und eigentlich
nicht mehr Systeme zu nennen sind. Der vollständige ratio-
nelle Beweis für die mystischen Resultate kann erst am Schlüsse
der Gesch. der Philosophie fertig sein, denn letztere besteht,
wie gesagt, ganz und gar i . dem Suchen dieses Beweises."
Dieser Philosoph, der den Substanzbegi'ifif auf anderem,
nämlich induktivem Wege gefunden, will nun Hartmann selbst
sein. Damit ist schon ein Unterschied zwischen ihm und
Spinoza gegeben, der es zugleich erklärt, dass Hartmann sich
vom — deduktiven — Spinozismus nicht überzeugt fühlt. Auf
Spinoza hauptsächlich zielt seine Bemerkung (I S. 8), dass
„alle Philosophen, die ihr System deduciren, . . in der That
durch das einzige Mittel, das ausser der Induction übrig bleibt,
zu ihren Principien gekommen, durch einen Luftsprung von
mvstischer Natur.**
Hiermit hängt auch der Hauptunterschied zwischen Hart-
mann und Spinoza zusammen. Hartmann bekennt sich oft
und gern als einen Nachfolger Leibnizens, des Vertreters des
Individualismus und des Entwickelungsprinzipes gegenüber
Spinoza, der (II S. 253) „dogmatisch die Individuen für modi
der Einen Substanz erklärt, aber die Entwickelung des Modus
aus der Substanz, oder den Nachweis, warum jeder Modus
sich vom anderen unterscheide und eine in seiner Art einzige
Existenz bilde, gänzlich schuldig bleibt." Ebenso hat seine
„starre Noth wendigkeit , deren Seelenlosigkeit und Zweck-
losigkeit die wechselnde Mannigfaltigkeit der Gestaltungen des
255
Daseins doch nur wie ein gleichgültiges, ich möchte fast sagen :
launenhaft zufalliges Spiel erscheinen lässt, für den Begriff der
Entwickelung noch keinen Raum" (II S. 368). Leibniz steht
in einer Reihe mit Schelling u. a., als Empirist, den Systema-
tikern Spinoza und Hegel gegenüber (Ges. Studien u. Aufsätze
Berl. 1876 S. 569 fg.) Hartmann stellt sich nun die Aufgabe,
diese Extreme mit einander auszugleichen.
In dem Zentrum seines Hauptwerkes, dem 7. Kapitel des
Abschnittes C („Die All-Einheit des Unbewussten**), verteidigt
er den Monismus, z. T. sogar gegen Angriffe, welche sich
einst gegen Spinoza gerichtet haben (vgl. II S. 159).
Zugleich steht er auch positiv auf Spinozas Seite
(S. 159). „Erst wenn man erkannt hat, dass das Bewusst-
sein nicht zum Wesen, sondern zur Erscheinung gehört, dass
also die Vielheit des Bewusstseins nur eine Vielheit der Er-
scheinung des Einen ist, erst dann wird es möglich, sich
von der Macht des praktischen Instinktes, welcher stets „Ich,
Ich" schreit, zu emancipiren, und die Wesenseinheit aller
körperlichen und geistigen Erscheinungsindividuen zu begreifen,
welche Spinoza in mystischer Conception erfasste und als die
Eine Substanz aussprach." Dies klingt nun freilich nicht gerade
wie Leibniz. Ja noch mehr! Wir finden bei Hartmann auch
eine so scharfe Kritik dieses Denkers, wie wir sie eher von
einem seiner Gegner erwarten sollten.
Schon in der Art und Weise, wie Leibniz die Relativität
des Individualitätsbegriffes behandelt (II S. 150. 152), kann
Hartmann mit ihm nicht ganz übereinstimmen. Bei dem
Mangel an den nötigen empirischen Stützen gilt sie ihm über-
haupt nur als „ein genialer Griff.'* Entschieden aber wendet
er sich (S. 153) gegen die „künstliche und ungenügende Hypo-
these der praestabilirten Harmonie, durch welche alles reale
Geschehen überhaupt aufgehoben und der Weltprocess in ein
beziehungsloses Nebeneinander von gesonderten Vorstellungs-
abläufen in unthätigen isolirten Monaden zerpflückt wird." Sie
ist „ein spieleriger Mechanismus, der obenein ganz zwecklos
ist.** „Was uns ferner,** so schliesst Hartmann (S. 154), „von
Leibniz unterscheidet, ist die gewonnene Erkenntniss, erstens,
dass das organische Individuum höherer Ordnung nur in der
betreffenden Einheit der Individuen niederer Ordnung besteht,
und dass das Bewusstseinsindividuum überhaupt erst durch
eine Wechselwirkung gewisser materieller Theile des organischen
Individuums mit dem Unbewussten entsteht.** Dabei wird
hervorgehoben, dass „schliesslich auch Leibniz sich genöthigt
sieht, das beziehungslose Nebeneinander seiner fensterlosen
256
Monaden zum Ineinander, d. h. zum Aufgehobensein aller
Monaden in einer absoluten Centralmonade umzugestalten/'
Leibnizens absolute Centralmonade vermag den ihr anhaften-
den Widerspruch nur abzustreifen, (S. 165) „indem sie sich
wieder mit Spinoza's Einer Substanz identifizirt, in welcher
die vielen Individuen oder Monaden zu unselbstständigen Er-
scheinungsformen oder Modis herabgesetzt sind." „Dieses
Zurückgehen**, so redet Hartmann zugleich seinem eigenen \'er-
fahren das Wort, „von Leibniz auf Spinoza ist aber so wenig
ein Rückschritt, wie das Zurückgehen von dem Standpunkte der
heutigen Naturwissenschaft; in beiden Fällen ist man durch
die Fortschritte der Empirie und Induction in den Stand gesetzt,
mystisch-geniale Conceptionen eines Früheren a posteriori zu
begreifen und zu begründen."
Wie aber sucht nun Hartmann selbst diese beiden Stand-
punkte zu vereinen, das Problem des Spinozismus zu lösen?
Es handelt sich um die Versöhnung der Gegensätze: Gott-
Welt, Unendliches — Endliches.
Hartmanns Gottesbegriff entspricht nun nach seinem eigenen
Geständnisse dem Begriffe der Spinozischen Substanz (II 162.
453. 458), allerdings wie er sie fasst, mit nur zwei Attributen.
(S. 453) „So wie die substantielle Identität und nur functio-
nelle zuständliche Verschiedenheit beider Principien anerkannt
ist, haben wir Spinoza's Eine Substanz mit zwei Attributen
erreicht." Diese Einheit wird aus ihren Konsequenzen postulirt,
und (S. 455) „so unhaltbar jeder Dualismus als absoluter, so
unentbehrliche Voraussetzung ist ein relativer, immanenter
Dualismus für die Wahrheit des absoluten Monismus." Hier
lag es nahe, den Unterschied von Spinoza näher zu be-
zeichnen. (Abschn. C. cap. XV S. 457 fg.) „Zur Auseinander-
setzung mit Spinoza haben wir schliesslich noch folgende
Differenzen hervorzuheben. Zunächst wäre es ein grosser
Irrthum, wenn man das Verhältniss unserer Substanz zu
unseren Attributen so fassen wollte, wie es bei Spinoza von
manchen Auslegern geschehen ist, als ob nämlich erstere die
Potenz der Attribute, und diese deren Actus oder Thätigkeiten
wären, lieber den Begriff der Potenz sind wir längst hinweg,
denn die Potenz des Seins oder WoUens ist ja selbst das
Eine der Attribute, und das Andere haben wir ausdrücklich
als das rein Seiende bestimmt, welches aus keiner Potenz
mehr hervorgegangen ist. Zu keinem von beiden kann also
die Substanz im Verhältnisse der Potenz stehen, und keines
von beiden ist actus, welcher aus einer Potenz hervorginge.
Dies ist ein Hauptunterschied von Spinoza, bei welchem ganz
2B7
offenbar die Substanz als die Potenz der Attribute erscheint.
Darin aber kann man mit Spinoza übereinstimmen, dass die
Existenz erst in dem herausgesetzten Modus zu finden ist,
der Substanz als solcher sammt ihren Attributen aber nur die
Subsistenz zukommt."
Der andere Unterschied liegt, nach Hartmann, in der
Bestimmung des einen Attributes, welches Spinoza nach dem
Vorgange Descartes' Ausdehnung nennt. Nun sind aber Denken
und Ausdehnung gar keine Gegensätze, denn die Ausdehnung
ist ja auch ein Denken. Einen Gegensatz bilden nur Denken
und reale Ausdehnung, welche von Spinoza auch nur gemeint
ist. Doch besteht auch hierbei „der Gegensatz nicht zwischen
„Denken" und „Ausdehnung", sondern zwischen „Denken"
und „real" oder „Idealem" und „Realem" ; nicht die Ausdehnung
macht die Realität, sondern sie selbst muss erst real gemacht
werden, um mit dem Denken einen Gegensatz zu bilden. Das
zweite Attribut Spinozas musste also dasjenige sein, welches . .
— nicht bloss die Ausdehnung, sondern auch alles übrige
Ideale — real macht, dies ist aber nichts anderes, als der Wille.
Dann erst, wenn man statt der Ausdehnung den Willen
setzt, wird Spinozas Metaphysik zu dem, was sie sein sollte,
dann aber fallt auch der Gipfel unserer Pyramide mit der von
Spinoza mystisch postulirten Einen Substanz zusammen."
Im Gegensatze zu der Hartmannschen Auffassung der
Substanz hat aber schon Spinoza selbst diese ausdrücklich als
reine Aktualität gefasst. Nirgends findet sich bei ihm der Be-
griff des Potentiellen. Ferner wird, wie Hartmann ganz richtig
bemerkt, durch die Substituirung des Begriffes des Wollens für
den der Ausdehnung nicht nur der Sinn der Substanz ein
wesentlich anderer, sondern zugleich durch die Aufnahme des
Begriffes des Werdens das ganze System Spinozas gestürzt.
Während Spinozas Gott mit seinen unzähligen Attributen in
Wahrheit ausser der Welt unserer Erfahrung liegt, wird er bei
Hartmann mit in die Entwicklung des Kosmos hineingezogen,
ohne dass doch damit die Individualität ihre zutreffende Er-
klärung findet.
Im übrigen aber verweist Hartmann mit Recht auf die
Aehnlichkeit seines Absoluten mit der Substanz Spinozas. Er
zieht ihn ausdrücklich als Analogon an, wo er von dem Be-
wusstsein seines Unbewussten spricht (II S. 179). Mit dem
Spinozismus verträgt sich auch seine Intention des Absoluten
(S. 186), die „über diejenige Form) welche wir als Bewusstsein
kennen, erhaben ist, d. h. dass sie negativ bestimmt eine un-
bewusste, positiv unbestimmt bezeichnet eine überbewusste ist."
17
268
Ebenso handelt er von der Selbsterkenntnis Gottes in bewusster
Uebereinstimmung mit Spinoza (S. 188).
Wenn aber Hartmann in seinem Systeme der Teleologie
Raum gibt, so ist diese Ausflucht nicht viel besser als die
moralische Notwendigkeit bei Leibniz. „Spinoza," so meint er
(I S. 36 f.), „verblendete sich vollständig gegen die Thatsache
der Naturzwecke, weil er die Finalität im Widerspruch mit der
logischen Nothwendigkeit glaubte, — während sie doch mit ihr
identisch ist." Doch ist damit für eine Theodicee nicht viel gethan.
„Ebenso gewiss," heisst es Absch. C. Cap. XV. II S. 451,
„wie das Bestehen einer objectiven Nothwendigkeit in der Welt,
ebenso gewiss ist es, dass alles Geschehen in der Welt ein
logisch bestimmtes und bedingtes ist, weil eben der Begriff
der Nothwendigkeit nur als logische Nothwendigkeit haltbar ist.**
Was liegt hierin für ein Trost, und welcher Fortschritt gegen
Spinoza? Sollte sich darauf das Recht stützen dürfen, eher als
Spinoza das Absolute „Gott" zu nennen? (II 201.)
Dagegen stimmt Hartmann mit Spinoza (II 359), „der doch
gewiss von ganz anderen Voraussetzungen ausgeht," wieder
in der Leugnung der persönlichen Unsterblichkeit, in der De-
finition des Mitleides (II 322) u. a. Einzelheiten überein.
So sieht sich denn unser Philosoph nicht allein auf dem
Gipfel der Pyramide, die er induktiv erklommen, der wohl-
bekannten Substanz Spinozas gegenüber, sondern auch beim
Abstieg geht er oft genug mit diesem Hand in Hand. Mit
Hartmann sind wir wiederum um eine Station weiter gekommen
auf dem Wege, welchen Spinozas Genie seinen Nachfolgern
auf Jahrhunderte hinaus vorgezeichnet hat.
Was Hartmann vor seinem Meister Schopenhauer und den an-
deren nachkantischen „Neuscholastikern", wie der Hartmannianer
Venetianer sich ausdrückt, besonders auszeichnet und seine
Hauptschrift zu einem der gelesensten Bücher auch ausserhalb
Deutschlands gemacht hat, ist seine geschickte und sachkundige
Benützung des verfügbaren naturwissenschaftlichen Materials.
Der naturwissenschaftliche Apparat war die beste Empfehlung
eines philosophischen Systems geworden. Nur durch diesen
Kompromiss konnte sich die Metaphysik behaupten. Zugleich
war Hartmanns geistreiche und gründliche Durchführung de.^
monistischen Prinzipes eines der wirksamsten Mittel gegen die
Ausschreitungen des Materialismus.
§ 111. Der Materialismus.
Dieser hatte nach dem Bankerott der Hegeischen Meta-
physik nichts mehr von einer „Naturphilosophie" wissen wollen
25a
und z. T. sogar äusserlich in der Abtrennung einer natur-
wissenschaftlichen Sektion von der philosophischen Fakultät
an manchen Universitäten jede Beziehung zu der spekulativen
Philosophie abgebrochen. Günstige Zeitverhältnisse und vor
allem die nie geahnten Entdeckungen eines Rob. Mayer, Schiei-
den und Schwann, Virchow und Darwin, sowie die ans Wunder-
bare streifenden Anwendungen des Dampfes und der Elektri-
zität auf das industrielle und kommerzielle Leben, mit uner-
messlichen Ausblicken in die Zukunft, eroberten der materia-
listischen Bewegung in kurzem die Welt der Halbgebildeten.
In ihren philosophisch-theoretischen Grundlagen mit dieser
Geistesströmung wesenseins und aus denselben Ursprüngen
herzuleiten sind die sozialistischen Bestrebungen in Deutsch-
land, welche aus den schwachen Anfängen der 40 er Jahre in
stetem Wachstum schliesslich in unseren Tagen zur Haupt-
angelegenheit weiter Gesellschaftskreise geworden sind. Wäh-
rend die Sozialisten in England und Frankreich noch mit dem
Christentum Fühlung suchten, welches sie als sozialistische
oder doch, wie St. Simon, durch den Sozialismus zu er-
gänzende Lehre darstellten, zeigen ihre deutschen Genossen
eine starke nationale Schattirung in ihrer entschiedenen Ver-
werfung jeder positiven Religion, wie jedes Spiritualismus
überhaupt. Dies erklärt sich aus dem spekulativ-systematischen
Beisatz, den diese Bewegung bei uns — echt deutsch —
sogleich mit auf die Welt brachte. Auch ohne die ausdrück-
lichen Hinweise auf Fichte, Schelling, Hegel und besonders
auf Feuerbach in den Schriften eines Marx, Engels, Lassalle
{z, B. in der berühmten Rede „Die Wissenschaft und die
Arbeit"* Zürich 1863. S. 23. 24. 52. „Herr Bastiat Schulze
von Delitzsch", Berlin 1864, beginnt mit einer Stelle aus Schel-
ling. Vergl. daselbst S. 249. 251 fif.) u. a. sind solche Weg-
weiser auf den Gedankengängen der Sozialisten leicht zu
entdecken, vor allem in ihrer Geschichtsphilosophie. Der
Hegeische Satz: die Realisirung des Begriffs der Freiheit ist
das Ziel der Weltgeschichte, leuchtet in diesen Geschichts-
konstruktionen überall als Leitsatz durch. Und hier liegt auch
der Punkt, in welchem sich der Sozialismus mit Spinozas
Lehre, wenn auch nicht unmittelbar, berührt. „Der Sozialis-
mus", sagt K. Biedermann in seinen „Vorlesungen über Sozia-
lismus und soziale Fragen, Leipzig 1847", „will, indem er die
Ideen der Freiheit, Gleichheit und Gemeinsamkeit in ihrer An-
wendung nicht blos auf das politische, sondern auch auf das
soziale Leben der Menschen zu verwirklichen strebt, — er
will, sage ich, dadurch das wahre Wesen des Menschen zu
17*
260
seiner vollen Geltung und Entwickelung bringen. Das wahre
Wesen des Menschen ist die Freiheit — denn die Freiheit
besteht', wie schon Spinoza sagte, darin, dass ein Wesen nur
den inneren Gesetzen seiner Natur folge."
Allein, wie schon dieser Punkt doch zugleich in das Pro-
gramm des Liberalismus fallt, so neigt überhaupt Spinozas
politisch - soziale Anschauung, wie sie endgiltig der politische
Traktat wiedergiebt, entschieden mehr nach der liberalen
Seite hin.
Die Auffassung des Naturzustandes als bellum omnium
contra omnes, — übrigens ähnlich der sozialistischen Dar-
stellung des sozialen Status quo (vgl. Lassalles Bastiat-Schulze
S. 35 ff.) — die möglichste Wahrung der Individualität
im Rahmen des Staates, das Prinzip der Selbsthilfe, die poli-
tische Zurücksetzung der Frau u". s. w., — das sind jedenfalls
Punkte, die unsere Sozialisten nicht gut unterschreiben könnten.
Daher auch die sonst immerhin merkwürdige Erscheinung,
dass Spinozas Gegner ihn nicht schon auch für diese Bewegung
verantwortlich gemacht haben.
Dagegen war eine andere Seite des Materialismus, seine
Abkehr von allem Theologischen, sowie der Anstrich vorurteils-
freier exakter Forschung, den er sich zu geben wusste, für
manche, wie für den Dorpater Theologieprofessor von Oettinger,
eine willkommene Handhabe gegen Spinoza. Er, der so oft
für andere hatte büssen müssen, sollte auch die Schuld an
dem neuen Atheismus tragen. Doch konnte der Gegensatz
zwischen dem tiefen Denker und den flachen Materialisten
ruhiger Urteilenden, wie Trendelenburg, Janet u. a., nicht ver-
borgen bleiben. Mit der dualistischen Formel „Kraft und Stoff**
glaubte man das Rätsel der Welt und des Lebens gelöst zu
haben. Es bemächtigte sich der Gemüter eine Selbstzufrieden-
heit und Selbstüberhebung, wie sie nur noch in der Geistesverwirruni^
der Romantiker ihresgleichen hat. Niemand konnte diese Zeit-
krankheit gründlicher heilen , als die Heroen der exakten
Forschung selbst. „In den Begriffen von Kraft und Stoff,"
sagt Du Bois-Reymond in der Vorrede zu seinen „Untersuchun-
gen über thierische Elektrizität", „sehen wir wiederkehren
denselben Dualismus, der sich in den Vorstellungen von Gott
und Welt, von Seele und Leib hervordrängt. Es ist, nur ver-
feinert, dasselbe Bedürfniss, welches einst die Menschen trieb,
Busch und Quell, Fels, Luft und Meer mit Geschöpfen ihrer
Einbildungskraft zu bevölkern. Was ist gewonnen, wenn man
sagt, es sei die gegenwärtige Anziehungskraft, wodurch zwc:
Stoff theilchen sich einander nähern? Nicht der Schatten einer
261
Einsicht in das Wesen des Vorgangs." Man erkannte, wie
Ulrici, Nolen u. a., dass die neuen Errungenschaften der Natur-
forschung durchaus nicht ohne weiteres zu jenen Konsequenzen
führten, welche der Materialismus vorschnell daraus gezogen
hatte. Ja, es fand im Gegenteil manche Theorie jener
Naturphilosophie, die aller Orten in Verruf und Schande
erklärt worden war, gerade in den neuen Entdeckungen reale
Begründung. Goethes Erklärung des Individuums nach Spinoza
wurde von einem Virchow wieder aufgenommen ; seine gross-
artige Auffassung der Natur ist das Leitmotiv des Häckelschen
Monismus; seine Entdeckung des Zwischenknochens hat der
Entwickelungslehre wirksam vorgearbeitet. Oken, der mit Goethe
dieses Verdienst teilt, machte bereits Versuche, die Entstehung
des Menschen naturalistisch durch Entwickelung einer Tierform
zu erklären ; er hat auch schon die Devise der modernen
Naturbetrachtung ausgesprochen: „Es giebt überall keine rein
mechanische Bewegung, aller Bewegung liegt ein innerer Akt,
eine Entelechie zu Grunde.** An Schelling knüpfte der Nestor
der exakten Forschung, AI. von Humboldt, an. lieber diese
Brücke der Naturphilosophie sah man sich nun auch weiter
auf Spinoza zurückgeführt. Das harmonische Gleichgewicht
der Attribute seiner Substanz erhielt durch die Einseitigkeiten
des philosophischen Dilettantismus der Retortenmänner eine
neue Beleuchtung; Idealismus und Materialismus ruhten hier
von ihrem Hader aus. Durch Spinoza verjüngte sich vor
allem die Physiologie, und im Anschlüsse daran die Psycho-
logie. In sein bahnbrechendes „Handbuch der Physiologie
des Menschen" nahm Johannes Müller unverändert die Affekten-
lehre seines Lieblingsphilosophen — neben Aristoteles — auf.
Unter seinen Schülern gewann er ihm, wie das Beispiel Czolbes
zeigt, wertvollen Anhang.
Damit war für die Würdigung Spinozas in den Kreisen
der Naturforscher der erste grosse Schritt gethan. Gustav
Theodor Fechner, wie Lichtenberg von Fach Physiker, als
Philosoph Spinozist, gab mit die ersten Anregungen zur ex-
perimentellen Psychologie, deren reiche Ernte wir in seines
Geistesverwandten Wilh. Wundt Arbeiten gesammelt finden.
Eine „medicinische Psychologie" verdanken wir Hermann Lotze.
Mit diesem stehen wir zugleich wieder auf mehr meta-
physischem Boden, den in seinem Geiste Czolbe, und, diesem
wiederum nahe verwandt, Ueberweg erfolgreich bebauen.
Eine fruchtbare Anwendung auf ein ganz neu erschlossenes
Gebiet erfuhr schliesslich das Prinzip Spinozas in dem Geiger-
Noire'schen Monismus.
262
So war das wissenschaftliche Denken im Kreislauf wieder
zu den mehr postulirten • als erwiesenen Resultaten der Natur-
philosophen gelangt, an die es z. T. sogar unmittelbar ange-
knüpft hatte.
§ 112. Fechner.
So gesteht Fechner in seinem halb „mythischen und
mystischen" Zend-Avesta (Lpzg. 1851 Tl. 2 S. 351 f.), dass „es
ein in Schellings Ansichten wurzelndes Werk (die Naturphilo-
sophie von Oken) war, was mich durch seine titanische Kühn-
heit zuerst über die gemeine Ansicht der Natur hinaus und
eine Zeit lang in seine Richtung drängte."
Ueber sein Verhältnis zu Spinoza selbst schreibt er (ebd. j :
„Von gewisser Seite erscheint unsre Ansicht ganz spinozistisch,
ja kann als reiner Spinozismus erscheinen. Spinozas Ansicht
gestattet wie die unsrige die doppelte, materialistische und
spiritualistische Auffassung des Gebiets der Existenz, indem er das
identisch eine Wesen (die Substanz) einmal als körperliches . .,
dann wieder als geistiges . . fassen und verfolgen lässt, beide Auf-
fassungsweisen aber durch die substantielle Identität des Grund-
wesens verknüpft. Wenn der Mensch will, so kann man diesen
Vorgang mit Spinoza unter dem Attribut des Denkens, d. h.
als einen psychischen betrachten, aber ebenso als einen phy-
sischen oder unter dem Attribut der Ausdehnung, indem man
auf die körperliche Veränderung, die voraussetzlich im Willen
statt hat, reflektirt. Die Seele ist nothwendig um so \<»11-
kommener, je vollkommener der Leib, weil ja Leib und Seele
immer substantiell dasselbe sind, nur für die Betrachtung ver-
schieden. Eine bestimmte Seele kann ein- für allemal nur mit
einem bestimmten Körper bestehen. Für den Einfluss des
Körperlichen auf das Geistige substituirt sich bei Spinoza ein
Miteinandergehen beider, wie bei Leibniz, nur auf Grund ihrer
Wesensidentität, wie bei uns. Jedes Gebiet hat einen rein in
sich verfolgbaren Causalablauf. In all dem stimmen wir ganz
mit Spinoza überein. Aber das ist wesentlich anders: Spinoza
meint, dass der Causalablauf in jedem Gebiet nicht blos tur
sich verfolgt werden könne, sondern auch für sich verfolgt
werden müsse ; es giebt nach ihm keinen Uebergriff der Cau^a-
lität aus einem Gebiet in's andre, wohl aber nach uns vermöge
des möglichen Standpunktwechsels . . Spinoza kennt . . keine
teleologische Betrachtung, welche die Ordnung der materieller
Welt von geistigen Absichten abhängig macht, verwirft sie
vielmehr principiell, und muss es wohl, da kein Princip de>
Ueberganges zwischen seinen Attributen . . stattfindet, aus>er
268
dem allgemeinsten durch den Substanzbegriff; dagegen bei
uns die teleologische Betrachtung principiell einen Spiel-
raum weit über den gewöhnlich angenommenen hinaus findet.
(354) Wenn Spinoza in dieser Hinsicht nicht mit uns gleichen
Schritt hält, liegt dies in seiner Misskenntniss des Umstandes,
worauf die Verschiedenheit des körperlichen und des geistigen
Attributes (nach uns der körperlichen und geistigen Erscheinung)
beruht. In der That lässt Spinoza den Grund, wie das identisch
Eine doch so verschieden, einmal als Körperliches, dann wieder
als Geistiges, erscheinen könne, nicht nur unerklärt, sondern lässt
ihn geradezu verkennen, indem er im Sinne der gewöhnlichsten
Vorstellungsweise die Verschiedenheit der Attribute (nach uns der
Erscheinung) für das betrachtende Subject ohne Rücksicht auf die
Verschiedenheit seines Standpunktes dagegen als vorhanden dar-
stellt, und demgemäss auch nicht durch den Wechsel des Stand-
punktes als unauf hebbar ansehen kann, wie bei uns der Fall ist.
Nach Spinoza sind demgemäss die materialistische und
spiritualistische Betrachtungsweise, beide einseitig durchgeführt,
die einzig statthaften, nach urfs sind sie auch statthaft, als
wissenschaftliche nothwendig und triftig, aber nicht die alleinigen,
die möglich, und weil nicht allein möglich, auch nicht allein
zulänglich. Sie vermitteln sich durch eine Betrachtungsweise,
die. sich auf das Lebensvollste und Speciellste zwischen beiden
hin- und herschlingt, je nachdem es die Veränderlichkei unseres
natürlichen Standpunktes so mitbringt. (355) Zu den vorigen
drei Betrachtungsweisen, der materialistischen, spiritualistischen
und mit dem Standpunkt wechselnden, tritt noch eine vierte,
die man auch schon im Spinozismus als begründet ansehen
kann, obwohl ihr Spinoza keine Entwickelung gegeben hat,
eine höhere verknüpfende jener beiden ersten, welche consequent
die Beziehung des Geistigen zum Körperlichen verfolgt, zeigt,
v^'ie Gott zur Natur, die Natur zu Gott gehört, über-
haupt wie die Erscheinungen für inneren und äusseren
Standpunkt zusammengehören; welcherlei Function das Geistige
vom Körperlichen und umgekehrt im ganzen Gebiete der
Existenz ist." Doch liegt diese gegen die drei anderen „noch
weiter zurück, und reducirt sich bis jetzt auf Streitigkeiten über
ihre Möglichkeit." Hierzu rechnet Fechner das Problem einer
mathematischen Psychologie, das er bald darauf (S. 373) kurz
darlegt. Das berühmte Fechnersche Gesetz ist nach dem
eigenen Geständnisse seines Entdeckers spinozistischen Ursprungs.
Jene dritte Betrachtungsweise (S. 350) „kann . . . .
beliebig als monistische in materialistischem oder in spiritua-
listischem Sinne gefasst und consequent entwickelt werden;
264
nur mit dem Rückhalt, dass hiermit blos eine Seite derselben gefasst
und entwickelt ist." Auch der „Einseitigkeit der monistischen
Systeme" glaubt Fechner zu entgehen, „da man den Stand-
punkt der Betrachtung beliebig wechseln kann" (Bd. IIS. 347).
Sein eigenes System zeigt, abgesehen von vedischen
und neupythagoräischen Elementen, hervorstechend spinozis-
tischen Charakter. (Bd. I S. 364) „Gott ist das Eins und All,
die Eins zu allen Brüchen, doch selber unzerbrochen. (329) Die
Natur selbst ist eine, Gott immanent bleibende, Aeusserung
desselben. (330) Ein Ganzes ist es, was alle Theilwesen in
Eins begreift, daran seine Fülle hat, statt Lücken. (330) Es
fällt der Weltbegriff mit dem Gottesbegriff zusammen, und wir
erhalten die pantheistische Weltanschauung im vollsten Wort-
sinne. (379) Seine Befriedigung darin finden, Gott zu be-
friedigen als den, der in der möglichsten Befriedigung aller
seine grösste Befriedigung findet, darüber geht kein Gefühl der
Befriedigung. (Bd. II S. 10) Gott will von deiner Seele und
deinem Leibe so gut als von jedem andern Lust ärnten. (Bd. I
S. 349) Unsere Freiheit ist in der obersten Freiheit selbst in-
begriffen, also dass sie keine Regel, Vorbestimmung geben
kann . . Gesetz und Freiheit stören sich nicht, . . sondern dem
obersten Gesetz ist zugleich ein oberstes Princip der Freiheit
immanent ... (II S. 294) Die Nachtheile, welche man dem
Determinismus in seiner gewöhnlichen Fassung beimisst, schwan-
den in der That, wenn man ihn unter der nähern Bestimmung
aufstellt und aus dem^ Gesichtspunkte durchführt, dass die
nothvvendige Weltordnung zugleich eine nothwendig gute sei
in der Art, dass alles Einzelne darin, ob auch zeitweise und
als Einzelnes betrachtet, jetzt und hier nicht gut erscheint,
doch im Ganzen der Zeit und des Raumes betrachtet, sich
zum Guten endlich nothwendig fügt, und selbst der Böse durch
die Folgen des Bösen hier und dort nothwendig endlich zum
Guten determinirt wird."
Bei aller dieser offenbaren Aehnlichkeit mit Spinoza darf
man jedoch nicht Fechners entschiedene Behauptung der Geistig-
keit Gottes, sowie die Benutzung der modernen naturwissen-
schaftlichen Atomistik übersehen. Es ist für ihn bezeichnend,
dass er trotz der eingestandenen nahen Beziehungen zur Schei-
lingschen Spekulation doch von Hegel (Zend-Av. Bd. I S. XW
vgl. Ueberw.-Heinze III.'' S. 490) nichts wissen will.
§ 113. Wundt.
Einen gründlichen Förderer fand Fechners „Psychophysik**
in Wilh. Wundt mit seiner objektiven Psychologie, welche die
265
innere Wahrnehmung unter „die Controlle der experimentellen
Beeinflussung durch willkürlich herbeizuführende und abzu-
stufende äussere Einwirkungen" stellt und andererseits die
seelischen Erscheinungen im Leben der Völker wissenschaftlich
ausbeutet. Aus diesen Forschungen ergibt sich ihm ein ani-
mistischer Monismus, die Ueberzeugung (Physiol. Psychologie
1880 II S. 598), dass „das, was wir Seele nennen, das innere
Sein der nämlichen Einheit ist, die wir äusserlich als den zu
ihr gehörigen Leib anschauen." In der „Ethik" (Stuttgart 1886)
schätzt er Spinoza (S. 299) als den Moralphilosophen, „der
die erste metaphysische Ethik schafft, die sich ihres theolo-
gischen Ursprungs völlig entäussert hat. (300) Nächst der
platonischen Philosophie gibt es vielleicht keine zweite, die in
so hohem Grade die Spuren des Ursprungs aus ethischen
Bedürfnissen an sich trägt wie diejenige Spinozas." Doch
„verschwindet für ihn völlig die Bedeutung der werkthätigen
und socialen Tugenden." (S. 302.) „Spinoza ist der ächte
Nachfolger jener weltflüchtigen Richtung der christlichen
Ethik, wie sie vor allem diejenigen Zeiten beherrscht hat,
in welchen das religiöse Gefühl das Interesse für weltliche
Dinge völlig verdrängt hatte. (303) So tief religiös aber
auch in allen diesen Beziehungen die Ethik Spinozas
genannt werden muss, ja so sehr sie gerade der mystischen
Seite des christlichen Glaubens verwandt erscheint, so wenig ist
doch dieses Verhältniss den Zeitgenossen offenbar geworden.
Die Gleichsetzung seines SubstanzbegrifTes mit Gott, des Gottes-
begrififes mit der Natur erschien ihnen als eine den Atheismus
der Philosophie nur schlecht verhüllende Blasphemie; und in
der völligen Nichtachtung des Dogmengehalts der bestehenden
Religionen sahen sie eine Bestätigung dieser Auffassung. Dazu
kam, dass auch unabhängig von diesen z. Th. auf einem fal-
schen Schein beruhenden Vorurtheilen die ethische Richtung
Spinozas sich mit der herrschenden Strömung der Zeit nicht
sympathisch berührte. Für diese letztere war im Grunde jene
Ethik zu religiös. In ihrer ausschliesslichen Richtung auf Gott
vernachlässigte sie alles das, was man . . „werkthätiges Christen-
thum" nannte . . (526) Wie mächtig wirkt, für jeden sichtbar,
dem hinter der äusseren Hülle nicht der tiefere Gehalt der
Anschauungen verschwindet, der Geist religiöser Hingabe in
einem so unabhängigen Denker v/ie Spinoza!"
114. Lotze.
Der Hauptfehler Spinozas ist nach Wundt (Phys. Psych.
3. Aufl. II S. 533) das Unvermögen, den Dualismus in Wahr-
266
heit zu überwinden. Denselben Mangel tadelt schon Lotze,
mit seinem Spiritualismus und seiner Abneigung gegen das
Hegeltum nicht minder, wie gegen den Materialismus, von Hause
aus Fechner geistig verwandt, in seiner Jugendarbeit „Pensees
d'un idiote sur Descartes, Spinoza et Leibniz" (Kl. Schriften
Lpzg. 1891. Bd. III2 S. 556), worin er zu zeigen versucht, (S. 552)
„comment suivant les premisses de Desc. et de Spinoza, sur-
tout la metaphysique de Leib, s'est aper9u de ce grand Pro-
bleme" — (das Verhältnis zwischen Leib und Seele) — „et
en a donne la Solution." Spinozas Absolutes ist, nach Lotzes
Ansicht (S. 358), mehr Gegenstand des Wunsches, als des
klaren Denkens. Im übrigen scheint es ihm erwiesen (S. 557),
„que la speculation de Spinoza, nee dans un esprit oriental,
s'est placee parmis nous bien etrangerement par un plan mer-
veilleux de Thistoire; nous voyons ce bätiment magnifique en
ne regrettant, que ce seul desavantage, qu'il n'y a point d'es-
calier pour servir aux descendants ou aux ascendants, et que
le magnanime architecte, par mepris ou par meconnaissance
de la commodite de vie, a edifie un palais glorieux , mais tout
ä fait inhabitable. Je veux dire, que cette philosophie n'a eu
pour resultats, que les vues les plus generales; eile demontre
bien, de quelle maniere qu'il faut, que cet univers soit con-
forme, mais ces vues ne trouvent point d'application aux choses
effectivement existantes.*'
Die Einigung der Attribute, als verschiedener Kräfte in
der Substanz, nennt er geradezu ein Wunder. Aehnlich \'er-
misst er auch in Fechners Theorie des psychophysischen \"or-
gangs das Gleichgewicht des physischen und des psychischen
Faktors (a. a. 0. Uli S. 427), sowie in der Metaphysik die
Erklärbarkeit der einzelnen Geister aus dem Gottesbegriff (S. 427 K
Ja, ganz derselbe Vorwurf trifft, wie Lotze selbst zugeben
muss („Metaphysik" 1884 S. 142), sein eigenes System so gut
wie jeden Monismus. (S. 143) „Sie leugnen alle die selbständige
Wirklichkeit der endlichen Dinge, aber sie können positiv nicht
die Art des Bandes bestimmen, welches sie in eine Einheit zu-
sammenfasst. Ich würde hierin allein keinen Tadel unserer An-
sicht finden; die genaue Bestimmung eines Postulates, geschehe
sie nun durch Bejahungen oder Verneinungen, ist auch dann
für ein philosophisches Ergebniss zu achten, wenn das nicht
anschaulich gemacht werden kann, wodurch es erfüllt wird.
Eine Anschauung aber werden wir von demjenigen nicht zu
haben verlangen, was seinem eignen Sinne nach der erzeugende
Grund aller Möglichkeit der Anschauung ist; weder von dem
Einen, bevor es die Mannigfaltigkeit erzeugt hat, die in ver-
267
schiedenen Umrissen sich ordnen kann, noch von dem meta-
physischen Verfahren, wenn ich sagen soll, durch das ihm jene
Erzeugung gelingt, kann es ein beschreibendes Bild geben,
denn alle Bildlichkeit beruht auf dem Vorhandensein der Mannig-
faltigkeit, um deren Entstehung es sich hier handeln würde."
Einen solchen absoluten Monismus, wie wir ihn ähnlich auch
bei Carriere finden, hätte man bei dem Herbartianer Lotze gewiss
nicht erwartet.
„Noch bis heute," sagt Caspari („H. Lotze" Bresl. 1883
S. 43), „ist man bestrebt, irgend einen letzten Einheitsbegriff
als einen allervollkommensten hinzustellen, dem man die reale
Existenz alles dessen was ist völlig einordnen und unterordnen
kann. Es nimmt daher nicht Wunder, wenn man immer
von Neuem die Lehre Spinozas: „Ordo idearum etc." hervor-
zieht, um in dieser alles umfassenden Ordnung bald die Grund-
formen von Raum und Zeit . . oder aber die Grundformen von
Begriff, Urtheil und Schluss zu erblicken. Die so erfasste
Logik muss unter solcher Auffassung selbstverständlich einen
metaphysisch-dialektischen und ontologischen Charakter haben,
die Bewegungen des Denkens sollen getreu die innere Gliede-
rung der Existenzen und Dinge wiederspiegeln, ebenso die
mathematisch . . berechneten Formeln ein genaues Gegenbild sein
über die Grundvorgänge im Innern der Phaenomene. Diesem
Spinozismus der modernen Schelling-Hegel, und in mathema-
tischer Hinsicht der Fechner-Wundt, ist Lotze gänzlich fern
geblieben. Er erkannte, dass eine Identitäts- oder Parallelitäts-
lehre (Schleiermacher - Ueberweg'sche Richtung) seit Kant un-
möglich geworden war." * Doch hat sich Lotze dem Einfluss
der idealistischen Schule, eines Chr. H. Weisse und Krause
(S. 23) nicht gänzlich entziehen können. „Seine Lehre über
die Grund- und Ursubstanz, welche er als eine Allpersönlich-
keit ausspricht, ist keine schlechtweg dogmatische Voraus-
setzung, die, wie man wohl gemeint hat, der religiösen
Atmosphäre der Göttinger Zunft entsprang, sondern kritisch
nach den eingehendsten Erwägungen sieht Lotze schliesslich
sich gleichsam gezwungen, seine so klar entwickelte Vielheits-
lehre zum Theil wieder preiszugeben gegen den spinozistischen
Grundbegriff einer in sich einheitlichen Allsubstanz, welche nach
ihm aber zugleich als eine Allpersönlichkeit aufgefasst werden
sollte." (S. 60) „Unverkennbar hat Lotze einen Gedanken-
gang von Leibniz rückwärts zu Spinoza vollzogen, ein Weg,
der sich in einer ähnlichen Weise auch bei Kant verfolgen
lässt. Der grosse Zug der Zeit in der ersten Hälfte dieses
Jahrhunderts hatte auch unseren Lotze mit sich fortgerissen."
268
x\ehnlich wie Caspari, wenn auch auf dem entgegen-
gesetzten Standpunkte, charakterisirt A. Schleicher („D. Dar-
winsche Theorie und die Sprachwissenschaft" Weimar 1863
S. 8) den modernen Monismus:
„Die Richtung des Denkens der Neuzeit läuft unverkennbar
auf Monismus hinaus. Der Dualismus, fasse man ihn nun als
Gegensatz von Geist und Natur, Inhalt und Form, Wesen und
Erscheinung, oder wie man ihn sonst bezeichnen mag, . . ist
für die wissenschaftliche Anschauung unserer Tage ein voll-
ständig überwundener Standpunkt. Für diese giebt es keine
Materie ohne Geist (ohne die sie bestimmende Nothwendigkeit),
aber ebenso wenig auch Geist ohne Materie. Oder vielmehr
es giebt weder Geist noch Materie im gewöhnlichen Sinne,
sondern nur Eins, das Beides zugleich ist. Diese auf Beob-
achtung beruhende Ansicht des Materialismus zu beschuldigen,
ist eben so verkehrt, als wollte man sie des Spiritualismus
zeihen. "
§ 115. Häckel.
Diese Theorie hat Ernst Häckel, der unermüdliche Ver-
fechter Darwins, der Freund Eduard von Hartmanns, in der
Erklärung der organischen Welt siegreich bis zu ihren Grenzen,
den Protisten, durchgeführt. Unter Berufung auf seinen Lehrer
Joh. Müller und vor allem auf Goethe, sucht er den Monismus
nicht nur als die wissenschaftlich allein zulässige Weltanschauung
(„Morphologie der Organismen" Berl. 1866. I S. 94 ff., lOH,
II 241 u. a.; »Natürl. Schöpfungsgesch." 4. Aufl. 1873, Motto,
S. 31 fg. u. a.), sondern sogar als den reinsten Monotheismus
zu erweisen („Morph. ** II S. 448). Doch kommt bei Häckel
obwohl er einräumt („Nat. Seh." S. 71), dass es „stets philo-
sophische Gedankenoperationen sind, durch welche diese Fort-
schritte" — der exakten Forschung — „erzielt werden," den
Urahn dieser ganzen Philosophie, Spinoza, (vergl. „Morph/*
II S. 449) in seinen Hauptwerken nur nebenbei zur Geltung,
was sich aus ihrem mehr naturwissenschaftlichen Charakter
leicht erklärt.
§ 116. Geiger.
Aehnliches gilt von Lazar Geiger, obwohl die Voraus-
setzungen seiner Theorie vom Ursprung der Sprache und Ver-
nunft deutlich den Geist Spinozas verraten: so der Parallelis-
mus der körperlichen und seelischen Erscheinungen, von Be-
269
wegung und Empfindung; die völlige Abhängigkeit des Willens
vom Denken; die Selbstbefreiung durch Läuterung von den
Leidenschaften: die Zurückführung aller Naturkräfte auf eine
einzige; die Mechanik der kleinsten Teile; die Leugnung der
Endzwecke u. s. w.
§ 117. Noire.
Um so gewissenhafter holt Noire das Versäumte nach.
Gegenüber der Naturforschung verhilft er, ähnlich wie
Dieterich, wieder der Metaphysik zu ihrem Rechte. „Wo
Geiger aufhört, da beginnt Noire; er giebt das Be-
streben kund, die Untersuchungen seines Vorgängers, den
ein früher Tod seinem Werke entrissen, zu einem klaren
Ergebnisse zu führen, dessen Wahrheit ihm über jeden Zweifel
erhaben scheint: endgültige Feststellung der monistischen Welt-
aufifassung." »Den Grundriss dieses stolzen Domes hat", nach
Noire („Der monist. Gedanke" 1875 S. 9, vgl. S. 30), „Spinoza
erschaut." Er („Grundlegung einer zeitgem. Philos." 1875
S. 32) „sprach schon bestimmt den Satz aus, welchen . . ich
als Grundgedanken in meiner Schrift „Der mon. Gedanke" ent-
wickelt habe: „Voluntas et intellectus unum et idem est,"
ebenso (S. 104) „den wichtigsten Gedanken, dass Empfindung
und Ausdehnung nur Eigenschaften Eines Wesens, eines Monon
seien." Spinoza, „dem grössten philosophischen Geiste seit
Aristoteles" („D. mon. Ged." S. 7) widmet denn auch Noire,
neben Lamarck und Geiger, seine „Grundlegung."
Doch in einem wichtigen Punkte weicht er von ihm ab,
in der Fassung des Absoluten. („D. mon. Ged.** S. 76)
„Selbst Spinozas weltbefreiender Gedanke, der Pantheismus,
erscheint noch von dem anthropomorphischen Irrthum gefärbt,
wie der Mensch Seele und Leib, so ist das All ein ausge-
dehntes und zusammenhängend denkendes Wesen; das All ist
Gott . . . (S. 306) Es ist mehr als wahrscheinlich, dass der
grosse Denker den Begriff der Gottheit nur darum beibehielt,
um bei seinen Zeitgenossen minderen Anstoss zu erregen.**
Der moderne Wert dafür ist Schopenhauers „Wille**. Dieser
bildet zusammen mit der Darwinschen Entwickelungslehre und
dem Mayerschen Prinzipe der Erhaltung der Kraft den Kern
der modernen Weltanschauung („D. mon. Ged." Vorw. S. IX),
des Monismus. Seine Grundlehren sind:
1) Bewegung und Empfindung sind die einzigen, wahren,
objektiven und unverlierbaren Eigenschaften der Welt . .
2) Die Bewegungsgrösse ist im Weltall stets dieselbe . .
270
3) Der Raum ist, wie die Zeit für die Empfindungsgegen-
sätze, für alle Bewegungsgegensätze eine höchste Einheit, auf
die sie sich zurückführen lassen . .
4) Die Welt ist als Bewegung, als Mechanismus zeitlos . .
5) Die Zeit, die Dauer, ist die wahre oberste Form der
Empfindung.
6) Alles Erkennen liegt einzig und allein im Bereiche der
Empfindung, darum müssen alle erkennbaren Dinge in die
Form der Zeit eingehen . .
9) Das Innere der übrigen Wesen kann von uns nicht
vorgestellt werden ; ihr Empfinden, d. h. ihr Wesentliches kann
nur mitempfunden werden.
10) Jede Erkenntnis durch Vorstellung gibt aber zunächst
nichts anderes als Bewegung.
„Alles Objective unterscheidet sich demnach nur durch
die Verschiedenheit der Raumerfüllung, durch die Bewegungs-
gesetze; die Substanz aber ist eine und dieselbe. Wer diesen
Gedanken klar zu fassen vermag, der wird die Geistestiefe des
in den Abgrund des objectiven Seins hinabtauchenden Idealisten
ermessen und nicht genug bewundern können." („Grundlegung"
S. 19 f.).
§ 118. Monismus gegen Materialismus.
Noires Philosophie fand viel Beifall. Schon am 13. Oct.
1877, wenige Monate nach der feierlichen Enthüllung des Spi-
nozadenkmals im Haag (24. Febr.), wurde durch Dr.J.H.Klein
in Köln in der „Gaea** eine Preisaufgabe ausgeschrieben über
„die Entwicklung der monistischen Philosophie von Spinoza
bis auf unsere Tage**. „In der gewünschten Darstellung soll
zunächst das Verhältnis Spinozas zur cartesianischen Philo-
sophie, sodann die Weiterbildung und Klärung des monistischen
Gedankens durch Leibniz, Schopenhauer, Laz. Geiger und
Ludw. Noire, die Bedeutung der Kant*schen Vernunftkritik,
des Princips der Erhaltung der Energie und der Des-
cendenztheorie füi' den Monismus beleuchtet und in ihrem
logischen Zusammenhange dargestellt werden. Es wird ausser-
dem verlangt, dass in klarer und scharfer Definition Materia-
lismus und Monismus unterschieden werden und die Fraise
geprüft wird, ob der letztere geeignet ist, die Forderungen de<
Gemüths mit den Resultaten der Wissenschaft zu versöhnen
und solcher Art an Stelle der bisher vorherrschenden Systeme
die Weltanschauung der Zukunft zu werden.** Den Preis er-
hielt V. Reichenaus Schrift: ,,Die monistische Philosophie von
271
Spinoza bis auf unsere Tage" (1881, Köln und Lpzg.). Hier
erscheint (S. 27) allerdings Spinoza als der Vater des Monis-
mus. Doch ist diese Anschauung bei ihm noch nicht rein
zum Ausdruck gekommen, er ist noch durch und durch Pan-
theist. Ferner hat (S. 29) Spinozas Substanz unzählige At-
tribute, während der Monismus deren nur zwei kennt. Leibniz
hat vor Spinoza (S. 43) voraus, dass er „1) statt des inhaltlosen,
bloss mathematischen Begriffen der Ausdehnung den der Kraft
aufstellte und 2) das Princip der Vervollkommnung oder des
Geistes in den Individuen entdeckte. Bei Leibniz (S. 54) finden
wir auch schon die Erhaltung der Energie und die Descendenz
der inneren Eigenschaft oder Psyche.*' Vor der gleichzeitigen
Arbeit Rosenthals über den nämlichen Gegenstand („Die mo-
nistische Philosophie**) hat jedenfalls Reichenaus Schrift den
Vorzug einer eingehenderen und wissenschaftlicheren Behandlung
des Stoffes voraus.
Den letzten Teil der Aufgabe, als die Abgrenzung des
Pantheismus gegen den Materialismus, behandelt auch M. L.
Stern in seinem ,, Philosoph, und naturwissenschftl. Monismus**
(Lpzg. 1885 S. 204), wobei der Spinozismus als negativer
Pantheismus gefasst wird. (S. 203) Spinoza ist sowohl Atheist
als Akosmist. Denn „der Begriff des Seins kann nach Spinoza
Beide** — Gott und Welt — „zusammen nebelartig umschweben,
um stets von dem einen angezogen zu werden, wenn er
sich dem anderen nähern will, so dass Beide nichts davon
haben.***)
Dahingegen kommt Spinoza wieder nachdrücklich zu Worte
in V. Carneri („Sittlichkeit und Darwinismus** Wien 1871),
einem der streitbarsten Verfechter des Monismus — oder, wie
er vorzieht: Pantheismus (S. 113. 354) — gegen den Materialis-
mus ebenso wie gegen den einseitigen Spiritualismus. Carneri
erklärt sich nicht nur in allen Hauptfragen der Ethik mit Spi-
noza einverstanden, den er dem „Fortschritte der Philosophie**
gemäss „mit Hegel's dialektischer Bewegung zu begründen**
sucht (S. 6), sondern er beruft sich auch in vielen Einzelheiten,
oft mit ausführlichster Anführung, auf den Begründer der mo-
dernen Ethik. (Motto S. 11. 124. 147. 152. 175. 183. 189.
191. 204. 212. 216. 320ff. 352 u. a.) „Riesig ragt unter allen
Denkern'*, so heisst es S. 126, „Spinoza hervor. Er anerkannte
eine menschliche Freiheit, die selbst mit der Naturwissenschaft
*) vo Leclair (, Beiträge zu einer monistischen Erkenntnistheorie" Progr.
d. k .k. deutschen Neustädter Gymn. zu Prag 1882) steht mit seiner durch-
aus phaenomenalen Auffassung der Natur und seinem Verzicht auf jede
Metaphysik ausserhalb des Kreises unserer Betrachtung.
272
von heute nicht in Widerspruch steht; . . erst nach fast zwei
Jahrhunderten hat die deutsche Philosophie seine Lehre von
der Freiheit als der geläuterten Nothwendigkeit zu Ehren ge-
bracht** (S. 126). „Vor zwei Jahrhunderten sind diese goldenen
Worte niedergeschrieben worden, und wie weit hat hin und
wieder die Moralphilosophie seither noch sich verstiegen, weil
die Naturforschung das Wort noch nicht gesprochen hatte, das
den Grundsätzen dieses Weisen die glänzendste Bestätigung
gab!" (S. 167). „Die Betrachtung des Weltalls lehrt uns,"
nach Carneri (S. 352), „die Entsagung, die jeder für sich schon
hat üben müssen, auf die ganze unbekannte Welt übertragen;
. . . aber sie stellt jetzt noch, wie immer, uns frei, der Be-
schränkung des endlichen Daseins die Idee einer unbeschränkten
Unendlichkeit entgegenzusetzen.**
§ 119. Czolbe.
Inzwischen hatte der Materialismus durch Heinrich Czolbe,
wie Lotze, sein Lehrer, Mediziner und Philosoph in einer Person,
eine sehr beachtenswerte philosophische Vertiefung erfahren.
„Was in neuester Zeit Feuerbach, Vogt, Moleschott u. A. . . .
gethan haben, sind nur anregende fragmentarische Behaup-
tungen, die bei tieferem Eingehen in die Sache unbefriedigt
lassen. Da sie die Erklärbarkeit aller Dinge auf rein natür-
liche Weise nur allgemein behaupten, aber nicht einmal ver-
sucht haben, sie specieller nachzuweisen, befinden sie sich im
Grunde noch gänzlich auf dem Boden der von ihnen ange-
feindeten Religion und speculativen Philosophie." Diesem ober-
flächlichen Materialismus stellt Czolbe einen „Sensualismus"
entgegen. Ein Verehrer Hölderlins und Schüler Joh. Müllers,
nennt auch er Spinoza und das Hellenentum seine Bildungs-
ideale. („ Grundzüge einer extensionalen Erkenntnistheorie"
1875 S. 9) , »Spinoza, dessen Weltauffassung wenigstens mythisch
als Musterbild ruhiger Klarheit und unwiderleglicher innerer
Consequenz auch bei vielen Naturforschern gilt, und die Philo-
sophie der Griechen . . sind zwei Ideale der Vergangenheit, die
bis in die Gegenwart hineinragen und ohne Zweifel wert, in
gewisser Art die Grundlage zu einer neuen philosophischen
Darstellung mit denjenigen Veränderungen abzugeben, welche
die seitdem gemachten Erfahrungen nöthig machen." In der
That will (S. 8) Czolbes Philosophie durch eine „empiristische
Umbildung des Spinozismus** diesen mit Aristoteles verbinden.
(„Grundzüge" S. 4). „Der zeitliche Raum ist die Eine
selbständige Substanz oder Grundlage aller Dinge. Durch die
273
verschiedenartige Verbindung dieser Substanz mit den zahllosen,
abhängigen Attributen entsteht eben die Mannigfaltigkeit der
Dinge," Spinozas Modus. ,,In dieser Weise" will Czolbe „die
Verwirklichung der geometrischen Methode Spinozas in der
Spinozistischen Weltformel: Raum und Zeit sind die Eine Sub-
stanz der zahllosen Attribute der Welt — zum harmonischen
Abschluss bringen." Mit Spinoza sieht er hier in der Mathe-
matik das Ideal der Erkenntnis, wie er auch schon früher
(„Die Mathematik als Ideal für alle andere Erkenntniss" in d.
Ztsch. für ex. Philos. VH S. 217—286) in ihm das Vorbild
mechanischer Anschaulichkeit erblickt hatte. Auch in der
mathematischen und mechanischen Fassung des Kausal-
verhältnisses glaubt er sich mit Spinoza zu berühren. Wie
ferner Spinoza sein Hauptwerk „Ethik" genannt, so beruhe
auch sein System auf einem ethischen Prinzip, dem der Zu-
friedenheit mit der gegebenen Welt (Ztsch. f. ex. Ph. 243 ff.).
Dagegen tadelt er (ebd.) an Spinoza die mathematische Form,
die Aufstellung einer einzigen Substanz, da nach dem Kausal-
begriff die Welt nur die Resultante mehrerer Ursachen sein
könne, ferner die Uebersinnlichkeit seiner Substanz und be-
sonders die Leugnung der Teleologie.
§ 120. Ueberweg.
Einen ähnlichen Monismus, insofern das psychische Moment
als mit dem materiellen völlig identisch gefasst wird, lehrt auch *
A. Cornill in „Materialismus und Idealismus in ihren gegen-
wärtigen Entwickelungskrisen" (1858) und, im engsten Anschluss
an Czolbe, dessen intimer Freund Friedr. Ueberweg in seinem
„Ideabrealismus". Gegen Kant verteidigt er, besonders auf die
Astronomie gestützt, die Realität des Raumes. Newton hat
nach seinem Dafürhalten besser als Spinoza den cartesianischen
Dualismus aufgehoben. Nicht nur die materielle, sondern auch
die geistige Welt ist bei ihm räumlich. So trägt er besonders
seine Psychologie im engsten Anschlüsse an Spinoza vor. Von
diesem weicht er, wie Czolbe, hauptsächlich in der Behauptung
der Teleologie ab. „Wer in diesem Punkte," heisst es in einem
Briefe vom Jahre 1860 (bei Ueberweg, „Schiller als Historiker
und Philosoph" 1884 S. XXXVIII), „nicht auf der Seite Spinozas
steht, muss nachweisen, wie denn die Erscheinungen des orga-
nischen Lebens, die wir uns am bequemsten mittelst jenes Be-
griffs zurechtlegen, ohne denselben irgend denkbar seien."
In seiner Darstellung Spinozas in dem bekannten „Grund-
riss" (7. Aufl. 1888 Bd. III S. 82 ff.) zeigt sich Ueberweg so-
18
274
wohl als Verehrer des grossen Denkers, des „wahren Philosophen",
„des Musterbildes eines Weisen" (S. 91 f.), den er auch mit
seinem anderen Ideal, Aristoteles, zu vereinigen sucht, als ganz
besonders in den kritischen Noten zur „Ethik", als scharfer
Logiker. (S. 96) „Die Tendenz strenger Beweisführung ist
achtungswerth, die Meinung aber, dass Spinoza für seine Grund-
lehren unanfechtbare Beweise geführt habe, ist ein Vorurtheil,
das Widerlegung verdient. Seine Theorien sind im Ganzen
besser als seine Argumentationen." Besonders tadelt er Spinoza
wegen des Missbrauchs des Wortes „Gott" (S. 100). „Ent-
weder existirt. ein Gott im Sinne des religiösen Bewusstseins
als ein persönliches Wesen, oder er existirt nicht; in keinem
Falle ist das Wort „Gott" umzudeuten und am wenigsten auf
etwas so ganz Heterogenes, wie die „Substanz". . . Existirt
ein persönliches Wesen als Weltschöpfer mit absoluter Macht,
Weisheit und Güte, so ist der Theismus gerechtfertigt; existirt
kein solches Wesen, so ist es eine Pflicht der Ehrlichkeit, ent-
weder den Atheismus zu bekennen . ., oder auf theologische
Fragen überhaupt nicht anders als historisch einzugehen."
Bedeutungsvoll für seine eigene Anschauung ist Ueberwegs
richtige Bemerkung zu Spinozas Psychologie (S. 108): „die
mechanische Betrachtung . . muss bei der Erklärung des
Affectionsprocesses eine dem Princip widerstreitende Prävalenz
gewinnen, wogegen umgekehrt in der Lehre von der Herrschaft
des Gedankens über den Affect die mechanische Parallele fehlt."
§ 121. Die Spinozakritik.
Ueberwegs Wunsch einer Detailkritik des spinozistischen
Systems ward sogleich reichliche Erfüllung. Zum Teil sogar
in ausdrücklicher Anknüpfung an seine Bemerkungen, begann
nun nach den von ihm aufgestellten Gesichtspunkten in einem
Heere von Dissertationen oder gelegentlich in grösserem Zu-
S€unmenhange, wie bei Baumann, Eucken, Jodl u. a,, eine ge-
naue Prüfung der einzelnen Begriffe Spinozas, seines Gottes-
begriffes, seines Zweckbegriffes, seiner Psychologie, Erkenntnis-
lehre, seiner Lehre von der Selbsterhaltung u, s. f. Daneben
blühte, besonders infolge der Auffindung des „Kurzen Trak-
tates", das Studium der Quellen Spinozas wieder auf; Plato,
Hobbes, Malebranche, Leibniz, die jüdische Religionsphilosophie.
Bruno und vor allem Descartes wurden auf ihre Beziehungen
zum Spinozismus hin untersucht Spinozas geistigen Ent-
wickelungsgang versuchte man festzustellen und streng philo-
logisch den Text der Ethik nach den Briefen und dem Tractatu>
I
275
de Deo zu berichtigen. Auch neue Ansätze zur Geschichte
seiner Lehre zeigten sich. In den Thesen anlässlich der Pro-
motionen tauchen hie und da wieder jene Fragen nach der
Moralität und Religiosität des Spinozismus auf, welche einst
bei den theologischen Disputationen die Gemüter erhitzt hatten.
Was Herbart gefordert hatte, die rein historische Behandlung
Spinozas, hat sich in unserer historisch-kritischen Zeit zum
grossen Teile erfüllt.
§ 122. Bender.
Doch haben damit Spinozas Werke durchaus noch nicht auf-
gehört, um ihrer selbst willen gelesen und geschätzt zu werden.
Die Ethik ist, wenn sich auch die meisten lieber an ihre mo-
dernen Interpreten, wie Goethe, Auerbach, Spencer u. a., halten,
noch für manchen das sibyllinische Orakel, von dem er sich
in den wichtigstenLebensfragen Auskunft holt. Ja, es fehlt selbst
nicht an originellen Versuchen, den Spinozismus zur Grund-
lage einer rein philosophischen modernen Weltauffassung zu
machen. Als ein solches Unternehmen „einer Neubegründung
der grossen einheitlichen Weltanschauung Spinozas unter
Zuhülfenahme der Atomistik und einer freien selbstständigen
Auffassung der Kantschen Lehren von der Idealität des Raumes**
kündigt sich die Schrift „Zur Lösung des metaphysischen
Problems** von Helene Bender an (Berl. 1886).
Die Verfasserin ist (Vorw. S. VI) überzeugt, „dass die
Lösung des metaphysischen Problems nur in der von . . [ihr] ein-
geschlagenen Richtung zu finden ist, und dass es, mit Lessing
zu reden, „„keine andere Philosophie giebt noch geben kann,
als die Philosophie des Spinoza** ". Wie in allen spinozistischen
Systemen von Fichte an bis auf Noire, bildet auch hier einen
Hauptfaktor die Kritik der Kantischen Vemunftkritik. Beson-
ders geht, wie bei Noire („D. mon. Ged.** S. 12), die Unter-
suchung auf die Kantischen Kategorien. Dass diese auch das
Ding an sich treffen, ist das Ergebnis. Hauptsächlich durch
seine Kategorienlehre hat sich auch Kant zu der Inkonsequenz
verleiten lassen, die Einheit in der Erscheinungswelt nur als
regulatives Prinzip, nicht als real zu fassen. (S. 38) „Es ist
allerdings an sich klar, dass niemals aus dem blossen Begriff
„Substanz** auf die reale Existenz eines absolut Beharrlichen
geschlossen werden könnte, wenn nicht die bedingt realen
Accidenzien gegeben wären und durch ihr Dasein zu jenem
Schlüsse zwängen; da sie aber gegeben sind, so ist auch die
Existenz des absolut Realen unzweifelhaft gewiss.** (S. 37)
18*
276
„So führt denn die Kritik unseres Erkenntnissvermögens, indem
sie uns über die Natur und den Werth unserer reinen Ver-
standesbegriffe aufklärt und uns dabei auch die Bedeutung des
Substanzbegriffes zum Bewusstsein bringt, geraden Weges zur
Alleinheitslehre Spinozas zurück, und die Rechtfertigung des
Dinges an sich im absoluten Sinne gestaltet sich ganz von
selbst zu einer Rechtfertigung des sogenannten ontologischen
Gottesbeweises." (S. 142) „Durch diesen Hinweis auf die
natura naturans Spinozas, die eine, ewige, in allem Wechsel
der Erscheinungen unveränderlich beharrende Substanz, erreichen
denn auch unsere Untersuchungen über Wesen und meta-
physischen Werth der Atomenlehre ihr riaturgemässes . . Ziel.
Denn der Atomistik ist durch dieselben ihre eminente Bedeu-
tung als wissenschaftliche Trägerin jener ewigen Gesetzmässig-
keit, die das Entstehen und Vergehen alles Einzelnen beherrscht
und die nur mit ihrer Hülfe denkbar ist und begreiflich gemacht
werden kann, im weitesten Umfang gewahrt, zugleich aber ist
sie selbst aus dem ihrer unwürdigen Abhängigkeitsverhältniss
zum Materialismus befreit und statt dessen in den Dienst einer
wahrhaft philosophischen Weltanschauung gestellt worden —
einer Weltanschauung, die durch sie eine willkommene und
wünschenswerthe wissenschaftliche Durchbildung und Ergänzung
im Einzelnen gewinnt."
§ 123. Dieterich.
Aehnlich wie Bender sucht auch Konr. Dieterich, unter Be-
rücksichtigung eines Berkeley, Herbart, Schopenhauer, Lotze,
Wundt u. a., in seiner Metaphysik Spinoza mit Kant und dem
Pluralismus zu verschmelzen. Dieterich gelangt induktiv, bei
der Untersuchung des Wesens der Veränderung, zum Substanz-
begriffe Spinozas. („Grundzüge der Metaphysik", Freibg. i. B.
u. Tüb. 1885. S. 16). „Denn gemäss dem Kausalgesetze soll
ein Ding nur dann aus einem Zustande in einen anderen über-
gehen, wenn eine bestimmte Bedingung oder ein zureichender
Grund vorliegt, wodurch es dazu veranlasst wird. Solche Be-
dingungen oder zureichenden Gründe . . finden sich aber in
einem bestimmten einzelnen Dinge . . nicht in genügender
Anzahl und müssen daher zum Theil jedenfalls ausserhalb
dieses individuellen Dinges gesucht werden, d. h. die Ursache
dafür, dass eine bestimmte Einzelsubstanz sich überhaupt ver-
ändert, kann nur darin gesucht werden, dass sie wechselnde-
äussere Einwirkungen erleidet, denen gegenüber sie die Einhci:
ihres Wesens durch verschiedene Rückwirkungen bethätigt -
277
wenn auch etwa die Veränderung eines unbedingten
Wesens, dem eine unbegrenzte Vielheit gleichzeitiger Thätig-
keiten zugeschrieben würde , sich als eine rein immanente
oder von innen bedingte denken Hesse. (Spinoza)." (S. 22 f.)
„Sobald wir im Auge behalten, dass wir die einzelnen Dinge,
eben als einzelne, durch einander begrenzt und bedingt, also
als endliche Dinge denken müssen, widerspricht es ihrem Be-
griffe nicht, sondern erscheint als eine unmittelbare Konsequenz
desselben, wenn wir sie zugleich als gewisse „Modifikationen"
eines einzigen absolut selbständigen, d. h. schlechthin durch
sich und für sich existirenden Wesens betrachten, das wir im
Gegensatz zu den endlichen Einzeldingen als „unendliche Sub-
stanz" bezeichnen können d, h. als Substanz oder Ding im
eminenten Sinn, welche die gesammte Vielheit von besonderen
Dingen als eine Vielheit von gleichzeitigen Zuständen oder
Thätigkeiten in sich begreift (Spinoza)." (S. 24) „Demnach
wäre der für die metaphysische Betrachtungsweise allein wahre
Ausdruck des Kausalgesetzes . . . : Wenn die Eine unendliche
Substanz in ihrer Modifikation a aus dem Zustande a in ai,
in der Modifikation b aus dem Zustande ß in ?i übergeht, so
folgt daraus nothwendig, dass sie in der Modifikation a aus
dem Zustande ai in an, in der Modifikation b aus dem Zustande
ßi in ßii übergeht (Spinoza.)" (S. 25). „Wenn das Seiende,
auf welches wir nach dem Inhärenzgesetze alles Geschehen be-
ziehen müssen, im absoluten Sinne nur Eines ist, so wird
dadurch nicht ausgeschlossen, dass es in relativem Sinne eine
Vielheit darstellt . . . Zwischen den zwei Polen der blossen
Immanenz in der unendlichen Substanz, oder der vollständig
selbstlosen Inhärenz an derselben und des reinen Fürsichseins,
oder des durchaus selbständigen Daseins hat der Begriff des
Einzeldings vielmehr einen gewissen Spielraum freier Bewegung."
Aus einer „Vielheit von konstanten Wirksamkeiten oder Modi-
fikationen der unendlichen Substanz" will Dieterich femer (S. 53)
„das beharrliche Dasein einzelner objektiver Erscheinungen (der
kleinsten Teile der Materie) und die konstante Wirksamkeit
derselben nach ihren eigenen Gesetzen, wodurch die Annahme
einer Vielheit von Dingen ausser uns nothwendig gemacht zu
sein scheint," erklären. Mit Spinoza stellt er auch (S. 82) der
Psychologie die Aufgabe, „in dem Verlauf der psychischen
Ereignisse denselben strengen Kausalzusammenhang, wie in
dem Geschehen der physischen Welt" zu suchen. Doch schliesst
bei Dieterich die Betrachtung alles Geschehens in Rücksicht auf
den kausalen Zusammenhang durchaus nicht den teleologischen
Gesichtspunkt aus. „Warum sollte nicht," heisst es („Philo-
278
Sophie und Naturwissenschaft" 1875, 2. Aufl. 1885 S. 82 f.),
„der kausalen Auseinanderfolge des Geschehens ein teleologisches
Princip in der Weise immanent sein, dass derselbe Verlauf,
der sich als einen mechanischen darstellt, wenn wir nach seinem
Grunde fragen, als ein teleologischer sich betrachten lässt, wenn
wir das Ziel desselben ins Auge fassen?" Ueberhaupt kommt
in diesem Systeme der ideale, geistige Faktor entschiedener zu
seinem Recht, als bei Spinoza selbst.
•
§ 124. Grillparzer.
Doch hat auch diesem Grillparzer eine solche Wendung
nach der idealen Seite geben wollen. (S. W. 3. Ausg. Stuttg.
1880. Bd. IX. S. 12) „Spinoza mag sich wenden, wie
er will , er hat sich seinen Gott doch geistig gedacht.
Seine Schöpfung hängt immer vom Verstände Gottes ab, und
wenn er Alles auf motus und quies reducirt, so sind Ruhe
und Bewegung Eigenschaften, die aus dem Begriffe selbst nur
dem Denken, der Materie aber nur aus der Erfahrung oder
aus einer Abhängigkeit vom Denken zukommen können. Seine
Materie isjt daher kein Attribut, sondern nur ein, wenn
auch nothwendig mit der Substanz verbundener Modus, allen-
falls ein Aussereinander des Hegel." Wie Dieterich (in „Kant
und Newton") vergleicht unser Dichter ferner (S. 11) die bei-
den Chorführer der neueren Philosophie mit einander. „Es
ist falsch, dass die Vor-Kantische Philosophie das Ding-an-sich
nicht gekannt habe.
Wenn Spinoza an die Spitze seines Systems den Satz
stellt: Gott ist die Substanz, bestehend aus unendlichen At-
tributen, von denen uns aber nur zwei, das Denken und die
Ausdehnung, bekannt sind, so gibt er ja stillschweigend zu,
dass eine unendliche Menge Modifikationen dieser unendlichen,
uns unbekannten Attribute gar nicht in ^.unsere menschliche
Vorstellung fallen, ja es hindert nichts, dass selbst in jenem
Kreis, den wir vorstellen, Bestandtheile jener uns unfassbaren,
göttlichen Wesenheiten enthalten sind, die eben daher von uns
unerkannt bleiben und so das eigentliche Ding-an-sich bilden,
nicht allein unserem Vorstellen, sondern sdbst unserem Denken
unerreicht. " In eigenartiger Beleuchtung kommt hier eine Seite
des echten Spinozismus wieder zum Vorschein, welch© leider
so oft von Freund wie Feind übersehen worden, und von der
Bezeichnungen dieser Lehre als Atheismus, Materialismus und
Monismus, im Sinne von Zweieinheitslehre, zurückprallen müssen.
In diesem Satze von den unendlich vielen Attributen der Gott-
279
heit bietet die „Ethik" heute noch der Phantasie Aussichten
von unermesslicher Perspektive.
Aber auch der Lorbeer, mit dem eine frühere Zeit bereits
den Verfasser des theol.-polit. Traktates gekrönt, grünt noch
wie zuvor. „Mit Thränen in den Augen," so erzählt von
Ludwig Anzengruber sein Biograph (Bettelheim, L. Anz. Dresd.
189L S. 130), sprach er mir auf der Heimfahrt von München
von dem Eindruck, den Spinoza's Theologisch-politischer
Tractat, den er eben erst kennen gelernt, auf ihn gemacht."
„Mir war, als hätte ich den festen Punkt gefunden, auf dem
fussend, ich die Welt aus den Angeln heben könne," so
schildert Friedrich Spielhagen (Finder und Erfinder, Lpzg. 1890,
2. Bd. S. 18. Vgl. S. 118. 224. 354. 422 u. s.) seine nähere
Bekanntschaft mit Spinoza, und in einem liebenswürdigen
Schreiben vom 20. Sept. 96 an den Verf. bezieht sich der
Meister auf diese Stelle mit den Worten: „Meine dort ausge-
sprochene Liebe, Verehrung, Bewunderung Spinozas sind heute
— nach fast 50 Jahren dieselben. Ich möchte sagen: ich bin
als Spinozist geboren." Mit ungeschwächter Kraft zünden
noch heut die unsterblichen Worte jenes Rufers im Streit gegen
jeglichen Fanatismus überall da, wo ein Spätling mittelalter-
lichen Geistes sein lichtscheues Wesen treibt. Es ist noch
nicht gar so lange her, dass sich die Nachwehen einer
Wissens- und wahrheitsfeindlichen Zeit an einigen deutschen
Hochschulen recht empfindlich bemerkbar machten. Kuno
Fischer, Hermann Hettner (s. Stern, H. Hettner, Lpzg. 1885.
S. 101. 110; vgl. 27 und Boün, L. Feuerbach. 1891. S. 259 f.)
gefährdeten mit ihren Vorlesungen über Spinoza ihre Stellung
als Universitätslehrer, Prantl wurde in der That „von dem
Halten philosophischer Vorlesungen suspendirt, weil jeder
Pantheist sich für Gk)tt selbst halte, also kein guter Staatsbürger
sein könne."
§ 125. Dahn.
Da regte sich in einem seiner Schüler etwas von dem
Ueberzeugungsmute, der den theol.-polit. Tractat diktirt hatte.
Unbekümmert um den eigenen Vorteil, schlug sich für den
geliebten Lehrer der junge Felix Dahn in die Schanze.
Zugleich fiel sein Blick auf jenen Allerweltsketzer, in welchem
„die eigentliche und entschiedene Opposition gegen jenes
scholastische Princip des Philosophirens xatct ::[oxiv d. h. nach
Massgabe der Religion" zuerst auftritt (Bausteine IV, 2
S. 142). „Der Jude Baruch Spinoza ist es, der das einmal
280
ausgesprochene Princip seines Lehrers ohne Rücksicht auf
Aeusseres consequent durchtührt. Der tract. theol.-pol. ist der
Freiheitsbrief der neuen Philosophie: Hier wird zuerst das
Recht der Wissenschaft, einerseits selbst nur dem Tribunal
der Vernnnft sich stellen zu müssen und andererseits jedes
mögliche Object menschlichen Erkennens, also auch die Reli-
gion, nach Vernunftgesetzen prüfen zu dürfen, behauptet und gleich
die erste Anwendung dieses Rechtes gemacht . . Das ganze Buch ist
nur eine Anwendung des in jedem Capitel wiederholten Princips:
Philosophie kann nur sich selbst zum Zwecke haben. In diesem
Sinne möchte denn auch das bekannte Wort Hegels, es ist
Anfang aller Philosophie, Spinozist zu sein, seine grösste Wahr-
heit haben" (S. 147). „Mit Spinoza schon ist erreicht, was
die Speculation für sich verlangt in Anerkennung ihrer Selbst-
bezweckung und das Recht, alle Erkenntnissobjecte nach Ver-
nunftgesetzen zu prüfen. Daher kann als wahrer Fortschritt
seit Spinoza nur die formale Begründung des Princips der
Selbstbezweckung durch erkenntniss-theoretische und psycho-
logische Untersuchungen gelten, wie sie durch Kant und
namentlich durch Herbart erfolgt ist; hier wird, was Spinoza,
auch Leibnitz a priori aus dem Wesen der Philosophie deducirte, a
posteriori aus der Erfahrung über den Vorgang des Denkens
nachgewiesen." (S. 149; vgl. 150. 259.) Auch als Rechts-
philosoph weiss Dahn Spinoza nach Gebühr zu schätzen (s. Baust.
IV, 1 S. 3. 40. 44. 173. 182).
Und doch war es, nach Dahns eigenem Geständnis, gerade
Prantl, für den er hier unter Spinozas Banner kämpft, der
den Lieblingsphilosophen des jungen Studenten um einen wesent-
lichen Teil dieser Liebe und Verehrung brachte. „Aristoteles,
Spinoza und ganz besonders Hegel hielten mich — den Un-
reifen — lange gefangen : Die grossartige Einheit und Insich-
geschlossenheit dieser Systeme befriedigte meinen gierig nach
Einheit lechzenden Geist" („Erinnerungen*' 2. Buch, Lpzg. 18^1.
S. 33; vgl. S. 28 f. u. 1. Buch, Lpzg. 1890. S. 291)." S.>
kennzeichnet der Dichter selbst seinen „vorprantlschen" Ideen-
kreis. Nun erst lernte er unter Leitung des berühmten Logikers
kritisch denken und sich selbständig eine Weltanschauung zu-
rechtzimmern. Doch trägt diese Weltanschauung deutlich noch
die Spuren jener ersten philosophischen Studien zur Schau.
Dahn selbst bezeichnet sie (Erinn. 11. S. 35 ff. ; vgl. Baust. l\*.
2. S. 91) als: „idealistischen Monismus d. h. Einheit des ewigen
unerschaffenen Seins, „der Welt", mit dem Seinsgesetz, dem
Weltgesetz, . . keine Willensfreiheit im Sinne der „Willkür**
d. h. des Wunders, vemunftnothwendige Unterordnung des
281
Einzelnen unter das höhere allgemeine Gesetz . . Nicht pessi-
mistisch, . . tragisch, heroisch ist meine Weltanschauung, weil
sie Entsagung lehrt, weil sie weiss, dass das Glück der Men-
schen weder auf Erden noch in einem erträumten Himmel „Welt-
zweck" ist, sondern „Weltzweck" (vielmehrWesen der Welt) ist
die nothwendige Verwirklichung des Weltgesetzes, für welche
das Glück der Menschen so gleichgültig ist wie das der Thiere
oder der Pflanzen: heroisch, weil sie trotzdem Lebensfreude
und Pflichterfüllung fordert, ohne jene elende Rechnung auf
Belohnung oder jene . . erbärmliche Furcht vor Strafe im Jen-
seits." Spinoza hat denn auch in des Dichters Augen, trotz
dem in mancher Hinsicht veränderten Standpunkt, als Denker-
ideal nichts von seinem Glänze eingebüsst.
Bekannt ist Dahns Urteil in der Heinefrage, welche ihm
die Gelegenheit gab, Spinoza, dem Freunde seiner Jugend, vor
aller Ohren den schuldigen Preis zu spenden. Femer heisst es
in einer gütigen Mitteilung des Dichters an den Verfasser (vom
8. Sept. 94): „Ich füge nur bei, dass die grossartige Einheit
des Systems — seit Aristoteles wieder des ersten fest in sich
geschlossenen — [mich] von je stark angezogen hat und die
erhabene aus der Vernunftnothwendigkeit gefolgerte Sittlichkeits-
lehre, der die sittliche Hoheit im Leben des grossen Mannes
entspricht : dagegen hält mich vom Spinozismus fern der Mangel
an Kritik unserer Erkenntnissfähigkeit — also der philos. Dog-
matismus — und die Unmöglichkeit aus der Substanz und
deren Attributen die ganze Entwickelung des Seienden abzu-
leiten: ich vermisse in der Welt das Weltgesetz."
§ 126. Nietzsche.
Gerade an dem Punkte nun, wo Dahn, den seine Lebens-
erfahrung schon frühzeitig zur Entsagung erzogen, sich beson-
ders zu Spinoza hingezogen fühlt, liegt für einen anderen Denker
und Dichter der härteste Stein des Anstosses im Spinozismus.
Eben die „Resignation" des edlen Dulders, welche besonders
durch Goethe eine so hohe Bedeutung für das deutsche Geistes-
leben erlangt hat, verwirft Friedrich Nietzsche, wie jede
Asketik, als ,, nihilistisch*', als unsittlich. Denn Rache ist
nach ihm allein das Motiv solcher „Sklavenmoral", wie sie
das Volk der Dulder, die Juden, in die Welt gebracht, und
wie sie die grossen Märtyrer unter den PhilosophQn lehren.
„Seht euch vor, so warnt Nietzsche („Jenseits von Gut und
Böse" Lpzg. 1894. S. 94), ihr Philosophen und Freunde der
Erkenntniss, und hütet euch vor dem Martyrium! Vor dem
282
Leiden um der Wahrheit willen! . . Diese Ausgestossenen der
Gesellschaft, diese Lang- Verfolgten, Schlimm-Gehetzten — auch
die Zwangs-Einsiedler, die Spinoza's oder Giordano Bruno's —
werden zuletzt immer, und sei es unter der geistigsten Mas-
kerade, und vielleicht ohne dass sie selbst es wissen, zu raffi-
nirten Rachsüchtigen und Giftmischern (man grabe doch ein-
mal den Grund der Ethik und Theologie Spinoza's auf!)" Ist
nicht „die Liebe zu Gott, als Liebe zu Einem," indem man
sie dem andern versagt, „eine Barbarei"? (S. 96.) Dies spricht
sich deutlich auch in einem vor kurzem in der „Zukunft" ver-
öffentlichten Epigramm Nietzsches aus, welches ich der Güte
der Nietzsche-Archivverwaltung zu Naumburg a. d. S. (Herrn
Fritz Koegel) verdanke:
„An Spinoza.
Dem „Eins in Allem" liebend zugewandt,
Amore dei, selig aus Verstand —
Die Schuhe aus! welch dreimal heilig Land!
Doch unter dieser Liebe frass
Ein heimlich glimmender Rachebrand:
-- Am Judengott frass Judenhass! —
— Einsiedler! hab ich dich erkannt?"
Dieser ganzen entsagenden Richtung steht nun Nietzsches
eigene Moral mit ihrem Grundtrieb: dem „Willen zur Macht"
schroff gegenüber (S. 132 f.); den Selbsterhaltungstrieb („man
dankt jhn der Inconsequenz Spinoza's") verwirft er als ein
überflüssiges teleologisches Princip (S. 26).
Doch sieht er andererseits bei seinem Unternehmen, die
sittlichen Werte bis auf ihren wahren psychologischen Kern
blosszulegen, in Spinoza dankbar seinen Meister. Er folgt
seinem Beispiel in Lehre (so in dem Urteil, über die „Selbst-
überwindung" ebd. S. 103, das „Mitleid" S. 111 .,Zur Geneal.
d. Moral" 2 Vorw. X; vgl. „Jens. v. G. u. B." S. 109) wie
Leben („Z. Gen. d. M." S. 111). Auch ihm musste sich die
inhaltsschwere Frage aufdrängen : Gibt es jenseits von Gut und
Böse ein Gewissen, ein Gefühl der Schuld? (Ebd. S. 74) „Dies
kam einmal auf eine verfängliche Weise Spinoza zum Bewusst-
sein, . . als er eines Nachmittags, wer weiss, an was für einer
Erinnerung siclf reibend, der Frage nachhieng, was eigentlich
für ihn selbst von dem berühmten morsus conscientiae übrig
geblieben sei — er, der Gut und Böse unter die menschlichen
Einbildungen verwiesen und mit Ingrimm die Ehre seines „freien"
Gottes gegen jene Lästerer vertheidigt hatte, deren Behauptung
dahin gieng, Gott wirke alles sub ratione boni . . Die Welt
283
war für Spinoza wieder in jene Unschuld zurückgetreten, in
der sie vor der Erfindung des schlechten Gewissens dalag:
was war damit aus dem morsus conscientiae geworden? Der
Gegensatz des gaudium, sagte er sich endlich, eine Traurigkeit,
begleitet von der Vorstellung einer vergangenen Sache, die
gegen alles Erwarten ausgefallen ist . . . Nicht anders als Spinoza
haben die von der Strafe ereilten Uebel-anstifter Jahrtausende
lang in Betreff ihres „Vergehens" empfunden: Hier ist Etwas
unvermuthet schief gegangen," nicht: „das hätte ich nicht
thun sollen."
Am unumwundesten kommt aber Nietzsches Verehrung
für den grossen Psychologen in seinem Bekenntnis „Hadesfahrt"
(„Menschliches Allzumenschl.*' Bd. II. Aphor. 408) zum Aus-
druck. „Mit diesen," er nennt Spinoza neben Goethe, Epikur
und Montaigne, Plato und Rousseau, Pascal und Schopenhauer,
„muss ich mich auseinandersetzen, wenn ich lange allein ge-
wandert bin, von ihnen will ich mir Recht und Unrecht geben
lassen, ihnen will ich zugehören, wenn sie sich dabei selber
Recht oder Unrecht geben. Was ich auch nur sage, beschliesse,
für mich und andere ausdenke, . . auf jene Acht hefte ich
die Augen und sehe die ihrigen auf mich geheftet."
So stellt sich uns der neueste Sprössling des an den sonder-
barsten Wandlungen so überreiöhen Spinozismus dar, und es
erweist sich die Lehre des gi'ossen Denkers noch keimkräftig
und entwickelungsfahig heute an der Neige des 19. Jahr-
hunderts, als wollte die Geschichte das selbstbewusste Wort
des Meisters rechtfertigen: „Non dico, me optimam invenisse
philosophiam, sed veram me intelligere scio."
Anmerkungen und Nachträge.
§ 1.
Ueber den Spinozismus in den Niederlanden vgl. i. allg.:
Roellius, De religione rationali § 151 p. 166 („Spinosam tota
armenta in Belgio sequi ducem"); Tholuck, Vorg. d. Ratio-
nalismus 1853. S. 276; Ant. v. d. Linde, Spinozas Lehre
und deren erste Nachwirkungen in Holland. Götting. 1862, bes.
S. 134 fg.; Schmidt, Spinoza u. Schleiermacher. Berl. 1868.
S. 8 fg.; über Cuffeler bes. Ritter, Gesch. d. Phil. XI S. 287;
Trinius, Freidenkerlex. S. 332 f. (sagt, dass Caffeler auch in
Deutschland bekannt war); Tennemann, Gesch. d. Phil. X
S. 483; über Cuper: Tennemann X S. 485. Dict. philos. I
p. 616 fg.; W. Jäger, Diss. Fr. Cuperus. . . . Tübingen 1710;
über Leenhof: Tennemann X S. 485 (L. 1710 ins Deutsche
übersetzt); Jenichen, Hist. Spinozismi Leenhof.; über Breden-
bürg: Leibniz, Theodicee III 337 (nach Bayle 1740. tom
4. p. 258); Nachrichten von einer hall. Biblioth. 1748
Bd. I S. 117; Trinius, Freid. — lex. 427 f; über W. Jac
Gravensande: Gumposch, D. phil. Ltr. d. Deutschen. Rgsbg. 1851
5. 199. Ueber van Helmont s. bes: Ueberweg-Heinze III ' S. 36
Ritter a. a. O. XII S. 4. 22; Stein, Sp. u. Leibn. S. 210. 212
Vgl. Jacobi, Ueber d. Lehre des Spin. 1785 S. 33. 171:
Wächter, d. Spinozismus S. 237. (H. 1699 in Berlin gest.)
Ueber die Beziehungen Spinozas zu Jan de Witt vgl. Hamb.
Stdtbibl. Realcat. A B p. 23: Appendix Van't Catalogus van
de Boeken van Mr. Jan de Wit. Bestaende in een part>'e
Curieuse en Secrete Manuscripten. Welcke verkocht sullen
werden op de Zael van*s gravenhage, Moendag den 5. Sept,
1672 en de volgende dagen. Catalogus sijn te bekomen in
den Haegh, by de Druckers van de Historie van Wicquevoort
[Auf dem Deckel die Notiz: Eine Satyre auf Jan de Wit.]
p. 7. No. 33. Tractatus Theologico-Politicus. Door
28n
den afvalligen Joodt te samen met de Duyvel in de Hei
gesmeedt, en met Kennis van Mr. Jan en sijn Complicen uyt
gegeven. [Unter: Manuscripten in Quarto en minder Formaten.]
16. De Broederschaft tusschen Socinus en Arminias. Zijnde
een Concept, gesmeedt met de Heeren van Rotterdam, door
haer Commissarissen Paets, Pesser en van der Aa, van de
Remonstranten, en Hartigvelt van de Socinianen, om dese
Vrienden te vereenen, en onder een dack ter Kerekte brengen
alles op Aprobatie van Mr. Jan.
Ueber den Spinozismus in England vgl. i. allg.: Ritter,
Gesch. d. Phil. XII 228. 241. 274; Ueberweg-Heinze, Grund-
riss III" S. 123. 133. 138; Saintes, Histoire de la vie . . .
p. 191 fg. 194; Pollock, Spinoza 1880. p. 381. 384. n. XX:
Hettner, Ltrgesch. d. XVIII. Jhrdts. Bd. I S. 39. 175. Ueber
Huygens s. Stein a. a. O. S. 40 f. 89. Ueber Clarke: Trinius a. a.
0. S. 429 f. (Gl. s. „Demonstration of the Being. ..." 1756 auch
ins Deutsche übers.); Dict. philos. I p. 515 sv. — Tholuck,
Vorg. S. 243 aus d. Ludolfschen Briefsammlung im Hall. Waisen-
hause: „Le Spinozisme c'est repandu extremement ici . ."
Ueber den Spinozismus in Italien vgl. Trinius a. a. O.
Ueberweg a. a. O. S. 531.
Ueber den Spinozismus in Frankreich vgl. i. allg. ; Bouillier,
Hist. de la philos. Cartesienne; Damiron, Hist. de la philos. du
XVII. siecle; Saintes, De la vie et des ouvrages de Spinoza; Erd-
mann, Gesch. d. Philos. IIS. 80; Saisset, Uebersetz. Spin. s. p. 207.
210. 216; Cousin, Cours de Thistoire . . t. I p. 465; Pollock
1. c. p. 403 fg.; Janet, le spinoeisme en France: Rev. philos.
1882 p. 109 SV. 112. 123; .Bavante, De la litterature fran9aise
1809 p. 213; Rev des Etudes juives 1894. Heft 1: Spinoza.
Im Besond. vgl. über BouUainvilliers: Hissmann, Magazin 1782
p. 48; Auerbach, Uebers. Spin. s. 1841 I S. VIII; Maimon,
Progressen; Rixner, Handbuch ÜI S. 81; Tennemann X
S. 486 f. ; Dict. phil. I p. 369 sv. Archiv f. Gesch. d. Philo-
sophie Bd. IX S. 165 f. Ueber Malebranche: Cousin, Cours
de Thist. I p. 220b.; Martineau, Types of ethical theory 1885,
bes. p. 156—193 fg.; Hegel, Vorl. über Gesch. d. PhUos. III
S. 414; Rixner, Hdbch. III S. 86; Ulrici, Gesch. u. Kritik . . .
S. 62; Dict. philos. t. IV p. 73 sv. u. p. 536 sv; Dippel, W.
II S. 81; Glaser, Vergleichung der Philos. des Mal. u. Spin.
Berl. 1846; Forsberg, Jemförande Betraktelse . . Ups. 1864;
Grunwald, Das Vltn. Mal. s. zu Spin. Brsl. 1892. Ueber Prat
(,,Sp . . le plus grand politique") s. v. Linde, Spin.'s Lehre S. 181.
Ueber die Reisen, bes. nach Holland, vgl. Tholuck, Vorgesch.
d. Ration. S. 308. 310; Gesch. von Schlesien, Heft 18, Brsl.
286
1809. S. 834; Cod. Guelph. 84. 9. S. 316; Albr. Scultetus,
Epp. select. 1662. p. 86; Tholuck, Gesch. d. Rationalismus.
Berl. 1865. S. 172. [„Nachdem Anton," der gegen Ende des
17. Jhrdts. Frankreich, Spanien, Portugal und Italien bereist
(vgl. AUg. d. Biogr. u. A. Paul Anton), „eines spinozistisch
gesinnten Adligen Erwähnung gethan, mit welchem er auf
seiner Reise (1687) in Florenz zusammen gekommen war, fügt
er hinzu: „Ich könnte noch viel erzählen, was mir ratione
Spinozae auf meiner Reise begegnet. Ich bin aber im Gewissen
gehalten, es nicht umständlich zu entdecken" („Materialien
zum Bau des Reichs Gottes" I S. 611)].
Von handschriftlichen Reisetagebüchern kommt für uns
hauptsächlich das sog. Stollesche in betracht. Die kgl. Uni-
versitätsbibliothek zu Brsl. besitzt hiervon eine Abschrift, welche
bereits von Guhrauer in der „Zeitschr. für Gesch." Bd. VII 1847,
von Tholuck, Vorgesch.S. 243, Ginsberg, „Die Ethik des Spinoza'*
S. 19 undMeinsma, Spinoza en zijn Kring 1896, benutzt worden
ist. Das Exemplar, welches der Breslauer Stadt-Bibliothek
gehört, scheint, vergleicht man die Schriftzüge mit denAutographen
StoUes in der Wolfschen Briefesammlnng in Hamburg, das
Original zu sein, mit Seitenzahlen und Register in Folio (Cod.
766). Diese Handschrift gibt sich als: „Reisebeschreibung von
Halle 1703 April 19. durch Holland zurück bis Lutzenburg
(Charlottenburg). Arletius bezeichnet die ihm von Lessing ge-
schenkte Hs als „Gottl. Stolle, von Hahnenfelds und Hollmans
Reisebeschreibung." Während seines Aufenthaltes in Amsterdam
lernt Stolle einen Deutschen Sebastian Petzold kennen, der aus
Rawicz gebürtig, ehedem „Rector bei der Schule in Berlin war.
Aus Liebe zur Gewissensfreiheit sei er nach Holland gegangen."
Dieser verschafft Stolle die Bekanntschaft eines alten Mannes,
der noch Spinoza sehr gut gekannt haben will. Doch sind
dessen Aussagen offenbar eine sehr trübe Quelle für Spinozas
Biographie. Spinoza habe sich, so heisst es sehr bezeichnend
für die Beurteilung des Philosophen seitens der grossen Masse
seiner Zeitgenossen, seine Krankheit durch Ausschweifungen
und Völlerei zugezogen. Erst „weil er nach der Excommuni-
cirung nun nicht gewusst, wie Er leben solle, habe er sich sehr
andächtig gestellt. (S. 302). Hierzu bemerkt schon Stolle (?»
selbst (S. 303): „Haec falsa sunt." Wir erfahren femer, dass
Spinoza nach seiner Ausschliessung aus der Judengemeinde
Privatunterricht erteilt habe. In Ober-Yssel habe er noch eine
Menge Anhänger, darunter auch Ratspersonen und Geistliche;
sonst sei schon zehn Jahre nach seinem Tode nichts mehr von
seinem Einflüsse zu spüren gewesen. Bayle erzählt Stolle nur
287
Gutes von Spinozas Charakter. Doch meint Gronovius
(S. 452), dass Bayle ganz falsch über Spinoza geurteilt. Er
selbst neigt stark auf Spinozas Seite. Von Leibniz heisst es
(S. 513), „er sey allerdings eine Spinoziste, der sich umb keine
Kirche, keine Priester und Religion bekümmere, sondern seinem
Plaisir nachhinge, und sich nach dem Preussischen Hofe richte."
Den wärmsten Verehrer Spinozas findet Stolle in Rieuwerts,
dem bekannten Verleger der Spinozischen Schriften (S. 310 ff.).
„ Gegen Spinozam bezeigt Er eine ungemeine Liebe und wünschte
fast mit weinenden Augen, dass er noch leben möchte. Er würde
noch viele Wahrheiten entdecket, und zugleich auch Ihm noch in
vielen Stücken die Augen aufgethan haben." Stolle bemerkt hier-
zu : „So viel man proba[bi]liter aus Rieuwerts Discursen und Minen
Schlüssen kan, so mag Er wohl sehr tief in Atheismo stecken,
entweder weil Er Spinosa Meinung nicht sattsam capiret (wo-
fern dieser ja nicht scienter ein Atheus gewesen) oder weil
Ihn vielleicht Spinosa ex consuetudine familiari etwas Mehres
entdecket, und in den Kopf gesetzt, als er noch in seine
Schriften bracht." Sehr bemerkenswert ist der Bericht, dass
Stolle (S. 318) in Rieuwerts' Wohnung die „notas msstas
Spinosae" zum Tr. theol.-pol. abschreibt, und vor allem, dass
ihm Rieuwerts (S. 321) „die geschriebene Ethik mit dem
tr. de Diabolo," also zweifellos den erst 1852 von Böhmer auf-
gefundenen „kurzen Tractat" zeigt. „Einige Freunde hätten
dies Scriptum abgeschrieben, sey aber nie gedruckt worden."
Die Vorrede zu Spinozas Opp. posth. soll (S. 318) ursprüng-
lich holländisch, und zwar von Van den Ende, verfasst
w^orden sein.
Die Breslauer Stadtbibliothek besitzt ferner eine Hand-
schrift der von Löwenheim*schen Reise von Breslau nach Hol-
land und England i. J. 1682 (s. darüber „Schles. Zeitung"
1885 Nro. 697, 700, 703, 706, 709). Hier heisst es
(Blatt 17 b): Am 5. August hörten wir nachmittags „den Do-
minum Colerum, einen Hochdeutschen, predigen." Die Reisen-
den besuchen auch die Amsterdamer Synagoge, die durch
Spinozas Schicksal eine besondere Bedeutung erhalten. Geo-
graph. Handschr. cod. 77 der Hamb. St.-Bibl. Georg Dieter.
Schultz Med. Doct. Voyages . . 1678 berichtet aus Amsterdam:
„Las juifs se sont fait faire deux Synagogues fort propres et
magnifiques avec des Colleges, dans les quels ils estudient et
disputent, mais il faut qu'ils donnent pour ce privilege et pour
d'autres encor beaucoup d*argent et en cas de besoin meme
ils [s]ont oblige d'entretenir quelques navires de guerre pour
288
l'Estat." Cod. 75 [s. unten] heisst es S. 89 (38): Die Sina-
gogue der Portugisischen Juden (welche aus 2 Gebäu besteht
und 2 eingänge hat) welches ein schön gebäu, u. der Altar
von dem besten Holtze war, dieselben hängen am Ostertage
leinen Tücher anstatt der säkke auf dem Kopf. . . Es werden
hie bey 30 art von religionen gezehlt. (S. 72) Man sollte
wohl die Portugisen vor keine Juden ansehen, so reputirlich
sehen sie aus. Sie trauren schwartz mit Flor wie die Christen,
sie sagen, dass sie aus dem stam Juda. Der reichst Jud in
Amsterdam heisst Pinto, der ein Haus hat von lauter Quader-
steinen aufgeführet, wie einen Palast. In dem letzten Tumult
hat die Canaille sein Haus gestürmet, und soll es ihm über
3 Tonnen Goldes gekostet haben. [Vgl. Cod. 76 vom Jahre
1696 S. 32: Des reichen Juden Pünter sein Haus gesehen,
welches in der Hogestret liget, u. in den aufruhr 1696 von
den pöbel geplündert worden . . .] Wir sahen auch den
dänischen Residenten Texere, welchen der König zum Baron
gemacht. Es war ein alter Mann von 70 Jahren, u. es ist zu
bejammern, dass grosse Herren denen Juden solche Ehre an-
thun. Vgl. Grätz, Gesch. d. J. X u. Meinsma, Spinoza.
Speeth [s. unten § 17] sagt (Cod. 75 S. 113.): Die Portu-
gisen sind Staats- Juden, die immer ihre Tobach Dosen in der
Synagog in der Hand haben, und keine Andacht von sich
spüren lassen. Die teutschen Juden aber sind wie die Bauren,
bey denen alles confus unter einander gehet, jene aber sind
Edelleute.
Eine andere Hs. der Breslauer Stadt-Bibliothek enthält die
Aufzeichnungen eines Schlesiers aus Krossen, der im Mai 171.s
eine Reise nach Holland angetreten. Der Reisende erwähnt
(67) „Wittichius, der den Anti- Spinoza geschrieben," besucht
auch Poiret u. a., ohne etwas Bemerkenswertes über Spinoza
selbst zu erwähnen.
Aehnliches gilt, nach einer Mitteilung, die ich der Liebens-
würdigkeit des Herrn Direktor Dr. W. Heyd verdanke, von dem
Reisetagebuche Hochstetters in der kgl. Bibliothek zu Stuttgart
(vgl. Andr. Adami Hochstetteri Anglicana aus d. J, 1691 in
„Die histor. Handschriften der kgl. öffentl. Bibl. zu Stuttgart
Bd. II S. 137).
Ein „Itinerarium de annis 1688, 89, 90, 91 . . . compilatum
a me Joh. Arn. von Uffeln (Hamb. St. Bibl. Geogr. Hdschr.
cod. 75) bemerkt (S. 78): „Die regierende Burgemeister [von
Amsterdam] in dem Jahr 1690 hiessen Marseveen ein Ritter.
Witte ... de Vries und Hudde" (vgl. Meinsma, Spinoza). S. />"'
„Es werden hier bey 30 art von religionen gezehlet". Aus dem
289
Haag wird erwähnt (S. 130) der „ort und platz worauf die
Witten 1672 gefangen gesessen und 20. August gerichtet
worden."
In J. Chr. Wolfs Reisebeschreibung (Ebendas. Geogr.
Hdschr. 74) heisst es unter Hannover: „Herr Hugo Studiosus
Theologiae hüte sowohl den Herrn Leibnitz als Eckarden vor
Naturalisten, wenigstens hielten sie beyde nichts de cultu publicos.
extemo, ob sie wol sonst, sonderlich der H. Leibnitz noch
irgend alle Jahre einmal zum H. Abendmahl gingen, und in
discoursen nicht viel mercken Hessen, sondern dissimulirten."
Chevreau erzählt (Chevraeana A. II p. 99 f.) bei Bayle
(Dict. phil .1734 p. 207 H.): „Etant ä la cour de l'Electeur
Palatin je parlay fort avanteujement de Spinosa, quoy que je
ne connusse encore ce Juif Protestant que par la premiere et
la deuxieme partie de la Philosophie de M. Descartes . . M.
l'Electeur avoit ce livre; et apres luy en avoir leu quelques
chapitres, il se resolut de l'appeller dans son Academie de
Heidelberg pour y enseigner la philosophie, ä condition de ne
point dogmatizer . . et sur quelques lettres que je re9us de la
Haye et d' Amsterdam je conjecturay que ces mots, ä condition
de ne point dogmatizer, lui avoient fait peur". Bayle
selbst berichtigt bereits das Letztere. Auf S. 226 erwähnt
Bayle den Brief eines bayr. Offiziers im „Mercure galant"
Sept. 1702, dessen Vater ein intimer Freund Spinozas gewesen
sein und ihn zum Austritt aus dem jüdischen Glauben über-
redet haben soll. Doch wird diese Nachricht verdächtig durch
die gleichzeitige, sicherlich falsche Angabe, dass Spinoza in
Ulm gewesen, daselbst auch den theol.-polit. Traktat ge-
schrieben habe, aber schliesslich vom Magistrat ausgewiesen
worden sei.
Die Berufung nach Heidelberg wurde für Spinoza jeden-
falls ein Gegenstand reiflicher Ueberlegung. Er bittet in seiner
Antwort an Fabritius „um Aufschub zur Ueberlegung", und
seine Versicherung, dass er „so lange schon unter der Herr- *
Schaft eines Fürsten, dessen >Veisheit alle bewundem, zu leben
gewünscht habe" [vgl. dessen Lob bei Jair Chajim Bacharach
GA. 136], erhalten eine neue Beleuchtung durch die That-
sache, dass das Inventar seiner Bibliothek (s. -Servaas van
Rooijen, Inventaire des livres de Spin. 1889) auch eine Topo-
graphie von Mannheim und Kaiserslautem von J. S. Fabricius
(1658) aufweist.
In den Marburger Statuten von 1653 (s. Tholuck, Vorgesch.
II S. 9) heisst es: „Jene Philosophie, die von Cartesius den
19
290
Namen hat, und die an allem zu zweifeln befiehlt, sollen die
Professoren weder selbst billigen noch der Jugend lehren."
§ 3.
Vgl. Journal de Leipsic 1690 p. 346 (bei Bayle p. 210 r.);
Bibliotheque universelle 1692 t. XXIII p. 323; Colerus, Vita
Spin. p. 149 sq.; Bayle, Dict. Spin. p. 215 P.; Trinius, Freid.
lex. 443 ; Bouillier in Dict. phil. VI p. 996 sv. ; Gumposch, Phil.
Ltr. S. 123 (s. Gronows Leichenrede); Van Vloten, B. de Spin,
p. 81 Note; ein Ms. auf der Bresl. Univ.-Bibl.: M. Hosti,
Wittichius senior.
§4.
P. 205 D. citirt Bayle aus einem Briefe des schweizer
Offiziers in französ. Diensten Stouppe (Stoppa) an einen. Lands-
mann („Religion des Hollandais" lettre III p. 65 sv.): „Tract.
theol.-pol. dans lequel il (Sp.) semble d'avoir pour but princi-
pal de detruire toutes les Religions et particulierement la Judaique
et la Chretienne, et d'introduire TAtheisme, le libertinage, et la
liberte de toutes les Religions. . . Ha demeure quelque tems
ä la Haye, oü il etait visite par tous les esprits curieux et
meme par des fiUes de qualite, qui se piquent d'avoir de Tesprit
au dessus de leur sexe." Aehnlich erging es, nach Bayle
(p. 206), Spinoza auch in Amsterdam, „les visites de ses
amis interrompoient trop ses speculations. " Vgl. über Bayle:
Leibniz, Theodicee (deutsch 1726) S. 340 u. s.; Jacobi, überd.
Lehre d. Spin. S. 5. 47; Herder, „Gott" (W. 1828 Tl. 9)
S. 106; Fichte, Rlgsphil. Sehr. (hrsg. v. J. H. Fichte, Berl.
1846) S. 6^; Schmidt, Sp. u. Schleierm. S. 18'; Zeller,
Gesch. d. d. Philos. S. 70 ; ferner : Gigas, Lettres inedites . . t.
I (1890) p. 486 (Lenfant, am Hofe des Kurfürsten von d. Pfalz)
109. 258. 293. 297. 462. 506. II, 1 (1892) p. 166.
§ 5.
P. 2163. Quorum sententia ut nova et mustea videri
possit, veterum errorem interpolat tantum et Libertinismo cre-
dendi Arminianorum religionumque omnium conciliatori Syn-
cretismo secundas agit. Quo enim dififeri illacenseas, nisi, ut,
quod proverbio dicere solemus, omnia sub unam Myconum,
perindeque Sit, cui quis religioni nomen dederit, modo com-
munia illa religionibus omnibus, in natura fundata, principiateneat
Vgl. Joh. Conr. Dürr (Prof. zu Altorf), „De praepostera et
impendienda libertate philosophandi" Lpzg. 1672 (in Problemata
moralia).
291
Fr. Kettner (Superintendent), „Exerc. hist.-theolog. de reli-
gione prudentum" 1701 Thes. XV pp. 49. 69 eifert gegen
[Meyers] „Philos. Script, interpres", die falschlich Spinoza zu-
geschrieben wurde. Vgl. v. d. Linde, Bibliogr. 371—374.
[ein Nachfolger WoUs (374) in der Katechetenstelle zu St. Petri
in Lpzg. ist Wetzel (s. Ueberw. IIF S. 90)], 386 fif. Staal-
kopf in Greifswald (s. Linde 391. 392. 393 „Diss. de atheismo
B. de Sp. adv. Joan.. G. Wachterum 1707," 396) schrieb
auch „De Spinozismo post Spinozam." In seiner Dissertation
(fehlt bei Linde) „De fundamento venerationis Dei religiosae"
(Grfswld. 1708.) heisst es p. 21 sq. „Utinam iste inquam, qui
monopolium sapientiae sectatoribus possedisse c^citur, Maledictus
de Spinoza, tristibus Sadducaeorum casibus edoctus rectius sapere
didicisset." UeberQuistorp s. Linde 400. 111. Carpzov „Introd. ad
libr. canon. bibl. V. T." F. I. p. 39: Sp. „nequam", P. II
p. 66: „impurus scurra", F. III p. 470: „omnes nequitiae numeros
ex asse implevit."
§7.
Vgl.FuUer, ContinuatioBibliothecae Universalis (s. v.Musaeus) :
„Celeberrimus ille Jenensium Theologus Joh. Mus., Spinosae
pestilentissimum foetum acutissimis queis solet, telis confodit**;
Coler, Vita Spin. u. deren deutsche Uebersetzung (1733) S. 113;
Leibniz, Theodicee (deutsch 1726) I S. 28; Gumposch, Phil.
Ltr. S. 78; Tholuck, Vorgesch. II S. 66; Pünjer, Gesch. d.
Christi. Rlgsphil. 1880 Bd. I S. 322. Von Mus. findet sich in
der Wolfschen Briefsammlung auf der Hamb. Stdtbibl.: Cod.
fol. 28 p. 207 ein Stammbuchblatt vom 20. Aug. 1666.
§ 9.
F. 75. Benedictus de Spinosa, quem rectius Maledictum
dixeris; quod Spinosa ex divina maledictione terra . . p. 86.
Tot inde porro manantes impietates, quibus Christianae aures
merito abhorrent, passim apud Spinosam legi" . . Ein Beweis
für die grosse Beliebtheit des Buches sind seine zahlreichen
Uebersetzungen, bes. ins Französische, vgl. A. v. d. Lindes
Spinozabibliographie, 1871. [Herm. Aug. Francke schreibt an
Kortholt d. J. (Wolf-Uffenbachsche Briefsamml. auf d. Hamb.
Stadtbibl. vol. Qu. 18 p. 366) am 8. Febr. 1715: . . . Caete-
rum ut persuasum mihi habeo, Te pietatis Patemae, quae ex-
emplo mihi adolescenti fuit, heredem existere . . ."]
Die Stadtbibliothek zu Lübeck besitzt (nach einer freund-
19*
292
liehen Mitteilung des Herrn Biblioth. Dr. Hach) 2 Hdschr., eine
in 4°, die andere in 8°.
1) Die in 4® führt den Titel: L'Esprit de Mr. Benoit Spi-
nosa, c'est ä dire ce que croit la plus saine partie du monde,
par Mr. Lucas Medecin ä la Haye, und den zweiten Titel:
„De tribus impostoribus liber, ou Traite de trois grands Im-
posteurs, traduit du Latin en Fran9ois. Unten steht geschrie-
ben „Londini MDCCII.
Auf der Rückseite eines der leeren Vorsatzblätter steht
unten mit Rotstift: „Londini a. 1697 m. jun."
2) Die Hdschr. in 8® führt jetzt dieselben beiden Titel wie
die sub 1 genannte, hat aber anfanglich nur den Titel gehabt:
„Esprit de Spinoza, Versio libri de 3 impostoribus magnis.**
Herr Tidema, Conserv^ator der Handschriften der kgl. Bi-
bliothek im Haag, dem ich gleichfalls an dieser Stelle meinen
besten Dank sage, teilt mir femer mit, dass sich daselbst fol-
gende Handschriften finden:
V. 381, worin: de Dieu, de tribus impostoribus über ex
Utteris J. P. ad C. 1695 datis (Fragment). V. 382, worin, was
man auch findet in AA. 112 S. 1 — 84: Dissertation sur le
livre de trois Imposteurs. AA 112. Dissert. sur le Traite de
m Imposteurs, etc. M.D.CC. XVI. A. L R. D. M.
Fol. 11 — 68, was man auch findet AA. 111 S. 38 — 113.
Vgl. Catalogue raisonnedela CoUection de Hvres de M. Pierre
Antoine Crevenna, T. L S. 144 f. AA. 113. Traite des trois
imposteurs, worin Sentiments sur le Tr. des trois Imposteurs.
Femer finden sich daselbst:
AA. HO. L'Esprit de Spinosa. De Dieu. (Vgl. A A. 111. S.
38—113.)
Critique des doutes sur la Religion etc. AA. 111. La \ie
de M. Benoit de Spinosa.
L'Esprit de M. B. de Spinosa,
AA. 245. Exposition des Sentiments de Spinosa. Avec
un Examen de la Refutation faite par M. Regis de Spinosa,
sur Texistence et la nature de Dieu.
Auch die kgl. Bibl. zu Dresden (s. Katalog) besitzt ein
Ms.: La vie de Monsieur de Spinosa. VgL femer ,Verz. d.
Handschr. i. Preuss. Staate** Berl. 1893) I S. 78.
§ 10.
Ganz wie bei Thomasius und Stolle (s. u. § 23) heisst es auch
bei Wesenfeld, „Georgica animae et vitae s. Pathologia pract."
(1696) Einl. : „In dem Spinoza fünden sich einige Gold-
kömergen, aber sie sein mit vielen gottlosen, dunckeln ein ander
293
entgegen laufiFenden Atheistischen Schlacken besudelt." Vgl. R.
Andala, „Pentas" (Fran. 1710/12) p. 16. „Sp. vero obscuram,
intricatam, ambiguam, dolosam et captiosam hanc substantiae
dedit definitionem."
Deutscher von Geburt ist auch Joh. Melchior (1646 — 1689),
der „de religione eiusque natura et principio contra Spinozam"
geschrieben. Ueber Graevius (geb. zu Naumburg) vgl, Sp.
opp. Ld.-Vlot. n p. 183. Ueber Oldenburg: Gerhardt, Leibn.s
math. Sehr. I, 4 118; Linde, Spinozas Lehre S. 174;
Tennemann, Gesch. X S. 482. Meinsma, Spinoza. Nach
Kahlers Uebersetzung Colers"1733 S. 60, schrieb er auch unter
dem Pseudonym Grubendole (mit Versetzung der Buchstaben
aus Oldenburg gebildet).
Die preuss. Königin Sophie Charlotte, die Freundin
Leibnizens, welcher Toland seine „Lettres to Serena" (1704)
gewidmet, ist eine Nichte des Kurf. Carl Ludwig.
§ 11.
Vgl. Trinius, Freid. lex. 360 f.; Gumposch S. 126 fg. Riedel,
R. des Cartes et Ben. de Spin, praecip. opera philos. Lips. 1843
(vol. II praef. p. X) druckt die Schrift „De jure ecclesiastico-
rum" als ein Werk Spinozas ab, welches ohne sein Wissen
L. Mayer veröffentlicht habe, während bereits Spinoza selbst,
nach Coler p. 633, die Autorschaft verleugnet hat.
§ 12.
Vgl. Leibniz, Theod. I S. 310; Br. Bauer, Gesch. der
Politik . . d. XVIII. Jhrdts. 1843. S. 153; Jul. Schmidt, Gesch.
d. deutschen Ltr. 1886. Bd. I S. 95. Bekkers Werk wurde 1691 ins
Lat. undDeutsche übersetzt. Ein Brief Bekkers istauch in der hdsch.
Gronov-Correspondenz auf der Kgl. Bibl. zu München erhalten.
§ 13.
Vgl. B. V. Spin. Sittenlehre nebst Widerlegung von Wolf
übs. 1744 S. 687; Rixner, Gesch. d. Phü. III. S. 183; v. Vloten,
Spinoza S. 264. Ginsberg, D. Briefw. des Spin. 1876 S. 13.
Bodemann, Die Leibniz-Handschriften . . 1895 S. 103 [Leib-
niz:] „Mons. Tschirnhaus m'a conte beaucoup de chose du
livre Ms. de Spinosa. II y a un marchand ä Amsterdam (nomme
Gilles Dorit (?) puto), qui entretient Spinosa". . . .
§ 14.
Vgl. Stein, Leibn. u. Spin. S. 77 und S. 32. 37. v38. 46. 52.
62. 54b. 97 f.; 30. 54. 57.
294
Ueber R. Andala vgl. Gumposch, D. phil. Ltr. S. 130;
Pollock, Spinoza p XXVII; Stein 1. c. S. 3.
Jodl sagt (Gesch. d. Eth. I S. 341) „Ohne Zweifel steht
Spinoza, was Einheitlichkeit des Denkens betrifft, ebenso weil
über Leibniz, als dieser an vielseitiger Empfänglichkeit und
geistiger Universalität jenen überragt; und so gehören beide
zusammen, in wechselseitiger Ergänzung, als eine jener grossen
Doppelgestalten, deren die Philosophie eine ganze Reihe auf-
zuweisen hat . . Der Widerspruch gegen Spin, übt auf
Leibnizens Denken eine ähnliche treibende Kraft, wie die Oppo-
sition gegen Hobbes in der englischen Philosophie." Es „ist
nicht schwer, auch in Leibnizens Speculation noch den ver-
wandtschaftlichen Zug mit Spinoza zu entdecken," eine
„Uebereinstimmung zwischen beiden Denkern, welche durch
die Grundverschiedenheit ihrer metaphysischen Anschauungen
noch augenfälliger wird." S. 344 „Seine eigenen Gedanken
sind wesentlich vom theologischen Geiste eingegeben. Sie
stellen daher auch Spinoza gegenüber keinen Fortschritt dar . .
„Zu eng war die Beziehung" seiner „Gedanken auf die Theo-
logie, zu lebendig der alte GottesbegrifT in" ihm, „als dass" er
„sich zu einer so radikalen Umgestaltung der herrschenden
Denkweise hätte entschliessen können*' wie Spinoza. Leibniz
ist „so sehr bemüht, keinen Anstoss zu geben, dass nicht ein-
mal seine eigene Meinung von Missverständnissen frei bleibt."
Vgl. Wundt, Ethik S. 304. „Das eine hat L. mit Sp. gemein:
seine Ethik ruht ganz auf seiner Metaphysik, und im letzten
Grunde wird diese wieder von ethischen Postulaten geleitet."
Besonders sind beide (S. 305) Deterministen und Intellectualisten.
Jul. Schmidt, Gesch. d. d. Ltr. I S. 787; Biedermann, Deutschld.
i. 18. Jhrdt. II S. 233; Bodemann, Die Leibniz Handschriften
u. s. w. 1895 S. 58. 62. 102 fg.
Ueber den Spinozismus Laukhards vgl. J. C. Laukhard's
Leben u. Schicksale, von ihm selbst beschrieben. Halle 1792.
§ 16.
„In einem Exemplar, so nachher in Küsters Hände ge-
kommen ist," heisst es auf dem Einband der Abschrift, welche
die Breslauer Stadtbibliothek von Stosch's Buch besitzt.
Hier wird auch bezüglich des Näheren auf Uffenbachs Leben
S. 69, auf die Acta Stochiana in der „Neuen Sammlung
theolog. Sachen" 1749 S. 639 f., auf J. G. W. Dunckels,
Histor. crit. Nachrichten Bd. III. Tl. 4. S. 831, Jahns Ver-
zeichn. seiner Bücher Bd. I. Abschn. 3. S. 1789—1792
verwiesen. Aus letzterer Stelle gehe hervor, dass das
296
Exemplar der Stadtbibliothek das vollständigste sei, da es
beide Anhänge aufweist. Stosch soll von 1646 bis 1747 ge-
lebt haben. 1713 hatte er noch als Geh. Staaü^ekretär
die pommersche Expedition unter sich (s. Berliner Adress-
kalender von 1713 S. 78. Mylius, Biblioth. Anonymorum et
Pseudonymorum P. I p. 835. Nro. 1398). Baumgarten („Nach-
richten von merkwürdigen Büchern 1752 Bd. II S. 125) besass
ein Exemplar der „Concordia" mit kritischen Randbemerkungen
von Chr. Thomasius. Vgl. noch Trinius a. a. O. S. 444 ff.
Hettner, Ltrgesch.« 1872 III, 1 S. 38. 42 ff. Pünjer a. a. O.
I S. 324. Windelband, Gesch. d. n. Phil. (1878) I. 434. 518.
§ 17.
Ueber Wächter und Mose Germanus berichtet cod. 68 Geogr.
Handschr. der Hamb. Stadt-Bibl. (vgl. Schudt, Jüd. Merck-
würdigkeiten IV S. 192): 100. Mit dem H. Wächter war Er
(Mose Germ.) nicht zufrieden, dass Er ihn des Spinosismi be-
schuldigt, sagte auch Er hatte ihn gezwungen von solchen
materien zu disputiren, welche in seinem Buch enthalten.
110. Er lästert Christum nicht, will auch durchaus nicht
gestehen, dass die Juden Christum lästern u. verfluchen, u.
ob es gleich der gemeine Pöbel thäte, so würden sich doch
verständige dessen nicht theilhaftig machen. Es sey eben wie
die gemeine Leuth im Papstthum, welche H. Luther lästerten,
dass Er die Wurst noch schuldig sey, welche Er zu München
in Bayern gefressen. . .
132. Er (Wächter) habe ihn des Spinosismi beschuldiget,
da er doch Selbsten wieder Spinosam geschrieben in seinem
Buch Salus ex Israele, von welchem Buch die Juden gesaget
hätten, sie sähen wohl, dass er noch ein Anfanger im Judenthum.
134. Das Buch salus ex Judaeis habe er vor 2. Jahren
geschrieben, u. darinnen Spinosam refutiret, unten stehe edit.
Hamburgi 1670, welches aber nicht von Mosis Germani
Bücheigen, sondern von Spinozae Tractat zu verstehen, welcher
in selbigem Jahr zu Hamburg herauskommen (auch S. 137).
§ 18.
Vgl. Br. Bauer, Gesch. d. Politik . . S. 74 fg. 92. Saisset,
Uebers. Sp.s p. XI. (Condillac, Traite des Systemes eh. X.
Voltaire, Lettres sur les juifs X. lettre 24. Vgl. Polignac, Anti-
Lucrece. Stewart, A general view of the . . philosophy . .
Tl. II S. 173 der franz. Uebers.) Bei Hettner I: Seckendorf
ein „Christenstaat" (1685). Boineburg, Pauli, Calow, Saubert.
i
296
§ 20.
VgL Voigtländer in „Theol. Stud. u. Krit." 1841.
Bd. 2. S. 656.
§ 23.
Vgl. „Kurtze Anleitung zur Historie der Gelahrtheit"
Halle 1718 Tl. III. S. 122. „Zwar wenn man (die „Ethik")
ohne Absehn auf die Grundsätze lieset, so kommen darinn
gute Lehren vor, sdne Grundsätze aber verderben alles. Das
Beste ist, dass (Spin.) sehr subtil und dunckel geschrieben,
also dass die wenigsten die Geduld haben, sein Buch zu durch-
lesen, noch wenigere aber es verstehen können. Vgl. Tl. Ö
103. 1%. 19Q. Von der Ethik heisst es (Tl. fl S. 197):
„(Spin.) hatte sie anfangs in holländischer Sprache nach der
gemeinen Methode aufgesetzt, in welcher sie auch noch in
Alsto vorhanden. Nachgehends aber hat er sie more geo-
metrico demonstriret ... Er hat aber das Capitel de Diabolo,
so in dem holländischen Wercke steht, gar weg gelassen."
Ueber Coler urteilt StoUe (ebd. S. 30A): „Ich habe diesen
Colerum selbst gesprochen, auch vom Spinosa von seinen
eignen Bekannten \iele Nachrichten eingezogen. Ich kan aber
wohl sagen : dass, so eyftig und hefitig ich den Herrn Colerum
gegen die, so er vor irrig hielt, befunden habe, er dennoch in
dieser Lebensbeschreibung sich unparthe\isch aufgeführt, dass
ich dieselbe vor ein deutliches Merckmahl der Verleugnung
seiner selbst ansehe," Stolle war es auch, nach Ludo\ici,
Streitschriften ... S, 170, der sich s. Z. allein neben
J. R Wideburg beim Gutachten der Jenenser Fakultät in
einem Separatvotum d& angegriffenen Lehrfreihdt annahm.
§ 24.
P, 17. Ici . . U s'est eleve en nos jours un second Goliath,
a s^, B« de Sp. , . 18. Xous fermerons. . la bouche ä cet Ennemi
de nötre Foi. ,
§25.
Von Wig, Kahler finden sich einige belanglose Briefe in
der VVolf-L'ffenbachschen Briefesammiung auf der Hamb. Stadt-
BibL vol. qu. 43 p. 352 sq., IS p. ^7,
VgL Vemiinft. Gedanken v. Gott*. TL 2, Frkf. aM. 1740.
S, 12. 13. 14, 3^f« Mo. De differentia nexus v^enun sapientis
297
et fatalis necessitatis . . Halle 1724. Sect. II p. 57. 65. 80 u. a.
Monitum ad. Comm. de differentia nexus . . 1724 p. 34. Theo-
logie naturalis Pars II Sect. 2 Jj 716 (vgl. Ben. v. Spin. Sitten-
lehre nebst Widerlegung von . . Wolf, deutsch 1744) p. 978:
„Spinozismus ab atheismo parum distat, et aeque noxius est,
immo certo respectu magis nocet quam atheismus". Wolfs
Lebensbeschreibung, hrsg. son Wutke, Lpzg. 1841, heisst es mit
Hinweis auf die Vorrede zur deutschen Logik: „Spinosa in
seiner Ethik und Raphson" (s. Schmidts Uebersetzung 1744
S. 694 [vgl. 679. 680. 682 ff. 687 f. — 697. 710—715.]) „haben
sich im Demonstriren sehr schlecht aufgeführet. ob es gleich
beiden an Verstände nicht gefehlet, auch beide in der Mathe*
matik nicht unerfahren. Sie erklären viele Wörter durch andere
gleichgültige, nehmen unbewiesen an, was öfters am meisten
hätte erwiesen sollen werden, ja verbinden auch unterweilen
gar die Schlüsse nicht miteinander, wie es billig geschehen
sollte." S. 127 findet sich Wolfs bekannte Verteidigung Spinozas
gegen den Vorwurf, den er selbst („De Differentia** . . p. 52)
ausführlich angibt: „Spinoza autor damnatus habetur, quod
naturam cum Deo confuderit, omnium rerum fatalem necessi-
tatem defenderit, nee Deo, nee homini libertatem agendi con-
cesserit, Christianae religionis piysteria et omnia in Universum
miracula negaverit, non vero, quod dixerit, naturaliter contingens
existere non posse nisi per nexum seu ordinem infinitarum
causarum." Hier heisst es auch (p. 56) „Monui autem in Meta-
physica" (§ 1075), „non opus esse ut cum atheo de aeternitate
mundi serram contentionis reciprocemus: etenim si vel maxime
concedamus interea, mundum esse aeternum, nihil tarnen in —
de adversus Dei existentiam concludi posse, cum mundi aeter-
nitas prorsus diversum quid sit ab aeternitate Dei, quia infinitum
tempus non idem cum aeternitate proprie sie dicta" (vgl. § 7.
8. 10. 11. 17. 20). Briefw. mit Manteuffel bei Biedermann,
Deutschi, im XVIII. Jhrdt. II S. 401. Vgl. Jacobi, über d. Lehre
d. Sp. S. 24. Tennemann X490, Helfferich, Leibn. u. Sp. S.
96 fg. Hettner, Ltrgesch. III S. 226 (s. über Joh. Lorenz
Schmidt I S. 262. 270 f. u. das Gutachten der Jenenser Univer-
sität I S. 239). Pfieiderer, Rlgsph. S. 99.
In der kgl. Bibl. zu Breslau findet sich hdsch. „Verschie-
denes über Chr. Wolff," für uns ohne Belang.
§ 27.
Vgl. Lange, Causa Dei et religionis natur. adversus atheis-
mum et pseudophilosophiam . . Spinozianam et Wolffianam
298
1723 p. 64. Modesta disquisitio . . 1723 p. 137 sq.: An
systema istud Leibnizii speciale de Harmonia commercii inter
animam et corpus praestabilita, cum systemate Spinosiano,
respectu commercii inter animam et corpus considerato, tarn
multa habeat communia, ut pro adoptato aliquo pseudophilo-
sophiae Spinosianae foetu haberi possit?" Entrüstet wendet
sich Lange (p. 143) gegen den Herausgeber der opp. posth.
Spinozas, der in der Vorrede „systema Spinozae cum ipsis
christianae religionis principiis non vafre minus, quam impu-
denter, conciliare annititur, incautis sie escam adponens."
Doch hält er Leibniz gegenüber Spinoza für (Nova Anatome. .
p. 78 d) „multo magis ingenuum, quando eundem idearum
nexum urget cum aperta sublatae libertatis confessione." „Videa-
mus nunc," heisst es ebd. p. 151, „consensum Wolfianum
cum portentis istis doctrinae moralis Spinozianis" (vgl. p. 28 fg.
127.) Die praest. Harmonie nennt er „chimaera, quae a pseudo-
philosophia Stoica et Cartesiana, nee non a Spinoziana, est
formata, ab illustri autem Leibnitio adoptata et per sensum in-
genii pigmentis pseudometaphysicis exomata". . . Vgl. Heyden-
reich, Natur u. Gott S. 91. Dict. phil. III p. 501.
§ 28.
Buddeus, Exercit. hist.-phil. de Spinozismo ante Spinozam
habita, Halae Sax. die XX. Junii A. MDCCI respond. Friderico
Werder Potsdam-Mesomarch. (!) (in Analecta bist, phil.) p. 310
heisst es von Spinoza: „christianus equidem videri voluit," seine
Lehren nennt Budden (p. 311): „errores foedissimos planeque
pueriles." „Deum cum natura ipsa turpiter confunäit" (p. 312),
sein System ist „male cohaerens, sibique nunquam non contra-
dicens." Spinozismus zeigt sich bei Strato (317 sq.), Xenophanes
(320), Parmenides (32 1), Plotin (329), Aristoteles (336), Abaelard,
den Chinesen (351) und Indem, doch nicht in der Kabbala, was er
auch in den Observ. Hallens. tom. I. XVI § VIII sq. gegen Wächter
ausführt. Zum Schlüsse heisst es (p. 359) „Contra maxima,
quae nos circumstant pericula, a divina gratia unice petamus
praesidium." In den „Theses theologicae de Atheismo". . Jena
1717 p. 163 behandelt Budden Spinoza: „pro atheorum nostra
aetate principe". Non alium enim Deum, quam ipsam naturam
admisit, quad perinde est, ac si diserte, nullum esse Deum,
docuisset" (vgl. 165 sq. 496: „Spinozismum . . non tantum
fundamento omni destitui, sed aXo-(ov prorsus atque absonum
esse, vel inde liquet, quod contradictionibus perpetuis et inep-
tissimis" laboret . . sequetur, Deum ipsum mox hominem, mox
I
299
bovem, mox canem, mox ranam, mox aliquid quid fieri; et
quoties animalia eiusmodi occiduntur, moriuntur, destruuntur,
Deum ipsum occidi, mori, destrui . .**) Vgl. Buddeus, Universal-
Lexicon: Historia Ecclesiastica Vet. Test. Per. I sect. II § IV sq.
p. 189 — 191 (über Spinozas Tract. de Iride); Comment. de
veritate resurrectionis Christi contra B. de Spin, (in Meditat.
sacr. Syntagm. Diss. theol. . p. 47 sq.). Gumposch, D. phil.
Ltr. 258. [Unter den Hamburgens. Mscr. IV p. 24 XXV
findet sich auch ein „CoUegium theologiae moralis ad Buddei
i'nstitutiones.**]
§ 29.
Vgl. Brucker, „Instit. histor. philos." (Lpzg. 1790) p. 820
sq. „Kurze Fragen*' (1736) VII S. 846 ff.
§ 30.
Vgl. Reimann, Catalog. bibl. theol. t. I sect. VI. p. 983.
§ 34.
Comm. de Deo . . Sect. II § 12 p. 57. Wolff unterscheidet
sich von Spinoza dadurch, dass er „1) mundo absolutam et
intrinsecam aetemitatem denegat. . 2) docet, hunc mundum a
Deo esse libere electum ... 4) omnia Dei attributa egregia firmat
et connectit . . ." Der Spinozismus lehrt (p. 56): „Est mundi
caeca series, ex necessitate absoluta corporum et spiritum unico
hoc modo, quo omnia volvuntur, possibili fluens, citra Deum
et omnem providentiam, abaeternitate intrinseca actuali ad omnem
aeternitatem intrinsecam absolutam et independentem "
Bilfinger, Comment. in Spinosae methodum expl. S. S.
(Jena 1732, vgl. Notae breves in B. Sp. meth . . . 1733) p. 24.
,,Non utique Scripturis convenit divinis Spinoziana methodus;
convenit autem humanis, . . non patimur divinas ad istam
methodum paginas exigi."
Reimarus (von dem gleichfalls eine Anzahl Briefe „in der
Wolfschen Briefesammlung), „Von den vom. Wahrh.** S. 160 fg.
,, Spinoza setzt in seinen Gedanken willkührliche Begriffe, nach
wiükührlichen Bedeutungen der Wörter, zusammen; darinn das-
jenige, was er sich zu beweisen vorgenommen hatte, schon
verborgen liegt. ." § 14 S. 163: „So fallt denn auch des
Spinoza fatale und unbedingte Nothwendigkeit weg, welche
er der Welt, ihrer Natur und ihren Begebenheiten beimisst.**
Vgl. Anm. 3 b von Reim. d. Jung. Strauss, Glbsl. I S. 60 f.
Niedners Ztschr. f. bist. Theol. 1850 — 52 u. „H. S. Reimarus. ."
300
Lpzg. 1862, 2. Aufl. 1877. Tholuck, Gesch. d. Ration. S. 5o.
Hettner, Ltrg. II S. 48 ff. 53. 62. 66. Verz. d. Hdschr. i. Preuss.
Staate I S. 128. Phil. 4. C. Mönckeberg, H. S. Reimarus u.
Joh. Chr. Edelmann sagt von R. (S. 60): „Spinoza lehrte ihn,
wie schon unter den Rabbinen aufgeklärte Männer, wie Aben
Esra, Maimonides, gewesen waren, welche ganz anständige
Gedanken über Schrift und Offenbarung geäussert." Vgl.
ebenda S. 29.
Ploucquet, Princ. p. 232. „Ita vero lector bene intelligit,
systema Spinozae a quovis ad idem attendente everti posse,
quia inconstans est in notionibus, sibi contradicit, et e notioni-
bus pro arbitrio determinatis ac non satis evolutis conclusiones
elicit absolutas.*'
Baumgarten, (s. über ihn Semlers Autobiographie, Halle
1781. I S. 89. 95. 107 f. 172 fg. 202. 204) Gesch. der Religions-
partheyen, hrsg. v. Semler (Halle 1766) S. 37. 39. 59. 129. Abriss
einer Gesch. d. Rlgsparth (Halle 1755) S. 13 u. § 12 Anm. Die
kgl. Univ.-Bibl. Breslau besitzt handschr.„PraelectionesTheologiae
Polemicae" (Halle 1744 — 45, Kollegienheft des stud. theol.
A. F. Büsching), s. das. p. 87. 317. Vgl. Hettner, Ltrgs. II
S. 38. [In dem „Colleg. Theticum in B. Joh. G. Neumanni
(Prof. Witteb.) Theologiam aphoristicam habitum" scr. Joh.
W. Jan 1722/25" Bresl. Stdtbibl. Cod. 995 wird auch p. 2<s.
52. auf Spinoza bezug genommen. Eine Hdsch. „Widerlegung
derer Atheisten, Deisten u. neuen Zweifler von F(rater)
M. R(oppon) zu Oppeln 1781" besitzt die kgl. Bibl. ebdas.]
D. TöUners, des Schülers Baumgartens, Anti - Deistic
(Kollegienheft, geschlossen am 12. Oct. 1770, auf der kgl.
Univ.-Bibl. Breslau) § 2. B. Spin, nehrte sich von Glas-
schleifen und Zeichnen mit Kohle . . Er legte sich auf die
Cartesische Philosophie und verstand Cartesii Definition von
der Substanz so übel, dass er sagte, es gebe nur* eine Sub-
stanz, die eine unendliche Vorstellung und Ausdehnung hätte
und alle vorstellenden Kräfte in der Welt und alle Körper
wären Theile derselben. Folglich wären alle Dinge in der
Welt bloss Modificationes derselben, er war also ein Pantheist/
Leenhof und Deurhoff will Töllner nicht als Spinozisten an-
sehen. „Es scheint, dass man die Leute nicht wohl versteht."
Ebenso lässt er Matth. Knuzen als Skeptiker, nicht als Spino-
zisten gelten. Als warnendes Beispiel wird Casimir Lescinsky
vorgeführt, „der 1689 des Atheismi wegen zu Warschau hin-
gerichtet ward, da man einen Aufsatz von Einwürfen wider
Gottes Existenz bei ihm fand" (vgl. Tl. II S. 36. 46. 4^^
52. 58. 60).
301
Gottsched, Leibnizens Theodicee S. 604 Anm. : „Wenn
nämlich das, was nichts wirken kann, den Namen einer Sub-
stanz nicht verdient; so ist alles, was da wirket, eine Substanz
zu nennen. Ist aber diess, so giebt es ja unendlich viele Sub-
stanzen in der Welt, nämlich so viele, als Geister, Seelen und
Körper sind; als welche insgesamt mit wirkenden Kräften ver-
sehen sind. Wo bleibt denn hernach die einzige Substanz des
Spinoza? oder die einzige Wirkungskraft Gottes beym Male-
branche?" (S. 20 Anm.): „So wenig diese Lehre" (Mals)
Beyfall gefunden und eine Sekte gestiftet hat, so wenig wird
auch ein neuerer deutscher Scribent" (Fischer) „sich einen
Anhang erwerben, der noch neulich ein Werk ans Licht ge-
stellet hat, das den Titel führet: Vern. Gedanken von der
Natur. . . Diese und dergl. Lehrsätze schlagen gar zu sehr in
das mystische und enthusiastische Wesen ein, als dass sie bei
Weltweisen, die nach deutlichen Begriffen zu gehen gewohnt
sind, grossen Eingang finden könnten." Vgl. Joh. Chr. Gott-
schedius generosissimos . . commilitones ad praelectiones suas
hiemales a. 1737 humanissime invitat simulque foedam Spi-
nozismi maculam a recentiori philosophia aliquot programma-
tibus amovendam indicit. Lipsiae. § 4. 87.
Ad memoriam . . Dan. Aeg. Henrici 1738 § 1. § 3. (Non
debuit itaque caussam sui ipsius definire Spinosa, antequam,
quid per caussam simpliciter positam intelligeret, explicatum
dedisset.) § 15. (Quae omnia quum satis ostendant, miser-
rime se dedisse auctorem Ethicae huius in definitionibus con-
cinnandis; nihilque aliud effecisse, quam ut lectorem ambiguis
parumque determinatis locutionibus in obscuritates maximas
coniceret, ex quibus eluctari, vel oculatissimo difficile esset."
Die Gedächtnisreden auf Riedel und Seyfert setzen diese Kritik
fort. Vgl. über Gottsched: Hettner, Ltrg. I S. 355.
Trinius, Freidenkerlex. 1759. S. 419: „Das atheistische
Lehrgebäude, welches von (Spin.) den Namen des Spinozis-
mus führet, hat ihn zwar der Ordnung (formaliter), aber nicht
dem Inhalt nach (materialiter) zum Urheber; indem schon
vor ihm verschiedene eben das gelehret und vorgetragen,
was er nur weiter ausgeführet, und in eine systematische Ordnung
gebracht."
Aehnlich heisst es bei J. W. Jäger, Histor. eccles. (Ham-
burg 1709) lib. X cap. III p. 340: „Spinoza primi systematis
inter Atheos subtiliores architectus" [vgl. J., „Spinozismus"
(Tüb. 1710): „nulla pestis generi humano funestior fuit quam
Atheismus" und p. 32 gegen L. Meyer: „Nos potius existi-
mamus, mortem Spinosae sectis indicare, quod ut Atheista in-
302
felicem vitam clauserit". . .]> Zedier, Grosses vollständiges Uni-
versallexicon (Lpzg. u. Halle 1744) Bd. 39, S. 80 („wodurch
er sich einen so abscheulichen Nahmen gemacht, dass er für
einen Patriarchen aller Atheisten gehalten wird, und ein Atheist
und Spinozist einerley bedeutende Nahmen sind") u. 88 fg.
und Chr. G. Jöchert, Allg. Gelehrten-Lexicon (Lpzg. 11 ö\)
S. 746 ff.
Ueber die Verbreitung des Spinozismus s. noch Spener,
„Consilia et judicia theologica" . . (1709) P. I p. 63. „Ana-
baptisticum et Enthusiasticum Pantheon" (1702). Bertram, „Ge-
wissenhafte Anmerkung über die WolfTische Schutzschrift**
(Lpzg. 1736) u. a. Vgl. Krakauer, „Zur Gesch. des Spinozis-
mus in Deutschland während der ersten Hälfte des achtzehnten
Jahrhunderts" (Bresl. 1881) S. 20 ff.
§ 35.
Vgl. J. Wittich, „De nat. Dei . . cum Buddei epistola ad
theologos Rotterdamenses" . . (Haag 1720) p. 15 sq. 27. 42 sq.
45. Bibl. bremens. Class. I p. 550.
Ueber Clauberg s. Tholuck, Vorgesch. II S. 248. Dict.
phil. I p. 322 SV. Ein anderer deutscher Cartesianer Heinr. Horch
war ein eifriger Gegner Spinozas. Vgl. seine Schriften gegen
Sp. bei Trinius S. 433. Linde, Bibl. 395. 387.
Friedrich der Grosse selbst urteilt über Spinoza nicht an-
ders, als es sich von dem Schüler Wolffs, dem Verehrer Bayles
und dem „philosophischen Beichtkind" Voltaires, — nach seinem
eigenen Ausdruck, — erwarten lässt. Er führt ihn nie unter
den bedeutenderen Philosophen, wie Descartes, Locke, Leibniz,
Wolff u. ä., auf. Wo er ihn bekämpft (vgl. Oeuvres de Frederic
VII p. 111. XXV p. 520. 531), folgt er Bayles Spuren. In
seiner berühmten Schrift über die deutsche Literatur, wo er
nächst Leibniz auch den grossen Gottesleugner in das philo-
sophische Lehrprogramm aufgenommen wissen will, vertritt er
Spinoza gegenüber den teleologischen Standpunkt. Und doch
steht der Philosoph von Sanssouci dem von Amsterdam weit
näher, als er sich dessen bewusst war. Sein immanenter
Gottesbegriff, sein Determinismus, seine stoische Resignation,
seine ethischen Anschauungen (vgl. Zeller, Fr. d. Gr. als Philo-
soph. Berl. 1886. S. 11. 43. 49. 62. 74. 114. 149) — alles
dies zeigt ihn in mehr als einer Hinsicht Spinoza denkverwandt.
Freilich hat hiermit der Vorwurf des Spinozismus nicht-
zu thun, den er frühzeitig von seinem gestrengen Vater hörer
musste; denn Spinozismus war damals bekanntlich nur e\r.
anderes Wort für Atheismus (vgl. auch den Brief d'Argens* ar
303
Friedrich vom 27. Mai 1760). Friedrich konnte sich getrost
gegen eine solche Bezichtigung verwahren. Er schreibt (27. Okt.
1732, Oeuvres XVI p. 75 sv.) an Grumbkow: „L'affaire qui
ä present me tient le plus ä coeur est de faire cesser tous ces
mauvais discours dont je me suis toujours le sujet. Dieu est
mon temoin que je n'ai jamais lu Spinoza, et que je ne Tai
pas, preuve de la faussete des choses que Ton debite sur
mon sujet."
Friedrichs Zeitgenosse Prinz August von Gotha urteilt
über Jacobis „Briefe" (Goethe- Jahrbuch VI S. 50): „So viel
lern' ich daraus, dass ich mich lieber blindlings an die Augs-
burgische Konfession halten, als seinen Spinoza lesen möchte.
Was muss das für ein trocknes geometrisch-metaphysisches
Geschwätz sein!"
Ueber die allgemeine Volksauf klärung unter Friedrichs Re-
gierung urteilt ein Zeitgenosse (Ulrich, Ueber den Religions-
zustand in den preuss. Staaten. Lpzg. 1778. Bd. I S. 498 f.)
„Ich kenne nächst Holland und England keinen Staat, der des
Unglaubens wegen mehr verschrien ist, als den preussischen.
— Ich bin auch in der That ehedem der Meinung gewesen, dass es
in den Ländern des Königs von Preussen fast lauter Atheisten,
Spinozisten, Hattemisten und Freigeister gebe. Die gelehrten
Zeitungen erwähnen wenigstens in ihren Rezensionen dieser
Namen zum öfteren." Die gefürchtetsten Feinde der Kirche
hatten in Preussen Zuflucht und Anhang gefunden (das. S. 454.
501. 504. 508 ff. 514), so besonders Voltaire, Lamettrie, der
Schüler des Spinozisten Boerhave, und Edelmann. Von Edel-
mann selbst soll Friedrich (nach dessen Selbstbiographie, hrsg.
v.KloseS. 455) gesagt haben, „Ihro königliche Majestät müssten so
vielen Narren in dero Landen freyen Aufenthalt verstatten,
warum sie einem vernünftigen Manne nicht auch ein Plätzchen
vergönnen sollten.?" Friedrich begünstigt somit auch in Edel-
mann mittelbar den Spinozismus.
§ 36.
Abschriften der „Meditationes" finden sich in Göttingen
(s. Verzeichn. der Hdschr. i. Preuss. Staate I S. 78. Hist. lit.
42) und in der Bresl. Stadtbibl. Auf dem Einband des letzteren
Exemplars bemerkt der Abschreiber Enkelmann: „Liber im-
pius et sacerrimus vid. Joh. Vogt, Catal. hist.-crit. librorum
variorum ed. 3. Hamburg 1777 p. 450. Com. Dietr. Kochius
in „Defens. S. S. ab injuriis Scriptoris impuri Meditat.
de Deo" hat ihn widerlegt, insgleichen Chr. Thoma-
sius, Jurist. Händel P. I Num. XXIV. pag. 333—358." Lau
304
nennt er: „Consiliarius Aulicus et Director in aula Curlandica*'
Von den „Meditationes, theses" etc. heisst es in derselben Hds. :
„Liber atheisticus praecedente adhuc detestabilior, et ab eodem
autore profectus, publica vero autoritate suppressus." Gegen
die Entstellungen des Sachverhaltes seines Prozesses veröffent-
lichte Lau selbst „Die Original-Rede, welche der hochwohlgeb.
Herr Tribunals- und Hofgerichtsrath Wilh. Ludw. von der
Groeben als des kgl. preuss. Ehrw. Sambländischen Consistorii
Praesident und Officialis bey einem gewissen Actu solemni
retractionis i. J. 1729 den 6. Oct. an den hochfürstl. Chur-
länd. Staatsrath und Gabinets-Directorem Th. L. Lau J. U. D.
gehalten . ." (Altona 1736). „Bedencke er sich", heisst es
hier (S. 9) „nur recht, doch auch ohne dasselbe wird er
gestehen müssen, dass von der Zeit her, da er mit Gott und
seinem Wor:e den Krieg angefangen, nachdem er demselben
durch seinen verdammlichen Tract. de Deo. . gleichsam durch
ein öffentliches Cartell unglücklicher Weise angekündiget
und der Welt kund gemacht; er weder Stern noch Glück
mehr gehabt." Unter den hier aufgeführten Schriften Laus
finden sich neben meist juristischen Sachen: unter Nro. 11
eine teilweise Uebersetzung Boileaus, 12. „Die Mensch-
werdungs - Historie des Heylands der Heyden in gebundner
Rede" (Kgsbg. 1736) und S. 26: „Religio Laici d. i. der
Glaube eines Layen . ." (aus d. Engl), „Vernünftiger
Catechismus" (gleichfalls aus d. Engl.), „Politische Gedancken,
wie Könige und Fürsten mit ihren Reichen und Ländern, auf
vernünftige und christliche Weise können mächtig und reich
werden", „Specimen bibliothecae librorum deperditorum'* u. a. m.
Für seine Biographie verdient Beachtung die „Palingenesia . .
parentum suorum" (ebd. S. 24. 26). Vgl. über Lau noch
Trinius S. 233 f. und Hettner I S. 49.
In den „Meditat de Deo" heisst es (p. 5): „Appellent me
Haereticum, atheum, Spinosistam . . . sicque semper mei
juris et pas^ionum dominus, tyrannicum eorum, innocentes
contra has pagellas, harumque autorem, si quem intentaturi
sunt processum, indifferentibus aspiciam oculis." (p. ^
„Spem tamen foveo, certissimam, quod et ipsi, ex singulari
Gratiae Exuberantia, haut gravim sint permissuri, ut mea
quoque gaudeam ratione et sensu: liber ut sim philosophus.*'
(pag. 7) „Universalista sum et catholicus Deum colo. Vice-
Deos honoro. Honeste vivo. Nuninem laedo. Suum cuique
tribuo." Gap. I. § 1. Deus est: Deus existit. § 2. Utrum —
que me et omnes, Sensus docent et ratio, Atheismus hinc
nullus. Atheae notiones nullae. Athei Homines nuUi." (Zu
30B
§ 4 vgl. Edelmann, „Moses . ." 1740 S. 147.) § 5. „Existentia
Dei nuUa indiget probatione; Sensus enim omnium incurrit.
§ 6. Mihi ea patet ex mirabili tot Muhdorum, Globorum Terr-
aqueorum et igneorum . ., in quibus palpabili et visibili modo,
Deus sese manifestavit ac revelavit/* § 9. „Sed historica
(revelatio) est: Nominum nixa traditionibus: multis subjecta
naevis . . Potior mihi arridet Dei summi revelatio, per opera
propria, quam aliorum verba . ." Cap. IV § 27 schildert Lau
zum Schlüsse Gott als Lebensideal: „liberum tunc ens: libere
agens et libere cogitans. Sine rege: lege: grege: praemia
non sperat: poenas non timet: vitia ignorat: peccata nescit:
Omnibus in actionibus dictamine praelucentis rationis et du-
centis voluntatis, pro vitae Cyrosuris habens. Beata vitatalis:
imo divina! Assimilatur hoc modo creatura Deo: Deus enim
libertate intellectus et appetitus gaudet. Tantum!"
§ 37.
Pfleiderer, Rlgsph. S. 115. Locke. „Ganz im Sinne Spinozas
zeigt er, dass die Duldung der verschiedenen Glaubensmeinungen
ebensosehr im Interesse des Staats sei . . wie sie dem Wesen
der christlichen Kirche entspreche. . ebd. 117. Shaftesbury*s
Moral, die ihr nächstes Vorbild in J. Bruno's Schrift über die
„heroischen Affekte" und in Spinozas Affektenlehre hat; mit
diesem hat Sh. besonders auch den reinen Idealismus gemein,
mit welchem er jede Lohnsucht verwirft .... (119). . . wie (er)
Spin, mit Leibniz verbindet, so steht (er) am nächsten unseren
Lessing und Herder, Schiller und Goethe. (123). Thom Morgan.
Von dem sonstigen moralischen Deismus stand sein an Spin,
erinnerndes mystisches Gottinnigkeitsbewusstsein weit ab. (124 f.)
Peter Annet. Er machte gegen die Wunder das metaphysische
Argument Spin.s geltend . . (128) Hume. Gegen die Theorie
der jenseitigen Vergeltung erhebt er der ähnlichen Vorwurf,
wie Spin., dass sie durch Einmischung der rechtlichen- Gesichts-
punkte von Lohn und Strafe in die Moral diese verderben. ."
§ 38.
„Vernünftige Gedanken von der Natur, was sie sey? Dass
sie ohne Gott und seine allweise Beschränkung unmächtig sey.
Und wie die einige untheilbare göttliche Kraft, in und durch
die Mittelursachen, nach dem Maass ihrer verliehenen Würk-
barkeit oder Tüchtigkeit, hie in der Welt alles allein würke?
Durch fleissiges Nachsinnen, Ueberlegen und Schliessen gefasst
20
3Ö6
und zur Verherrlichung göttlicher Majestät, auch Förderung
wichtiger Wahrheiten herausgegeben von einem Christlichen
Gottes-Freunde (Chr. Gabr. Fischer) 1743." § 11 S. lOf
„Gott ist also die einige selbständige Grundursache, nicht aber
wie Spin, übel lehret, die einige Substanz". . . § 43. „Zwar
scheinet Spin, hiermit auch einzustimmen, wenn er schreibet;
das Vermögen der Natur ist nichts anders, als Gottes Macht
und Kraft selbst. . Allein da er Natur, Welt, Gott, vor eine
Sache hält; so ist er von unserer unanstössigen Lehre weit
entfernet." § 56 S. 40. „Hätte Spin. Gott, Natur, Welt, nicht
vor eins gehalten, so hätte er die Natur nicht theilen, noch
sagen können: der Mensch sey ein Teil von der Natur, die er
von seinem Vater empfangen hat. ." § 58 S. 43 heisst es, dass
„weil die Welt keine verliehene Natur hat; sie nicht einmal
den Namen einer Mittelursach, geschweige der Hauptursache
verdiene; folglich Spin, die grosseste Verwirrung der Gedanken
entdecke; wenn er von einer allgemeinen Weltnatur träumet;
diese vor die göttliche Kraft selbst annimmt, zu Gott machet,
und diesen seinen Gott nicht ausser dem Weltgebäude anzu-
treffen sich getrauet." § 83. Es gibt „keine allgem. Natur-
gesetze. . Es irrt demnach Spin., wenn er von ganz allgem.
Naturgesetzen und Regeln etwas in den Sinn kommen lasset '*
Vgl. § 99 S. 71; § 41 S. 30 f., 196, 210. „Gott würkt
in diese Welt äusserlich. Der Erfolg zeiget sich ausser seinem
Verstände in eben dieser fertigen Welt. Da es aber unmög-
lich ist, ein so herrliches Werk als die Welt ist, ohne Angabe,
Begrif und Ueberlegung . . . fertig zu stellen; so muss Gott
der Herr, als der Stifter dieser Welt, vor ihrem Ausfertigen
schon innerlich gewürket und längst vorher an die Welt gedacht
haben. Es ist also mehr als gewiss, dass Gott d. H. vor dem
äusserlichen Würken, schon innerlich gewürket habe". Vgl. S.
213. (714 fg. gegen Cartes., Leibn., Wolff. S. 743 gegen Malebr.
S. 428 „hier zu Königsberg" verrät den Wohnort des Ver-
fassers.) S. auch Fischer, „De primis scientiarum elementis". .
Regiom. 1734. Praef. : „hos quidem Cartesii loquendi rationes
probamus et imitamur". . p. 74 „Ex Substantiae definitione vul-
gari, sophisma Spinozae confictum facile refutatur. . ."
Vgl. Gott. Gel. Zeit. 1744 Stück 95. S. 813; Trinius S.
280 ff.; AUg. deutsche Biogr. S. 49 f. (Prantl).
§ 39.
„Histoire de l'Academie Royale des Sc. et B.-Lettres de
Berlin." (Annee M.D.CC.XLV. Tome I p. 121 sv., tome U p.
307
395 SV.), deutsch in „Magazin für die Philosophie und ihre Ge-
schichte. Aus den Jahrbüchern der Akademien, angelegt von
xM(ich.) W(issmann).'* Gott. u. Lemgo 1782. S. 9. 11. 17.
„Wenn die Realität dieser Substanz, wie Spin, behauptet, einzig
und allein in der Ausdehnung, oder in einer vollkommen gleich-
förmigen Materie besteht: so fragt es sich, wann, und wie
hat sie ihre absolute Einerleyheit und Einförmigkeit eingebüsst? . .
Bleibt die Materie durchaus beständig dieselbe, . . wie kömmt
es denn, dass die Materie, woraus die Feder, mit der ich eben
schreibe, nicht in Gold verwandelt werden kann, und warum
hat sich die Materie, die in der Sonne ist, nicht in den Mond
versetzt . .? S. 18. Auf solche Weise hat Spinoza ein Lehr-
gebäude zu Stande gebracht, welches sich, dem ersten Anblick
nach, nach der Form der Elemente des Euklides zu bilden
scheint, im Grund aber ein Gewebe der grössten Ungereimt-
heiten und der ungeheuersten Widersprüche ist. S. 23. Die Existenz
der Substanz ist blos schwankend und unbestimmt. 26. Wär's
denn nicht eben so natürlich, wenn man ein unendliches Thier
methodisch zusammensetzte, welches als Substanz, weder Fleisch
noch Fisch wäre, und doch durch seine Modifikationen die
Insekten, die Fische und alle übrigen Thierarten hervorbrächte?"
S. 30. 34. 36. „Die Theile der Materie (bei Spinoza sind)
von den Atomen des Epikurs nicht wesentlich verschieden,"
die „Ursache von ihrem Arrangement: der blinde Zufall, weil
er (Sp.) es laut sagt, das höchste Wesen handle ohne Zweck,
Wahl und Absicht." S. 37. 38. 43. 52. 53. 62. 64. Vgl.
Mosheim, Anweisung die Gottesgelahrtheit vern. zu erl. S. 150;
Trinius S. 434.
§ 40.
Vgl. Trinius S. 50. 287 fg.; Hettner II S. 42 fg. Ueber
Laukhard s. seine Selbstbiographie u. AUg. d. Biogr. Bd. 18,
S. 44.; über Gebhard ebd. Bd. 8, S. 483; Mayens Buch ist
den Gräfinnen von Manteuffel gewidmet.
§ 41.
Christianus Democritus (d. i. Dippel), ein aufrichtiger Prote-
stant. S. W. Bd. III S. 4. Fatum Fatuum p. 8 . . . „Wir haben
aus täglicher Erfahrung und mit sufficienten Gründen darge-
than, dass die Unordnung und Passionen im Geist auch die
äussere Materie, mit welcher der Geist ein commercium hat,
könne in Unordnung bringen". Analysis cramatis harmonici
20*
308
1729 p. 25 fg. bringt einen Dialog zwischen Spinoza und Wolff,
wobei dieser den Kürzeren zieht. „Ich will hier einmahl gegen
den Herrn Prof. Wolff einen Spinozisten agiren lassend ihn
fragen, wie er mir beweisen wolle, dass ein Gk)tt sey, der von
seiner Materie wesentlich unterschieden, und dass diese Materie
selbst nicht könne Gott, oder von aller Ewigkeit her gewesen sein?"
Vgl. Trinius S. 182 ff., S. 235 nennt unter Dippels Anhang
auch eine Frau, „Madame Hubert" (Lettres sur la Religion essen-
tielle ä „l'homme" 1738). Gumposch S. 110; Br. Bauer S. 176 ft:
Hettner I S. 65 ; AUg. d. Biogr.
In den überaus zahlreichen Gegenschriften wird manchmal
auch Spinoza erwähnt, wie in Nelanders „Prodromus analyseos . .'*
Lond. 1730 p. 6. („Spinozae nuUam facit injuriam.")
§ 42.
Vgl. Mendelssohns Brief an Lessing 19. Nov. 1755 (W.
Bd. 13 S. 9 „Welch ein hölzerner Mann!'*); TöUner, Anti-Deistik
(ms.) § 12; Strauss, Glaubensl. I S. 199»^ . („Auf die Schriften
dieses ebenso offenen als unruhigen Kopfes . . bin ich durch
das Schriftchen von W. Elster, „Erinnerung an J. Ch. Edelm.**,
aufmerksam gemacht worden, dessen Zweck ist, mich als
Edelmannus revidivus in Misskredit zu setzen. . Ich bin dem
Büchlein dankbar für die interessante Bekanntschaft — wenn auch
nicht des Herrn Rectors" (Elster), „so doch für die meines
mehr verschrienen als gekannten angeblichen Vorgängers.");
Selbstbiogr. Ed.s, hrsg. von Klose 1849; Gervinus, Gesch. d. d.
Dicht. V S. 245 („Aber diese Beispiele wirkten auf das Volk
nicht hinunter**); Danzel-Guhrauer, Lessing S. 394; Tholuck,
Gesch. d. Rat. S. 172. 55; Hettner I S. 272. 294 f; Pünjer I S.
326 f; Biedermann H S. 389.
Die Breslauer Stadt-Bibl. besitzt eine Abschrift des „Glaubens-
bekenntnis . ." (cod. 22906), worin der Teil, welcher nicht dem
Konsistorium übergeben worden, durch kleinere Schriftzüge
kenntlich gemacht wird. Der Brief Edelmanns an Morgenstern
(„Verz. d. Hds. i. Pr. Staate" I S. 259 Phil. 143) ist, nach einer
dankenswerten Mitteilung der Göttinger Bibliotheksverwaltung,
ohne Belang.
In S. 1 19 des „Moses" bemerkt der Besitzer des Exemplars
der Stadtbibl. zu BresL, J. S. Müller: „Die Verse, welche der
Consistorialrath Erdm. Neumeister, Hauptpastor zu St Jacobi
in Hamburg, einem Studenten in das Stammbuch schrieb, lauten,
so viel ich mich erinnere — denn ich hörte sie vor mehr als
60 Jahren, und war damals kaum 12 Jahre alt, — folgendermassen:
309
„Was reimet sich auf Pietist?
Gar vieles, nur nicht wahrer Christ." (So weit citirt Edelmann.)
„Am. besten reimt sich Bösewicht,
An dem nichts Guts mit Haut und Haar.
Sprichst Du: „Das reimet sich ja nicht?**
Ei, reimt sichs nicht, so ists doch wahr.'*
Darauf antwortet May (nach Edelmann in Kiel, nach Müller
in Giessen): „Was reimt sich denn auf Orthodoxe?
Nichts anders, als ein grober Ochse.**
Ausserdem findet sich auf der Einbanddecke dieses Exem-
plars die Bemerkung: „Liber pen*arus ex confiscatione. Dieses
sehr rare Werk ist, wie Sincerus (Nachr. von seltenen Büchern
p. 343) versichert, für 14 Speciesdukaten verkauft. Der Verf.
ist bekanntlich Joh. Chr. Edelmann;** und inbezug auf „Die
Göttl. der Vernunft,** heisst es: „Auch dieses Buch ist rar, wie
alle Edelmannischen Schriften.** Die Hamburger Stadtbibliothek
besitzt mehrere Mss. von Edelm., so Msc. Theol. 1874: E.s 3tes
Sendschreiben an Seine Freunde darinnen er seine Gedanken
von der Unsterblichkeit der Seelen eröffnet 1749 3. Nov. bis
1754 5. Apr., und eine Abschrift von „Die erste Epistel St.
Harenbergs an J. Chr. Ed. beantwortet und geprüft (Hamburgens.
Mscr. IV p. 24 Nr. 5) S. Arch. f. G. d. Phil. X, 3.
Edelm. gab (Selbstbiogr. S. 351) Spinoza einem Freunde
zu lesen, der sich sogleich mit Edelm. ernstlich an das Studium
seiner Werke machte. „Es war uns armen, in der Finsterniss
erzogenen Gemüthern damals noch wenig wissend, dass das
erleuchtete Männer, schon lange vor uns, auf verschiedene Art
gethan hatten; ja Br. (uder) Erhart wüste in diesem Punkte,
ungeachtet er eines Priesters Sohn war, noch mehr, als ich, weil ich
den Zweifel an der Göttlichkeit der Bibel beständig unterdrückt.**
Nach Pratje „Histor. Nachr. von J. Chr. Edelm.s . .
Schriften . .** (Hambg. 1753) war Ed. „weder rauh, störrisch,
noch unangenehm, vielmehr freundlich, dienstfertig und gefällig
und hatte sehr angenehmen Umgang, genoss in Berlin viel
Achtung** . . Vgl. S. 1 15. Ed. habe Spin, abgewehrt. In „D.
erst. Epistel St. Harenbergs** (1747) heisst es (S. 20): „Sie sehen
wohl, mein Herr, dass Sie es mit einem Pantheisten zu thun
haben, der die Stimme Gottes viel weiter hören kan, als Sie.**
(S. 71) „So nehmen Sie es dann den Freygeistern, denen sich
der grosse Gott ein wenig weiter als Ihnen ofifenbahret, nicht
übel, wenn sie denselben in einer etwas würdigeren Gestalt
erblicken als Sie, denen Er sich nur in einem geringen Theile
seines Gantzen, nehmlich in dem Menschen . . geoffenbahret.**
310
Reimmann vermutet in dem Verfasser der Schrift (Hamb.
Stadt-Bibl Ms. Theol. 1864) „Cymbalum Mundi hoc est Doctrina
solida de Deo, Spiritibus, Mundo, Religione ac de Bono et Male
Superstitioni Paganae ac Christianae opposita. Senec. Lib. I.
de Benefic Cavendum est ne pecorum ritu sequavamur, non
qua eundem est sed qua itur! Eleutheropoli anno 1868"
statt eines Italieners, wie vorgegeben wird, den Deutschen J.
E XXX, d. h. wohl keinen anderen als Edelmann. Aus der
Schrift selbst ist die Autorschaft nicht klar ersichtlich. Es heisst
darin u. a. p. 76: „Sed ne novellum nostrum Carthesium negli-
gamus, ille mirifico sibi placet de methodo suä novä demonstrandi
Deum. Per ideam nempe hominibus innatam Deus ä Philosopho
nostro ostenditur. Gloriantur assectae, triumphum canunt
Sed frustraneum Cartesianorum gaudium* est frustranea cuncta
illorum conamina. Nam plane non datur Idea de Deo." „Omnes
ideas quas habemus, habemus de rebus corporalibus. Nihil
est in intellectu quod non prius fuerit in sensu. Deus
neque sub genere est neque sub specie. Ergo ideam de illc
impossibile est habere." p. 77 (Schluss) ,,Nam hoc habeo
compertum exploratumque omnia ista nosse ac scire posse
mortales, quae ad conservationem ipsorum necessario faciunt.
Nam hoc habet quodvis a natura animal, quo suam vitam
corpusque tueatur. Cum ergo homini de Dei existentia nihil
certi revelatum sit, hanc scientiam ad salutem" — [Rest fehlt].
Daraus leuchtet der atheistische Sinn der Arbeit zur Genüge
hervor. Zu bemerken ist nur noch, dass der Vf. die Bibel,
welche natürlich in ähnlichem Geiste kritisirt wird, in deutscher
Uebersetzung citirt. Auch Grotius wird angeführt.
§ 43.
Klemm, „De Ösoxvsüda" respond. Joh. Fr. Landbeck und
Georg Fr. Hermann (Tüb. 1743); Klemm (respond. Chr. Fr.
Moser u. Jak. Dan. Moser) „Disp., qua veritas historiae et
doctrinae Mosaicae, atque adeo religionis Christianae, argumentis
thaumaturgicis comprobatur" (1745).
Das „Sendschreiben . . an den Hofprediger Hack** (174^'
wählt sein Motto aus Brockes „Ird. Vergnügen in Gott'* Tl. \'l
S. 498:
„Wenn nicht die Obrigkeit gelindre Triebe nährte.
Und vielen Geistlichen den heiligen Eifer wehrte;
Es würde dem zu Ehr, der diese Welt gemacht,
Der grösste Theil der Welt gelassen umgebracht: *
311
Edelm. selbst hatte Brockes („Ev. St. Harenb. S. 45), der
ja auch „Gott das Wesen aller Wesen" nenne, zu seiner Partei
gezählt, wogegen ihn Pratje (a. a. O. S. 160) ausdrücklich in
Schutz nimmt.
In den Anmerkungen zu D. HoUaz, „Exam. Theol. Acroam."
(S. 782) sagt Rom. Teller: „Ita rationatus Spinoza, cuius
crambem recoctam haud ita pridem adposuit famosus Edel-
mannus, nihil novi attulit/* ,,Die neue Offenbarung über das
Ev. St. Harenb." von J. L. V. M. C. E. (1748) spricht (S. 17)
von „den ungereimten und voller Luftstreiche . steckenden elen-
den Beweisgründen, welche Spinoza . . . anführt.** Richter,
wahrscheinlich der von Gottsched erwähnte Kommentator der
,,Theodicee", schrieb gegen Edelm. „Der verlohrene und wieder-
gefundene Moses" (Quedlinburg 1745).
Nach Pratje, („Histor. Nachr. . ."), der mit Recht (S. 19)
in Edelm. einen Jünger des Chr. Thomasius vermutet, ist
(S. 115) sein System „aus dem Spinozismo, Naturalismo, Pytha-
goräismo, Sadducäismo, Fanaticismo, Skepticismo und Indifferen-
tismo zusammengestoppelt" Dass Ed. Freunde gefunden, ist
(S. 157) „eine Sache, worüber man sich wundern müsste, wenn
man nicht die Natur der Menschen, und in Sonderheit die Grösse
ihres Verderbens und ihrer Unart kennete" (158) „Ich bin auf
mehr, als eine Art und Weise, überzeugt worden, dass sich .
unter denen, welche vom Degen Profession machen, viele finden,
die den Edelmannischen Irrthümern Gehör gegeben haben."
„Gott legte ihn(Ed.) endlich aufs Siech- und Todtenbette. Hier ent-
deckte sich bald, wes Geistes Kind er sey, die nahe Ewigkeit
vernichtete alle bisherige Uebertäubungen seines Gewissens,
und die Hölle schlug in solche Flammen über ihn aus, dass
er gewis in der äussersten Verzweifelung würde haben um-
kommen müssen, wo ihn nicht der beständige Beistand seines
Seelsorgers oder vielmehr die Kraft des Wortes Gottes, das er
ihm in den auserlesensten Kemsprüchen ans Herz legte, erhalten
und die Fallstricke des Satans vernichtet hätte. Wie verfluchte er
damals Edelmanns Schriften und Lehren!" Da hatte doch ein
halbes Jahrhundert früher der schlichte Prediger Coler anders als
der ,, Generalsuperintendent" Pratje über eines Atheisten Lebens-
ende berichtet!
„Wir leben leider!" heisst es weiter (S. 160), „jetzt in
einem solchen Zeitlaufe, da die Ruchlosigkeit ihr Haupt sehr
empor gehoben hat . . Ja! so weit ist es gediehen, dass die-
jenigen, die wider Gott und die Religion zu Felde ziehen, sich
allein für weise, kluge und starke Geister, uns übrigen aber . .
für einfältige Köpfe und niederträchtige Seelen ansehen. . .
((
312
Edelmann hatte (S. 161 f.) selbst ,, unter der niedrigsten Gattung
von Menschen*^ Anhänger (vgl. Fresenius, Pastoralsamnüungen
Bd. V S. 286). „Eine ganze Dorfschaft, die durch Ed.s Bücher
so sie zum Theil sehr theuer angeschafft und be^erig gelesen
haben, wurde im Glauben irre gemacht . . Selbst bei den Juden,
bei welchen Moses doch in so ausnehmender Achtung steht,
hat Ed Beifall gefunden, unerachtet er mit so weniger
Ehrerbietung von Mose geschrieben hat . . Ueberdem weiss
man, wie sehr der grosseste Theil dieser Leute sich von Gewinn-
sucht regieren lässt . . Ed. aber hat sich, wie man sagt, ihrer
bedient, seine Schriften zu verkaufen, und sie weit und breit
unter die Leute zu bringen". Dagegen heisst es an anderer
Stelle (Selbstbiogr. S. 457), zweifellos eben so erfunden. Ed.
habe sich gegen die Nachstellungen der Juden in Berlin mit
bewaffneter Hand schützen müssen.
§ 44.
Goethe: „Wer Wissenschaft und Kunst besitzt, der hat
auch Religion!* Schiller bekennt keine Religion „aus Religion:*
Vgl. Linde, Bibliogr. 404: A. E. Reuthei „Probatio quod B. d.
Sp... non fuerit atheus** (Coeth. 1766/7); Jacobi, „Ueber d. L. d.
Sp** S. 168 („Ein Gespenst des Spinoz. geht in Deutschland
herum**).
Tennemann, Gesch. d. Phil. X S. 492 ; Schlüter, Lehre
Spin.s S. 100: „Sicher gingen viele Kantianer nur darum zum
Spinozismus . . über, weil sie jene anfangs gross und frei er-
scheinende, nachmals aber in engherzige, pedantische Philisterei
ausartende Vernunftmoral unerträglich fanden, die jede edlere
That . . von sich stiess, wenn dabei irgend ein Anschein von
Natur, Neigung und Genialität unverkennbar wurde.** . . (Vgl.
Schiller: „Gerne dien' ich dem Freund**. . .) „Zwerghaft und
wie ein Jammerbild nahm sich eine solche Gestaltung des frei
vernünftigen Geistes und Selbstbewusstseins gegen die Animo-
sitas und Generositas der Spinosischen Moral und gegen die
heroische Hingebung des Subjekts selbst an ein taubstummes
und blindes Alleins aus. . . .** Gervinus, „Gesch. d. deutschen
Dichtt* V S. 300: „Kein Mann von Bedeutung erscheint in
unserer Literatur, der nicht die Fessel der positiven Religion
abgeschüttelt hätte, keiner aber auch, der sie nicht geachtet
hätte an dem, der sie gern ti-agen mochte. . .** Jul. Schmidt,
Gesch. d. d. Lit. im 19. Jahrhdt.^ 1855. I: „Die Philosophie,
bisher in ihren Formen hart und streng, suchte sich der Phan-
tasie verständlich zu machen . . (S. 83) Die Verbindung mit
313
der Philosophie hat die Blüte unserer Dichtkunst beschleunigt. .**
Ritter, Christi. Phil. II S. 466: „Ohne die Bewegung in der
Philosophie kann man die neue deutsche Literatur gar nicht
begreifen und eben so wenig die deutsche Philosophie, wenn
nicht als einen Theil der literarischen Erhebung Deutschlands^*
Dauzel, Goethes Spinozismus S. 12: „Die Aufgabe dieses Jahr-
hunderts hat ganz eigentlich darin bestanden, in allen Gebieten
seine Ausgangspunkte zu beseitigen" Hettner II S. 6. 34. 178.
195. 526; Biedermann, Deutschi, im 18. Jhrdt. (Lpzg. 1880)
Bd. IV S. 740. 833=^: „Man kann die Rolle, die damals der
Spinozismus spielte, einigermassen mit der vergleichen, die
heutzutage der Darwinismus spielt" (893) „Noch immer zwar
empfand man einen gewissen Schauder, so oft der Name Spinoza
genannt ward, aber man empfand doch auch den Kitzel, mit
dieser angeblich so gefährlichen und zugleich auch durch ihre
Consequenz so verführerischen Lehre sich näher bekannt zu
machen." Vgl. S. 729 f. 732. 735. 738. 1092 f., II S. 56. 392
(vgl. Tholuck, Verm. Schriften Bd. 2, 1. Abt. S. 24); Windel-
band, Gesch. d. n. Philos. II S. 237. 244. 273.
Ueber Rousseaus Einfluss auf Lessing, Mendelssohn, Kant,
Fichte, Goethe s. u. a.: „Gelehrter Briefw. zw. Reiske, Mend.
u. Lessing" hrg. v. K. G. Lessing (Berl. 1789) S.'9. 254; Fichte,
Beitr. z. franz. Rev.^ S. 32 u. a. ; Goethe (Hemp. Ausg. XXVIII
S. 346; Janet zitirt in Rev. phil. 1882 p. 124 aus Baussire,
„Les anteced. de l'Hegelianisme en France" (1865) eine Kritik
Spinozas bei Rousseau.
§ 45.
Lessings W. (Lachm.) Bd. X S. 6, XI S. 112 f.; Jacobi,
Ueber d. L. des Spin. (1785) S. 12. 13. 41. Wider Mendels-
sohns Beschuldigungen (1786) 9 u. a.; „Gelehrter Briefw. zw.
Reiske, Mendelss. und Lessing" S. 75. 204. 216. 293 (Less. zitirt
„Sittenlehre Th. II § 126^0- 303. 223; Herder, „Gott"^ 190. 281;
Schelling, „Denkmal . ." S. 46; Danzel-Guhrauer, Lessing 1881
Bd. II S. 372. 375. 378; Hebler, „Lessingstudien" (Bern 1862) S.
116 ff. 126. 133. 137; Strodtmann, „Lessing" S. 333 ff. 339.
387 409. 416; Schaarschmidt, „Der Entwicklungsgang d. n.
Philos.*' 165^). 167 f. 168 („Less. ehrte in Spinoza den Mann,
welcher mit kühnem Muth zuerst das Ideal einer voraussetzungs-
losen . . Wissenschaft nicht nur gefasst, sondern auch beharrlich
durchzuführen Hand angelegt hatte . ."). 174. 176: Schwarz,
„Lessing als Theologe" S. 69 f. 77. 89. 93. 97 („Lessing hat
nur die Anwaltschaft für Spin, übernommen, da er angegriffen
314
wurde.") 98; Heine, „Deutschi." I, 2S. 69: „Beruhige dich im
Grabe, alter Moses; dein Lessing war zwar auf dem Wege zu
diesem entsetzlichen Irrthum, zu diesem jammervollen Unglück,
nämlich zum Spinozismus, aber der Allerhöchste, der Vater im
Himmel, hat ihn noch zur rechten Zeit durch den Tod ge-
rettet. . ;" Hettner, Ltrgesch. II S. 591 f. 596. :)99. 594 (: „In
seiner innersten Wurzel ist sein pantheistisches Denken von
diesen Leibniz'schen Einflüssen so wenig berührt, das Lessing
im Gegentheil sich zu der Meinung berechtigt glaubt, Leibniz
selbst sei im Herzen dem Spinozismus zugethan gewesen.
Wir nehmen daher keinen Anstand, in diesem Sinne Less.
einen Spinozisten zu nennen, wenn anders von einem Bekennt-
niss eines bestimmten philosophischen Systems bei einem Denker
gesprochen werden kann, der von sich sagt, dass sein Credo
in keinem Buche stehe, und der es in keiner Weise auf eine
vollständige und folgerichtig durchgebildete Schulphilosophie
abgesehen hatte"). Vgl. S. 611; Pfleiderer, Rlgsph. S. 142 f.;
Harms, „Die Philosophie seit Kant" (Berl. 1876) S. 62. 65. 69 f.:
Witte, ,,Die Philosophie unserer Dichterheroen (Bonn 1880) Bd.
I S. 71f. 79. 154. 205. 211. 266. 277 f. 309; E. Schmidt,
„Lessing" (Berl. 1884) Bd. I S. 452 f.; Biedermann „Deutschi i.
XVIII Jhrdt." IV S. 788 3). 792; Zeller (in Sybels Ztsch. 1870,
aufgen. in). Vortr. 2te Samml. 1877, Gesch. d. deutsch. Phil.
S. 366 fg.; Falckenberg, Gesch. d. n. Philos. S. 235; Stein, Sp.
u. Leib. S. 7.
Auch durch Edelmann kann Lessing mit Spinoza früh-
zeitig bekannt geworden sein; denn bereits am 2. Nov. 175n
schreibt er an seinen Vater über de la Mettrie (L.'s Sehr. hrsg.
V. Maltzahn XII S. 23): „Edelmann sei ein Heiliger gegen
diesen". Mendelssohn fragt L. gelegentlich (vgl. C. Mönckeberg,
Reimarus und Edelmann S. 189): „Sie kennen ihn [Edelm.j
doch auch, liebster Lessing?*
)<<
§ 46.
Vgl. „Goethe und Werther" hrsg. von A. Kestner (Stuttt;.
n. Tüb. 1854).
§ 47.
„Gel. Briefw. zw. . . Mend. u. Lessing" S. 226. 293. 301:
Mend.s Ges. Schrift., hrsg. v. Prof. Mendelssohn (Lpzg. 1H44'
Bd. V S. 403. Anm. z. S. 478. 633; Schwarz, Lessing a. Th.
S. 49. 53'^; Hettner. Ltrg. II S. 208. 214; Biedermann.
„Deutschld. . ." III S. 274.
316
Aehnlich, wie Mend., urteilt auch J. Tr. W. Jerusalem,
„Fortges. Betrachtungen über die vornehmsten Wahrheiten d.
Rel.** (Braunschweig 1792) Tl. I. Vgl. Diestel, Gesch. d. alt.
Test". . , (Jena 1869) S. 681 f.
§ 48.
Jacobi, „Ueber die Lehre des Spin." Einl., S. 1. 3. 6. 48.
162. 173., „Wider Mend.s Beschuld." S. 62 u. a ; Mendelssohn
(„Ges. Sehr." 1844) Bd. V S. 633. 637. 641. (Zu beachten
sind die Abweichungen der Wiedergabe des Briefwechsels bei
Jacobi von dem Texte bei Mendels.) 696. 699. 703. 709. 712. 719;
Jacobis Werke IV p. XXXVII f., S. oOfg. 98. 167, III 494.
Vgl. Hegel, Gesch. d. Phil. III S. 532: „Erst dieser Streit
brachte neue Anregung und es zeigte sich, welch Unrecht an
Spinoza gethan und für welch Greuel der Spinozismus gehalten
wurde." Goethe „Wahrh. u. Dichtung" (W. XXVI S. 308 f.,
XXXIII S. 233 fg. nennt den Streit ein „Zünd-Kraut zu einer
Explosion, welche die geheimsten Verhältnisse würdiger Männer
entdeckte". Gervinus, Gsch. d. d. Dicht. 2) V S. 284 ff. gibt die
erste Darstellung des Streites: „Das ganze Gespräch, obgleich
aus einem nicht festen Gedächtniss aufgeschrieben, trägt völlig
das Gepräge der Aechtheit an sich, und es war eine furchtsame
Aengstlichkeit Mendelssohns, dass er daran mäkelte, dass er
zu beschönigen suchte, dass er sich vor dem Vorwurfe des
Spinozismus aus der Seele seines Freundes wehren zu müssen
glaubte. . . Doch er sei, dass der Spinozismus Lessings wahr-
hafte Philosophie war, was konnte Jacobi der Freundin Reimarus
antworten, die ihm die Hebung dieses Schleiers verargte . . .?
Er, . . der doch den Grundsatz hatte, dass der „Weise nicht
sagen könne, was er besser verschweigt"? Und wie kam Jac.
vollends dazu, da er als Zeuge auftrat, zugleich als Kläger auf-
zutreten? . . Was half es, dass er immer protestirte, er wolle
mit dem Namen Spinozismus nichts Arges verbinden, da die
Welt mit dem Namen Atheist das Aergste verband?" „Engel
und Goethe" gaben „wohl mit Recht" Jacobis Buch „teilweise
Schuld an Mend.'s Tode." 287 f. (vgl. „Vorläufige Darstellung
des Jesuitismus" 1786). 290.
Arnold Rüge, S. W.^ Mannh. 1847 Bd. I S.21. „Sie(Less.
u. Jac.) haben die Scheu und die Unwissenheit, von denen der edle
Spinoza „wie ein todter Hund" behandelt wurde, hinwegge-
räumt." (Vgl. S. 26. 34. 45. 148 u. a.)
Zirngiebl, „Der Jacobi-Mend.sche Streit. ." München 1861;
Kayserling, „M. Mendelssohn" S. 454 ff. u. a.
318
Mann zu sein. („Ausgew. Briefe" 1815.) „Briefe an versch.
Freunde" Bd. I S. 197 (an Zimmermann): „Der unfehlbare
Weg, zum höchsten Grad der Glückseligkeit in dieser Welt zu
gelangen," ist „der Mysticismus". Vgl. Hettner Ltrg. II S. 463 f.;
Geizer, „D. deutsche poet. Ltr. ." (1841) S. 62.
§ 51.
Hamann steht „vor Spin, wie die Ochsen vor dem Berg**
und quält sich mit ihm seit Jahren vergeblich. Sein System
gilt ihm „als taube Nuss, als Lügensystem, als Auswuchs unserer
verdorbenen Natur." („Kleiner Versuch über grosse Probleme.**)
H.s Sehr., hsg. von Roth, Bd. I S. 438: „(Spin.) hielt sich zu-
viel bei Spinneweben auf; dieser Geschmack verräth sich in
seiner Denkungsart . . Spinnen und ihrem Bewunderer Spinoza
ist die geometrische Bauart natürlich." In einem Briefe vom
26. Jan. 1785. (Jacobis W. IV 3. Abt. 1819 S. 19) nennt
Hamann Spinozas Methode „incompetent und unbefugt.*' Er
sieht „den Philosophen mit Mitleiden an, der erst von mir einen
Beweis fordert, dass er einen Körper hat, und dass es eine
materielle Welt giebt". Vgl. S. 20. Am 31. März 83 teilt er
Jac. mit (S. 42), dass er die „Ethik** zu lesen begonnen: er
hofft, dass es ihm nun „besser gelingen wird, das Punctum
saliens dieses im Grunde fanatischen Pantheismi zu entdecken**.
Am Pfingstdienstag 1785 (S. 45) ist er mit der Lektüre der
Ethik fertig. Am 1. Juni (S. 53) hat er bereits Jacobis Auf-
satz über den Spinozismus erhalten. „Ich zweifle, dass es
weder Ihnen noch mir glücken wird, von Mend. verstanden
zu werden.** Den 28. Sept. (S. 80) hat Hamann Jac.s Schrift
„schon dreimal durchgelesen.** ,,Mit Ihrem Entschluss, dem
Mend. zuvorzukommen, bin ich vollkommen zufrieden/* \'gl
S. 81. 82.: „Kant ist mit Ihrem Vortrag . . sehr zufrieden.**
Auf Jac.s Brief vom 13. Oct. (S. 84 : „Von den Berlinern erwarte
ich das Schlimmste**) antwortet er am 23. (S. 89) „Mir selbst
scheint der reine helle Kopf des Kabbalisten und Cartesianers noch
eine sehr willkürliche Voraussetzung. . In meinen Augen ist schon
Spin.s Aberglauben an die mathematische Form einBlendwerk, und
eine sehr unphilosophische Gaukele3^ Mit der Untersuchung der
fünfzehn Erklärungen und Grundsätze fallt das ganze erste
Buch über den Haufen." Den 29. warnt Hamann seinen Freund
vor den „Anfechtungen von B." (erlin). Am 3, Nov. schliesst
er aus einem Briefe Mend.s an Kant, dass man in Berlin über
Jacobi sehr aufgebracht sei. „Man findet in Ihrem Spinoza-
büchlein, wie es Claudius nennt, des Spinoza Kopf, Herder'^
319
Torso und Goethe's Zehen. Den 12. (S. 104) spricht er davon,
etwas über Spinoza schreiben zu wollen. Am 17. teilt ihm
Jac. sein Befremden über Kants Verhalten mit, worauf ihn
Hamann schon am 20. wieder zu trösten sucht. (S. 112) „Ohne
die geringste Abrede zwischen uns beiden musste es Ihnen,
liebster Jac, eben so einfallen, Lessing zum Spinozisten zu
machen. Vielleicht bin ich der erste gewesen, der den Rabbi
Moses auf die Sprünge gebracht mit seinen Vorlesungen aus-
zurücken . . Wir können also unserem beiderseitigen Erbfeinde
gar nicht einräumen, ihn seine Lection zu Ende lesen zu lassen."
Unterm 3. Dez. heisst es ferner (S. 113) „Ihr ganzer Spino-
zismus kam mir wie ein Geschwür vor, durch dessen Auf- nnd
Ausbruch ich Ihnen Erleichterung zu verschaffen hoffte." Vgl.
114. 122. Am 30. Dez. schreibt Jacobi (S. 127): „Mich ver-
langt unaussprechlich nach der Nachricht, dass Ihr Tract. theol.-
polit. und totius medicinae idea nova guten Fortgang gewonnen
habe. ..."
Hierauf folgen in kürzesten Zwischenräumen Hamanns Briefe
vom 4. (S. 131), vom 10. (S. 137), 11. (138) und 15. (143.
Jan. 86), worin er hauptsächlich über sein Verhalten zu Men-
delssohn, der inzwischen gestorben, Reue bezeigt. Doch schlägt
dieser Ton schon in den nächsten Mitteilungen vom 4., 5., 15.
und 18. Febr. (S. 147. 153. 159. 161.) in sein Gegenteil um.
Am 4. März ist Hamann wieder ganz im alten Fahrwasser:
(172) „dass Sie in der ganzen Sache recht haben, braucht gar
keines Beweises .... Ein Jude — ein Sophist und point
d'honneur und Delicatesse! Wer hier nicht faule Fische
riecht, hat keinen Geruch noch Geschmack . . (174) Ich
habe gestern Kant besucht, der voll von der Mendelssohn-
schen Sache ist. Wir waren weit von einander in
unseren Urtheilen". Gleiches berichtet er von Kant in jedem
nun folgenden Briefe. Dagegen sieht er in Hippel (9. Apr. S.
229) einen „Gleichgesinnten." Am 7. Juni (S. 245) verfällt er
wieder in den Armensünderton: „Wer wird mich nicht für den
bittersten, niederträchtigsten Feind dieses armen, unschuldigen
Menschen halten? in dessen Hause ich gespeist . . ." Darauf
schreibt am 4. Juli (S. 256) Wizenmann an Hamann, der am
22. antwortet. Mit Kant, der „von einem Subject, causa sui*'
redet, vergleicht Hamann am 25. Oct. Spinoza mit seinem
;,Object, causa sei.*^ Er macht sich zugleich (S. 293) an ein
neues Studium der Ethik und der Literatur darüber. Ueber
die Schmutzschrift „Der entlarvte Mendelss.*^ heisst es am 4.
Nov. (S. 297): „Ohngeachtet des Ekels über den unschlachtigen
Ton, kann man sich des Lachens nicht enthalten über die
320
dumme Eitelkeit des Mannes." Dagegen schreibt Jac am 20.
Nov. (S. 314) über dieses Buch, dessen Autor man in ihm
hatte sehen wollen: „Wir haben uns beynahe gewälzt vor
Lachen. . Das Ganze ist ein wahrer goldner Spiegel für die
Berliner, wenn sie nur recht hinein sehen wollten." Am 3. Dez.
(S. 316) hat Hamann Jacobis „Briefe" von neuem zu lesen
begonnen. „Die Sprache," so heisst es den 27. Apr. 87 (S-
348) hierüber, „ist der Pappendeckel, den Du deinem Spinoza
vorhängst. . Verba sind die Götzen Deiner Begriffe, wie Spin.
den Buchstaben zum Werkmeister sich einbildete. So leicht-
sinnig ist die Ethik, dass mir daran ekelt*'. . (349) „Spinoza
ist Dein Hauptschlüssel, und seine Gläser sind für deine Augen
vielleicht geschliffen, aber es ist unrein und gefärbtes Glas.
Wie kannst du . . Mendels, beschuldigen, dass er ohne die
geringste Veranlassung dir christliche Gesinnungen aufgebürdet,
die weder christlich noch die deinigen wären?" . . Wächters
„Spin. i. Jüdenth." nennt Hamann (S. 331) „ein langweiliges,
ekles Buch." Seinen Elucidarius hat er „vor mehr als '20
Jahren . . gelesen, und Auszüge gemacht, ohne sie zu ver-
stehen." Noch deutlicher heisst es den 29. Apr. (S. 357): „Es
thut mir wehe, dass du noch immer am Spinoza kauest, und
den armen Schelm von cartesianisch-cabbalistischem Somnam-
bulisten, dem Leibnitz seine harm.-praest. entwandt haben soll,
wie einen Stein im Magen herumträgst," und am 3. Juni
(S. 372): „Du hängst überhaupt zu viel an Kunstwöttem der
philosophischen Sprache . . . Und hierüber ist Spin, das deut-
lichste Beyspiel." Den 19. Nov. (S. 389) berichtet Hamann:
„Den 13. d. M. haben wir die erste nächtliche Vorlesung über
dein Spinozabüchlein gehalten." Noch einmal kommt er am
24. Mai 88 (S. 428), gelegentlich der Lektüre Condillacs, auf
den Spinozismus zurück.
. Vgl. Schlüter S. 106; Gervinus IV S. 402; Hettner Uli
S. 306. Jacobi berichtet am 13. Dez. 1785 an Goethe (S. 96 fj:
„Hamann meynt, meine Sache sei so gut, mein Handel so rein
— mein Spiel so gross und ehrlich, dass es durch niemand
als mich selbst verdorben werden könne'* u. s. w.
„Der entlarvte Mos. Mendelss. oder völlige Auf klärung de>
räthselhaften Todesverdrusses des M. Mend. über die Bekannt-
machung des Lessingschen Atheismus von Jacobi . ." Amster-
dam 1786. Der Verf. ist der als „Zopfschulz" s. Z. bekannte
Prediger J. Heinr. Schulz (s. über ihn : Hettner II S, 252). ein
I
321
erbitterter Feind Mendels. s. Bei dem entschieden Jacobi freund-
lichen Tone und der häufigen Anführung des „Asmus" lag es
allerdings nahe, den Verfasser in Jacobis Kreise zu suchen.
Nach Schulz ist es Mend. gewesen, der den Streit hervor-
gerufen (S. 6, vgl. 3. 4). Seine Schrift „an die Freunde Les-
sings** ist ein Gewebe von Widersprüchen (S. 38, vgl. 60. 64.
69. 71. 82). Jacobi dagegen ist (S. 40, vgl. S. 44) der „un-
schuldige, " „ahnungslose Gutmüthige". (S. 45, vgl. 46.) „Allein
nun wurde dem Jac. die Sache zu bunt. Die Augen fingen
ihm an aufzugehen." Auch über die Verhältnisse der Berliner
Judenheit scheint der Verf. genau unterrichtet zu sein (s. S.
17 f., 19).
§ 52.
Am 28. Apr. 1788 schreibt („Jac.s auserl. Briefw." S. 458)
Fr. L. Graf zu Stolberg an Jac: „Ich danke Ihnen herzlich . .
für das durch unsern Claudius mir mitgetheilte Manuscript. Auch
diese Büberei, ja vorzüglich diese Büberei der Berliner, verdiente
eine so scharfe Rüge, erforderte sie vielmehr**. (S. „Deutsches
Mus." 1788 St. 4; vgl. Jac. W. Bd. IV Abt. 3 S. 417.) Am
19. Mai 89 berichtet er (S. 502) über Moritzens Abfall. Vgl.
Hellinghaus, Briefe Fr. L. Gr. zu Stolb. und der Seinigen an
J. H. Voss (S. 145. 147). Stolb. konstatirt mit Schadenfreude
Lessings Spinozismus.
§ 53.
Forster schreibt am 21. Jan. 87 (H.s „Nachlass" II S. 397)
an Herder, er nehme es Kant» übel, dass er es mit den
Berlinern halte. „Denn mich dünkt, man könne in dem Streit
zw. Jac. und Mend. nur eine Meinung haben, und dies ist
sicherlich nicht die Mend.sche. Ich würde freilich auch lieber
mit Lessing . . den Irrthum behalten, dass kein freier Wille ist;
nur Mend.s Schwäche und Blosse ist mir offenbar". .
Jac. schreibt am 3. Mai 86 (Briefw. S. 407) an J. Müller:
„Dass Ihnen mein Büchlein über Spin, nicht missfallen hat, ist
mehr als Trost gegen das Missfallen daran, welches so viele
andere mir öffentlich zu erkennen geben. So wenig acht
philosophischen Geist, . . so viel dummen und bösen Leicht-
sinn unter meinen Landsleuten hatte ich doch nicht erwartet. .
Es ist unbegreiflich und entsetzlich." Joh. v. Müller S. W.
(Stuttg. u. Tüb. 1834) Bd. 30, Tl. 2 S. 140. 152. 156.
21
S22
§ 54.
Von Hemsterhuis erhält Jac. am 22. Febr. 1788 (S. 4.VV)
das Lob: „Vous etes le premier qui ait donne le vTai tableau
du Spinosisme et de son auteur; tellement que si . . . .
quelque Athlete exerce desire de se mesurer avec ce geant
redoutable, il fera bien de regarder long - temps sa taille et
ses armes que vous venez de lui rendre." Vgl. Jacobi „Ueh.
d. Lehre d. Sp." Einl. S. 7. 38. 39f. 50. 56f.; „Wider Mend.s
Besch." p. I. n. S. 105; „David Hume" (Bresl. 1787) S. 3h.
58. 114.; Herder „Gott"^ S. 297^. 18; Francke, „Schicks, des
Spin.mus" S. 47; Schlüter S. 15.
Hemsterhuis (Werke, deutsch Lpzg. 1787) „Brief über den
Atheismus" S. 148 f. 151 fg. 159.
§ 55.
Jean Paul schreibt am 3. Dez. 1798 (Jac.s Briefw. II S.
263) an Jac: „Wie leicht rettete ich mich durch alle kritische
und fichtesche Strudel bloss mit Ihrem Ruder! Schon die
einzige Vllte Beilage in Ihrem ewigen Spinoza ist die Recht-
fertigung, der Inbegriff, die Auflösung und das Gegengift der
ganzen Kantischen Vernunft-Critik." Am 4. Juni 99 (S. 283»
bewundert er Jac.s Tiefsinn in seinem „Spinoza.'^ „Herder
schrieb jetzt die zweite Aufl. von „Gott" und strich den kleinsten
Seitenblick gegen dich weg, so viele Schmerzen ihm auch dein
Spinoza gab.** Herders „Meta-Kant" setzt Jean Paul (am 3.
Aug. 1802, S. 312) ,,im Tiefsinne an, und in der athletischen
Diction über den Spinoza.*' Am 25. Jan. 1816 (S. 450) er-
wähnt er zum letzten Male das „ganze, blinde, taube Spinoza-
All." Vgl. „Herders Nachlass" (1857) Bd. 2 S. 245.
Vgl. Schlüter 106. Hettner Ilk S. 413.
§ 56.
Jac. erwähnt seinen Briefw. mit Mend. in dem Briefe an
Lavater vom 27. Mai 85 (S. 376 f.). Lavater wünscht diese
seine Briefe zu lesen (30. Juni). Den 15. Sept. 86 (S 408 fg.
schreibt Jac. an L.: „Wie bist du mit den , »Resultaten** zu-
frieden? . . Es ist leider schon etwas ruchbar geworden, da>-
sie nicht von Herder, wie man ganz zuverlässig in Berlin be-
hauptete, sondern von diesem jungen Manne *XWizenmann
„herrühren; und da er seit einem Jahre in meinem Hause lebt,
wird es an boshaften Anmerkungen nicht fehlen. Ich bin
323
gegenwärtig mit der neuen Auflage meiner Briefe über Spin,
beschäftigt, die schon auf die Jubilatemesse von mir gefordert
werden." In dem Briefe Lavaters vom 5. Sept. 87 (S. 426, vgl.
den vom 18. Apr. S. 411) heisstes: „Ich sehe, damit ich mich
durch einen Salto mortale erkläre — den Gott des Spin, und
Christusin jeder menschlichen Natur! Im schaffenden und vege-
tirenden Menschen die Gott weit des Spin-, in jedem freithätigen —
den Gottmensch Christus. (S. 427.) Wie jeder sichansieht,siehter das
Universum an. Nun kann ich mich entweder bloss als Maschine
ansehen . . — dann ist mir Spin. 's Welt recht, oder ich kann
mich als ein freithätiges Selbst ansehen, dann ist mir der Bibel
Gott recht. So vereinig' ich Spinozismus und Christenthum,
das sich wie Ja und Nein aufzuheben scheint; ob es mehr
nicht aufhebt, als der Mechanismus und die Freithätigkeit unsere
Natur . . Ja, Spinoza selbst könnte sich einen Christus als das
non plus ultra von Kraftprodukt seines Universums denken,
wodurch sein Universum determinirt schiene." Es (S. 429)
„hat der Atheist und Spinozist Recht,, wenn er eine Demon-
stration Gottes . . als unmöglich verwirft." Am 13. Dezember
(S. 440) schreibt er: „Deinem Spin, seh' ich mit Vergnügen
entgegen. Le Sage, dem Heisch das Buch von Dir überbrachte,
staunte über unsere Freundschaft," und den 13. Mai 89 (S. 499):
„Deinen Spinoza habe ich erhalten . . . Was ich daraus las,
war mir tief eindringend, nützlich für Geist und Herz. Ich
gab ihn der . . Madame Schultheiss. "
„Physiognom. Fragm." (Lpzg. u. Winterthur 1777) 3. Ver>
such wird Spinoza als Mystiker neben Spener, Guion und
Zinzendorf behandelt. (S. 277) ,,Wie steht der Mann in sich
und auf sich allein! Wie wandelt er eigene Pfade ohne
Rückblick auf Schmäher und Nachfolge! Wie bildete, wurzelte
er sich in tiefer Stille! Welche stille Festigkeit in der Stirne!
Was liegt nicht für erstaunlicher Verstand zwischen den Augen-
braunen bis zur Nasenwurzel! Wie viel und tief bemerkend der
Blick! Wie aufspürend alle lockere Stellen jedes ihm begegnen-
den Systems! ^ Wie ermüdet von Denken, Forschen, Zweifeln.
— In dem obgleich gewiss nur halb wahren Munde wie viel
Weisheit und stiller Adel — Laune und Salz! Das ganze
Gesicht ein liebliches Gemisch von Trübsinn, Kampf mit Zwei-
feln und philosophischer Behaglichkeit - die geglaubtes Ge-
fundenhaben der Wahrheit erzeugt. Die Miene lächelt den Vol-
tärischen Vers: „J'ai des plats ecoliers et des mauvais critiques*'.
Vgl. Lichtenberg, Verm. Schriften^ Bd. 8. S. 151. Gervinus
V S. 259.
21*
324
§ 57.
Rehb. hatte Ende 178ö Jac. seinen Standpunkt ausein-
andergesetzt, worauf ihm Jac. den 2. Mai 88 versichert, dass
„ich seit einiger Zeit bes. oft und viel an Sie gedacht. . Ich
denke aber, wir wollen . . gute Feinde sevn."
Reh. „Sämtl. Sehr." Bd. I Tübing. 1828, S. 5. 7. „Ich
bin einer der ersten, vielleicht der Erste unter denen gewesen,
die der Tiefe seiner Einsicht in das Wesen abstracter \'or-
stellungen und seiner metaphj'sischen Ideen, und der Consequenz
in ihrer Ausführung eine Bewunderung widmeten, die bald zu
einer Art von Mode in der deutschen Philosophie geworden ist.*'
Rehb. „gelangte mit Spin, dahin, die blossen Begriffe des Denkens,
der Ausdehnung, der Existenz, für Realitäten, und endlich für
das einzige wirkliche zu erklären." (S. 8.) Doch nimmt er Spin-s
Lehre „gar nicht für en\aesene Wahrheit, sondern nur für ein
vollkommenes Kunstwerk . ., das in seiner Art nicht übertroffen
werden könne."
Reh. „Ueber das Verh. der Metaphysik zur Religion" ITsT
S. 16 ff., bes. S. 70. „Ueber d. Wesen der Kräfte" (S. 73). Vgl
Francke, Schicksale S. 31 fg. 90; Gerv-inus V S. 284; Schmidt,
Spin. u. Schleierm. S. 45; Gumposch S. 396: Kestner, Goethe
u. Werther S. 272.
§ 58.
Mend. (Ges. Sehr. 1844. V S. 641) sendet Gar\'e seine
„Morgenst." mit der Bitte, diese sowie Jac.s Schrift zu lesen
und ihm sein Urteil mitzuteilen. „Sonderbar! der Mann kennt
mich nicht, ich kenne ihn nicht. Er fordert mich durch eine
dritte Person zu einem Briefwechsel auf; und macht ohne mein
und dieser Person Erlaubniss . . aus diesem Briefw. bekannt
was ihm beliebt . . nichts von der imwürdigen Art und Weise
zu sagen, wie er Lessing mitspielt, der sein Freund gewesen
sein soll. . Ist es Unbesonnenheit, Schwachheit oder böser
Wille?" Jacobi an Garve a. a. 0. S. 376 (27. Apr. 17«v^ :
„Briefe von Garve an Weisse" (Berl. 1808) I S. 232; Briefw.
zw. Garve und Zollikofer" (Berl. 1804) S. 373. 374. ,AW
mir vorzüglich missfälit, ist das revoltirende Gedicht, die >*-•
dunkle Entwickelung des Spinozistischen Systems, aus welcher
doch erhellen soll, dass die Vernunft, wenn sie mit ihren Nach-
forschungen auf den Grund geht, kein andres System annehmer
könne, und dann die ebenso unbegreifliche Rückkehr zu der*
Glauben an Gott. . . Was für eine ganz andre Arbeit ist Mose-
seine!" S. 381. 392. (27. Sept. 87) „Unsre neuen deutscher.
i
325
Metaphysiker werden mir bald zu hoch werden. . . Ich bin an
die Quelle unsrer sublimen Metaphysik gegangen und habe den
Spinoza selbst mit aller Aufmerksamkeit gelesen. Ich gestehe
es, ich danke es denen sehr, die mich dazu veranlasst haben."
„Ueber das Dasein Gottes" (Neue Aufl. Bresl. 1807) S.
241. 243. 245.
Vgl. Schmidt, Sp. u. Schleierm. S. 39.
§ 59.
Platner, „Philos. Aphorismen" (Lpzg. 1793) Tl. I S. 402.
403. 406. („So scheint" Sp.s System „nur den Begriff Substanz
vorbehalten zu wollen, der Grundquelle aller Thätigkeit in
der materiellen und geistigen Welt; und aus diesem Gesichts-
punkte betrachtet, ist es beydes, schwer zu widerlegen und
schwer zu vermeiden." 408. 565 f. 581 . Bd. II (Lpzg. 1800) S. 2 1 1 .
Vgl. Schlüter 98; Gumposch 200.
§ 60.
Jacobi„Ueber d. Lehre d. Spint*S.8. 13. 29. 54. 55. 166. 172;
,, Wider Mend.s Besch." 55; „Von den göttl. Dingen" (Lpzg.
1811) S. 124. 154. 155 fg.; (S. W.) IV S. 125 f. 189. 161;
Jac. an Goethe 19. Febr. 1808 (S. 245). „Es giebt nur zwei
von einander wesentlich verschiedene Philosophen. Ich will sie
hier Piatonismus und Spinozismus nennen. Zwischen beiden
Geistern kann man wählen, d. h. man kann ergriffen werden von
dem einen oder dem andern, so dass man ihm allein anhangen,
ihn allein für den Geist der Wahrheit halten muss . . ." Etwas
gemässigter spricht Jac. in der letzten Auflage seiner „Briefe
über d. L. d. Sp!* (1789) p. VI. XX. XLIV. S. 25 Anm. S. 190
Anm. 1). 225 Anm.: „Nicht alle Spinozisten etwa sind Gottes-
leugner, die einen blossen Schaum von Spinozismus" zeigen; „nur
die recht verstandene Lehre Spinoza's verträgt keine Religion!*
Vgl. Herder „Gott"^ S. 205; Schelling, „Denkmal" S. 38;
Francke, „Schicksale" S. 41; Jäsche, ,,Pantheism" I S. 42;
Fr. Ancilk)n „Ueber Glauben u. Wissen" . . (Berl. 1824) bei
Kuhn „Jacobi" (1834) S. 110; vgl. Kuhn S. 3. 143; Pfleiderer
„Rlgsph." S. 124; Biedermann, „DeutschldtMV S. 849 f. 8r)4;
Kuno Fischer VI^ S. 219.
§ 61.
„Verm. Schriften"^ (Gott. 1844) Bd. I S. 67: „Der Spino-
zismus und der Deismus führen beide einen verständigen Geist
326
so gewiss auf Eins hinaus, dass man, um zu sehen, ob man
in dem erstem richtig ist, sich des letztern bedienen kann, so
wie man sich des Augenmasses oft zur Probe der genauesten
Messungen bedient" S. 291: „Nichts beweiset mir so
deutlich, wie es in der gelehrten Welt hergeht, als der
Umstand, dass man den Spinoza so lange für einen bösen
nichtswürdigen Menschen, und seine Meinungen für gefährlich
gehalten hat.** Ueber L.s Weltanschauung vgl. ebd. S. 67
(über Christus), 69 (die Kantianer), 150 (Determinismus), 255
(Garve und Lavater), Bd. 7 S. 18 (Theologie) u. a.; Schlüter
S. 105; Gervinus V S. 163; Hoffmann in d. Vorrede zu Fr.
V. Baaders S. W. Bd. Ip. LXVII; Hettnerllli S. 314. S. 412.
3, 2 S. 18.
§ 62.
Jac. (Briefw. S. 376. 24. Apr. 85) an Herder: „Urteile
selbst, wie mir zu Muthe werden müsste, wenn du mir von
neuem sagtest, ich verstünde den Spin, unrecht." Herder ant-
wortet am 6. Juni: „Das System Spin.s ist hier" (Briefe über
d. Lehre d. Sp.) „im Wesentlichen dargestellt, wie ich mir's
denke." Vgl. S. 408 f.
Herders Nachlass Bd. 2 (1857) S. 239. 245. 252 ff. 261 f.
270f. 275; „Gott"^ S. 25. 110. 155. 209. 280 („Spin.s Philo-
sophie war lange vor ihm und wird lange nach ihm bleiben''.
W. IV S. 57. „Sp. Märtyrer der Humanität". Werke XII S.
26. Jean Paul nennt H.s Philos. einen „grossartigen Spin. mos
des Herzens". Vgl. Francke S. 35 fg.; Schmidt, Sp. u. Schleierm.
S. 43; Dorner, Gesch. d. prot. Theologie (1867) S. 740; Danzel-
Guhrauer, Lessifig S. 488; Jul. Schmidt, Ltr. d. XIX. Jhrdts.
IS. 12; Hettner III, 1. S. 73 ff. 83. 86 f. 92 ff. 101; PHeiderer,
Rlgsph. S. 198 ff. 201. 203. 205. 207.
Haym, „Herder" Bd. I (Berl. 1880) S. 673. 676. 635:
Witte, „D. Philos . ." 208. 273; Harms, d. „Philos . ." S. 85. 90.
292; Biedermann „Deutschi." IV S. 834^ 835 f.; Eucken,
„Gesch. u. Kritik d. Grd.begi'iffe d. Ggwt." (1878) S. 134.
§ 63.
Schriften der Goetheges. Bd. 7 S. 393 f. Bd. 8 S. 1»)
(Weimar 1893) Xenien 1796 No. 865. „Ein Zweyter" (Spinoza^.
„Weil es Dinge doch giebt, so giebt es ein Ding aller Dinge:
In dem Ding aller Dinge schwimmen wir, wie wir so sind.**
Bd. 2 (1886 vS. 168; Goethe aus Italien an Fr. v. Stein : „Herder
327
scherzte immer mit mir, dass ich alle mein Latein aus dem
Spinoza lernte, denn er bemerkte, dass es das einzige latein.
Buch war, das ich las" (S. 389). Einen latein. Spin, hatte
Herder am 25. Dez. 1784 der Frau von Stein und ihm geschenkt.
Viehoff, Goethes Leben III S. 104. („Das botanische
£v xat -jcav war ihm in Sicilien klar geworden.")
Falk, Goethe aus näherem pers. Umgange dargestellt (Lpzg.
1832) S. 82 („Es giebt ein Mysterium so gut in der Philosophie wie
in der Religion"); Jacobi „Ueberd. L." S. 12. 48; Danzel, „Ueber
Goethes Spinozismus" (Hamburg 1843) S. 17. 26 f. 28. 42.
50. 57. 71. 73. 92. 122; Schlüter S. 31. 37. 106; Jul. Schmidt,
Ltrg. d. XIX. Jhrdts I S. 63. 274. 290; Heine, „Deutschl." II
S. 92, vgl. 149; Auerbach, Uebersetzg.^ Einl. S. CXX; „1000
Gedanken des CoUaborators" S. 163. „Die Philosophie ent-
spricht dem Ausbau dichterischen Empfindens; zum Unterbau
giebt das konkrete Leben festen Halt. Auch hierin ist Goethe
wiederum Muster. Die beiden Männer, die am mächtigsten auf
sein Naturell einwirkten, sind Justus Moser und Spinoza; jener
in der Jugend, dieser im vorgerückten Lebensalter.'* K. Fischer,
„Spinoza*^ (Vortrag) S. 11; Hettner III i S. 126. 178 f. 181.
223 f. 225. 546; Koberstein „Gesch. d. d. Nat. litr."^ (1873)
IV S. 261 1^ Pfleiderer, „Rlgsph." S. 227 f. 230. 232f. 235.
237 f.; Jul. Schmidt, „Gesch. d. d. Ltr." 1886 II S. 194. III 85.
Ueber Goethes Philosophie s. (Taschenausg. 1840) Bd. III S.
194. Bd. 22 S. 219. 220. 273. 278. Bd. 23 S. 113. Bd. 27
S. 288. Bd. 36. S. 73. Bd. 17 S. 35; Briefw. mit Jacobi S.
189 (8. Sept. 1794). S. 225 (23. Nov. 1801). 261 (6. Jan. 1813).
§ 64.
Schillers Briefw. mit Körner (Lpzg. 1859) Bd. I S. 105.
127. 144. 146 ff. 297. 277; Ueberweg, Seh. als Hist. undPhilos.
S. 34. 36. 38. 53. 84 f. 87. 174; Hettner III, 3,2 S. 173.
Conz, Ben. v. Sp.s th. pol. Abhdlg., neu übersetzt mit den
von Herrn von Murr hrsg. Anmerkungen des Verf. zu diesem
Tr. . ." (Stuttgart 1806), Vorher. S. VII ff . XVI. XIX. XLIII.
(,,Auch ich kann nicht besser diese Vorrede schliessen als mit
den Worten Jacobis: Sey mir gesegnet, grosser BenediktusI'O
S. LI. („Fragment über Spin.s Lehre von einem Freiwilligen.'*)
LVIII. LXIX. („Man könnte sagen : nach Spin.s System ist
Freiheit in der Mentalwelt, was in der Körperwelt Bewegung,
dass wir uns bewusst sind, bewegt zu werden, und die Nöthi-
gung mit Lust verbunden ist, bringt den Begriff der Freiheit
in uns hervor.") LXXVI. Vgl. „Aus Schellings Leben'* II S. 189,
328
§ 66.
Vgl. K. Rosenkranz, Höld.s Leben (Berl. 1844) Vorr. S.
IV f.; Hettner III, 32 S. 418. 422; Gottschall, „Deutsche Nat.
Ltr. d. XIX. Jhrdts." (Berl. 1875) I S 185.
§ 67.
Krit. d. pr. Vern. (1788) S. 128. Kr. d. Urtlskr. (1790)
S. 308. 401. 549. „Was heisst sich im Denken orientiren?'*
W. Rosenkr. Bd. XI S. 51. 54 (über Maimons Spinozismus).
119; 96. 102. Bd. I S. 371. 374. 385. 386 Anm. 388. 391 f.
483. VII S. 337 fg.
Jacobi, „Ueber d. Lehre d. Sp." 123. 140 Anm. 16; „David
Hume" S. 157; „Von d. göttl. Dingen" S. 125 f. 196; Herbart,
(S. W. ed. Hartenstein.) Bd. III Tl. 1 S. 189 f. 192 ff. 194;
Francke, Schicksale S. 62 fg.; Platner, Aphorismen I S. 408;
Schaarschmidt, D. Entwicklungsgang S. 94 ff. 97. 102; Gum-
posch S. 125; Hettner II S. 277 fg. III, 3« S. 24; Pfleiderer,
Rlgsph. S. 151. 172. 184. 190; Caspari, Lotze S. 68 f. 89.
Zu Kants Bild vom Bratenwender „Prakt. Vern.*' (Rosenkr. Bd. 8
S. 223) vgl. Stosch, „Concordia" S. 78.
Chr. Jak. Kraus („Verm. Schrift'^ hrsg. von Herbart. Bd. \'
S. 8) spricht von „der Hypermetaphysik des Pantheism, deren
Schlussfestigkeit in unsern Tagen mit dem kundbarsten Eifer
als unüberwindlich verfochten worden, und deren Vortrefflichkeit
der Verf." (Herder) „in seiner jüngsten Schrift, worin er Spi-
noza's Hirngespinst zur lebhaften Gottheit verklärt, von der
erhabensten und glänzendsten Seite dargestellt hat."
Auch in Swedenborg hat man Spinoza wiederfinden wollen
(s. Linde, Bibliogr. 331).
§ 70.
Lossius, „Neues philos. allg. Real-Lexicon" (Erfurt I8(K^
S. .)S3. 385. „Sp., den ich keineswegs unter die groben
Atheisten rechnen will, der aber doch von den meisten, beson-
dei's von solchen, die alles Atheisten nennen, was sich mit der
Sylbe ,ist* endigt, darunter gerechnet wird . . Sp. war ge\\i>^
ein sehr moralischer Mensch und Bürger**.
§ 71.
l'eber Bi»uterwek vi^l. Günther in , Wiener Jahrbücher**
ai, XXX S. 277.
329
§ 72.
Vgl. „Ueber Mendelssohns Darstellung des Spinozismus"
in „Cäsar's Denkwürdigkeiten aus der phil. Welt** Bd. IV. Lpzg.
1787. S. 239—300. „Natur u. Gott" Vorr. S. III. X. XII.
XIII: „Kein menschlicher Geist hat sich wohl so tief in eine
übersinnliche Verstandeswelt hineingeträumt, keiner die Wider-
sprüche, welche sich unter den Träumen aus diesen Regionen
zu finden pflegen, so künstlich verdeckt, keiner überhaupt bey
seinen Spekulationen Fleisch und Blut bis auf den Grad ver-
gessen, so ganz unbedingt, ohne irgend ein mitwirkendes Interesse
des Herzens nach Ergründung der wichtigsten Erkenntniss-
gegenstände der Menschheit gestrebt, als dieser bald verfluchte,
bald gesegnete, bald beweinte, bald belachte Spinoza" S. XIV.
XLVI. S. 87 Anm. 14. 88 ff. 150. 152 f. 161. 205; Heydenr.,
„Lehrbuch der Naturphilosophie" (Jena 1809) Tl. I S. 23.
Francke, Schicksale S. 33 f; Paulus Ausg. Sp.s, Vorr. zu
Bd. 2 p. XVIII; Jäsche I S. 85; Schmidt, Sp. u. Schleierm.
S. 45.
§ 73.
Vgl. (Ewald) „Die Allgegenwart Gottes" Gotha 1817. Tl. 2
S. V. 9. 13. 17. 23, besond. 485 ff. und S. Ascher, „Levia-
than . ." (Berl. 1792) S. 147 fg. („Der leider allzu verrufene
Spin. . ") 184. „Ich wünschte es zu erleben, dass, so wie die
kritische Philosophie diesen grossen Geist von dem Zunamen
eines Atheisten befreien kann, die kritische Theologie ihn dem
eines Ketzers entreissen möchte . .")
Fichte, Grundzüge des ggw. Zeitalters 1804 (W. Bd. 8
S. 385 ff.): „Die Schwärmerei findet im Zeitalter selbst wenig
Kraft zum Schwärmen, man holt also frühere Schwärmer
herauf, je verschrieener, desto besser, da alles um so viel besser
sei, als es vom herrschenden Zeitgeiste abweiche"-. .
Novalis (W. Bd. 3 S. 109. 267): „Soll der Protestantismus
nicht endlich aufhören, und einer neuen dauerhaften Kirche
Platz machen?"
§ 74.
Erdmann, Aufsätze S. 118; Schaarschmidt, D. Entwicklungs-
gang S. 213; Jodl, Gesch. d. Ethik II S. 128f. 247; Jul. Schmidt,
Ltr. i. XIX. Jhrhdt. S. 449. 452. II S. 57. 64. 128. III S. 149. 503;
K. Fischer, Gesch. d. neueren Phil. V^ S. 97. 109 fg. ; Hettner
330
S. 436. 438: Pfleiderer, Rlgsph. S. 256; Geizer, D. deut<^che
poet Litr. (1841) S. 39. 216. 396. 420 (Tieck). 432 (Zach.
Werner); Schwarz, Lessing S. V 64 f.
§ 75.
Spillecke, „Ben. Spin. . ." („Eine Vorlesung in der Gesell-
schaft der Freunde der Humanität") S. 4. 14. 21 fg. 24. 26.
29. „Und so begnüge ich mich hiemit, die Verunglimpfungen
des grossen Mannes .... nach meinen Kräften abgewandt zu
haben. . "
§ 76.
„Quaenam fuere recentiore ac recentissimo aevo fata Spino-
zismi, si tarnen verus est, qui hodie a quibusdem perhibetur
Spinozismus. Nocuitne an profuit rei philosophicae in Uni-
versum et speciatim Philosophiae a Deo?"
Francke: S. 5. 14. 18 f. 23. 25 f. 38. 44.49. 98. Unter
den zahlreichen Subskribenten auf Franckes Schrift finden sich
auch Gymnasiasten aus Flensburg. 1812 erschien eine neue
Auflage.
§ 78.
Fichte, „Rlgsphil. Schriften", hrsg. v. J. H. F'ichte (Berlin
1846) S. VI. XX fg. XXXIII. 6. 19. 179 f. 188. 211. 215 f.
219. 261. 264. 266 f. 406 f. 410. 417. (vgl. 437.) 418. 427 f.
437. 447. 448. 451. 452. 466. 485. 520 ff. 524 (vgl. 532.
535. 542. 544). 526; F., „Bestimmung des Menschen" (Berl.
1838) S. 27. 37.
J. G. Fichtes Leben u. lit. Briefw., hrsg. von J. H. Fichte,
II Bd. 2 S. 278. 240. 369.371.600. System d. Sittenl.(Werke^
Einl. XVII. 224, vgl. 215. v340. f.; Grd. d. ges. Wissftsl. S. 22^
bis 232; Wissftsl. S. 47; Fr. H. Jacobis Briefw. Bd. 11
S. 207 211.
Vgl. Herbart, Mg. Metaph. Bd. I § 98. 99; Jäsche III
S. 64. 75. 346; Schlüter S. 101; Strauss, Glbsl. II S. 3v33f:
H. V. Stein, Gesch. d. Platonism. (vgl. Philos. Monatshefte
XII S. 472); Schaarschmidt, Entw. S. 104 f. 113. 115; Michelet,
Gesch. d. n. Phil. S. 69; Fortlage, „Genet. Gesch. der Philos.
seit Kant" (Lpzg. 1852) S. 138 ff.; Jodl, Gesch. d. Ethik H
74 Anm. 28; Jul. Schmidt, Ltr. i. 19. Jhrdt. I S. 292. 31. >:
vegler, Gesch. d. Phil. S. 171; Schaarschmidt, Desc. u.
331
Spin. (1850) S. 191 f., 193 f.; Weil in „Dict. phil." II p.
405 („F. applique au moi la definition que Spin, donne de
la cause absolue . . ."); Pfleiderer, Rlgsph. S. 281. 283; Wundt,
Ethik S. 322; Stöckl II S. 74. 78.
Schad, Lebensgeschichte Bd. 2. (Altenburg 1828) S. 313,
vgl. Bd. 3 S. 237. 522 fg.
§ 79.
Haym, Romant. Schule S. 492.
§ 80.
Vgl. Jul. Schmidt, Gesch. d. d. Ltr. 1886. IV S. 194. 199.
§ 81.
Vgl. „Nachgel. Sehr." S. 131 aus d. J. 1804; Gumposch
S. 355.
§ 82.
Vgl. „Schriften" (1846) S. 35. 40. 61; Michelet, Gesch.
d. n. Phil. 85. 97; Jul. Schmidt, Ltr. i. 19. Jhrdt. I S. 422;
Haym, Rom. Schule S. 358 f.; Pfleiderer, Rlgsph. S. 497. 499
(Fries: „Natur und Gott ein auf sich selbst beruhender und
selbstgenugsamer nach den einfachsten mathematisch-physika-
lischen Gesetzen erklärbarer und alle Teleologie völlig aus-
schliessender Mechanismus, dessen Substanz sowohl wie Be-
wegung nicht hervorgebracht sein kann'*)
§ 83.
Vgl. H.s Nachwort zum Romanzero; Morbach, der Zeitgeist
u. die moderne Literatur (Lpzg. 1838) S. 253.; Saisset, „Histoire
de la vie . ." p. 361; Jul. Schmidt, Ltr. 19. J. III S. 17. 25.
Ein anderer Vertreter des „Jungen Deutschld!*, Gutzkow,
brachte 1846 in seinem„Uriel Akosta" (als Novelle „Der Saddu-
cäer von Amsterdam*' 1834) zum ersten und einzigen Male
Spinoza auf die Bühne. Vgl. Jul. Schmidt, Ltr. 19. Jhrdt. III
149. 157.
§ 84.
Philipps, in „Sulamith" S. 333 f.; „Jahrbuch" S. 123. 197.
206. (Vgl. Morbach, „Gedächtnissrede auf B. von Spin!* 21. Febr.
1831. Halle.)
332
Ueber Auerbachs Freund Dr. B. Beer, einen Verehrer
Spin.s, (s. die Rezension über Philippsons Skizze in „Planet"
1833 und seine Uebersetzung von Munks Uebersicht über die
jüdische Philosophie [Lpzg. 1832] bes. Note IV.)
„Tausend Ged." (Berl. 187r)) S. 8. „Es giebt einen rythmi-
schen Zusammenhang zwischen unserm Denken und unserer
körperlichen Haltung". . . „Du bist entbehrlich!" 9 („auch
lebend nur ein Tropfen im Meer"). 17. „Der Kummer ist ein
Verdummer." (Vgl. 18. „Goethe ist mein Metronom".) 19. „Unser
Wille ist wie ein eingespanntes Pferd". 35. „Entweder du
musst dich selbst beherrschen, oder Andere herrschen über
dich" . . 72. „Du sollst nicht Reue haben." 116 „Verstandes-
mässig trennen wir Ursache und Wirkung". 120. („Zweck des
politischen Lebens". .) 131. 137. 145. 146. („Der echte Philo-
soph". .) 164. 227. 232 (Der Gleichmuth"). 235 („Die
Schlechten". .). 256. („Die Liebe". .) 273 („Alles Leben". .)
287 (Schluss): „Wer lebend im All, im Weltganzen sich
empfindet, der ist als Individuum schon gestorben, aber auch
schon selig".
Vgl. Berthold Auerbach. Briefe an seinen Freund Jakob
Auerbach. Bd. I. Frkf. a. M. 1884. S. 5 („ohnlängst las ich
einiges von Spinoza". . . 29. Juni 1830). 27^). 30 f. 37. 38. 41 f.
44 („ich finde in der spinozistischen Weltanschauung dieselbe
und vielleicht noch höhere Beruhigung, als der herkömmlich
Gläubige in der seinigen" 28. Febr. 1841). 58. 96 f. (97: „So
sprach ich vorgestern Abend mit einem Maier über bildliche
Darstellung einer Szene aus dem Leben Spinozas". .) 112 f.
146 f. (Strauss und Kaulbachs Reformationsbild). 253. 275. 285.
309. 318f. 329. 349. 374. 386. Bd. II S. 5 („Hier ist auch
ein Pentateuch in fünf Bänden, der wahrscheinlich das Hand-
exemplar Spinozas". . .). 6 („Der Gegensatz von allgemeiner
Substanz und Individuation muss neu gefasst werden, als Ver-
hältniss des Individuums, des Einzelnen, zum Allgemeinen —
als Volk, Staat, Geschichte und Menschheit," . . .). 7. („Ich möchte
eigentlich Spinoza als jenes Wundergeschöpf [Salamander] dar-
stellen, das aus den Scheiterhaufen des Mittelalters als eine
Neubildung, als eine Creatur incommensurabler Art hervorge-
gangen ist. .") 9. 12. 14. 16. 63. 69. 74 f. 125. 189 („..Das
Wort Spinozas, das ja überhaupt der Grundstein im Neubau
des Lebens ist, ich meine sein Wort, dass Niemand mehr nach
seinem Religionsbekenntnisse erkannt wird und die Handlungen
der Menschen nicht mehr aus demselben fliessen, das ringt jetzt
nach fester gesetzlicher Gestaltung"). 227. 230 (Strauss und
Spinoza). 262. 273 f. (Aufruf zum Spinoza-Denkmal. — „Spinoza
338
und Shakespeare scheinen, so oft man sie erkennt, nicht ein
einzelner Alensch gewesen zu sein, sondern die Incarnirung
eines Collectivgeistes, . . Ich kann nicht sagen, wie mir zu
Muthe ist, so hinausgehoben über Alles, und es ist und bleibt
mein schönstes Lebensglück, dass ich etwas thun konnte zur
Ausbreitung Spinozas". .) 274 (27. Febr. 1876: „Ich war gestern
Abend in der Singakademie bei der Vorlesung des Hauptmanns
Jahns über die Geschichte der allgemeinen Wehrpflicht. Es
war viel Militär da, auch der Kaiser und die Kaiserin. Mir
war besonders anmuthend, dass zweimal Spinoza erwähnt
wurde und die betreffende Stelle aus dem tractatus politicus",
vgl. S. 273). 292. 301 (Spinozafeier in Leipzig) 311 f. 352 f.
357 f. („Mag Kant die Erkenntnisstheorie tiefer ausgegründet,
weiter ausgebildet haben, die ganze neue Weltverfassung, so-
weit sie Friede und Harmonie gibt, ist und bleibt die Offen-
barung Spinozas.^') 359 ff. 366. (Ein Spinozamythus.) 367. 369 f.
372 f. 377. 432. 437. 443. 445. Das ganze Leben Auerbachs
ist ein Denken und Handeln sub specie Spinozae.
Vgl. Jul. Schmidt, Gesch. d. Ltr. 19. J. III S. 334:
Pollock, Spinoza p. 373. („one of those who have in our
own time. done most to make Spin.s work better known
and understood.) 379. 454. XXX ^. Ausser Auerb. waren
Mitgl. des Komitees von 1876: Die HH. Prof. Bergmann, K.
Fischer, Helmholtz, Lazarus, v. Prantl, Schaarschmidt, Sigwart,
V. S^'bel und Zeller. An Zahl der Mitglieder steht Deutschland
hinter Holland und England und unmittelbai' vor Frankreich.
Am 14. Sept. 1880 wurde das Denkmal mit einer Rede Renans
enthüllt. Aus dem Ueberschusse des gesammelten Geldes wurde
bekanntlich die Vloten-Land'sche Ausgabe bestritten, woran
u. a. durch Mitteilungen zur Textkritik auch H. Prof. Sigwart
mitgewirkt hat.
Zur Geschichte des Denkmals vgl. B. Auerbach, Briefe
an s. Fr. J. Auerb. II S. 273. 359 f. 432. Ueber die Spinoza-
feier zu Leipzig berichtet Auerbach (a. a. O. S. 301 f. 23. Febr.
1877): ,,Ich bin also vorgestern Mittag um 2 Uhr . . von hier
abgereist. Um 5^/4 war ich in Leipzig, wo mich die Studenten-
deputation am Bahnhof empfing, . . . um 8 Uhr wurde ich
wieder abgeholt und fuhr nach der Centralhalle, wo in dem
Kaisersaal die Festlichkeit stattfinden sollte. Ich traf hier sofort
viele gute Bekannte : Professor Marbach, Professor Biedermann,
den Privatdocenten Dr. Avenarius und natürlich auch den Fest-
redner Professor Max Heinze. Heinze hielt einen vortrefflichen
Vortrag, sachlich und klar, ohne rhetorischen Aufputz, aber
namentlich da, wo er das Verhältniss von Kirche und Staat
384
betonte und nachwies, wie Spinoza das bereits für die heutigen
Kämpfe vorgezeichnet, von grosser Eindringlichkeit. Es waren
wohl ein paar hundert Studenten da, und man setzte sich zu
Tische, wo ich bei dem Präsidenten Professor Heinze sass. Nun
hielt Dr. Avenarius eine längere wohlgesetzte Rede, in der er
die Schwierigkeiten, Spinoza populär eindringlich zu machen,
bosonders betonte und zuletzt auf mich und mein Wirken mit
grosser Liebenswürdigkeit hinwies. Der Jubel war gross, und ich
antwortete sofort." Auerbach betonte kurz den Einfluss Spinozas
besonders auf die deutschen Dichter und schloss: „Ich habe
hier Euch vor mir, die Ihr nach uns die Welt der Wahrheit
und der Schönheit aufbauen und fortbauen sollt, zunächst im
Vaterlande. Ihr habt nun das, wonach wir Alten so lange
und schmerzlich gerungen und gehofft. Es ist eine Verdrossen-
heit, eine pessimistische Lässigkeit über die Welt gekommen,
die die Jugend vor Allem vergiften und lähmen kann. Es gilt
aber, zu wirken für das Einzelne im Bewusstsein des Ganzen,
zu wirken für die Zeit im Bewusstsein der Ewigkeit. Und das
hat Spinoza ausgedrückt in jenen Urworten : omnia sub specie
aeterni. Ich bringe mein Hoch der Jugend, der studirenden
Jugend, die da wirkt für die Zeit, für das Vaterland, für die
Menschheit, in der Gegenwart sub specie aeterni!" Der Jubel
war gross. . Wahrhaft ergreifend war es, als ein junger
brauner Hindu, der in Leipzig studirt, mit grossem vielseitigem
Wissen die Grundeinheit von Spinoza und Buddha darlegte.**
§ 86.
Vgl. Fechner, Zend-Avesta II S. 15; Gottschall III S. 47.
§ 87.
Jul. Schmidt II S. 419. 422. 429; Gottschall III S, 36.
53. 66. 69.
§ 89.
Dilthey, Schleiermachers Leben in Briefen I S. 128. 2JJ.
III 232, vgl. I 328. 288 Anm. 83 f. 102. 291. 2<^)8. 300 !>•
„Reden'* 6. Aufl. S. 47. 138 f. „Gesch. d. Philos.'* 1839 (hn^^:
v. Kitter) S. 283- -311. Vorn S. 8. ,, Grundlinien einer Kritik der
bishüfigcn Sittenlehre** 1803 (2. Ausg. 1834).
des. d. Phil. S. 275. 278. („Es ist unbegreiflich, wie m.r
bei der nahen Verwandtschaft zwischen Malebr. und Spin.
836
jenen für fromm und diesen Rir einen Atheisten halten kann/')
293. (Im Gegensatz zu Leibniz erscheint Spin, siegreich.) 295.
(Kant ein Spinozist.) 294. („Auch hier erscheint mir Spin, sieg-
reich, oder vielmehr der Kantianismus scheint mir, wenn er
sich selbst versteht, auf Spin. 's Seite zu sein*'.) 309.
S. W. (1835, Jonas) III 3 S. 15. 19 fg. 19. (Bericht über
die Preisarbeiten vom J. 1815: Einfluss des Cartes. auf Spin.)
„Grundlinien"^ (1834) S. 30. 33. („Und dies ist das Ende
der Untersuchung, dass unter allen, welche den Gedanken ge-
fasst haben, die Ethik aus einer höheren Wissenschaft her zu
begründen, es nur denen bis izt vielleicht gelungen ist, welche
objectiv philosophirt haben, d. h. von dem Unendlichen als
dem einzigen nothwendigen Gegenstande ausgegangen sind.")
S. 104. 190. (Vgl. 274. 295.) 193 („Ja selbst Spin, scheint einen
Fall anzunehmen), in welchem es natürlich wäre, das Leben
zu enden.") 195. (Vgl. 234. 211. 311.)
Vgl. Schlüter S. 46^ ). 38 ^). Michelet S. 92 ; Ztsch. f. Phil,
u. spec. Theologie. 1840. Bd. 6 (Weisse) S. 287. „Schis
Gottesbegriff hat namentlich darin allerdings eine gewisse Ver-
wandtschaft zum Spinozischen, dass in ihm die Bestimmungen
der Endlichkeit nur aufgehoben, aber nicht zugleich wieder-
hergestellt sind ..."
Dict. philos. V 534 sv. 536. „Par cette doctrine de Tin-
dividualite ,Schl. s'eloigne entierement de Spin, et se rapproche
de Leibn. ."; Jul. Schmidt, Ltr. i. 19. Jhrdt. I S. 417. „In
Schi, ist doctrinär ausgesprochen, was Goethe in seiner Poesie
praktisch durchführte." 458; Strauss» Glbsl. I S. 70 („Nicht
jedermann besitzt den Apparat und die Ausdauer, womit Schi.
Christenthum und Spinozismus zum Behuf der Mischung so
fein pulverisirte, dass ein scharfes Auge dazu gehört, die ver-
mischten Bestandteile zu unterscheiden"); „Charakteristiken"
(1839) S. 13. 25 („In den „Monol." und „Reden" ist Schi,
sowohl Spinozist als Fichteaner"). 167 ff. („Alle Hauptsätze
des ersten Theiles der Schl.schen Glbsl. werden dann erst recht
verständlich, wenn man sie in die Formeln Spin.s zurück über-
setzt, aus welchen sie ursprgl. geflossen sind." 205 („Schi, ist
der Kant der protest. Theologie"); Dorner „Christologie" ^ S.
1192—1197 (vgl. P. Schmidt S. 106). Gesch. d. prot. Theo-
logie (Münch. 1867) S. 777. 795; Schmidt, Sp. u. Schleierm.
S. 55 fg. 58 fg. 61. 95. 110 fg. 115. 193. 196. (Es „ergiebt sich
die thatsächliche Verwandtschaft des Schl.schen Systems mit
dem des Spin, als eine sehr lockere.") Bouillier, Hist. de la
phil. cartes. T. I (Paris 1868) p. 425; Pfleiderer, Rlgsph. S. 291 f.
293. 306. 313 f. („Universum, das Unendliche, der Weltgeist
836
und Gott als gleichbedeutend gebraucht.") 315. 319; Haym,
D. Romant. Schule S. 244. 410 ff. 424 f. 426; Stöckl, Gesch.
d. n. Phil. II S. 193. 197.
Delbrück „Melanchthon" (1826) S. 79 ff. 85. (Spin s Gott
ist ein Ding, welches weder Verstand noch Willen hat. .) 91.
(,,Der ganze Mensch ist in beschränktem Umfange, was Gott
in unermesslichem.") 101. 109. 121. 127. 128. („Lasset sie nur
gewähren jene Thyrsusschwinger, den spinozischen Erkennt-
nissbaum zu hegen und zu pflegen ! Welche Goldfrüchte wird
er den Nachkommen bringen, als da sind: mathematische
Seelenlehren, physikalische Sittenlehren, saducärische Glaubens-
lehren, sultanische Staatslehren! Dreimal selig und viermal
die Zeit, wo keine andere Münze gelten wird, als die den
Stempel des Gesegneten des Herrn, des hg. Benedictus Spinoza
trägt!") „Erörterungen einiger Hauptstücke in Dr. Fr. Schl.s
Christi. Glbsl." (Bonn 1827) S. V. VII. („Schi. Reden . . von
ihrer ersten Erscheinung an nicht wenig beygetragen haben,
dem reissenden Hange unserer Tage zur All - Einheitslehre
jene Schwungkraft mitzuteilen, welche er noch hat, und allem
Ansehen nach lange noch behalten wird.") IX.
G. Weissenborn, „Vorlesungen über Schl.s Dialektik und
Dogmatik" (1847) S. XXVII. („Die allgewaltige Methode, durch
die ihm [Sp.] das Zurückführen der Gegensätze in ihre ursprüngl.,
absolute Einheit gelingt, spricht der berühmt gewordene Satz
aus: Omnis determ. est negatio.") LXIX; Oettingen in „Dorpater
Zeitschr.*- 1865. S. 287 Anm. 1 („So wird mit dem spinozisti-
schen Feuer gespielt und man ahnt nicht, wie direct man der
materialistischen Gottlosigkeit in die Hände arbeitet, welche in
dem Einssein von Vernunft und Natur ihr Schibboleth findet*' :
Pünjer III S. 178. Der handschriftliche Aufsatz Schl.s „Spinozis-
mus" (vgl. Dilthey, Denkmale S. 64) ist, wie Herr Pro:.
Dilthey mir mitzuteilen die Güte hatte, von ihm bereits in
allem Wesentlichen benutzt.
§ 90.
Romang in d. Ztsch. f. Phil. XII S. 127. 130. „Wirklich
aber kommt unsere Auffassung der Werthschätzung und der
Güter Ziemlichermassen auf Spinozistische Sätze zurück. Da-
suum esse consenare wird auch in unserer Sittenlehre eir.
bedeutende Geltung behaupten. . Man erbose sich nicht z^
voreilig über diese Wendung. Spin, wusste immer noch ein-v
grossen Unterschied zu machen zwischen dem: ex ductu ration -
suum esse conservare, und den auf vernunftlosen Einfällen bc-
337
ruhenden Zweckbegriffen." S. 176. 185. 188. 189; Ebda. 1841
Bd. VII („Beiträge zur Lehre von der Freiheit") S. 209: Jn
diesem Sinne nun würde der ganze Lebensprozess der Seele
zu begreifen sein in der Weise, welche noch immer wohl am
richtigsten angedeutet ist in Spin.s Buch von den Affekten."
Lieber Rothe vgl. Oettingen (Dorp. Ztsch. 1865. S. 287);
Pneiderer, Rlgsph. S. 612 f.
Helfferich, „Sp. u. L." S. 23. 109 (vgl. Orelli S. 39 1).
H. Ritter, „Welchen Einfluss hat die Philos. des Cartes
auf die Ausbildung der des Sp. gehabt. . .?" (Lpzg.-Altenbg.
1817); Gesch. d. PhUos. XI (Hambg. 1852) S. 170. 284. („Die
Denkweise Spin.s setzt sich aus zwei Paaren entgegengesetzter
Richtungen zusammen, welche einander durchkreuzen, gegen-
seitig die Wage halten und es ermöglichen, dass ein schein-
barer Friede über das Ganze seiner Lehre sich verbreitet.")
286. 288. 289; Gesch. d. christl. Philos. S. 261. 275. „Wenn
man über Spin.s beengende Formen hinaus zu dringen weiss,
so sieht man unter ihrer dogmat. Haltung einen bodenlosen
Zweifel verborgen." 853.
Fleck 1. c. S. 60. „Spin, hat der Theologie der Neueren in
formaler und in materialer Beziehung Förderniss gebracht. .
Im Praktischen hielt er sich entschieden zu der christl. Lehre. .
S. 66. Gott liebt sich selbst, und diese Liebe kann nicht ohne
Bevvusstsein gedacht werden." 70. a) Sp. „vernichtet den
Schöpfungsbegrifif aus Freiheit, b) Gott als Urgeist kommt im
Spinozismus nicht zu seinem Rechte, c) Eine eiserne, dunkele,
blinde Nothwendigkeit ist nach Sp. die Ursache der Welt.
d) Es fehlt an der lebendigen Copula zwischen den Attributen
und zwischen dem Unendlichen in der Substanz und den
endlichen Dingen, e) Dem fast rohen, jedenfalls steifen und
ungelenken Realismus des spinozistischen Systems ist selbst
der platonische Idealismus als würdigere Anschauungsweise
vorzuziehen, f) Der modus des Ausdehnungsattributes wird
öfters bevorzugt. . g) Das reine Denken mit dem realen Er-
kennen verwechselt. . h) Die starre Nothwendigkeit lässt keine
organische Entwickelung zu. . i) Die praktische Vernunft mit
ihren sittlich-religiösen Bedürfnissen kommt nicht zu ihrem Recht!*
Herrmann 1. c. S. 36. „Sp., der geistreichste Jude nach
Christus . . ein frommer Bramin und gelehrter Messias . .
Alles soll den Märtyrertod für die Gottheit sterben, um allein
fortzuleben in ihr"
Dass seine Philos. sich „mit der reinsten Frömmigkeit des
Christen vertrage . ., hat die neueste Theologie an glänzenden
22
'^
338
Beispielen dargethan** (38) ,Er hat die wichtigsten kirchlichen
Dogmen mit freisinniger Kühnheit vor den Richterstuhl des,
den heiligsten Tiefen des Menschengeistes entstiegenen, gött-
lichen Lichtes der X'ernunft gestellt, und für die Umbildung
jener Dogmen, nach den Gesetzen einer auf die höchste Ver-
nunft gegründeten Weltanschauung, vor deren Grossartigkeit
selbst die Heroen der neuesten Theologie und Philosophie sich
beugten, den Grund gelegt; und zwar den Grund, auf welchem
. . jeder, der nur die kirchlichen Dogmen mit den Forderungen
der, mit Riesenschritten weitergelangten, Wissenschaft in Ein-
klang setzen will, in der Regel fortbauen musste und fort-
gebaut hat:* 3^>. „Spin, gab dem blinden Glauben an den
Buchstaben der hl. Schrift einen höheren Richter an dem Geiste
oder wahrhaften Worte Gottes im menschl. Gemüthe.** 41 ff. —
Voigtländer, „Spin, nicht Pantheist, sond. Theist:* . . in Theol.
Stud. u. Kritik.*^ hS41, Jhrgg. XIV, Bd. 2 S. ö53 ff. dV
„Sp. dieser dogmatische Theist" (vgl, 665). „Wer den Theis-
mus, der bekanntlich eine erste Ursache und einen ersten Ur-
sprung aller Dinge . . . annimmt, ohne Tadel findet, kann
doch unmöglich den Pantheisten beigezählt werden" 660.
Diestel ,,Gesch. d. A. T. in d. christl. Kirche*" «Jena iv^*^'-
S. Xu ff. Sp. „bringt beinahe alle Instanzen für die nicht
mosaische Abfassung des Pentat. bei, wie schon Paulus be-
merkte. . Deutiich erkennt man in der missrathenen Chrono-
logie die doppelten Quellen in der Geschichte Jacobs und Josefs,
die neuerdings llgen und Hupfeld erst wieder deutlicher aut-
gezeigt haben.*" S. So'^^"^'. „Die Bedeutung Spinozas liegt . .
darin, dass er die biblische Literatur als ein nationales und
natürliches Erzeugniss auffasst. Damit war das bisher geltende
Dilemma gebrochen, nach welchem das A. T. entweder pure
Offenbarung oder ein Werk von „Betrügern" sei."* ,i^>J fg. o^'-.
„Seine Anschauungen fanden . . nur so weit Eingang, als >:e
ohnehin mit den Principien der Socinianer und der Praxis der
Arminianer übereinstimmten." S. 327. „Diese starke Hervor-
hebung des individuellen Momentes in der Prophetie seitens de-
kühnen Denkers . . fand in der folijenden Pariode um ^'
leichter Eingang"". . S. v>22. ,Groüus und Spin, leugneten d:t
Inspiration der histor. Bücher und wollten sie nur tur die pr-
phetischen gelten lassen."* [Vgl. in dem Inventar der Bibliothek
Spins: Grotius ^Defens. fidei cathol. . .** • lolT» und ,.De in:-
perio summarum pot. . ." i 164S .] S. 352: .»Auch die Idee
einer Literargesch. des A. T. war bereits . . v<xi Spin, i v r
R. Simon » nicht nur angedeutet, sondern auch in dnem kurze*:
Grundrisse ausi^erLlhrt worden*'. 511. 0.>-i.
339
Siegfried, „Spin, als Kritiker und Ausleger des A. T" (Progi*.
Schulpforta), Naumburg 1867, S 12: Spin, als Nachfolger La
Pevreres (vgl. La Peyrere, „Praeadamita*^ (1653) u. „Comm.
in 'Daniel (1602) in Spin.'s Bibliothek) und Hobbes' (vgl.
Hobbes, „Elem. phil." 1462 ebda). S. 31.^ („Die neuere Kritik
nicht wesentlich weiter") 47^. 51 Anm. 2. Vgl, Haevernick,
„Allg. Einleitung in d. A. T.' (1854) S. 12; Bleek-Wellhausen,
Einl. ins A. T.^ S. 606.
Karl Schwarz, „Zur Gesch. d. neuesten Theologie" (Lpzg.
1856) 303. „Der Pantheismus hat nur seine Wahrheit und
sein Recht an dem Gegensatze eines äusserlichen und abstracten
Theismus, wie er von der vulgären Theologie aufgestellt wird.**
Vgl 18fg. 64. 89. 106. 157. 215. 218. 310.
Gass, „Gesch. d. protest. Dogmatik" Bd. IV, „Schleierm.
u. seine Zeit" (Bert. 1807) (vgl. P. Schmidts. 109); „Gesch. d.
Christi Ethik" 11^ (1887) S. 52 ff. „Der Tr. theol. pol. gleicht
meines Erachtend dem kühnen Entwurf eines Judenchristen-
thums, das nur weniger und durchaus praktischer Glaubens-
vorstellungen bedarf" 56. „Spin, hat es gewagt, einer Ethik,
welcher er selbst die Lebensadern unterbunden hatte, dennoch
diesen Namen zu leihen, warum. ^ weil er in seiner Gottesliebe
einen Akt höchster Hingebung feiern wollte, in welchem sich
Freiheit und Nothwendigkeit begegnen. Und mit diesem Auf-
schwung hängt es wohl auch zusammen, dass das wissen-
schaftliche Nachleben dieses ausserordentlichen Menschen grösser
war als sein eigenes Lebent*
§ 91.
Vgl. Hinrichs in „Jhrb. für wissenschaftl. Kritik" (Berlin
1835) S. 284. 286; Jäsche I S. 44. III S. XXII. 2; Schlüter
102 (sieht in Seh. „den ergrauten und vom Grossvater-Stuhl
aus kindisch -phantastische Märchen erzählenden Spinoza").
Drobisch, Grundl. der Rlgsphil. (Lpzg. 1840) S. 230 ff.; Jodl
II 89. 161. 141 f.; Gottschall* I 297; Stöckl II 100. 107;
Caspari, Lotze 56 f.; Hoppe, „Die Philos. Sch.s u. ihr Vhtn. zum
Christenthum" 1875 S. 17; Schelling, „Philos. Journal von d.
Jahren 1797 u. 1798" S. 456; „Aus Schellings Leben" (1869)
Bd. I S. 25. 55. 59. 255. 197.
Von Paulus, dem Herausgeber Spinozas, der wie Schelling
dem Pfarrhause zu Leonberg entstammte, sagt dieser 1810:
„Ich habe viel böse Menschen kennen gelernt und viel böses
von andern erfahren, aber einen solchen wie Paulus, und so
viel als von ihm, keinen und von niemand" (s. auch Orelli
IX: Paulus gegen d. Neu-Schellingianism.).
22*
340
lieber Schellings Vhlt. zu Goethe s. Aus Schellings Leben
I. S. 5. 9. 326. 733 (über Goethes „Faust"). 451 („Nachruf"
28. März 1832). Goethe (Ausg. 1840 S. 68 fg.) Annalen
von 1798.: „Schellings Weltseele beschäftigte unser höchstes
Geistesvermögen. Wir sahen sie nun in der ewigen
Metamorphose der Aussenwelt abermals verkörpert. (1799.
S. 72) Schelling theilte die Einleitung zu einem Ent-
wurf der Natur -Philosophie freundlich mit; er besprach
gern mancherlei Physikalisches, ich verfasste einen allgemeinen
Schematismus über Natur und Kunst. (1801. S. 79.) Zu Seh.
und Schlegel blieb ein thätiges mittheilendes Verhältniss."
Helmholtz, „Ueber das Vhtn. der Naturwissenschaft zur
Gesamtheit der Wissenschaft" (Popul.-wiss. Vortr. 1860,
Heft I, S. 9): „Wir dürfen wohl nicht leugnen, dass seit dem
Auftreten Hegels und Schellings die Aufmerksamkeit der Forscher
in den verschiedenen Zweigen der Geisteswissenschaften leb-
hafter und dauernder auf ihren geistigen Inhalt und Zweck
gerichtet gewesen ist, als es in den vorausgehenden Jahr-
hunderten vielleicht der Fall war, und die grosse Arbeit jener
Philosophie ist deshalb nicht ganz vergebens gewesen."
§ 92.
Vgl. Jul. Schmidt, „Litr, i. XIX. Jhrdt." II S. 78. 291 fe.:
Haym, Rom. Schule S. 623 fg.
§ 93.
Rixner, Gesch. d. Phil. III S. 59 f. 80. „Vergleicht man
Spin, mit Fichte und Schelling, seinen Geistesverwandten au-
unserer Zeit, so erscheint Sp.s Lehrgebäude als philosophisches
Epos im Anschauen des Absoluten , . als objectiv, realistiscl:
und plastisch, dagegen Fichte rein subjectiv, folgl. idealistisch,
lyrisch und musikalisch, Schelling als die höhere Einheit dc>
Spinozischen Realismus und Fichteschen Idealismus wahrha:":
dramatisch d. h, lebendig fortschreitend." (Von Rixner besiL-::
die Kgl, Bibl. in Bresl. eine Hdsch. ^\"ersuch einer neuen Dar-
stellung der uralten indischen AU-Einslehre.")
Windischmann (Prof. der Medizin und Philosophie zu Bonr. .
^Krit, Betrachtungen über die Schicksale der Philosophie in dtr
neueren Zeit" vFrkf, a. M. ISJÖ) S. 24. 104. ,Für Sp. . w..:
der strenge Abschluss in eine das ganze Moment der Su'r-
jectivitiit in sich aufhebende, einfache und jeden Unterschit:-
verneir.ence Substanz das Wesentliche, worauf ihm alle^» iiT-
341
kam." 106. „Spin.s Lehre ist ein recht evidentes Zeugnis von
der stolzen, spröden Härte und Arroganz des Vernunftgesetzes
der absoluten Identität, weiches noch nicht vom Geist der Liebe
und Erbarmung aufgeschlossen ist und wahren Inhalt, die Idee
des lebendigen, dreieinigen, liebreichen Gottes durch den Glauben
in sich aufgenommen hat.*' 109. 110^
Ueber Carus u. Eschenmayer s. Rixner III S. 412; Gum-
posch S. 350; Eschenm., „Rlgsph." (Tüb. 1818) Tl. I S. 24.
Als „entschiedene Nichtspinozisten" aus Schell.s Schule nennt
Schlüter S. 106: „Windischmann, Eschenmeier, Steffens, Ast,
Troxler, Stahl, Bockshammer, Goerres, Molitor, Schubert, Baader^*
§ 95.
Baader S. W. (1851 hrsg. von Fr. Hoffmann) Bd. II. Einl.
S. XXIII ff. XXVII. XLIII. Anm. XLVII. LXXI. Bd. I S. 393.
II S. 179. 399; Fermenta cognit. I 43. II 23. III 26. IV
43. V 63. VI S. XIII. 39; Philos. Schriften u. Aufs. I 6, 50,
150. II S. VII. 175. 406; Vorlesungen über spec. Dogmatik I 25.
II 35. IV 11, 42, 47. V 16. 34.39; Kleine Schriften (2. Ausg.)
S. 161. 198. 203. 209. 271. 605; Ueber den Begriff des . .
Geistes S. 8. 10. 14. 30. 37.
Vgl. Pfleiderer, Rlgsph. S. 358. 367. 369.
Der von Baader (Ges. Sehr. II Vorr. S. VII) bekämpfte
Gruppe findet („Antäus" Berl. 1831. S. 154) Spin, „liebens-
würdig. . . Er macht sich die Sache eigentlich leicht und man
könnte sagen, er bediene sich Gottes selbst als eines übel-
berüchtigten Deus ex machina, der den von dem Philosophen
geschürzten Knoten, wo dieser nicht weiter kann, lösen muss,
doch, fällt mir ein, welcher Philosoph hat es denn viel anders
gemacht?" Vgl. S. 149. 155. 161. 184. „Bevor diese Einheit**
(der Substanz Sp.s) „in ihrer wahren Genesis, in ihrem Process,
in ihrer Vermittelung, in den Stadien und Elementen ihres
eigenen Fortgangs und Lebens hat erkannt und begriffen werden
können: bis dahin haben erst die einzelnen Elemente einseitig
ihre Ausbildung und ihr Recht erfahren müssen!*
§ 96.
Vgl. Fr. Hoffmann, „Fr. Baader i. Vltn. zu Spint' 1851.
§ 97.
Vgl. Jodl II 96 f.; Pfleiderer S. 375 f 381.
342
§ 98.
Trendelenburg, „Spinoza's Grundgedanke" . . S. 12. 46. 52.
§ 99.
J. H. Fichte, „Fragen" . . S, 116 fg.; Helfferich S. 102;
Schaarschmidt, „Entwicklungsgang** S. 206. 214; Stöckl II S.
132; Pfleiderer S. 404. 421. 431.
§ 100.
Erdmann, Gesch. d. n. PhUos. I 2 (1836) S. 47— 9S;
Verm. Aufsätze (1848) S. 118—192, s. bes. 187; Grundriss d.
Gesch. d. PhU. (1866) Bd. II S. 47—76. Kuno Fischer, Gesch.
d. n. 'Phüos. 3. Aufl. (1880) h S. 91. 103. 171. 265. 532 f.
537. (Spin, „unter allen Philosophen . . . der einzige, der den
Zweck vollkommen verwirft^') 538. 540. 555.
Pfleiderer 1. c. S. 40 f. 45, „Spin, zerstört dem Menschen
die Idole seiner eingebildeten egoistischen Selbstherrlichkeit, . .
aber er zeigt ihm in der Erkenntnis der ewigen göttlichen
Ordnung der Welt den Weg zur wahren Freiheit, die in ihrer
Einheit mit dem vernünftigen Gesetz des Ganzen zugleich die
eigene Vernunft des Menschen zu der ihr zukommenden Herr-
schaft und Würde erhebt . . (S. 46) Der Grundgedanke der
unverbrüchlichen Gesetzmässigkeit der Welt ist das feststehende
Fundament alles ferneren Philosophirens und der ganzen modernen
Weltanschauung geworden^* . . 50 (vgl. 232). 55. 58. 62. Es
„stellt Spin, den herrlichen und tieffrommen Satz auf: „Die
Seligkeit ist nicht der Lohn der Tugend" u. s. w. Dem Adel
und der Reinheit seiner religiösen Gesinnung wird man un-
bedingte Achtung zollen müssen . . . Dieser Schluss der Ethik
ist eine echt christliche Ideet* 66 f
Göschel, „Von den Beweisen für die Unsterblichkeit der
menschl. Seele". . (Berl. 1835) S. 143. 159 ff. 162. „So ffihrt
Spin, selbst zur persönl. Fortdauer, während ihm selbst die
Fortdauer mit allen Vorstellungen und Erinnerungen immer
wieder in der unendl. Substanz verschwimmt." 170. 178. 237.
Görres, „Aphorismen über die Kunst" (1804) S. 25.
B. Bauer, „Die Judenfrage" (1843) S. 9f
Ueber Richter vgl. Göschel in Jhrb. f. wiss. Kritik 1S34
Nro. 1 ff.; Lücke in „Stud. u. Krit." 1840 Tl. 1.
Jos. Hillebrand, „Der Organismus der philos. Idee" (1842 >,
vgl. Fichtes Ztsch. f. Philos. Bd. XI S. 309. „Die deutsche
Nationalliteratur" Bd. I (1850) S. 319. 155; vgl. Gumposch
S. 457.
343
Vatke, „die menschl. Freiheit in ihrem Vltn. zur Sünde". .
(1841), vgl. Pfleiderer a. a. 0.
Ueber Daub vgl. Strauss, „Charakt. u. Krit." (1839) S. 179.
Vgl. Strauss, „Zwei friedliche Blätter" (Altena. 1839) S.
XXVI. „D. alte u. neue Glaube" " (Bonn 1881) S. XI. 129. 181 ff.;
Glbsl. II 382 f. 508; Ztschr. für Philosophie Bd. VIII (1841)
S. 109 (Weisse); Orelli 71. 79 ^ Schwarz, G. d. n. Theologie
216. 218; Pfleiderer S. 457; Ed. Zeller, Ausgew. Briefe von
D. Fr. Strauss 1895 S. 2. 179. 344. 416.
Vgl. über Feuerbach Pfleiderer S. 451.
Const. Rössler (s. über ihn Ueberw. IIP S. 425), „De
philosophandi ratione Fr. H. Jacobi" (Habil. Jena 1848) p. 7 sq.,
Thes. Errant, qui Spinozae doctrinam, ad Ingenium christianum
pertinere negant. Thes. VIII. Gart., Spin., Leibn., una trias
cum principali protestantismi indole cohaerent. .
§ 101.
Vgl. Ztsch. f. Philos. Bd. VIII (1841) S. 114. „Unter den
kecken Paradoxien der Schrift („D. eur. Triarcht*) verdient einer
Erwähnung diese, dass sie den Spinozismus ganz eigentlich
zur Slaatsreligion erhoben zu sehen verlangt, oder vielmehr
die Zuversicht ausspricht, ihn über kurz oder lang . . wirklich
dazu erhoben zu sehen. (115) Ist einmal das Geheimniss ver-
lautet, dass das pantheistische Glaubensbekenntniss den Philo-
sophen macht, so ist die Anzahl derer sicher keine geringe,
die sich dies nicht zweimal sagen lassen" (dazu gehört auch
J. Fr. Reiff, „D. Anfang der Philosophie" Stuttg. 1841.). Vgl.
„Der christlich ergänzte Spinozismus . t' Würzburg 1858; Peter
Relav, Jes. Christus und B. von Spinoza. Berlin 1893.
„Ueber die Geschichtsphilosophie 'Hegel's u. der Hegelianer
bis auf Marx und Hartmann" handelt Paul Barth (Leipzig 1890).
Er zeigt, wie das von Hegel (aus spinozistischen Geistesfäden)
gesponnene Gedankennetz noch heute vielfach das juristische
(S. 28. 122), historische und philosophische Denken umgarnt
hält. Gans, Lassalle, Marx (z. Tl. vgl. S. 40), Friedr. Engels;
Ed. V. Hartmann; Vischer u. a. finden (S. 1) einen „bleibenden
Werth der Hegel'schen Leistung in seiner Ethik, Religionsphilo-
sophie, Aesthetik und Geschichtsphilosophie.*
li
§ 103.
J. H. Fichte. „Ueber Wendepunkte'' . . III S. 389. „Fragen
und Bedenken über d. n. Fortentwicklung der deutschen Specu-
344
lation*^ (Lpzg. 1876) S. 5. 25. 97. 124; „System der Ethik"
(1850) I S. 232; Z. f. PhUos. 1841 Bd. 7 S. 245. Vgl.
Pfleiderer S. 618 f.
Sengler, „lieber d. Wesen und die Bedeutung der spek.
Philos. und Theologie" AUg. Einl. (Mainz 1834) S. 16. 111t
115 f. 118. 141.
Ebd. Specielle Einl. (Heidelbg. 1837) S. 138. 165. 268.
Vgl. Erdmann in Berl. Jhrb. f. w. Kr. 1835 S. 392; Orelü
S. 45.
C. Ph. Fischer, „D. Idee der Gottheit" (Stuttg. 1839) S.
X. XVI. XVIII. 5 f. 11. 15 f. „Versuch einer \viss. Begründung
der Idee der Unsterblichkeit" (Z. f. Philos. 1841 Bd. VII) S. 72.
Vgl. Schwarz, Gesch. d. n. Theologie 311; Orelli 115.
Hanne, „D. Idee der absoluten Persönlichkeit" (1862) Bd.
II S. 10. 30. 32. 37. 46. 53. 56. 274. 304. 310.
E. A. V. Schaden „Ueber den Ggstz. des theistischen und
pantheistischen Standpunktes" (Ein Sendschreiben an H. Dr.
Ludw. Feuerbach. Erlangen 1848) S. 11 („Daumers Urgrund
unterscheidet sich wenig von 'der Substanz Spinozas und der
xi^T^vYj xai ü7:o5oyyi too övto(;, wie sie Plato lehrt. . Alle drei
setzen eine primitive, in chaot. Einheit bestehende Ursache un-
endlicher Attribute voraus, von welchen Spinoza leider nur
zwei . . anzugeben und zu charakterisiren weiss. 146. Sp.s
Pantheismus ist eigentlich ein Dualismus.")
Conrad Hermann, „Gesch. d. Philos. in pragmat. Behand-
lung (Lpzg. 1867) S. 273. 277. „Der Spinozisrr.us bildet an
und für sich nach den in ihm liegenden Consequenzen ein
neues geistiges Prinzip in der Geschichte neben dem Christen-
thum, derselbe war der Kern oder der Ausgangspunkt einer
der Christi. Lehre wesentlich entgegengesetzten Bewegungsreihe
des philosophischen Denkens. . . Der auf die Spitze getriebene
Theismus im Sinne Spin.s war kaum mehr von seinem Gegen-
theile, dem Atheismus, zu unterscheiden. . . Alle dem Christen-
thum feindlichen Richtungen der neuen Zeit haben an und für
sich im Spinozismus ihren Ausgangspunkt und ihre Wurzel . .
Der Spinozismus schien in der That eine Art von Wiederher-
stellung der allgem. Weltanschauung des Heidenthums in sich
zu enthalten. . . Alle wahre Wissenschaft strebt in der That,
die Welt als dasjenige aufzufassen und zu begreifen, als was
sie vom Spinozismus hingestellt wird, als eine nothwendig zu-
sammenhängende Einheit von Erscheinungen, von Ursacher.
und Wirkungen. . . Ueberhaupt aber wird der Inhalt diese*-
Lebens jetzt in mehrfacher Beziehung ein reicherer als zuvor.
. . Das Wirkliche aus ihm selbst zu begreifen war allmählig
345
immer mehr der herrschende Standpunkt in der Wissenschaft
geworden. . . 278. Der Spinozismus ist i. AUg. nichts Anderes
als der einfache geistige Grundgedanke der ganzen Naturwissen-
schaft. . Das Wirkliche einmal in diesem Lichte angesehen
aber, so konnte alle weitere Aufgabe der Wissenschaft nur in
einer genaueren Durchiührung dieses Gedankens . . bestehen."
Ulrici, „Gott und die Natur"» (Lpzg. 1875) S. XI. XIII;
,, Gesch. u. Krit. d. Principien d. n. Philos.** (Lpzg. 1845) S.
42 f. (Sp.s „reiner Idealismus") 44. 48 ff. („Sp.s Ruhm und
Grösse ist . . die tiefe, erschöpfende Anschauung, die er von dem
eben so wichtigen als schwierigen und reichhaltigen Begriffe
der Substanz hatte. .**) 55 f. 66. („Die immanente Consequenz
seiner Prämissen löst mithin Sp.s Idealismus in den reinen
Spiritualismus auf. . . In Wahrheit ist alles Ausgedehnte,
^laterielle, die ganze Körpenvelt, eben so nur eine Vorstellung
des denkenden Verstandes . . in Wahrheit giebt es . . nur \''or-
stellendes und Vorgestelltes . . (10) Geist und Körper eins . .,
nur unter den verschiedenen Attributen des Denkens und der
Ausdehnung betrachtet."
§ 104.
Sasset 1. c. I p. CCI\'. „Un Dieu sans conscience et sans
personnalite est-il un dieu parfait, un Dieu adorable, le vrai
Dieu?" „Dict. philos!* VI (1852) p. 729 sv. 762. Vgl. Orelli 387.
Später wird Spin, an den meisten Univereitäten in regel-
mässigem Kursus .Gegenstand philosophischer Uebungen, vgl.
Jena 1876/7: Eucken „Einführung in das Studium Sp'st*
Basel: Siebeck; Zürich: Windelband u. s. w.
Bruder 1. c. p. III. IV. XII.
H. Chr. Wilh. Sigwart, „Gesch. d. Philos." (1844) S. V
würdigt Sp. „auch als klaren und besonnenen, mit unbefangener
Menschenkenntniss ausgerüsteten Lehrer des Staats-Rechts und
der Politikt* S. 251 ff. 290. (Dem Spinozismus „fehlt die
Entwickelung"); „Die Rechts- und Staats-Theorien des B. Sp.
u. des Th. Hobbes" (Tüb. 1842) „Der Spinozismus, bist. u.
philos. erläutert" (Tüb. 1839); „Ueber den Zusammenhang
der Spin, mit der Gart. Philt* (Tüb. 1816): „Das Problem der
Freiheit", vgl. Klüpfel, Gesch. d. Univ. Tübingen**; Gumposch.
487; P. Schmidt 113 fg.
§ 105.
„Allgem. Metaphysik** (1828) Tl. I S. 138. 141 f. 150 ff.
155 f. 159f. 161. 168 f. (§57.58) 171. 177: Herb. (S. W. ed.
Hartenst. Lpzg. 1852. XII. S. 7 ff.), „Spin, und Schelling,** eine
346
Skizze (1796) S. 205 f. 554 (Rez. von Jäsches „G. d. Pantht').
564. 566. 571. 575. S. W. hrsg. von Kehrbach 1888) Bd. III
S. 251 ff. „Ueber die Unangreifbarkeit der Schellingschen
Lehre« (1813) 256. (S. W. hrsg. v. Hartenstein Bd. III Tl. 1.
Lpzg. 1851) „Schriften zur Metaphysik" S. 158 ff. 163. 1641
165. 168. 173ff. 178. 181 ff. 188. 211. 225 f. 241. 263.278. 280 f.
287. 317. 325 f. 342. 355 f. 368 f- 380. 397. 429. Bd. I S. 412.
194'. 236. Bd. IX „Gespr. über das Böse" (1817) S. 52. 54.
61. 70. „Zur Lehre von der Freiheit des mensch. Willens" ^
1836 (s. Vorrede von Hartenstein S. IX.) Bd. X S. 243. 253. ^
255. 310 f. 313 (an Romang: „Sp. passt nicht zu Ihnen u.
zu mir, stünde er allein, wir würden ihn gemieden. Allein
wir treffen ihn in guter Gesellschaft'*)-
S. Romang „Ueber Willensfreiheit und Determinismus"
(1835) S. 72; dagegen: Herbart in „Gott. Gel. Anzi* (1836)
St. 7. S. 361 ff.
Herb, beruft sich auf Stäudlin, „Gesch. d. Moralphilo-
sophie" (1822) S. 772: »dass Spin, alle sittlichen Ideen des
Menschen verwirrt, verkehrt, verdreht und verfälscht; und zwar
auf eine Art, welche dem innersten moralischen Bewusstsein
widerspricht und es empört," und auf Henrici, der bei Spin,
„determinirten Antimoralismus" findet, und ihn mit dem Kal-
likles in Piatons Gorgias vergleicht.
Vgl. Orelli 76'; Dühring, kr. Gesch. S. 444; Volkelt S. 9.
32; Ritter, „Chr. Philos." S. 852; Salinger, ,,Spin.s Lehre Von
der Selbsterhaltung" (1881 Berl.) S. 42^ „Mit Herbart berührt
sich Sp. in der Zurückführuhg aller psych. Phaenomene auf
Vorstellungen:* (Vgl. These VI.)
§ 106.
Hartenstein, „Hist.-philos. Abhandlungen" (Lpzg. 1870)
Vorn S. XL 217. 239 f.
Jäsche I S. 47. 99; II Vorr. S. XXXVII. XLVIII. (Sp.mus =
Kosmotheismus) 181.
K. Thomas, „Sp. als Metaphysiker" (Kgsbg 1840) S. 2.
10. 14. 67, („Es kann nur angenommen werden, Sp. habe dergl.
Sätze nur hingestellt, um einen zu harten Kontrast mit den
Lieblingsansichten der damaligen Zeit zu vermeiden, und der
Verfolgungssucht nicht zu viele Blossen zu geben. Oder, es
müsste angenommen werden, sein Geist sei in diesen Sätzen
also befangen gewesen, dass er trotz entschiedener Polemik
gegen dieselben, sich nicht von ihnen losreissen konnte". .)
163; „De relatione quae inter Spinozae substantiam et attributa
intercedit" (Regiom. 1839); „Spinozae systema philos. delineatum"
347
(Regiom. 1835); , »Spinozas Individualismus und Pantheismus*'
(Kgsbg. 1848) „Herbart' Spinoza-Kant" (1875, posthum.).
Vgl. Orelli Vorr. S. VII. 36. 385; Volkeit S. 8; J. E. Erd-
mann, „Aufsätze** S. 119; Danzel (-Guhrauer), Lessing S. 347 ^
Job. Volkelt, „Pantheismus und Individualismus im Systeme
Spinozas** (Lpzg 1872) S. 3. 11.
Drobisch, „Grundlehren der Rlgsphilos." (Lpzg 1840) S.
230 ff. 232. „Herbart hat geleistet/ was Leibn. unterliess, er
hat das Dasein seiner realen Welt bewiesen, speculativ be-
gründet.** 237. 240. 249; Drs., „Empir. Psychologie** S. 240.
Chr. A. Thilo in Ztsch. f. ex. Philos. Bd. VI 113—145,
389—409; VII S. 60-97; vgl. P. Schmidt S. 33 fg.
Zimmermann, „Ueber einige log. Fehler*'. . S. 452 f. „Die
Methode . . ist gerade dieselbe, w. jeden logischen Kopf, also
jeden guten am meisten befriedigt u. auch diejenigen zu fesseln
vermag, denen Speculation u. Traum sonst gleichbedeutende
Dinge sind.*' (Vgl. Jul. Schmidt, Ltr. 19. J. I S. 300; Schlüter
S. 6.) 454. 457. 463.
§ 107.
Vgl. Trend., „Histor. Beitr.** 2. Bd. (Berl. 1855) S. 31 —
111; 3. Bd. (Berl. 1867) S. 277—398; „Log. Unters.** II S. go.
Vgl. P. Schmidt S. 33.
§ 108.
Pollock p. 373. eh. XII „Sp. and modern thought** ; Martineau,
„A study of Spinoza** (London 1883) p. 311 über „Ethic.** I
app.: „This surrender of all things to unlimited Nature —
powers, unguided by Ideas, is at once a reproduction of Lucretius
and an anticipation of Häckel . . Like Schopenh. and Hartm., he
included Ideas among the Nature - powers, and might therefore,
like these philosophers, have retained a teleology of „the
Unconscious**, had be not established an impassable gulf bet-
ween the physical and the ideal functions of nature: but this
compelled him to ignore a System of relations which constitue
the very key of, interpretation to the organic world.**
Falckenberg S. 465. ,,Wundt und neuerdings Häckel greifen
beide zu der spinozistischen Parallelität der materiellen und der
geistigen Existenz zurück, nur dass dieser bloss das Nicht-
ohneeinander beider Seiten (des Zellkörpers und der Zellseele)
bei realer Differenz und metaphys. Uebergewicht der körperl,
Seite, jener aber die wesentliche Einheit von Leib und Seele
und die höhere Realität der geistigen Seite betont'.'
348
Jul. Schmidt „Ltr. i. XIX Jhrdt". III 7. 439; Strauss „Alt.
u. n. Glaube" (S. 211): Materialism. u. Idealism., deren Kampf
Str. „im Stillen immer für einen Wortstreit angesehen", haben
„als Monismus ihren gemeinsamen Gegner . . in dem Dualismus
der durch die ganze christliche Zeit herrschenden Weltansicht,
die den Menschen in Leib und Seele spaltet, sein Dasein in
Zeit und Ewigkeit scheidet, der geschaffenen und vergänglichen
Welt einen ewigen Gott-Schöpfer gegenüberstellt". Pfleiderer
S. 618; G. Brandes, „Die Litteratur des 19ten Jhrdts." (deutsch
1887) Bd. 2 S. 14; K. Lasswitz, Gesch. d. Atomistik Bd. 11
(1890) S. 435. 439. 482. L. verweist auf Schaller, „Gesch.
d. Naturphilos." I S. 326 fif, Heussler, „Gesch. d. Rationalismt'
S. 66 fif. und Koenig, „Kausalproblem" S. 66 fif.; Schieiden,
„Schellings und Heg.s Vltn. zur Naturwissenschaft" (1844):
Danzel, ,, Goethes Spin mus" S. 54. 86.
Ueber Spin s Verhlt. zum Materialismus vgl. Brucker, bist,
crit. ph. IV 2 p. 707; Trendelenburg, Grundgedanke S. 9; Linde,
die Lehre Spin.s S. 15; Secretan in Revue philos. 1882 („La
Principe de la Morale") p. 29 sv; Nolen, „Le monisme en
Allemagne" (Rev. ph. 1882 p. 54 sv.); Eucken, „Gesch. u.
Kritik der Grundbegriffe" (1878) S. 102. Spinozas ,, Gedanke,
Körper und Geist innerhalb des Weltbegriffes wesentlich zu
verbinden, ist dem allgemeinen Gehalte nach so nothwendig
und überzeugend, dass darüber das Verfehlte der Durchführung
oft übersehen wurde. . . Wenn sich dagegen in Wirklichkeit
jenem absoluten Sein die Körperwelt unterschiebt, so ist damit
freilich ein concreter Inhalt gewonnen und eine Stellung auf
dem Boden neuer Wissenschaft gesichert, aber das Geistige ist
seinem spec Wesen nach aufgeopfert, und die gesammte Philo-
sophie des Spin, wird Naturalismus, ja Materialismus auf dem
Boden eines Mysticismus". .
Vgl. Jan et in Rev. d. deux mondes 1867 p. 470 sv. 47^'.
493 gegen Nourisson, Sp. et le naturalisme contemporain p.
486 SV. („car toutes elles concluent ä n'admettre d'autre realite
que la nature, c'est-ä-dire d'autre realite que l'univers du corps.'*»
(v. Vlotens, „Ben. de Spin." ist Moleschott, dem bekannten
Stimmführer des Mater., gewidmet.)
Ad. Bastian, Schöpfung oder Entstehung, Jena 1875. S.
X. XII. XIII. XVIII. XXV. 17/18. 24. 48^. 133. 202. 204/5.
284 f. 296. 299. v304.
Berendt u. Friedländer, Spinozas Erkenntnisslehre. Berlin
1891, bes. S. X. XI. 58. 73^ 139. 156. 220.
Vgl. Virchow, „Mechan. Erklärung des Lebens'' (Karlsr.
1858); „Ueber die Atome und Individuen" (Berl. 1859); „Das
349
Leben des Blutes" (dsgl.); „Archiv für Anatomie u. Physiol."
Bd. VII, Buch I S. 3. Darwin, „The Descent of Man" (deutsch
I S. 55): „Die Frage, ob ein Schöpfer und Regierer der Welt
existire, ist von den grössten Geistern, welche je gelebt haben,
bejahend entschieden worden". Vgl. „Entstehung der Arten"
(Schluss).
Ueber Bismarck s. Busch a. a. O.: „Ferner hatte er sich
in der Zwischenzeit zwischen seinen Studienjahren und dem
Beginne dieser Umkehr mit Spin, bekannt gemacht, u. wenn
wir auch nicht wissen, wie weit er sich dessen Weltanschauung
damals angeeignet hat, so dürfen wir doch vermuten, dasssie
auf ihn gewirkt hat u. Mitursache des Weltschmerzes gewesen
ist, der ihn in diesen Tagen ergriff u. noch lange nachher seine
Denkart färbte." Vgl. M. Bewer, „Bei Bismarck"^ (Dresd.
1889). Vgl. ferner: Spinoza als das Ideal des Weisen bei Paul
Lanzky, Abendröte, Berlin 1887, so u. a. 29. 79. 86. 134. 136.
178. 213. 244. 256. 289.
§ 109.
Vgl. Jellinek, „Die Weltanschauungen Leibnizens und
Schop.s" (1872) S. 24; Frauenstädt, „Arth. Schop." (1873) Vorr.
S. XCIX, I S. CXLV. (G. E. Schulze in Göttingen rät Schop. vor
Bewältigung Kants und Plato keinen andern, namentlich nicht
Aristot. und Spin, anzusehen.) CLV (1813 schreibt Schop.
er wolle ein Werk schreiben, „das Ethik und Metaphysik in
Einem sein soll, da man sie bisher trennte so hässlich, als
den Menschen in Seele und Körper"). CXCIV. 12.
Vgl. Herbart (S. W. Hartenst. 1852) S. 387; P. Schmidt
S. 27 fg; Dühring „Kr. Gesch." S. 457; Stöckl II S. 223;
Pfleiderer 554; Linde, Bibliogr. 357.
§ HO.
Hartm., „Ges. Studien u. Aufs." (Berl. 1876) S. 467. 490
„Die Descendenztheorie ist im Grunde genommen weiter
nichts als die Anwendung und Durchführung der Idee der
„Entwickelung" für das Gebiet der organ. Natur, jener Idee,
welche von Lessing und Herder bis zu Hegel für die Entfaltung
des deutschen Geisteslebens bestimmend geworden ist und in
immer steigendem Masse für unser Verständniss der Welt be-
deutungsvoll werden wird." 549. 569. „Die Grösse Schop.s
liegt nicht in seinem System, sondern in der Genialität seiner
Aper9us. 574. 581; „Das Judenthum in Gegenwart und Zu-
350
kunft" (Lpzg. u. Berl. 1885, S. 162); „Neukant, Schop. u.
Hegelianism." S. 142.
Herr Dr. Ed. v. Hartmann war so freundlich, den Vf.
brieflich über sein Verhältnis zu Spinoza zu unterrichten, wofür
ihm in dieser Stelle bestens gedankt sei. Er schreibt am
14. 9. 94: „Spinozas Lehre hatte ich zunächst aus Lehrbüchern
der Gesch. d. Phil, kennen gelernt. Diese Darstellungen haben
keinen besonderen Eindruck auf mich gemacht, auch nicht
diejenige Kuno Fischers. Als ich an die Lektüre der Werke
Spinozas ging, hatte ich bereits Hegel, Schopenhauer, Schelling
und vieles andere gelesen, so dass die Metaphysik Spinozas
mir wenig neue Anregungen bot. Seine Moralphilosophie und
Religionsphilosophie ist mir immer als dürftig und tief unter
seiner Metaphysik stehend erschienen. (Vgl. „Das Judenthum**
2 Aufl. S. 170; „Das sittliche Bewusstsein" 2. Aufl. alphab.
Register unter Spinoza; „Phil d. Unbewussten" 10. Aufl. Bd. I
S. V, 320, Bd. II S. 457 — 458 und viele andere Stellen meiner
Werke. . . Eine zusammenfassende Darstellung meiner Ansichten
über Spinoza habe ich niedergelegt in meiner noch ungedruckten
„Gesch. der Metaphysik", und einen Vergleich mit Schelling in
der ebenfalls ungedruckten Schrift „Schellings philosophisches
System "
Vgl. „Revue chretienne" (Paris 1872) „La nouveaute ifieta-
physique" p. 696: „Le pessimisme absolu s'imposait aussi
logiquement ä Spinosa qu'ä M. d'Hartm., son admirateur, et
pourtant le melancolique Spin, n'est pas pessimiste." Knauer,
Anti-Hartmann (1873) S. 3: ^Hat denn nicht das Unbewus^te
eigentlich schon den Kern aller grossen Philosophien gebildet,
Spin. 's Substanz, Fichtes objectives Ich, Schell.s abs. Subj.-
Obj., Piatos und Hegels absol. Idee, Schopenh.s Wille?" Haym,
„Die H.sche Philos. des Ünbew." in „Preuss. Jhrb." 1873 Heft
1 — 3; Strauss (Alt. u. n. Gl. S. 217): Die Erklärungen, die
E. V. H. von der Zweckmässigkeit in der Natur giebt, gleichen
denen des alten Reimarus auf ein Haar." Rev. philos. 18SJ.
p. 146. SV. 154. „II professe resolument avec Leibn. ranalogie
universelle et avec Spin, l'unite de la substance " 155 „LX'n-
Tout de H., ainsi que la substance de Spin., c'est la nature,
teile qu'elle se manifeste ä nous comme natura naturans*' . .:
Brasch, „Spin., Herr v. Hartm. und der Antisemitismus** ür.
„AUg. Zeitung des Judenthums" Jhrgg. 54. Berl. 1890. S. 56^>.-:
Pfleiderer 566 f. („Das Unbew. ist der Deckmantel für der
klaffenden Widerspruch zwischen ihrer panth. und ihrer theist
Neigung!*).
Venetianer, „Der Allgeist" (Berl. 1874) S. 13. 181.
351
§ 111.
Vgl. Lange, „Gesch. d. Materialismus" a. v. O. bes. S. 250.
406; Oettingen in „Dorp. Zeitsch. f. Theolt* (1865) S. 279 ff.
„Spin.s Ethik und der moderne Materialismust' 281. 283. ,,Ich
möchte die principielle Identität von Materialismus und Pan-
theismus nicht etwa deshalb betont wissen, um jenen vor un-
gerechter Verurtheilung zu schützen oder diesem die relati\'e
Anerkennung zu entziehen. . . . Nein — ich wünsche nur das
Meinige dazu beizutragen, dass man zu der Erkenntniss komme,
wie der Pantheismus nur die vornehme, hier und da auch
religiös oder poetisch oder geistvoll erscheinende Maske des
Materialismus ist. Factisch sehen sie sich gleich wie ein Ei
dem andern, wenn auch das eine bunt gefärbt, das andere
schmutzig und naturfarben ist . . . sie ahnen nichts von dem
dreieinigen Gottet* 285. 287 f. (Schleierm. „blasphemisch**) 316.
,,Der Materialismus ist daher ein viel weniger gefährlicher Feind,
als der scheinheilige Pantheismus . . . Gott schütze uns vor
unsern falschen Freunden! Der offene freche Feind aber wird
sich selbst zerschmettern t* . . Vergleiche Liebner, „Christologie'*
S. 72^ u. 54 („Sp. der immerwährende Versucher des german.
Geistes")» Eucken, „Gesch. u. Krit. d. Grundbegriffe" (1878)
80: ,, Wissenschaftlich erreicht diese immanente Richtung ihren
classischen Ausdruck in Spinoza, welchem Mann vor allen
andern jene intellectuelle Charakterstärke eigen war, die Gedanken,
von deren Wahrheit er sich überzeugt hatte, ihrem reinen Ge-
halte nach ohne Vermengung und Abschwächung darzustellen
und damit das Geheimniss aller zu enthüllen. . . Was er aber
verkündete, griff darum so gewaltig ein, weil es zugleich un-
mittelbar einleuchtend erschien und doch nach der gesch. Lage
ganz neue Bahnen eröffnete" 87. 93. „Dieselbe (Lehre) ent-
hält eine Wahrheit, welche ihrem allgemeinen Inhalt nach vor
allem Streit und Zweifel anzuerkennen ist: nur was sich als
wirkend bezeugt, darf als seiend anerkannt werden, und die
Erklärung hat die Aufgabe, alles, was Gegenstand der Erfah-
rung ist, auf solche wirkend bezeugte Kräfte zurückzuführen'*
104. „Darin dass Spin.s Lehre bei ihrer Einseitigkeit einen
bestimmt ausgeprägten Inhalt hatte, lag es zum gi*ossen Theil
begründet, dass sie weit mehr einwirkte und den Gedanken
des Monismus kräftiger zu vertreten schien" (als Leibniz)
Die Schule Leib.s machte aus seinem Monismus
einen so geistlosen Dualismus, dass dem gegenüber freiere
und tiefer dringende Geister den gleichsam wiederentdeckten,
darum aber wie neu auftretenden und einer idealistischen Um-
852
deutung zugänglichen Sp.mus als eine Erlösung begrüssen
konnten. 105. 106. Für den neuen Monismus sind bestimmend
Gruppen und Zusammenhänge von philosophisch unbearbeiteten
Erscheinungen, die einzeln meist schon fmher bekannt und
benutzt, nun durch eine Art von darwinistischer Weltansicht
zur Verknüpfung und damit zu einer Gesammtwirkung ge-
kommen sind." 107. 108. „Auf dem Gebiete der Naturwiss.
sind die Verdienste des Monism. unverkennbar." Es bildet
„die spin.sche Theorie, losgelöst von den speculativen Grund-
gedanken Spin.s, den philosophischen Gehalt des heutigen
Monismus, so dass derselbe von allen den Bedenken und Ein-
wendungen, welchen jene ausgesetzt ist, mitbetroffen wird."
120. 122. 161. „Erst bei Sp. findet sich das Mechanische in
einem graden Gegensatz zum Uebernatürlichen. (Eth, I app.)
Da bei ihm ferner die mechanische Erklärung, wenn auch nicht
dem Namen, so doch der Sache nach auf das geistige Gebiet
übertragen wird, so kann man sagen, dass hier zuerst jene
Richtung eine absolute und universelle Bedeutung bekommt."
162. „Ueberall gewann die Analogie der mechanischen Natur-
erklärung um so leichtern Eingang, als diese selbst aus einem
allgem. Drange der neuen Wissenschaft hervorgegangen war
und daher überall das Feld schon vorbereitet fand." 240; vgl.
Hegel W. VIII S. 193; Fichte W. VII S. 14. II 135. „„Die
sittl. Welt ist nicht die beste, sondern sie ist die einzig mög-
liche und durchaus nothwendige Welt, d. h. die schlechthin
gute.'*" Diese Richtung findet ihre Hauptvertreter in Spin und
den deutschen constructiven Philosophen, vor allen darf Hegel
als ihr Höhepunkt betrachtet werden."
Joh. V. Müller, „Physiologie des Menschen" (Bd. II, Coblenz
1840, S. 543 — 548): „Lehrsätze von Spinoza über die Statik
der Gemüthsbewegungen!* Vgl. Ueberweg-Heinze IIP S. 110
Anm.
Auch Max Müllers Monismus in der Behandlung der Re-
ligionsgeschichte (s. „Ursprung der Religion", 7te Vorlesung
S. 376 f.) steht dem Spinozismus nicht fern.
§ 112.
Vgl. Stöckl II 309 („Was ist nun klarer und einfacher die
Spinozistische oder Fechner'sche Construction?").
§ 113.
Vgl. Phil. Monatshefte" 1881 S. 598; Zeitschr. f. ex. Phil.
Bd. XV 1887 S. 212.
353
§ 114.
Vgl. Pfleiderer 617 f. 624 f.; Falckenberg S. 4v'^4.
.§ 115.
Schleichers Satz stellt Häckel (Gen. Morph. I S. 105. NatürL
Schöpfungsgesch. Vorrede zur 2. Aufl. 1870 S. XXVII) an
die Spitze seiner Weltanschauung. Mehr in den Vordergrund
tritt Spinoza in dem Glaubensbekenntnis, welches des Jubilars
bekannte Rede ,, Monismus" (bes. S. 33) ausspricht. Dieselbe
Verehrung für den grossen Lehrer des Monismus gibt sich auch
in einem Briefe kund, mit welchem Herr Prof. Häckel am
22. 9. 94 den Vf. beehrte. Hier heisstes: „Mit Spinoza wurde
ich vor 40 Jahren (Sommer 1854) durch die classischen Vor-
lesungen über Physiologie meines Lehrers Johannes Müller in
Berlin bekannt (Vergl. dessen Lehrbuch d. Physiol. Abschn.
vom Seelenleben). Seitdem ist mir der Pantheismus von
Spinoza immer als eine der reinsten Formen des Monismus
erschienen: um so bewunderungswürdiger als dem gi'ossen
Denker die empirische Basis der modernen naturwissenschaft-
lichen Weltanschauung grösstentheils mangelte. (Vergl. meinen
„Monismus als Band zwischen Religion u. Wissenschaft** (Bonn)
1893, p. 33. 40 etc.). Ich habe in der Generell. Morphol. (1866)
und Natürl. Schöpfungsgeschichte mehrfach darauf Bezug ge-
nommen". . . .
Vgl. E. V. Hartmann, ,,Ges. Stud. u. Aufs.** (1876) S.
467 f. ,, Häckel will Spiritualism. und Materialism. durch einen
Monism. versöhnen und gewinnt als Princip der letzteren
ein vom göttl. Geiste durchdrungenes All d. h. eine einheitl.
metaphysische Substanz.** Vgl. 574.
§ 116.
Geiger, „Ursprung und Entwickelung d. menschl. Sprache
und Vernunft" (Stuttg. 1868) I S. 6. 21. 26. 33. 37. 58 (d.
Denker vhlt. sich zum Sprechen, wie im Ganzen Muskelbe-
wegung zum Willen). 64. 69. („Klarheit des Bewusstseins, die
den Leiden ihre phantastische Gewalt entzieht, verleiht dem
Geiste eine Ruhe und Herrschaft, vor welcher der Stoff selbst
sich zu beugen scheint") 74 fg. („Das Denken Vorstellung ge-
schehener Bewegung"). 87. „Was für einander geschaffen
scheint, ist aus einander oder gemeinsam aus einem Dritten
mit einander hervorgegangen." 88. „Im Hintergrunde alles Da-
seins . . sein unentwickelter Keim, . . ! jenes unzertrennliche
28
354
Zwiefache, das All und Eine der Bewegung und Empfindung.**
*^y\. [(K) (,,Nicht Fortschritt, sondern Entwickelung").
S IIH.
\gl. Nolen in Rev. philos. 1882 p. 162 sv.; Günther (bei
Pünjer 111 S. IjS): Moleschott, „Der Kreislauf des Lebens**'^
(I Mainz 1877. II 1SN7) I S. 116, vgl. II S. 2 u. II S. 156,
:)SJ; Bolin, Ludw. Feuerbach (Stuttg. 1891) S. 259.
W'undt, ^'orlesgn. über die Menschen- und Thierseele,
Lp::g. KS(V) l S. 17. „Der Gedanke entzieht sich unserer
sinnlichen Wahrnehmung: wir können das Wort hören, das
Dm ausspricht, wir können den Menschen sehen, der ihn ge-
bikiet hat, wir können das Gehirn zergliedern, das ihn ge-
J.acht hat, aber das Wort, der Mensch, das Gehirn sind nicht
der (icdanke. , . . Wohl, sagt der Materialismus, das ist nicht
vier Gedanke, aber es bildet ihn. Wie die Leber Galle, wie
vier Muskel bewegende Kraft hervorbrin2:t, so wird aus Blut
U!\i i»ehirn. aus Wärme und elektrischer Flüssigkeit das Denken
er/eiict. — Aber es ist zwischen beiden Fällen doch ein nicht
i^erir.g an/.uschlagenvier l'nterschied: wir können nachweisen.
\\u" ir. der Leber durch chemische Processe, die man zum
l"":e:] Schritt li:r Schritt zu verfolgen vermag, die Galle gc-
?:lsie: wird, wir kr^r.r.er. ebenso zeigen, wie die Bewegung ir.i
Mi>kc' vii:roh bes:::r:"^.:e elektische X'orcin^re, die wieder ur.-
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Vgl. Lange, Gesch. d. Material, (s. alph. Reg.) bes. S. 314;
Phil. Mtsh. (1876) Bd. XII S. 1. ?,. 2:5. 2ö. 27; Johnson, H.
Czolbe (1S73); Oettingen a. a. O. S. 289.
Cz.s op. posth.: „Raum und Zeit als die Eine Substanz
der zahllosen Attribute der Welt, oder ein räumliches Abbild
von den Principien der Dinge im Gegensatz zu Herbart's
Philosophie des Unräumlichen. . . . Empiristische Umbildung
des Spinozismus und Rückkehr zur Philosophie der Griechen.
Gleichzeitige Darstellung der naturalistischen Weltauffassung
Friedr. Ueberwegs."
§ 120.
\'gl. Dilthev, „Zum Andenken Fr. Ueb.s** in „Preuss. Jhrb.'*
Bd. 28 S. 12. '88fg.: Ueb., „Schiller als Historiker** (185^) ver-
lasst) Lpzg. 1884 S. XllP. XXXIV. XLIII. Zu Ueb., Grdr.
lil"* S. 57 („d. theolog. Grundcharakter'* . . Sp.s) vgl. Sommer
i. Ztsch. f. Philos. Bd. 74 S. 6; Dilthev in „Philos. Mtsh.**
XI S. 127: Paulsen in „Vi'tljsch f. wiss. Philos.'* l 1877 S.
164: Ueberw. l. c.^.
S 121.
Vgl. Weise, ,,Ueber das erste Buch der Ethik des Spinoza**
S. r> (,,Die folg. Abhdlg. wird in der Weise Ueberw. s. . das
ganze erste Buch dqr Ethik behandeln**); Baumann, „D. Lehren
von Raum, Zeit u. Mathem. in d. neueren Philos.** (Berlin 1868)
.S. lv")7f. 159. 163. 167 ff. 171. („Für Spinoza verwandelt sich
Jas Vorstellen ohne Ort, Zeit und Zahl in ein Vorstellen von
etwas Ort-, Zeit- und Zahllosem, d. h. von etwas Unendlichem
. )der von etwas unter einer Art des Unendlichen. Dieser aller-
^röbste Missgriff ist die treibende Kraft seiner Gedankenbildung.**)
1 76. 179. 187. 195. (,,Die Mathematik wird meist herbeigezogen,
um etwas zu erhärten, mit dem sie nicht in der entferntesten
Beziehung steht.**) 205. („Bis in die Lehre, warum wir wahre,
warum wir auch falsche Gedanken haben, zieht sich, als er-
zeugend die Gedanken Spin.s, ein räumliches Bild.**) 209. 213.
J20. (,,Der Zweck wurde ausgeschlossen durch die mathemat.
W'ahrheitsnorm, und dieser gemäss die Essenz selbst als die
\^ollkommenheit hingestellt; die Schwierigkeiten, welche sich
gegen diese Auffassung erhoben, sollten mit logischen Fehl-
schlüssen weggeschafft werden.") 225. 230. („Erst wenn man
das sittliche Leben will, ist der Apparat von Mitteln bei Spin,
•/on nutzen; als solcher aber ist er nicht neu und sogai' nur
23*
366
individuell zu brauchen. . sie sind also vorwiegend für contem-
plative Naturen anwendbar und drücken so mehr Sp/s Indivi-
dualität als eine allgem. Form der Ethik aus.") 234f. („Die
religiösen Seiten in Sp. haben viele Berührungspunkte mit der
alttestam. Empfindung von Gott als dem wesentl. und vor
Allem allmächtigen und mit allen prädestinationischen Systemen
der Theologie."
Dühring, („Krit. Gesch. d. Philos." (Berl. 1869) S. 296. 302.
304. („Der (}rundirrtum von Sp.'s Ethik liegt . . in der unhalt-
baren Hypothese, dass der blosse Verstand an sich selbst
moralischen Stofif enthalte und zu einer völligen Befreiung von
allen als missliebig erachteten Gemüthserregungen führen könne.")
307. 309. 312. („Es bleibt nur ein Theil der Lehre von den
Affecten übrig, auf welche die weitere Philosophie fortbauen
kann. . . Sp. ist nur nach den zu Grunde liegenden Gesinnungs-
antrieben zu messen" (313) „Aus diesem Gesichtspunkt wird
ein Sp. jederzeit der schärfsten Kritik standhalten."
Drs., „Die Judenfrage" (1881) S. 48ff. 52. 53 (Zu Sp.s
Säkularfeier 1877: „Spinoza cultiviren — das wollen diese
Leutchen heute sich als Freisinn angerechnet sehen").
Eucken, „Gesch. u. Kr. d. Grdbegr." S. 8. „Bei Sp. fällt
Tendenz und Ausführung klaffend auseinander. . Die geistige
Welt Sp.'s ist nichts anderes als die in*s Bewusstsein gebrachte
materielle. ." S. 13. 20. 20 ^
Jodl, „Gesch. d. Ethik" I 333. „So schliesst sich das
System Sp.s in sich selbst zusammen: auch als ethisches,
nicht nur als metaphysisches, eine der grossartigsten Leistungen
aller Zeiten; gleich ausgezeichnet durch die schöpferische Ori-
ginalität, wie durch die umfassende Weite seiner Gedanken
. . . Das Sittliche in seinem Sinne ist Göttliches und Mensch-
liches, Egoismus und Selbstverleugnung, Vernunft und Affect,
Freiheit und Nothwendigkeit zugleich, seine Ethik ist entschie-
den die umfassendste, vielseitigste Lösung des ethischen Pro-
blems, zu welcher es die vorkant. Philosophie überhaupt ge-
bracht hatl* S. 436 f. 328; I. S. 334. 322. 325 fr.
Rieh. Mayr, „Die philos. Geschichtsauffassung der Neu-
zeit" L Abt. (Wien 1877) S. 167. 169. 177. 180. „Spin, erklärt
die Gesch. aus der Naturgeschichte." 181. 233.
Schaarschmidt, „Entwicklungsgg." S. 65. 67 f. 69. 71.
(„Der Gedanke einer reinen durch keine fremde Voraussetzung
getrübten Vernunftwissenschaft wird immer das anziehendste
Ideal menschlicher Geistesthätigkeit bleiben : Sp. schien zu dessen
Erreichung den geraden Weg zu zeigen") 113. 181.;
367
Drs. „Descartes u. Spin." S. 193 fg. 195. Sp. hat „den
übhpt. höchsten Standpunkt bezeichnet, welchen die Wissen-
schaft der reinen Idee und demgemäss die Wissenschaft des
Sittlichen einzunehmen hat."
Feuerlein, „Die phil. Sittenlehre in ihren gesch. Haupt-
formen" (Tl. II 1859) S. 259. „Sp. keineswegs der erste und
einzige Jude, der auf wissenschaftl. Gebiete den kosmopolit.
Beruf seines Volkes ausübte" 278; II XI („Sp. stellt die un-
gebrochene, in sich gesammelte Kraft der ihrer selbst bewusst
gewordenen, sich in sich selbst erfassenden Menschheit vor
Augen**); Opitz, „Sp. als Monist** . . (Philos. Mtsh. Bd. XII.
1876 S. 195 ff. 201 f. 204.
Windelband, „D. Gesch. d. n. Philosl* I (Berl. 1878) 193.
196. 201. 222 („Sein System ist vielleicht die imposanteste
Begriffsdichtung, welche je eines Menschen Hirn entsprang**).
4v34; Pünjer, Gesch. d. ehr. Rlgsph. Bd. I (1880) S. 302. 322.
Falckenberg, „Gesch. d. n. Phil** (Lpzg. 1886) S. 85. („Er
ist ein Weiterdenker, aber ein genialer, ein Zu-ende-denkert*)
86 fg.
Was VOR Dissertationen u. s. w. ausser den bei v. d.
Linde, Bibliogr., Pollock p. XXXV u. s., Ueberweg - Heinze
III '^ und sonst in dieser Schrift aufgeführten zu nennen ist,
findet sich in der Beilage.
Spinozas wissenschaftlichen Charakter trifft eine tadelnde
Kritik bei Linde, die Lehre Spin.s (1862) S. XXVII. „Spinoza
untergrub die Religion seines Landes. XXIX. Es fehlte Sp. der
volle Muth des Philosophen für eine Ueberzeugung einzustehen**.
L. wendet sich entschieden gegen einen „exaltirten Spinoza-
kultus** (S. VII. IX. XVIII. XIX. XXVI fg.). Dasselbe gilt von
Lehmans, „Spinoza** (1864) und von Joel, „Sp.s theol. pol.
Tractat** S. 79; Grätz, Gesch. d. Juden Bd. X (1868) S. 180f.
Ueber die Beziehungen Sp.s — zu Maimuni vgl. bes. von
Neueren: Rooijen, L*inventaire p. 133. 204 (Kaufmann), von
Früheren: Wächter, D. Sp. i. Judenth. Anm. 46 S. 61. 63. 68 fg.;
Franck, „Moise explique par Spin.** („Phil. etRel.** Par. 1869);
Pollock S. 93; Trendelenburg. Beitr. III S. 395; Joel, D.
Theol.-pol. Tr. S. VII. 9. 17 fg. 22.
— zu Bruno vgl.: Brunhofer, G. Bruno S. XIX; Jäsche, Gesch.
des Panth. II S. XIV; Jacobi „Ueber d. Lehre des Sp." ^ (1789)
2. Beilage S. XI.
— zu den Eleaten: Kuhn, Jacobi 110; Rixner III S. 79; Kraus,
Nachg. Sehr. VI S. 403; Erdmann, Aufsätze S. 141. 188; S.
Maimon in d. Anm. zu Bartholdvs Uebersetzung des Bacon-
schen N. Organum (1793) S. 184. 188.
358
— zu der Stoa: Fichte, Rlgsph. Sehr. S. 304 fg.; Schaar-
schmidt, Entwickelungsgang S. 69; Volkelt, Panth. u. Indiv.
S. 86; Stein, Leibn. u. Spin. 51-.
— zu Plato: V. Stein, Gesch. d. Platonism. (vgl. Phil. Mtsh.
XII S. 470); bei Francke S. 92 anon: „Hist.-krit. Uebersicht
d. Lehren . . von d. Unsterblichk. d. Seele" (Leipz. 1796) S.
56 — 63; Schaarschmidt, ,,Entwicklgsgg.'' S. 164.
--- zu Descartes: Schmidts Uebersetzung der Ethik mitWolffs
Widerlegung (1744): $5 677. 679; Jacobi, David Hume (17.S7)
S. 79. 81 ; Herder, „Gott*^ S. 124.; Cousin, „Cours d. Phil:'
p. 360; Stein, Leibn. u. Spin S. 32. 95. 115^): Kuhn, Jacobi
S. 87; Jäsche II S. 222; Zeller, Gesch. d. d. Philos. S. 91:
Bouillier eh. XV— XIX; Pollock p. 112. 118; Orelli 2(y,
Oischinger I S. Iv34f.; Schaarschmidt S. 64ff. ; Thomas, Sp.'s
Metaphysik S. 30; Baumann S. 167. 171 ; Hahn, Die Ethik Spin.s
S. 3; Ritter, Gesch. d. Phil. XI S. 175; G. d. ehr. Phil. 274:
Schwegler, Umriss (1848) S. 105; J. Müller, Der Begriff der
sittlichen Un Vollkommenheit bei Desc. u. Spin. Diss. 18MJ:
E. O. Lindner, De relatione quae inter Spin. cog. met. et Car-
tesii doctr intercedit. Diss. Bresl. 1844; T. Hartmann, Die
Lehre des Cartesius de passionibus animae und des Spinoza
de affect. hum. dargestellt u. verglichen. 1878 Progr.
— zu Hobbes: Saintes, bist, de la vie . . . p. 193 fg.; Pollock
p. 338.
— zu der Scholastik: C. Sarchi, ,,Tr. theol.-pol. di B. de
Spin!* (1875) p. XXIII.
— zu Christus: v. Dalberg an Herder (Herders Reise nach
Italien, 1859 S. XXX); Peter Relav, Jesus Christus u. Benedictus
Spinoza im Zwiegespräch. Berlin 1893 S. 6: „man (wird) in
den Tempeln nicht das Wort Christi predigen, man wird i::
ihnen die Lehren des Spinoza verkünden und erklären:*
— zur Kabbala: Jacobi, „Ueber d. L. d. wSpin. 14. 22. 34fi;.
171; Buddeus, ,,Histor. philos. Ebr. (Halle 1720) p. 3.ss:
,, Unschuld. Nachr!* (1707) (S. 331); Berger ,,Cabbalismus'judaio>-
christianus** (Wittenb. 1707); Wächter, Sp. im Judenth. III. 20
26 fg. 34. 69. 245; Herder „Gott'^^ g 221 fg.; Pollock 101.
Serv. de Rooijen, l'Inventaire p. 213; Joel, ,,Theol. pol. Trakt.
S. XI; Schaarschmidt, ,, Körte Verhandeling'' (18o9) praet.
S.25— 28; Reimmann, ,, Versuch einer Einleitung** (1717) S. ^37.
Senior Sachs in ,,Kerem Chemed'* (hebr.) \'III.
— zu Jakob Böhme: Herwech „Tract. quo atheismum fana-
ticismi sive Böhmii naturalismum et Spinozismum. . .'* (170"'
§XXII. XX\'I. („Hinc -pcoiov '}c'j5oq Atheismi: Natura est Deus**
XXVIII; H. Morus, „Censura philos. Teutonicae*' q. I § XI
359
sq. t. I. opp. phil. p. 588. 619; Strauss, Glbsl. I S. 308; Volkelt
S. 88; Hoffmann in d. Vorr. zu Baaders Werken.
Zur Kritik des Substanzbegriffes bei Spinoza vgl. u. a. :
Cousin, Cours de Phil. II p. 6: Linde, Die Lehre Spin.s S. 24;
Orelli S. 36.
— der Attributenlehre: Trendelenburg, Sp.sGrundged. S. 18;
Herder, „Gott" - S. 145; Danzel „Goethes Spin.mus" S. 85;
Dühring „Krit. Gesch:* 288 f. 293: Michelet „Gesch. d. n.
Philt' S. 17; Orelli S. 40.
— der Unsterblichkeitslehre: Trendelenburg „Grundgedanke"
S. 56; Orelli S. 138. 142.^)
— des Gottesbegriffes: Jacobi, „Ueber d. Lehre des Sp"
S. 15. 17. 21. 34. 36; Trendelenburg „Grdgd." S. 23; Herder
„Gott^* 171. 173. 193; — Strauss, Glbsl. I 507 Anm. 18;
Conz S. LXXI; Schlüter S. 18; — Dühring, ,,Kr. Gesch."
S. 294; Goethe „Gespr. mit Eckermann" II S. 289.
— der Psychologie: Jacobi, „D. Hume" 163; Trendelenburg
„Grdged." 44. 57; Pollock, S. 216.
J
Beiträge zur Spinoza-Bibliographie.
A.
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Abbt 94.
Acosta 50.
Ahlwardt 82.
Ancillon 325.
Andala 32, 293, 294.
Annet 49, 305.
Anton 86.
Anzengruber, Ludwig 27Q.
d'Argens 302.
Aristoteles 4, 61, 69, 72, 89, 274, 280,
281, 298, 349.
Arnold 71.
Arletius 86.
Ascher 145, 329.
Ast 341.
Auberlen 316.
Auerbach, Berth. 168, 169, 170, 171,
172, 217, 275, 285, 327, 332, 333,
334.
Auerbach, Jacob 332, 333.
Augustin 75, 179.
Avenarius 333, 334.
B.
Baader, Fr. V. 149, 187,212,213, 214,
326, 341. 359.
Bacharach 287.
Bachstrohm 66.
Barth 343.
Bartholdy 357.
Bastian 348.
Bauer 70, 232, 237, 293, 295, 308, 343.
Bauerheim 188.
Baumann 274, 355, 358.
Baumgarten 58, 295, 300.
Baur 150, 186.
Balthasar 81, 82.
Baussire 313.
Bavante 85.
Bayle. 19, 21, 22, 23, 47, 51, 55, 65,
67. 89, 93, 94, 98, 117, 150, 284,
286, 287, 289, 290, 302.
Beer 332.
Bekker 29, 47, 48, 66, 293.
Bender 275, 276.
Berendt, 348.
Berger 338.
Bergmann 333.
Bertram 302.
Berkele}' 76.
Berleburg 68.
Bemis 100.
Bettelheim 278.
Beverland 50.
Bewer 349.
Beyer 175.
Biedermann 113, 259, 294, 297, 308,
313, 314, 325, 326, 333.
Bilfinger 299.
Bismarck 349.
Blasche 209.
Bleek-Wellhausen 239.
Bluntschli 146, 220.
Blyenbergh v. 47.
Boas 127.
Bodemann 93, 94.
Böhme 21, 50, 148, 162, 187, 189,
213, 230, 233, 287, 350.
Boerhave 59, 303.
Boileau 304.
Boineburg 295.
Du Bois-Reymond 60.
Bockshammer 341.
Bolin 235, 279, 354.
Bolingbroke 234.
Bonnet 108.
24*
372
Börne 204, 221.
Bouillier 85, 335, 358.
Boulainvülier 22, 142, 285.
Bourguet 32, 23.
Bouterwek 143, 328.
Brandes 348.
Braniss 179.
Brasch 351.
Braunschweig, Herzog v. 151.
Bredenburg, v., 22, 47, 84.
Brockes 310, 311.
Brucker 55, 299, 348.
Bruder 240, 345.
Bruno 50, 124, 148, 248, 249, 274,
282, 305, 357.
Brunhofer 357.
Buddeus 47, 55, 58, 59, 71, 298, 299,
358.
Bulow 166.
Busch 47, 349.
Büschinger 300.
c.
Calow 50, 95.
Campe 166.
Cameri, v. 271, 272.
Carpzow 291.
Cartesius 4, 18, 19, 20, 32, 34, 36,
58, 59, 68, 69, 88, 93, 144. 154,
162, 190, 234, 246, 251, 274, 289,
300, 303, 306, 335, 357, 358.
Cartesisch 116.
Cartesianisch 20, 94, 130, 232, 270,
273, 320.
Cartesianismus 20, 59, 231, 250, 251.
Carus 208, 341.
Castelar 217.
Caspari 67, 68, 328, 339.
Chalybacus 188, 239.
Chevreau 289.
Clarke 85.
Clauberg 59, 302.
Claudius 103, 122, 317, 321.
Clericus (Ledere) 26, 128, 234.
Colerus (Köhler) 22, 25, 51, 52, 87,
144, 249, 290, 291, 292, 296.
CondiUac 295, 320.
Conz 34, 128, 129, 145, 327, 359.
Cornill 273.
Cousin 181, 285, 358, 359.
Crevenna 292.
Crom well 217.
Cudworth 140.
Cuffeler 284.
Cuper 72, 284.
Cuvier 246.
Czolbe 355.
D.
-o,
i <.
Dahn 279, 280, 281.
Dalberg, Freih., v. 151, 358.
Damian 285.
Dante 161.
Danzel 87, 88, 111, 123, 124, 1
243, 313, 326, 327, 347, 348.
Danzel (-Guhrauer) 308, 313.
Daub 232. 343.
Daumer 239, 344.
Darwin 234, 246, 259, 268, 269.
Darwinismus 317.
Darwinistisch 352.
Delbrück 179. 336.
Descartes s. Cartesius.
Democritus s. Dippel.
Deurhoff 300.
DeyUng 48.
Diestel 146, 185, 315.
Dieterich 243, 244, 276, 277, 278.
Dilthey 178, 181, 334, 336, 355.
Dippel 47, 58, 66, 67, 68, 69, 70,
I 87, 90, 204, 285, 307.
Dorit 293.
Domer 70, 71, 73, 326, 335.
Driessen 59.
Drobisch 188, 243, 244, 339, 347.
Dunckel 294.
Düring 190, 346, 349, 356, 379.
Dürr 290.
£.
Eckermann 9, 59.
Edelmann 46, 70, 71, 72, 73, 75, TT.
78, 79, 80, 81, 83, 139, 144, 1T>,
233, 234, 246, 300, 303, 305, 30^^.
309, 310 311, 312, 314.
Eck 233.
Elster 308.
Ende van den 87.
Engels 59, 105, 315, 344.
Enkelmann 303.
Epikur 283.
Epiphanius 69.
Erdmann 34, 35, 188, 223, 230, -41.
243, 244, 247, 285, 329, 357.
Erhart 309.
Eschenmayer 208, 341.
Eucken 35, 274, 326, 348, 351, 35
Ewald 41, 144, 145, 146, 217, 32^.
373
F.
Fabricius 289.
Faickenberg 190, 314, 348, 353, 357.
Falk 327.
Fechner 261, 334.
Fenelon 142.
Fessler 139, 140, 144.
Feuerbach, Lud. 150, 166. 174, 176,
218, 224, 279, 343, 344, 347. 354.
Feuerlein 357.
Fichte 17, 34, 109, 123, 138, 153, 154,
155, 157, 158, 159, 160, 161, 163.
164, 165. 166, 182, 183, 186, 187,
189, 190, 191, 201, 202, 203, 205,
206, 211, 213, 214, 221, 229, 239,
240. 242, 244, 250, 253, 259, 296,
313, 329, 330, 340, 342, 343, 344,
350, 352, 358.
Fink 221.
Fischer, Christ. Gabr. 63, 64, 65, 67,
80, 306.
Fischer, C. P. 240, 344.
Fischer, Kuno 35, 36, 124, 231, 232,
239, 252, 279, 325, 327, 329, 333,
342, 350.
Fischhaber 156.
Fleck 185, 188, 223, 337.
Forsberg 85.
Forster 104. 321, 324.
Fortlage 330.
Franck 32, 44. 151, 152, 337.
Francke. Herrn. Aug. 1 1 1. 1 12, 291, 316,
322, 325, 326, 328, 329, 330, 358.
Fränkel, Dav. 168.
Frauenstädt 248, 250, 349.
Fresenius 312.
Friedländer, Dav. 151, 349.
Friedrich d. Gr. 44, 66, 78, 85, 149.
Fries 165.
Füller 291.
G.
Gans 344.
Gass 339.
Gassendi 42. 43.
Garve 102, 107, 324, 326.
Gebhardi 66, 307.
Geiger, Laz. 353.
Geiger (-Noire) 261, 268, 269, 270.
Gellinek s. Jellinek.
Geizer 318, 330.
Gerhardt 30, 293.
Gervinus 70, 127, 308, 312, 317, 320,
323, 324, 326.
Gfrörer 211.
Gigas 290.
Ginsberg 86, 293.
Glaser 285.
Gleim 89, 113, 3U>.
Glisson 248.
Goedeke 127.
Goethe 9, 85, 87, 92, 99, 101, 102,
106, 109, 111, 112. 113. 115, 116,
117, 118, 119, 120, 122, 123, 124,
125, 126, 133, 134, 135, 138, 161,
163, 167, 168, 169, 172, 177, 182,
189, 196, 203, 205, 208, 218, 221,
234, 245, 275, 281, 283, 303, 305.
312, 313, 314, 315, 317, 319, 320,
324, 325, 32ö, 327, 332, 335, 340,
348, 359.
Goetze 77, 316.
Görres 232. 342, 343.
Göschel 232, 342, 343.
Gotha, August v. 303.
Gottlieb 79.
Gottsched 58, 301, 311.
Gottschall 221, 328. 334, 33*^.
Grätz 288, 337.
Gravensande 276, 280, 284.
Graevius 293.
Gregor von Nazianz 61.
Greifenkrantz 27, 29.
Grillparzer 13, 278.
Grimm 175.
Groeben, Ludw. v. d. 364.
Gronow 51, 287, 290, 293.
Grotius 43, 221, 310, 338.
Grumbkow 303.
Grunwald 285.
Guhrauer 86, 87, 286, 326.
Guenther 211, 212, 328, 354.
Guion 323.
Gumposch 284, 290, 291, 293, 294,
299, 308, 324, 325, 328, 331, 341,
343. 346.
Gutzkow 331.
H.
Hach 292.
Hagen 111, 230.
Hahn 358.
Hahnenfeld 286.
Hack 79 310.
Haeckel 261, 268, 347, 348, 353.
Haendel 303.
Haevemick 339.
Haller 127.
Hamann 98, 103, 105, 133, 134, 135,
316, 318, 319, 320.
374
Hanne 239, 344.
Harenberg, St. 78, 309, 31 L
Harms 111, 314.
Hartenstein 170, 11^6, 187, 346, 349.
Hartmann v. 35, 251, 253, 254, 255,
256. 257, 258, 268, 343, 344, 347,
360. 351, 353.
Hase 179.
Haug 127.
Haym 112, 113, 132, 183, 189, 202,
326, 331, 336, 340, 350.
Hehler 313.
Hegel 2, 4, 92, 106, 112, 133, 142,
149, 155, 166, 174, 180, 181, 188,
190, 191, 194, 203, 204. 212, 213,
214, 215, 221, 222, 223, 224, 225,
227, 228, 229, 230, 232, 233, 235,
236, 237, 238, 240, 244, 246, 247,
251, 252, 253, 255, 259, 264, 267,
271, 278, 280, 285, 315, 340, 343,
344, 350, 352.
Hegelianismus 230, 243, 245, 350.
Hegelianisch 237.
Heidenreich 33, 143, 145, 298, 329.
Heine, H. 86, 150, 166, 167, 188, 281,
327, 313.
Heinze 333, 334.
Heisch 323.
Hellinghaus 321.
Helmholtz 333, 340.
Hemsterhuis 105, 121, 321.
Henrici 301.
Helfferich 34, 35, 185, 297, 337, 342.
Helvetius 139.
Helmont, van 284.
Herbart 17, 155, 180, 185, 186, 187,
202, 221, 239, 240, 241, 242, 243,
244, 275, 276, 283, 320, 330, 346,
347, 349.
Herbert 26, 34.
Herder 17. 33, 44, 87, 101, 102, 104,
105, 107, 109, 110, 111, 112, 113,
115, 116, 117, 118, 119, 120, 122,
123, 125, 129, 130, 135, 139, 140,
182, 189, 190, 203, 221, 290, 305,
313, 316, 319, .S21, 322, 325, 326,
327, 328, 350, 358, 359.
Hermann, Georg Fr. 310.
Herrmann, Conr, 185, 344, 337, 370.
Herz 135.
Hess 237.
Hettner 70, 71, 111, 112, 113, 125,
132, 189, 279, 285, 295, 297, 300,
301, 304, 307, 308, 313, 314, 318,
320, 322, 326, 327, 328, 329.
Heumann 50, 239,
Heussler 348,
Heyd 88.
Hillcbrand, Jos. 232, 343.
Hinrich 188, 219, 339.
Hippel 103, 134, 135, 319.
Hissmann 50, 285.
Hobbes 146, 152, 213, 219, 220, 274,
339, 358.
Hoffmann 166, 187, 188, 213, 326, 359.
i Hölderlin 133, 172,190,221,272.338.
; Hollaz 311.
: Hollmann 86.
' Holtei 177.
Homer 161.
Höpfner 118.
Hoppe.
Horch 50, 302.
Hörn 146, 219.
Hosü 290.
Houtuyn 50.
Huber, Joh. 211.
Hubert 308.
Hudde 88.
Humboldt, A. v. 208.
Humboldt, W. v. 132.
Hume, Dav. 44, 142, 305, 358, 35'l.
Hupfeld 338.
Huygens 30, 31, 85.
J.
Jacobi 17, 33, 34, 73, 86, 89, 90, ^-l,
96, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 10^
104, 105, 106. 107, 108, 109, I iO.
112, 113, 114, 115, 116, 118, 11^,
120, 123, 129, 133, 134, 135, 14..'.
143, 144, 154, 157, 179, 182, ISo,
187, 188, 193, 197, 202. 203, 2(»,
208, 217, 218, 219, 221, 330, Xi'\
241, 242, 244, 290, 312, 313, 31%
316, 321, 322, 324, 325. 32ö, 327.
328, 330, 342, 343, 357, 358, 3'i9.
Jäger 47, 301.
Jaehns 333.
Jahn 294.
Jakob 103, 13v5.
de Jariges.
Janet 348.
Jäsche 154, 188, 243, 244, 325, 3JV.
330, 339, 346, 347, 357, 358.
Ibn Esra 300.
Jean Paul 105, 113, 322, 326.
Jellinek 44, 349.
Jenichen 47.
Jenisch 316.
376
Jerusalem 89, 91, 92, 315.
Ilgen 338.
Immermann 177.
Jöchert 302.
Jodl 35, 155, 187, 190,215,224, 294,
329, 330, 339, 341, 356.
Joel 231, 232, 357.
Johnson 355.
Jonas 180, 335.
Joseph II 139.
K.
Kahler 51, 293, 296.
Kant 4, 58, 68, 85, 90, 96, 102, 103,
107, 109, 117, 121, 122, 125, 127,
133, 134, 135, 136, 137. 138, 139,
140, 142, 143, 144, 146. 149. 150,
151, 153, 155, 156, 157, 158, 172,
182 183, 186, 187, 192, 194. 200,
. 204, 207, 221, 224, 232, 242, 245,
248, 250, 267, 270, 313, 314, 316,
318, 319, 321, 328. 330, 333, 335,
347, 349.
Kantianismus 128, 133, 335.
Kantisch 143, 144, 152, 155, 156, 182,
196, 206, 231, 278, 322.
Karl Ludw. v. d. Pfalz 13, 20, 89.
Kaufmann 357.
Kaulbach 332.
Kayserling 315.
Kehrbach 186, 346.
Kerckring 28.
Kestner 117, 314, 324.
Kettner 291.
Klefmann 30.
Klein 209, 210, 270.
Klemm 78, 310.
Klopstock 127.
Klose 303.
Klüpfel 346.
Knauer 350.
Knebel 118.
Knuzen 39, 61, 67, 73, 300.
Koberstein 327.
Kochius 303.
Kögel 282.
König 348.
Körner 129, 130, 132, 327.
Kortholt 26, 27,36,48,51,55,67,291.
Krakauer 302.
Kraus 103, 134, 135, 243, 316j 328, 357.
Krause 149. 214, 215. 217, 267.
Krug 143.
Kuffeier 22.
, Kuhn 325, 357, 358.
, Küster 294.
L.
Lachmann 313.-
Lamarck 269.
. Umettrie de (de la Mettrie) 303, 314.
; Landbeck 310.
I Lange, Joh. Joach. 33, 54, 154, 246,
297, 298, 351, 355.
Lanzky 349.
Lassalle 150, 259, 344.
Lasswitz 348.
Lau 60, 61, 62, 63, 67, 144. 246, 303,
304, 305.
Laube 204, 217.
Lauckhard 06, 294, 307.
Lavater 101, 102. 105, 106, 109, 110,
125, 134, 166, 322, 323, 326.
Lazarus 333.
Leenhof 284, 300.
Lehmans ,357.
Leibniz 28, 30, 32. 33, 34, 35, 36,
37, 38, 39, 45, 58, 59, 76, 85, 86,
87, 88. 89, 90, 92, 93, 94. 97, 104,
106, 109, 111, 112, 113, 114, 116,
117, 121. 127, 128, 130, 142, 155,
162, 181, 182, 185, 190, 195, 194,
195, 196, 199, 203, 232, 239, 242,
243, 248, 249, 251, 254, 255, 256,
258, 262, 267, 270, 274. 280, 284,
287, 289, 290, 291, 293, 294, 298,
301, 302, 305, 306, 314, 320, 335,
343, 347, 349, 351, 352, 358,
\ Leibnizisch 117, 142, 153, 195.
Leibnizianisch 94, 190.
Leibnizianismus 35, 199, 215.
Uibniz (-Wolff) 4, 33, 54, 58, 66, 71,
180, 233, 240.
Lenau 3, 172, 173.
Lesage 323.
Lescinsky 300.
Lessing 33, 73, 77, 78, 83, 86, 87, 88,
89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97,
98. 99, 100, 101, 104, 109, 110, 112,
114, 116, 120, 121, 129, 134, 141,
190, 203, 206, 218, 275, 286. 305,
308, 313, 314, 315, 316, 317, 319,
324, 326, ,342, 347, 350.
Lichtenberg 149, 203, 261, 317, 323.
Liebner 357.
Linde, v. d. 284, 285, 312, 328, 348,
349, 357, 359.
Lindner 258.
Linne 126.
376
Locke 19, 2o, 49, 249, 302, 305.
Loen 66.
Löscher 50.
Lossius 143, 328.
Lotze 276, 328, 339. •
Löwe 211.
Löwenheim 287.
Ludovici 296.
Luecke 180, 343.
Lukas 51.
l:\ither 295.
M.
Macchiavell 146, 213.
Malebranche 21, 37. 42, 64, 141, 156,
225, 248, 251. 274, 285,301,306, 334^
Ma:mon 33, 34, 141, 142, 186, 227,
285, 328.
Maimonides (Maimuni) 300, 357.
Maltzahn 314.
Mansfelt 26.
Manteuffel. Graf v. 54, th, 297, 307.
Marbach 331.
Marheineke 230.
Marseveen 288.
Martineau 285, 347.
Marx. Karl 2, 259, 343, 344.
May 309.
Mayen 66, 306.
Mayer, Rob. 259, 269.
Mavr, Rieh. 356.
Meinsma 286, 288, 293.
Melanchton 336.
Melchior 293.
Mendel, Dav. 163.
Mendelssohn 33, 34, 44, 83, 85, 86,
87, 88, 89, 91, 92, 93, 94, 95, 96,
97, 9S, 99, 100, 101, 102, 103, 104,
105, 107, 109, 110, 114. 116, 118,
:2m, 121, 122, 123, 133, 134, 135,
136, 139, 140, 141, 142, 144, 252,
S'v'8, 313, 314, 315, 316, 317, 318,
.SI9, 32iJ, 321, 324, 329.
Mercks 118.
.Meyer,Ludw. 29, 98, 173, 291, 301, 316.
McjT, Melchior 175.
Michaelis, J. D. 88.
Michelet 34, 154, 181, 188, 231, 330,
331, 335, 359.
Minckwitz 204.
Mönckeberg 3»X>, 349.
Moser 327.
Moleschott 272, 349, 354.
Mohtor 341.
Montaigne 283.
Morbach .331.
Morgan 49, 305.
Morgenstern 308,
, Moritz 104, 165, 321.
Mücke 181.
MüUer, Job. v. 98, 104, 105, 261, 2oS.
272, 321, 358.
Munck 332.
Murr V. 327.
Musaeus 17, 25, 40.
; Mylius 295.
N.
Neumeister, Erd. 306.
Newton 31, 152, 273, 278.
Nicolai 102.
Niedner 290.
Nietzsche 172, 237, 281, 282, 283.
Nippold 181.
Noire 269, 270, 275.
I Nolcn 261, 348, .^54.
Novalis 1 7, 65, 66, 76, 89. 159, 1' ^.
166, 262, 329.
- Nounsson 348.
o.
■ Oescr 151.
' Oettingen 181, 260- 336, 337, 351, 35c.
: Oischinger 188, 358.
I Okcn 245, 261, 262.
Oldenburg 28, 29, 30 293.
Opitz 146, 357.
I OreUi 35, 188, 229, 230, 237. 238, 24.,
337, 339, 344, 345, 346, 347, 358, :ViO.
Pappelbaum 151.
Paracelsus 125.
Parmenides 298.
Pascal 108, 283.
Pauli 50, 295.
Paulsen 355.
Paulus 27, 144, 146. 150, 151, lb\
221, 233, 239, 340.
Petzold 286.
Pcyrerc, la 24, 41, 339.
Pfilzner 190.
Pneiderer 36, 87, 111, 112, 125, l>.
155, 182, 190, 215. 224, 231. 2M,
235, 297. 305, 314, 325. 32«n il'.
328, 330, 331, 335, 337. 341. 34:.
»54«iJ, 0'*rTf <34vl, o^V, »i>0 1 . <39«f«
Philippson, Ludw. 168, 332.
Pinelli (Benignus) 72.
Pinto 288.
377
Platen 94, 204.
Platner 33, 107, 316, 325, 328.
Plato 4, 50, 150, 158, 162, 180, 183,
186, 196, 218, 242, 274, 283, 298,
344, 346, 349.
Plotin 4, 298.
Ploucquet 58.
Poiret 21, 55, 117, 140, 288.
Polignac 295.
Pollock 155, 285, 294. 333, 347, 357,
358 359.
Prantl'v. 279, 280, 306, 333.
Prat 286.
Pratje 83, 309. 311.
Pü;iier 70, 288, 291, 295, 308, 336,
354, 357.
Pufendorf 43.
Putlitz 177.
<2uistorp 50, 291.
R.
Ruhel 163.
Ramberg 110.
Raphson 297.
Rappolt 24.
Raumer v. 164.
Reclam 237.
Regenbogen 240.
Rehberg 106, 107, 144, 145, 324.
Reichenau v. 270. 271.
Reiff 343.
Reimmann 299, 358.
Reimarus, Dr. 78, 99, 100, 101, 299,
300. 314, 315, 316, 351.
Reimarus, Elise 90, 94, 98, 100, 102.
317.
Reinhold 157, 158, 166.
Reinwald 132.
Reinwolle 80.
Reiske 313.
Relav 343, 358.
Renan 333.
Renz 221.
Richter, Fr. W. 232, 311, 343.
Riedel 293, 301.
Ring 144, 151.
Ritter 87, 181, 189, 230, 284, 285,
313, 334, 346.
Rittner 358.
Riuwerts 287.
Kixner 208, 285, 293, 340, 341, 357.
Foellius 284.
Fössler 343.
Rohmer 175, 176, 210, 211.
Rooijen 289, 357, 358.
Romang 184, 243, 336, 346.
Roppon 300.
Rosenkrontz 133, 136, 180, 204, 211,
223, 230, 328.
Rothe 181, 184, 318, 337.
Rousseau 108, 283, 313.
Rückert 174, 175, 176.
Rüge 150, 315.
s.
Sachs, Senior 358.
Sachsen-Coburg'Gotha, Herzog v. 151.
Salinger 346.
Saintes 34. 285.
Saisset 240, 285, 295, 331, 345.
Sack 178.
Sarchi 358.
Saubert 50, 295.
Schad 157, 331.
Schaden E. A. v. 239, 344.
Schaarschmidt 88, 111, 124, 154, 155,
189, 223, 313, 328, 329, 330, 333,
342, 356, 358.
Schaller 348.
Schefer 176.
Schelling 4, 86, 87, 109, 112, 123, 124,
125, 133, 138, 149, 155, 157, 158,
159, 160, 168, 164, 165, 167, 182,
184, 185, 186, 187, 188, 189, l'X).
191, 192, 193, 194, 196, 197. 198,
199, 200, 201, 202, 203, 204, 205,
207, 208, 209, 210, 211, 212. 213,
214, 215, 221, 224, 225, 229, 23«,
239, 242, 244, 246, 247, 252, 253,
255, 259, 261, 262, 264, 267, 313,
316, 325, 327, 339, 340, 346, 348,
350.
Schiller 99, 112, 126, 127, 128, 129,
130, 131, 132, 133, 138, 218, 221,
273, 305, 312, 327, 355.
Schlegel, Fr. 33, 86, 159, 160, 161,
162, 163, 165, 183, 204.
Schlegel, Dor. 162.
Schleicher 268, 353.
Schieiden 259, 348.
Schleiermacher 4, 17, 26, 149, 151,
160, 163, 178, 179, 180, 181, 182,
183, 184, 185, 186, 210, 213, 221,
230, 232, 234, 238, 242, 243, 267,
284, 290, 324, 326, 329, 334, 335,
339, 351.
Schleussing 50.
Schlottmann 181.
378
Schlüter 86, 123, 127, 180, 188,
214, 221, 222, 312, 320, 322,
326, 327, 330, 335, 339, 341,
359.
Schmidt, Kaspar 237.
Schmidt, Jul. 154, 157^ 181, 182,
189, 290, i293, 294, 297, 312,
325, 326, 327, 329. 330, 331,
334, 335, 339, 340, 347, 348.
Schmidt, E. 284.
Schmidt, P. 155, 335, 346, 347,
358.
Scholastik 15.
Scholl 118, 124. •
Schopenhauer 37, 239, 247, 248,
250, 251, 252 253, 258, 269,
276, 283, 347, 349, 350.
Schubert 50, 341.
Schudt 295.
Schuhmacher 80.
Schuller 28, 31.
Schultz 287.
Schulz, J. H. 320, 321.
Schulze, G. E. 349.
Schulze V. Delitzsch 259, 260.
Schurz 172, 173, 174.
Schwab 158.
Schwager 29.
Schwann 259.
Schwarz 86, 87, 179, 189, 230,
314, 330, 339, 343, 344.
Schwegler 330, 358.
Scullelus, Albrecht 286.
Secretan 348.
Seckendorf, v. 295.
Semler 233, 300.
Sengler 239, 344.
Seylert 301.
Shaftesbury 49, 112, 113, 114, 116,
Shakespeare 85, 126, 205, 333.
Siebeck 345.
Siegfried 146, 185, 338.
Sigwart 146, 181, 201, 219, 333,
Simon, R. 234, 338.
Simon, St. 259,
Sincerus 309.
Solding.
Solger 164.
Sommer 355.
Sophie Charlotte, Königin, 293.
Spalding 233.
Spencer 275, 302.
Spener 323.
Speeth (Mose Gerraanus) 44, 45,
2%.
213,
325,
347,
184,
324,
333,
348,
249,
270,
313,
305.
345.
288,
Spielhagen 279.
Spillecke 151, 330.
Spinoza 1, 83, 34, 35, 36, 38, 40, 41,
42, 43, 44, 45, 49, 50, 6.=>, 66, 67,
68, 69, 70, 71, 72, 73, 77, 78, 79,
80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88,
89, 90, 92, 93, 94, 95, 97, 98, 99.
101, 102, 103. 105, 106, 107, 108,
109, HO, 112, 113, 114, 115, 116,
117, 118, 119,' 120. 121, 122, 123,
124, 125, 126, 127, 128, 129, 130,
131, 132, 145, 146, 148, 150, 151,
152, 153, 154, 155, 156, 157, 115,
159, 160, 161, 162, 163, 164, 165,
166, 167, 168, 169, 170, 172, 173,
174, 175, 177, 178, 179, 180, 181,
182, 183, 184, 185, 186, 187, 188,
190, 191, 192, 193, 194, 195. 19o,
197, 199, 200, 201, 202, 203, 204,
205, 206, 208, 209, 210, 211, 212,
213, 214, 215, 216, 217, 218, 219,
220, 221, 222, 223, 225, 226, 227.
228, 229, 230 u. s.
Spinozismus 1, 34, 35, 36, 38, 39. 41,
42, 46, 53, 66, 67, 70, 71, 73, 78,
83, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 94,
95, 96, 97, 98, 99, 100, 109, 105.
106, 108, 109, 111, 112, 113, 115,
116, 117, 118, 119, 120, 124, 124,
126, 128, 129, 130, 131, 133, 134,
143,
159,
179,
187,
198,
148
160
180
188
199
212, 215
226, 227
239, 240
247. 248
262, 263
281, 283
301, 302
318, 319
335, 336
150, 152, 153, 154, 157,
164, 166, 167, 170, 178.
181, 182, 183, 185. 187,
189, 190, 193, 196, 197.
200, 201, 202, 203, 2»>9.
221, 222, 323, 224, 225.
228, 230, 232, 233. 238.
241, 242, 243, 244, 246,
252. 253, 254, 255, 257,
267, 271, 272, 274, 275.
284, 285, 294, 297, 298.
312, 313, 314, 315, 31^.
320, 321, 325, 327, 329,
337, 343, 344, 345, 346,
355.
(Krypto-)Spinozismus 51.
(Neo-)Spinozismus 86.
Spinozisch 111, 127, 132, 154, 153,
165, 182, 184, 187, 188, 190, 194,
198, 199, 200, 208, 217, 225, 22b.
236, 240, 253. 255, 287, 312, 3:J5,
336, 346.
Spinozisüsch 3, 39, 90, 114, 123, 126.
131, 139, 142, 143, 144, 149, 155.
156, 160, 171, 174, 179, 180. 18!
379
19], 199, 203, 206, 209, 221, 225,
226, 227, 228, 230, 233, 240, 242,
247, 248, 263, 264, 273, 274, 275,
286, 324, 332, 336, 334, 348.
Spitzel 26.
Staahlkopf 291.
Stahl 181, 341.
Stahr 218, 342.
Stäudlin 346.
Steffens, 163, 204, 207, 208, 341.
Stegmann 151.
Stein, Frau v. 122, 326.
Stein, L. 36, 284, 285, 314, 330, 358.
Stern 279.
Stirner 150, 174, 237.
Stewart 295.
Stoa 209.
Stolberg, Graf zu 104, 321.
Stolle 286, 287, 292. 296.
Stosch 41, 42, 43, 60. 61, 294, 295,
328.
Stöckl, 156, 223, 331, 336, 339,342,349.
Strato 298.
Strauss, D. Fr. 34, 70, 150, 154, 180,
181, 182, 190, 222, 232, 234, 235,
299, 308, 330, 332, 335, 343, 348,
350, 359.
Strodtmann 313.
Sturm 141.
Suphan 125.
Swedenborg 328.
Sybel V. 333.
T.
Teller 311.
Tennemann 31, 152, 153, 284, 285,
293, 297, 312.
Texere 287.
Tidema 292.
Tieck 154, 166, 177, 330.
Thilo, Chr. A. 347.
Tholuck 23, 42, 70, 71, 284, 285, 286,
289, 291, 300, 302, 308. 313.
Thomas 230, 243, 347. 358.
Thomasius 24, 27, 28, 42, 47, 51,
292, 295, 303, 311.
Töllner 58, 300, 308.
Toland 47, 293.
Trendelenburg 35, 222, 244, 245, 260,
342, 348, 357, 359.
Trinius 42, 284, 285, 290, 293, 295,
301, 304, 306, 307, 308.
Troxler 341.
Tschirnhausen 22, 28, 30, 32, 53, 293.
Twester 179.
u.
Ueberweg 87, 128, 131, 261, 267, 273,
274, 285, 327, 355.
Ueberweg (-Heintze) 31, 264, 284, 285,
352, 357.
Uffenbach 294.
Uffeln, Joh. Am. v. 288.
Using 79.
Ulrici 34, 239, 240. 261, 285, 303, 345.
V.
Varnhagen 163.
Vatke 232, 343.
Viehofif 327.
Virchow 259, 261. 349.
Vischer 344.
Vloten van 35, 290, 293, 346.
Vloten (und Land) 30, 333.
Voetius 27.
Vogt, Joh. 272, 303.
Voigtländer 185, 295, 338.
Volkelt 223, 243, 346, 347, 358, 359.
Voltaire 47, 77, 93, 125, 150, 168,
234, 295, 302, 303.
Voss 321.
Vries de 288.
w.
Wächter, Joh. Georg 44, 45, 55, 115,
284, 291, 295, 298, 320, 357, 358.
Wagner 4, 77.
Wallenrod 30.
Weidner 50.
Weise, Chr. 42, 355.
Weisse 107, 181, 239, 244, 267, 324,
335.
Weissenborn 181, 336.
Werder 298.
Werther 324.
Werner, Zach. 330.
Wetzel 291.
Wideburg, J. B. 296.
Wieland 103, 122, 317.
Wilm 181.
Winckelmann 164.
Windelband 295, 313, 345, 357.
Windischraann 208, 340, 341.
Wissmann 307.
Witt Jan de 284.
Witte 87, 113, 288, 314, 326.
Wittich 21, 22, 59, 63, 288, 290, 302.
Wizenmann 101, 103, 316, 319, 322.
Wolff (-Uffenbach) 286, 291, 296.
Wolff, J. Ch. 18, 33, 38, 53, 54, 55,
59, 63, 77, 81, 93, 95, 101, 117,
880
121, 142, 146, 230, 289, 291, 297,
299, 302, 306, 308, 358.
Wolffianismus 66.
Wolzogen 132.
Wundt, Wilh. 156, 203, 224, 261, 264,
265, 267, 276, 331, 348, 354.
Wüstemann 316.
Wuttke 30, 297.
X.
Xenophancs 298.
Z.
Zedier 302.
Zeitsch 239.
ZeUer35, 87, 155, 182, 231, 253, 290,
314, 333, 343, 358.
Zelter 125.
Zimmermann 87, 243, 318, 347.
Zinzendorf 166, 323.
Zirngiebl 315.
ZoUikofer 107, 324.
J. S. PreuM, Berlin W., Leiprigreratrasse 81/32.
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NJ
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SEP 1 8 W4